23.05.2015 Dr. Helmut Gross Fundierte Analysen eines früheren Diplomaten zur Europäischen Union (EU) und zum Horn von Afrika Kürzlich referierte Dr. Claas Knoop aus Bremen (der über ein Jurastudium mit Schwerpunkt Europarecht in den deutschen diplomatischen Dienst gelangt war und 2010 pensioniert wurde) bei der Europa-Union Vechta sachkundig und erfahrungsreich über aktuelle politische Aufgaben im Staatenbund EU. Die Welt ist derzeit nicht friedlich, konstatierte er, sondern voller kleiner und großer Krisenherde in vielen Teilen der Welt. Anfang der 1990er Jahre hatte man dagegen gedacht, dass nach dem Zusammenbruch des Sozialismus mit den USA als allein verbliebener Weltmacht nun eine stabile Weltordnung nach westlichen Werten errichtet werden könne. Diese Hoffnung zerbrach aber bald, durch die islamistischen Terroranschläge vom 11.09.2001 und die von den USA dann geführten Kriege in Afghanistan ab Ende 2001 und im Irak ab 2003. Seither gewinnen neben den USA andere Schwerpunktmächte an Kontur, China vor allem und das nationalistisch wieder erstarkte Russland, sowie zuvor schon die Europäische Union. Letztere hatte und hat aber, bei in-zwischen 28 Mitgliedern, noch immer Schwierigkeiten mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Denn dazu bedarf es der Einstimmigkeit. Anstrengungen dazu gibt es schon seit dem Vertrag von Maastricht von 1992 zwischen ihren damals 12 Mitgliedern. Schon früher, als es nur eine lose Europäische politische Zusammenarbeit (EPZ) gab, war es schwierig, zur Einstimmigkeit der Regierungen in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zu kommen, weil beide Bereiche Kernpunkte der nationalen Souveränität sind. Unter dem EU-Außenbeauftragten Solana wurde 2003 eine Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) erarbeitet und 2008 erweitert, mit einer Auflistung der aktuellen Bedrohungen der Menschheit von der Verbreitung von Atomwaffen bis zum Klimawandel und zur Cyberkriminalität. Der für die jetzt 28 EU-Mitglieder geltende Lissabon-Vertrag von 2009 sieht für politische Fragen weiterhin Einstimmigkeit vor. Sie ist bei der GASP schwierig zu erreichen, da z.B. die früheren Groß- und Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, das im 20. Jahrhundert zwei Mal militärisch besiegte Deutschland und die neutralen Staaten Österreich, Finnland und Schweden in ganz unterschiedlichen außen- und sicherheitspolitischen Traditionen stehen. Trotzdem wurde die GASP weiter getrieben, nun auch mit Überlegungen zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik. Nach Ansicht des Referenten ist das in der gegenwärtigen multipolaren Welt mit ihren neuen Machtzentren und vielfachen Krisen sowie verbreiteten Bedrohungen durch islamistischer Terrorgruppen unumgänglich, wenn die EU sich, mit nachlassendem Schutz durch die innenpolitisch zerrissenen USA, in der multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts behaupten will. 2004 hatte die EU in Abstimmung mit der Nato die sogen. Battlegroups konzipiert. Das sind aus Truppenteilen von Mitgliedsländern zusammengestellte schnelle Eingriffsverbände zum Aufrechterhalten der Sicherheit bei internationalen Konfliktfällen. Solche Konfliktfälle hat es seither einige gegeben. Trotzdem wurden noch nie Battlegroups gebildet, auch nicht zum Beispiel für die Gefährdung Malis 2013. Da kam Frankreich allein schnell seiner ehemaligen Kolonie mit Fremdenlegionären zu Hilfe. Später erwirkte die UNO dann die Mission MINUSMA, zu der dann maximal 11.200 internationale Soldaten und 1.440 Polizisten zum Einsatz kamen. Von 2006-2010 war der Referent deutscher Botschafter in Äthiopien und Dschibuti. In diese Zeit fiel der Aufbau eines Krisenzentrums mit Frühwarnaufgaben durch die EU in Addis Abeba, für eskalierende Konflikte zwischen oder in afrikanischen Staaten. Und gegen die sich damals hochsteigernde Kaperung von Frachtschiffen und Öltankern am Horn von Afrika durch Piraten aus Somalia beteiligte sich die EU an den internationalen Gegenmaßnahmen erfolgreich durch die sogen. Operation Atlanta. Sie fand für diese Bedrohung wichtiger internationaler Seewege also zur Einstimmigkeit für ein robustes Mandat. Die USA zeigen Ermüdungserscheinungen bei ihrer Weltmachtrolle und sind als demokratische Mustermacht durch viele undemokratische Akte und Skandale in ihrer internationalen Ausstrahlung als Vorbild für nicht abendländische Länder zunehmend geschwächt. Sicherheitsbedrohungen und Krisen in verschiedenen Weltteilen werden also nicht schwächer, sondern stärker werden, mutmaßte der Referent. Daher müssen die 28 EU-Staaten für die Selbstbehauptung ihres Staatenbunds dringend zu einer gemeinsamen Außen-, Sicherheitsund Verteidigungspolitik zusammenfinden. Kommissionspräsident Juncker hat kürzlich gemeinsame EU-Streitkräfte vorgeschlagen, unsere Verteidigungsministerin auch. Konzept dabei ist, dass die nationalen Armeen sich spezialisieren, so dass nicht mehr jedes Mitgliedsland für die ganze militärische Breite sorgen muss. Das wäre ein Gemeinschaftsvorteil, denn diese Spezialisierungen sind billiger und wirksamer. Als Vorsitzender der Europa-Union Vechta dankte Wolfgang Zapfe Dr. Claas Knoop für seine fundierten und prägnanten Analysen. Gleichzeitig äußerte er sein Unverständnis darüber, dass zu einem so wichtigen Thema mit hochkarätigem Referenten nur wenige Zuhörer gekommen waren. Der Qualität der Veranstaltung tat dies aber keinen Abbruch.