Konzertkritik von Ingrid Adamiker auf ´alles

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Wiener Konzerthaus: Marta
Gardolińska – sie gibt den Takt an.
Text und Fotos im copyright von AllesKlassik/Ingrid Adamiker
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Marta Gardolińska – sie gibt den Takt, wir genießen:
Zusammen mit dem AOV-Orchester und dem erst 14jährigen Pianisten Vincent Gatke bringt die
Dirigentin den Berio-Saal im Wiener Konzerthaus zum schwärmenden Schwingen.
Marta Gardolinska
Die junge Dirigentin Marta Gardolińska müsste den aufmerksamen AllesKlassik-Lesern eigentlich
schon bekannt sein, wir haben über sie bereits berichtet. Die an renommierten Universitäten (u.a.
Frédéric-Chopin-Universität Warschau und der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien)
ausgebildete, engagierte Polin schöpft trotz ihrer Jugend aus einem bereits reichen
Erfahrungsschatz. Erst vor kurzem wurde Gardolińska vom Akademischen Orchesterverein (AOV)
einstimmig als ständige „Gastdirigentin“ (Conductor in Residence) gewählt. Der AOV ist eines der
traditionsreichsten Amateurorchester Wiens. Finanziell unabhängig ist der AOV mit seinen aus
allen Altersstufen stammenden Mitglieder besonders um den solistischen Nachwuchs bemüht. So
konnte Marta Gardolińska
am vergangenen Donnerstag erstmals mit dem Akademischen
Orchesterverein auftreten. Spannende Location für den Konzertabend war der ultramoderne,
holzgetäfelte Berio-Saal im Wiener Konzerthaus, mit rund 400 (besetzten) Plätzen: ein besonders
sensibler Klangkasten, benannt nach dem italienischen Komponisten Luciano Berio, einem
Pionier der elektronischen Musik, bekannt für seine experimentellen Kompositionen.
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Marta Gardolinska, Vincent Gatke & seine Lehrerin (Prof. Elisabeth Dvorak-Weisshaar (mitte)
Bei der Programmauswahl bekam Marta Gardolińska
„Hilfe“ von einem ungewöhnlich
interessanten Interpreten: Vincent Gatke. Der 2000 in Wien geborene Gatke begann im Alter von
fünf Jahren mit dem Klavierspiel und konnte bereits einige internationale Wettbewerbe gewinnen,
so zweimal hintereinander die Austria-China Youth Piano Competition und den Prima La Musica
Bundeswettbewerb als Solist. Die Werke waren also rasch ausgewählt: auf die Serenade für 13
Blasinstrumente, Es-Dur, op. 7 (1881) von Richard Strauss sollte Wolfgang Amadeus Mozarts
Konzert für Klavier und Orchester, A-Dur, KV 414 (1782) folgen. Nach der Pause gab es dann die
Symphonie Nr. 1, c-Moll, op. 68 (1876) von Johannes Brahms, als eine Art von Abschluss eines
Brahmszyklus des AOV.
Édith Athanassov, als Tochter des Geigenvirtuosen Vladimir Athanassov eine interessierte und
sehr sensible Expertin für symphonische Musik, fasst kurz zusammen: Das Ensemble des AOV
schaffte es, dem Publikum zu vermitteln, welche immense Freude die Interpretation zweier großer
Deutscher Meister (Strauss und Brahms) machen kann.
Es wird erzählt, der noch nicht 17jährige Richard Strauss komponierte die romantisch-harmonische
Serenade für 13 Blasinstrumente nach klassischem Vorbild heimlich während des Schulunterrichts.
Einer der einflussreichsten Musiker-Persönlichkeiten um die Jahrhundertwende, der Dirigent Hans
von Bülow, nahm das im Stile Mozarts gehaltene Stück gerne öfters in seine Programme auf, ließ
Richard Strauss das Werk in München sogar einmal selbst dirigieren und machte den jungen
Strauss sodann zum zweiten Kapellmeister. Marta Gardolińska verstand es, die Jugend und
Frische der kleinen Serenade gekonnt in Szene zu setzen, rückte Flöten, Oboen, Klarinetten,
Fagotte und Hörner ins rechte Licht und brachte auch die große Basstuba klangschön unter. Die
Saalakustik unterstrich noch einmal die geniale Hand, mit der der junge Strauss hier bereits
instrumentierte.
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Brahms wohnte nur 800m weiter entfernt
Vielversprechend, bescheiden und sympathisch, kommt der 14jährige Vincent Gatke herüber.
Édith Athanassov bewundert besonders seine Vielseitigkeit: „Zunächst besticht sein delikates Spiel
bei Mozart, als feurige Zugabe erklang dann Orage,
ein von Gatke perfekt umgesetzte
Gewittersturm aus der Feder von Franz Liszt, inklusive Blitze, Donner und musikalischem Hagel.“
Johannes Brahms war selbstkritisch und bescheiden. Wohl auch deshalb schrieb er erst mit 40
seine erste Symphonie. Im Dezember 1876 erklang das Werk zum ersten Mal in Wien, knapp zwei
Monate nach der Uraufführung in Karlsruhe. Der oben erwähnte Hans von Bülow reihte das Werk,
das (gewollte) Ähnlichkeiten mit mehreren Werken Beethovens hatte, zwischen Beethovens
zweiter und dritter Symphonie als „10. Symphonie“ ein. Brahms war von solchen Stimmen
dennoch nicht begeistert. Er soll einmal auf die Bemerkung, dass das Thema des Schlusssatzes
seiner 1. Symphonie jenem des Schlusssatzes von Beethovens 9ter merkwürdig ähnlich sei,
geantwortet haben: „Jawohl, und noch merkwürdiger ist, dass das jeder Esel gleich hört.“
Ich war auch so ein Esel, feierte aber völlig unbekümmert meinen Liebling Brahms und auch gleich
seinen Inspirationsgeber Beethoven mit. Édith Athanassov bemerkte wesentlich professioneller:
„Marta Gardolińska gelang es, durch ihr sensibles Dirigat Brahms verhaltene Leidenschaft perfekt
zu uns ins Publikum herüberzubringen.“
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Applaus für das Orchester des AOV, Vincent Gatke und Marta Gardolinska
Das nächste Konzert des Akademischen Orchestervereins findet am Mittwoch, dem 10. Juni im
Mozartsaal des Wiener Konzerthauses statt. Christian Birnbaum, Chefdirigent des AOV, dirigiert
das Oratorium Messiah, HWV 56, von Georg Friedrich Händel.
Marta Gardolińska (Twitter @MartaGardol) wünschen wir für Ihre junge Karriere viel Erfolg; es gibt
sicher bald ein Wiedersehen!
Ingrid Adamiker
für AllesKlassik
30. März 2015
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