Klima als Herausforderung für eine komplexe und strategische

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Klima als Herausforderung für eine
komplexe und strategische Planung
Forum 4 A: Klimagerechtigkeit im ländlichen Raum
Prof. Dr. Jochen Hanisch (SRL)
Hamburg
Überblick
• „Planung“ zur Regulierung und Steuerung ist seit Mitte der 70er Jahre nicht
mehr modern – der Staat eigne sich nicht als Planungs- und Steuerungsinstanz, effizienter seien die freien Marktkräfte
• Die „globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat das Scheitern deregulierter
Marktmechanismen nachdrücklich demonstriert“ (WBGU 2011, S. 215)
und: … umweltpolitische Regulationen durch den Staat … sind unumgänglich
• Vorbeugung und Anpassung an die Folgen erfordern umfassende strategische und integrierte Planungskonzepte – entgegen dem
planungsfeindlichen Mainstream wird es ohne einen Paradigmenwechsel
nicht gehen
Leitthese: Uns fehlen heute die Konzepte, weil die Planungsskepsis immer
noch dominiert
Einleitung: Vom Aufbruch der Wissenschaften
Wer kennt nicht die berühmten Verszeilen zu Beginn des Faust-Dramas bei Goethe ?
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herumUnd sehe, daß wir nichts wissen können!
(…)
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
(…)
Faust ergibt sich der Magie, damit für ihn durch Geistes Kraft das
sicht- und erkennbar wird, was ihn interessiert:
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.
Faust strebt aus der alten Wissenschaft in einen neuen Wissenschaftstyp.
Wir wissen immer noch nicht, was die Welt im
Innersten zusammenhält
Heute wähnen wir uns, geprägt durch die modernen
Natur- und Technikwissenschaften sehr viel besser
informiert. Wesentliches Element unseres Handelns ist die
feste Überzeugung , für alle auftretenden Probleme und
Konflikte auch Lösungen anbieten zu können.
Sind wir aber wirklich wesentlich über das Stadium des Dr. Faust in seinem
Eingangsmonolog hinaus gekommen? Wissen wir, was die Welt im Inneren
zusammenhält?
Das Fortschrittsdilemma muss gelöst
werden
„Wachstum“ unter Profit- und Konkurrenzbedingungen
verändert jeden Naturzustand – mit der Gefahr der
Unverträglichkeit für den Menschen.
Der Klimawandel zeigt die Grenzen des Wachstums.
Aufgabe für die räumlich-ökologische Planung: Dazu
beitragen, dass der Ressourcenverbrauch gesenkt wird als Voraussetzung für die Begrenzung des Klimawandels.
Stichwort: Low Carbon Strategy
Blitzlichter aus der Praxis
1. Widersprüche um die 7. Fahrrinnenvertiefung der Elbe
2. Sindy über der amerikanischen Ostküste
Verkehr
und Schlick
Schlick muss ständig gebaggert werden
HA 29.10.12
Die Weltkonjunktur führt zu niedrigerem
Frachtaufkommen
HA 31.10.12
Widersprüche
Hamburger Abendblatt vom 10. November 2012
Der Streit ist voll entbrannt
Hamburger Abendblatt vom 31. Oktober 2012
Hamburger Abendblatt vom 3. November 2012
… notfalls werden die Arbeiter auf die
Straße geschickt…
BILD-Zeitung vom 10. November 2012
Jeder weiß seit Jahrzehnten über die Notwendigkeit eines Küsten-ZonenManagement-Plans…
Der Stürme wie Sandy werden
häufiger auftreten
Das Fortschrittsdilemma und die
Erderwärmung
Natürliche Erwärmung nach letzter Zwischeneiszeit vor
10.000 Jahren bis heute
o
o
=> ca. + 4 C = 0,04 C / 100 Jahre
Anthropogene Erwärmung seit Beginn der
Industrialisierung vor rd. 250 Jahren
o
o
=> ca. + 0,7 C = 0,28 C / 100 Jahre
Handlungszwänge…
Veränderte Wetterverhältnisse zwingen zur Anpassung
− Schutz vor Überflutungen, Sicherung vor Austrocknung
− Dämpfung von Hitzewellen, Sicherung von Kühlflächen
− Sicherung der land- und forstwirtschaftlichen Produktivität durch
klimaangepasste Pflanzen (Waldumbau)
Anpassung von Infrastruktureinrichtungen
− Wasserabfluss (Sielsysteme an Wassermengen anpassen)
− Siedlungsflächen hochwassersicher anlegen
− Verkehrswege auf Wetterextreme vorbereiten
Handlungszwänge…
Dem internationalen Konsens zur Reduktion von Treibhausgasen (THG) wird
überwiegend über marktwirtschaftliche und technologische Innovationen
gefolgt:
− Verbesserung von Wirkungsgraden (Kraftwerks-, Antriebs- und Wärmetechnologien)
− Verbesserung von Reinigungs- und Rückhaltetechnologien (z.B. CCS)
− Wärmedämmung bei Gebäuden zur Einsparung von Heizenergie
− Ökonomische Anreize über handelbare Emissionszertifikate
− Ökologisierung der Landwirtschaft
Die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) verweist auf Aufgaben der
Raumplanung
Beiträge der räumlich-ökologischen
Planung (MKRO)
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Handlungsschwerpunkte und Instrumente liegen in der quantitativen und der räumlichen Steuerung der
Siedlungsflächenentwicklung durch Festlegungen in den Regionalplänen wie beispielsweise
maximalmögliche Siedlungsflächeninanspruchnahme bzw. die gebietsscharfe Festlegung von
Siedlungszuwachsflächen.
Schaffung von Vorrang- und Eignungsgebieten für den Ausbau erneuerbarer Energien.
Räumliche Vorsorge für die effiziente Nutzung einheimischer Energieträger (womit Festlegungen zur
Kohleverstromung und Eignungsgebiete für CCS gemeint sind)
Festlegung von Vorranggebieten für Photovoltaikanlagen in Regionalplänen, während Vorranggebiete
für Windenergie weitgehend umgesetzt sind.
Erstellung und Unterstützung regionaler Energiekonzepte sowie räumliche Vorgaben für
Energietrassen.
Abstimmung der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung zur Senkung der CO2-Emissionen (Entwicklung
ÖPNV als Beitrag zur Senkung des MIV). Dazu müssten gegebenenfalls Infrastrukturkorridore neu
geschaffen bzw. ausgebaut werden.
(…)
Es muss ein Konzept für einen CO2-armen Freizeitverkehr entwickelt werden.
Überprüft werden sollten die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Siedlungs- und
Verkehrsstruktur unter Berücksichtigung des Klimawandels
Klimawandel / Wetter
Reaktionsmuster
Vorbeugung /
Mitigation
Weniger THG
Emission
Anpassung
Reduktion
Ressourcenverbrauch
Konsumverzicht/
Lebensstil
Technik
Landnutzung
Wasser
Deichbau
Retention
Boden
Luft
Erosionsschutz
Durchlüftung
Vegetation
Kühlflächen
Wärmeresistente
Arten
In der politischen Praxis dominieren Anpassungsplanungen
Komplexe und strategische Planung
Die Ursachen des Klimawandels haben einen eminent
großen räumlichen Bezug:
− Naturressourcen befinden sich „irgendwo“ im globalen
Naturraum verteilt: es gibt den Ort, wo sie gefunden
und entnommen werden. Dieser Vorgang hat
ökosystemare Folgen
− Produktion und Konsum von Gegenständen haben
immer auch einen geografischen Ort (-> Auto /
Verkehrswege / Flächen)
Raum- und Umweltplanung hätte die Aufgabe, Ressourcenentnahmen, -transporte,
Produktions- und Konsumtionsbedingungen so im Raum zu verteilen (zu organisieren),
dass dabei die direkten und indirekten Emissionen von Treibhausgasen minimiert
werden.
Das System der formellen Planungen
Für die räumlich-ökologische Planung gibt es eine Hierarchie von Planungsund Steuerungsinstrumenten – mit denen im Prinzip eine Planung
formuliert werden könnte, die auf Ressourceneinsparung ausgerichtet ist
Raumplanung
−
Landesplanung
−
Regionalplanung
Bauleitplanung
−
Flächennutzungsplan
−
Bebauungsplan
Landschaftsplanung
−
Landschaftsprogramm/-rahmenplanung
−
Landschafts- und Grünordnungsplanung
Gewässerplanung
−
Wasserrechtsrahmenrichtlinie (Flussgebietsausbau)
Raumordnungsgesetzbuch
… und weitere Vorschriften…
z.B. Bodenschutzgesetz, UVP-Gesetz
Baugesetzbuch
Bundesnaturschutzgesetz
Wasserhaushaltsgesetz
Ein Paradigmenwechsel ist nötig
− Die weitgehende Konzentration auf Anpassungsplanungen löst nicht das
Problem der wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel
− Die Ansätze zur Senkung von Treibhausgasemissionen richten sich
überwiegend auf die Erhöhung technischer Wirkungsgrade und auf den
Ersatz fossiler durch regenerative Energien
− Notwendig sind Ansätze zur absoluten Reduktion der globalen
Stoffumsätze
Stoff- und Energiebilanzen
− bei der Entnahme von Naturstoffen für Produktion und
Konsumtion
− in Veredelungs- und Verarbeitungsprozessen
− bei Transportvorgängen
− des Lebenszyklus eines Produktes (Konsumtionsphase)
− bei der Rezirkulation des „verbrauchten“ Produktes in den
Naturkreislauf
Alle Sektoren tragen zum Klimawandel bei
Sollen die Treibhausgasemissionen wirksam gesenkt werden,
bedarf es einer umfassenden,
integrierenden strategischen
räumlich-ökologischen Planung.
Die ersten theoretischen
Ansätze wurden vor vielen
Jahren publiziert. Es kommt
darauf an, so schnell wie
möglich daran anzuknüpfen.
Warum gibt es immer noch kein integriertes
Küstenzonenmanagement an der Nordsee?
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit
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