Wie spielt Kim? Der englische Schriftsteller Rudyard Kipling beschrieb in seinem Buch “Kim” das Leben eines Straßenjungen. Mit seinem buddistischen Lehrmeister erforscht er die heiligen Stätten. Zusätzlich geht er zeitweise bei einem Händler in die Lehre. Als sich Eifersucht zwischen Kim und einem jüngeren Hindujungen breit macht, greift der gewitzigte Lehrmeister zur Spieltherapie. Er schlägt Spiele aus dem Bereich der Wahrnehmung vor. Da erlebt Kim Unerhörtes: Der Junge, obwohl wesentlich jünger als er, konnte sich viele Dinge haargenau merken: “Und wie erlangt man diese Meisterschaft?” “Indem man es so lange macht, bis man es gut macht!” Kimspiele machen dem Dreijährigen Spaß, fordern den Siebenjährigen heraus, begeistern den Zwölfjährigen und können dem Erwachsenen höchste Konzentration abverlangen. Denn im Handumdrehen sind sie von babyleicht zu einem hohen Schwierigkeitsgrad zu steigern. Es sollten zunächst die Aufgaben bei den einfachsten Anforderungen beginnen. Schnell greift Freude und Vergnügen um sich und die Anforderungen können gesteigert werden. Die Arten der Kimspiele werden unterteilt nach den Fähigkeiten der Wahrnehmung: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten Kimspiele: Sehen Wer fehlt heute? Ich konnte oft in Kindergärten beobachten, wie Erzieherinnen im Morgenkreis erarbeitet haben, welche Kinder heute nicht in der Gruppe sind. “Wir sind heute nur 17 Kinder. Welche Kinder fehlen?” Nach und nach kommen die Namen der Kinder, die heute nicht in der Gruppe anwesend sind. Alles auf ein Tablett! Die klassische Anordnung für Kimspiele: Auf einem Tablett oder auf einem Tisch liegen mehrere Gegenstände: Beispielsweise verschiedene Steine, Naturmaterialien, Gegenstände aus dem Haushalt. Nachdem sich die Teilnehmer/innen zwei bis drei Minuten die Gegenstände eingeprägt haben wird ein Tuch darüber gelegt. Wer kann die Gegenstände aufzählen? Wer weiß, in welcher Anordnung sie liegen? Was hat sich verändert? Wenn mehrere Kinder und Erwachsene beisammen sind, bietet sich folgendes Spiel an. Ein Kind wird hinausgeschickt und es wird an den Teilnehmern/innen etwas verändert; beispielsweise jemand wechselt den Sitzplatz, eine Brille wird vertauscht, eine Kleidungsstück wird abgelegt? Dann wird das Kind gerufen und aufgefordert zu raten, was sich verändert hat. Ein Bild betrachten Den Mitspielern/innen wird ein Bild gezeigt – je nach Alter der Kinder mit unterschiedlich vielen Einzelheiten. Dann wird das Bild abgedeckt und es werden Fragen gestellt: Wie viele Menschen sind auf dem Bild? Sind Kinder auf dem Bild? Sind Tiere auf dem Bild? Hat jemand Blumen entdecken können? Klick: ein Foto! Ein Spiel für Jugendliche und Erwachsene. Zwei Spieler/innen bilden ein Paar. Eine/r führt und der/ die andere wird geführt mit geschlossenen Augen. Wenn beide an einer markanten Stelle stehen, so wird ein Foto geknipst. Dazu richtet der Fotograf den Kopf des Partners auf den Blickwinkel aus, zupft ihn am Ohr, sodass dieser 10 bis 20 Sekunden die Augen öffnet. Nachdem auf diese Weise mehrere Bilder aufgenommen wurden, erzählt der geführte Partner, was er an Bildern gespeichert hat. Kimspiele: Hören Wo tickt der Wecker? Eine Runde Kleinkinder: Es wird den Kindern ein mechanischer Wecker gezeigt. Jedes Kind darf ihn in die Hand nehmen und untersuchen. Wer möchte den versteckten Wecker suchen? Ein Kind verlässt den Raum und der Wecker wird versteckt. Das Kind wird geholt und versucht das Ticken des Weckers ausfindig zu machen. Ja, ist es hier ruhig! Bei einer Wanderung im Wald oder in den Bergen, weit ab vom Lärm der Straßen und Städten stößt mancher den Seufzer aus: Ja, ist es hier ruhig! Kann man wirklich nichts hören? Eine tolle Vorgabe für ein Kimspiel! Wer hört Geräusche? Welche Geräusche sind es? Können wir das Singen der Vögel hören? Welche Vögel singen gerade? Hören wir auch andere Tiere? Die Skiffle-Band Das Einmalige dieser Band ist, dass mit einfachen Instrumenten Musik gemacht wird; Beispiele: mit Kochlöffeln klopfen, zwei Suppenlöffel zusammenschlagen, Dose mit Nägeln schütteln, gespannten Gummi zupfen und vieles mehr. Der bzw. die Musiker spielen hinter einer Kommode oder hinter einem Vorhang. Die Mitspieler raten mit welchem Gegenstand der Ton erzeugt wurde. Anspruchsvoller wird es, wenn mehrere Instrumente gleichzeitig gespielt werden. Wie viele Instrumente wurden eingesetzt? Welche Instrumente? Hänschen pieps einmal! Ein Spiel für eine Kleinkinderrunde – gut zur Auflockerung einer Ge-burtstagsfeier. Kinder und Erwachsene sitzen in einem Stuhlkreis. Einem Kind, das sich freiwillig zur Verfügung stellt, werden die Augen verbunden. Es wird zwei-, dreimal um sich gedreht, und darf sich dann an der Stuhlreihe entlang tasten. Es setzt sich bei jemanden auf den Schoß mit der Aufforderung “Pieps einmal!” Der Gefragte gibt einen Ton von sich und soll dadurch erraten werden. Gelingt es nicht, so setzt sich das ratende Kind auf den Nächsten im Kreis. Hat sich der/ die Gefragte verraten, so wechselt das Suchen. Hund und Knochen Ein Spiel für eine größere Kindergruppe – es sollte dazu auch ein größerer Raum zur Verfügung stehen. Aus der Gruppe wird ein Kind ausgewählt, das die Rolle des Hundes übernimmt. Diesem Kind werden die Augen verbunden und in der Mitte des Raumes wird ein Gefäß mit Süßigkeiten aufgestellt. Diese Süßigkeiten werden vom Hund bewacht. Die Mitspieler/innen stellen sich entlang der Wände des Raumes auf und versuchen auf ein Zeichen hin zum Gefäß zu schleichen. Hört der Bewacher ein Geräusch, so bellt er laut und zeigt in die vermeintliche Richtung. Wenn auf ein sich bewegendes Kind gezeigt wird, darf sich der Bewacher etwas aus dem Gefäß nehmen und das entdeckte Kind wird zum Wachhund. Schleichen die Kinder so leise an, dass sie nicht bemerkt werden, so können sie aus dem Gefäß ebenfalls Süßigkeiten entnehmen. Kimspiele: Riechen Riechdosen Im Haushalt fallen oftmals kleine Dosen an, in die verschiedene Kräuter, Tees oder sonstige Dinge gelegt werden können. Wenn diese Dosen mit einem Deckel verschließbar sind, so lassen sich problemlos Riechdosen daraus herstellen. Dazu werden in den Deckel kleine Löcher gedrückt oder bebohrt. Dann werden in die Dosen Kräuter, Tees, Gewürze oder auch Lebensmittel gegeben. Und schon kann das Raten beginnen. Jedes Kind nimmt sich eine Dose und riecht so lange, bis es meint, den Inhalt erraten zu können. Dann kommt die nächste Dose an die Reihe. Am Schluss erfolgt die Auflösung. Für Erwachsene und auch für Kinder: In Teeläden werden oft verschiedene Tees in offenen Dosen präsentiert, damit man den Duft und Geschmack erschnüffeln kann. Es kann zu einem Erlebnisparcours werden, wenn man die verschiedenen Teesorten durchgeht. Vielleicht kann man auch noch versuchen herauszufinden, welche Kräuter sind in der Wiesenmischung? Oder welche Pflanzenteile dominieren den Weihnachtstee? Brötchen raten Essen mit Spaß und Sinnenfreuden! Damit Kindern und Erwachsenen die Vielfalt der Genüsse bewusst wird, können zu einem besonderen Anlass Brötchen mit verschiedenen Belägen geraten werden. Eine größere Auswahl belegter Brötchen wird in Tüten verpackt; beispielsweise Schicken-, Salami-, Leberkäs-, Emmentaler-, Edamer-, Camembert-, Bismarck-, – Brötchen. Durch Riechen sollen die Teilnehmer/innen ihre Lieblingsbrote herausfinden. Die Anforderungen werden erheblich gesteigert, wenn die Brötchen mit Salaten und Kräutern garniert werden. Weihnachtliche Düfte Jede Festzeit im Jahresablauf hat einen eigenen Charakter. Die Advents- und Weihnachtszeit ist besonderst gesättigt durch eigene Düfte. Diese Reize laden zum Spielen ein. Beispiele: Wenn Mutter bzw. Vater schon mehrere Sorten Plätzchen gebacken hat, werden diese – jede Sorte einzelnen – auf einem Teller präsentiert und mit einem Tuch abgedeckt: Wer findet den Teller mit Lebkuchen? Wo sind die Vanillekipferl? Oder: Welches ist der Kinderpunsch und welches der Punsch der Erwachsenen (mit Alkohol)? Kimspiele: Schmecken Der Vorkoster Hinter einem Schränkchen oder Vorhang wurden auf einem Tisch ver-schiedene Esswaren bereitgestellt. Der/ die Vorkoster/in nimmt am Tisch Platz und wählt aus dem Angebot. Während er/ sie das Gewählte verkostet, werden die Eindrücke und Erfahrungen beschrieben. Die übrigen Kinder raten, was gerade verspeist wird. Woraus besteht Rote Grüze? Der Sommer schenkt uns Beeren und Früchte in Mengen und großer Vielfalt. Wenn verschiedene Beeren (vor allem rote Beeren) und Sauerkirschen miteinander gekocht werden, so entsteht “Rote Grüze” . Ein tolles Angebot für ein Ratespiel! Wer findet heraus, welche Beeren in der Roten Grüze sind? Haben sich auch andere Früchte in die Grüze verirrt? Obstsalat Gleiches Spiel bietet der Obstsalat. Wer findet heraus, aus welchen Obstsorten der Obstsalat besteht? Welches Obst ist hauptsächlich enthalten? Kann man erkennen, ob unterschiedliche Apfelsorten enthalten sind? Kimspiele: Tasten Der Fühlsack Der Klassiker unter den Tastspielen ist der Fühlsack: In ein Säckchen werden verschiedene Gegenstände, Früchte, Naturmaterialien u. a. gegeben. Der Fühlsack wandert von Spieler zu Spieler, dabei wird durch Abtasten herauszufinden versucht, was sich im Sack befindet. Wenn alle den Fühlsack hatten, berichten die Spieler/innen, was sie ertasten konnten. Die Anforderungen werden erheblich größer, wenn sehr ähnliche Dinge in den Sack gegeben werden, beispielsweise verschiedene Getreidesorten: Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Mais, Reis, Dinkel. Gespräch mit den Händen Dazu bilden die Teilnehmer/innen Paare. Sie nehmen visavis auf Stühlen Platz. Ein(e) Teilnehmer/in streckt ihrem Gegenüber die Hand entgegen und schließt die Augen. Dieser bzw. diese massiert einfühlsam die Hand. Nach einigen Minuten erfolgt ein Wechsel. Anschließend teilt man sich mit, welche Botschaften zum Ausdruck kommen sollten. Erlebnisschnur Im Garten oder in einem Park – auch im Wald ist es möglich – wird eine Schnur in der Höhe von einem Meter zwischen zwei Bäumen gespannt. Die Bäume sollten in einem Abstand von zehn bis zwanzig Metern stehen. Barfuss und mit geschlossenen Augen gehen die Mitspieler/innen der Schnur entlang. Vorsichtig tasten sie sich am Boden entlang und halten sich mit einer Hand an der Schnur fest. Zum Schluss dürfen alle erzählen, was sie gefühlt und erlebt haben. Fühlpfad An einigen Spielplätzen findet man Fühlpfade vor. Es sind dies Gehwege mit unterschiedlichen Oberflächen, z.B. Sand, Kies, Hölzer, Rindenteile, Wolle, Lehm, Erde u.a. Einen besonderen Eindruck von den unterschiedlichen Materialen erhält man, wenn man barfuss über den Fühlpfad geht. Jedoch noch erlebnisreicher wird der Fühlpfad, wenn man sich führen lässt und mit geschlossenen Augen und barfuss sich durchtastet. Finde deine Partnerin! Ein Spiel für Jugendgruppen und Ehepaare. Es stellen sich vier oder fünf Paare für dieses Spiel zur Verfügung. In einer Reihe nehmen die Partnerinnen bzw. Ehefrauen auf Stühlen Platz. Den Partnern werden die Augen verbunden und die Partnerinnen entblößen ihre Füße bis zum Knie. Nun sollen die Männer durch Abtasten der Frauenfüße herausfinden, wer die Ehefrau bzw. die eigene Partnerin ist. Gesteigert wird die Gaudi, wenn in die Reihe der Frauen sich ein Mann schmuggelt. Erfahrungen aus der Praxis Die hier vorgestellten Spiele haben nach meinen Beobachtungen in verschiedenen Kindergruppen immer Spaß und Begeisterung hervorgerufen. Es sind nur einige Beispiele und Spielanregungen, damit die Aufmerksamkeit auf die aberhundert Gelegenheiten zum Spielen im Familienalltag ge-lenkt wird. Wichtigste Regel: Vom Leichten zum Schweren! Wenn zunächst von den Kindern nur sehr offensichtliche Dinge erraten werden sollen, so macht sich Freude und Begeisterung breit. Mit großem Schwung und hoher Motivation können dann sehr kniffelige Aufgaben aufgetischt werden: Beispielsweise: Wer kann durch Abtasten eines Buches erkennen, ob Fotos enthalten sind? Sobald der Kampfgeist geweckt wurde, fliegen einem immer mehr neue Ideen zu und ein Ende ist nicht in Sicht. “Indem man es so lange macht, bis man alles richtig macht.” Literatur Bücken, Hajo: Kimspiele: Sehen, Schmecken, Riechen, Tasten, Hören und Denken, München 1996/6. Autor