Predigt am Sonntag Rogate am 1.5.2016, Pastor M. Antonioli, Heiligen-Geist-Kirche Rostock Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Es steckt einiger Sprengstoff in der so beschaulich wirkenden Szene, die der holländische Maler Jan Vermeer van Delft geschaffen hat. Jesus, der sich nach einer Wanderung im Haus seiner Jüngerinnen, den Schwestern Maria und Martha, ausruht und sich sogleich mit Maria unterhält, die zu seinen Füßen sitzt. Doch während die Schwester sich mit dem Gast unterhält hat Marta alle Hände voll zu tun. Sie hat gerade das Brot gebacken, es ist noch heiß. Nicht mal das Tischtuch hat sie ordentlich aufgedeckt denkt sie noch. Und dann platzt es aus ihr heraus: Herr, macht es dir nichts aus, dass mich meine Schwester alles alleine machen lässt?“ Doch, was die tüchtige Marta dann zu hören bekommt, muss sie erst einmal verdauen: „Marta du bist so besorgt und machst dir Gedanken um so vieles. Aber nur eins ist notwendig: Maria hat das Bessere gewählt, das wir ihr niemand mehr wegnehmen.“ Wenn wir heute an einem Sonntag den Tag der Arbeit begehen, dann finden einige das eine vertane Chance auf einen freien Tag. Als Pastor kann ich das besonders gut verstehen, denn auch ich schätze den 1. Mai als einen nichtkirchlichen Feiertag als Möglichkeit meiner persönlichen seelischen Erhebung. Doch im Ernst: So notwendig und sinnstiftend unsere Arbeit auch ist, so sehr braucht es doch immer wieder die Unterbrechung, das Gebet, die Ruhe, die gemeinsame Freizeit. Am Tag der Arbeit ist es ein guter Brauch, über unsere Arbeit und auch über die sich verändernde Arbeitswelt – heute unter dem Stichwort Industrie 4.0 – nachzudenken. Immer erreichbar, immer unter Strom – oft auch in der Freizeit – das schlaucht auf die Dauer. Und so stellt sich auch in diesem reichen Land die Frage, wie gute Arbeit aussehen kann. Es braucht den Diskurs wie der Einzelne und die Gesellschaft von der Arbeit profitieren. Heute wird der Spannungsbogen deutlich, in dem wir leben. Ora et labora - betet und arbeitet – so hatte es die alte Mönchregel des Benedickt von Nursia gefasst. Martin Luther hatte mit seinem Gottesdienst im Alltag eine ganz neue Seite aufgeschlagen. Für ihn war die menschliche Arbeit, die Pflichterfüllung an unseren Mitmenschen auch ein Gottesdienst, denn der Mensch ist ja immerhin von Gott zu seinem Partner berufen. Und er konnte dabei auf Paulus verweisen, der mit seinem Slogan „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen!“ quasi das protestantische Arbeitsethos beflügelt hat. Es ist gehört zu unserer Weltverantwortung, dass wir arbeiten, dass wir etwas zum Wohlergehen aller beitragen. Ich möchte hier nicht verschweigen, dass der vielgescholtene Stress, durchaus seine positiven Seiten hat, denn Stress beflügelt uns und hilft uns, uns zu fokussieren. Und wenn diese Studien nicht vom Arbeitgeberverband beauftragt wurden, dann hängt die Wirkung von Stress vor allem davon ab, wie wir ihn bewerten. Und doch hat Arbeit ganz klar einen Zweck und damit ist sie begrenzt und so kann es eine deutliche Abgrenzung, eine Offenheit zur Unterbrechung geben. Und die ist lebensnotwendig. Darum sollten wir uns nicht einreden lassen, dass diese Freiheit heute überflüssig geworden sei. Meist steckt hinter solcher Meinungsmache bloßes Geschäftsinteresse. „ Auch an einem Sonntag einkaufen zu können setzt uns unter Druck. Wir gewinnen den Sonntag nicht, sondern verlieren ihn. Denn wir verlieren die Zeit, die gekauften Produkte auch zu genießen.“ (Hartmut Rosa) Dabei kann es sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem gelungen Sonntag geben. Aber vielleicht ist genau das ein Argument für diesen Freiraum. Ich fand folgende Tipps für einen faulen Sonntag ganz reizvoll: Kaufen Sie rechtzeitig Brot – in Scheiben geschnitten_Bestellen Sie Ihr Mittagessen beim Lieferservice_Packen Sie schon am Samstag Ihre Tasche für Montag. Und lassen Sie den Kalender darin verschwinden_Schicken Sie Ihre Familie auf einen Ausflug_Gucken Sie Gottesdienst-vom Sofa aus im Fernsehen_Schalten Sie Ihr Telefon aus. Und den Anrufbeantworter auch_Legen Sie Ihre Armbanduhr ab_Sperren Sie Ihr schlechtes Gewissen in die Besenkammer_Verlieren Sie den Schlüssel. Heute fallen der Tag der Arbeit und der Tag der Ruhe auf ein Datum! Schon am Beginn der Bibel wird davon erzählt wie Gott den Paradiesgraten für den Menschen anpflanzt, und er, den er als sein Ebenbild als Mann und Frau schafft, soll ihn bebauen, soll Gärtner in Gottes Garten sein. Fürsorglich und pfleglich. Ein Auftrag, der bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat. Wenig vorher, im ersten Schöpfungsbericht, wird erzählt wie Gott selbst am siebten Tag ruht. In der jüdischen Bibel wird daraus das Sabbatgebot. Auch im Christentum hat diese Vorstellung vom Schaffen und Ruhen Eingang gefunden, wenngleich die Ruhe immer als Freiheit und niemals als Zwang verstanden wurde. So hat schon Jesus klargestellt, dass der Sabbat den Menschen gegeben wurde und nicht umgekehrt. Und tatsächlich hat dieses Freiheitsrecht es in unser Grundgesetz geschafft: Der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist gesetzlich geschützt. Fest steht: Das Leben nimmt Schaden, wo die Rhythmen von Anspannung und Ruhe nicht mehr beachtet werden. – Und so ist der Sonntag ein Freiraum der lebensnotwendig ist. Auch dass Menschen natürlich in der Kirche, in Heimen, bei Feuerwehr und bei Polizei auch Sonntagsdienste übernehmen müssen, tut dem keinen Abbruch! Liebe Gemeinde, es kann nur sinnvolle, lebensförderliche Arbeit geben, wenn wir uns tatsächlich unterbrechen lassen. Und so braucht es auch immer wieder die Erinnerung an die inneren und äußeren Freiheit, dass das Leben mehr als Geschäftigkeit und Effizienzsteigerung ist. Ich glaube, dass uns in einer sich immer schneller drehenden Welt, diese regelmäßige Entschleunigung gut tut. Zum Glück wird immer wieder Sonntag, Gott sei Dank! Und wer tatsächlich in eine Kirche geht und sich Zeit für sich und seinen Schöpfer nimmt, der merkt das, wie gut das tut. Wir können uns entscheiden! Aber es braucht Mut zur Besinnung und zur Ruhe! Maria hat es damals gewagt, bestimmt hat sie die vorwurfsvollen Blicke ihrer Schwester Mart gespürt, und doch hat sie zu Füßen Jesu gesessen. Auch wir können es heute wieder tun, Gott sei Dank, es kann auch für uns immer wieder Sonntag werden! Amen