Wie das Finanzdepartement die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes fördern will Ein Chaos-Projekt aus dem Hause von Evelyn Widmer-Schlumpf Das Finanzdepartement will die schweizerische Finanzmarktregulierung auf den Kopf stellen und hat dazu eine „neue Architektur“ erfunden. Dies ist erstaunlich, denn in der Legislaturplanung 2011 – 2015 des Bundesrates steht davon nichts. Mit der Legislaturplanung will der Bundesrat „gegenüber Parlament und Öffentlichkeit Transparenz über seine Tätigkeit“ schaffen. Entweder plant das Finanzdepartement nicht, oder es legt keinen Wert auf Transparenz seiner Tätigkeit, oder beides. Im erläuternden Bericht zum Mamutprojekt1 sagt das Finanzdepartement: „Durch die neuen Vorschriften soll der Kundenschutz auf dem Schweizer Finanzmarkt gestärkt, gleichzeitig aber auch die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes gefördert werden“. Diese Aussage lässt die Alarmglocken läuten. Immer wenn das Finanzdepartement ein unausgegorenes Projekt lanciert, will es damit „die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes fördern“. Peter V. Kunz, Professor an der Universität Bern und einer der führenden Finanzrechtsexperten der Schweiz, sagte zu diesem Vorgehen kürzlich in der NZZ2: „die Umsetzung [der neuen Architektur] könnte zu einem Chaos in der Wirtschaftsrealität führen und dies ohne Not“. Geplant ist die Aufhebung von zwei Pfeilern des Finanzmarktrechts, des Bankengesetzes aus dem Jahr 1934 und des Börsengesetzes von 1995 und teils massive Änderungen von siebzehn weiteren Gesetzen, „und dies ohne Not.“ Bevormundung des Kunden Durch das neue Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG soll der Kundenschutz gestärkt werden. Hinter der wohlklingenden Formulierung steckt die Bevormundung des Kunden. Das FIDLEG geht von der Annahme unmündiger Kunden aus, die durch den Staat zu schützen sind, vor allem vor sich selbst. Diese Annahme widerspricht den Vorstellungen über den mündigen und selbstverantwortlichen Bürger in der Bundesverfassung. Dort steht in Artikel 6: „Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr“. Die vorgesehenen Regeln berauben den Bürger einer eigenständigen Wahl und damit vieler Chancen. Sie führt faktisch zum Ausschluss vieler kleinerer und mittlerer Kunden vom Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft. Nach dem Gesetz müssten Banken und Vermögensverwalter die „Angemessenheit“ und „Eignung“ aller Finanzprodukte für den einzelnen Kunden umfassend und fortlaufend beurteilen und dokumentieren. Für die Eignungsprüfung müsste jeder Kunde der Bank seine ganzen finanziellen und persönlichen Verhältnisse offenlegen. Für kleinere und mittlere Privatkunden, das sind wohl 1 Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage zum Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen (FIDLEG) und zum Bundesgesetz über die Finanzinstitute (FINIG) vom 25.6.2014 2 NZZ vom 12.9.2014 Hans Geiger, 15.9.2014 Seite 1 über 90 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, gäbe es dazu keine Ausnahme. Kunden unterhalten oft zu mehreren Banken Beziehungen, die sie anderen Banken sicher nicht offenlegen wollen. Und ganz sicher auch nicht ihre familiären Verhältnisse. Die schweizerischen und ausländischen Kunden wollen nicht bevormundet werden. Diejenigen, die das trotzdem wollen, können zu einer Bank in der EU gehen. Bei der Angemessenheitsprüfung geht der Gesetzesentwurf von der falschen Annahme aus, dass der Ertrag und das Risiko nur von den einzelnen Anlagen abhängig sind. Entscheidend für Risiko und Ertrag ist aber die Zusammensetzung des Portfolios. Die vorgeschriebene Angemessenheitsprüfung kann dies nicht berücksichtigen. Eignungs- und Angemessenheitsprüfungen sind kostspielig. Vermögensverwalter werden kleinen und mittleren Kunden aus Gründen der Profitabilität die Vermögensverwaltung und die Anlageberatung nicht mehr anbieten. Damit werden diese Kunden aus dem Beratungsgeschäft heraus ins reine Abwicklungsgeschäft gedrängt, die Bank darf ihnen keine Ratschläge mehr erteilen. Das kann nicht Absicht des Gesetzgebers sein. Verschärft wird die Diskriminierung kleiner Kunden durch weitere zwingende Vorschriften, welche die Dienstleistungen der Banken und Vermögensverwalter massiv verteuern, was letztlich durch den Kunden zu berappen ist. Es geht um exzessive Dokumentationspflichten für alle Banktransaktionen. Kostentreibend wirken auch die überflüssigen Vorschriften über ein gesamtschweizerisches Kundenberaterregister. Der verfehlte Gesetzesentwurf zu FIDLEG enthält eine Reihe weiterer schwerwiegender Mängel, mit denen sich aber vor allem die Finanzdienstleister auseinandersetzen müssen. Das Vorgehen des Finanzdepartementes beim FIDLEG dürfte immerhin bereits ein gutes Resultat hervorgebracht haben: Die in den letzten Jahren uneinig auftretenden Banken und Vermögensverwalter scheinen sich im Widerstand gegen dieses überrissene Gesetz wieder zu einer gemeinsamen Haltung durchzuringen. Das tut dem Finanzplatz gut. Gleich lange Spiesse gegen die Kleinen Das neue Finanzinstitutsgesetz FINIG will eine „einheitliche Regelung der Anforderungen an Finanzinstitute, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Vermögenswerte von Drittpersonen anlegen und verwalten“. Damit würde der kleine Vermögensverwalter mit drei bis vier Angestellten dem gleichen Aufsichtsregime unterstellt wie die Banken. Das ist eine ausserordentlich dumme Idee. Bei der in der Krisenzeit der Dreissigerjahre eingeführten Bankenregulierung geht es primär um die Sicherung der Solvenz, die Risikokontrolle und die Gewähr einer sorgfältigen Geschäftsführung von Banken. Zentral ist die Idee des Systemschutzes, wie wir bei der Rettung der UBS wieder lernen mussten. Bei den Vermögensverwaltern spielen diese Themen keine Rolle. Die Insolvenz eines Vermögensverwalters ist für den Kunden, das Finanzsystem und die gesamte Wirtschaft nicht vergleichbar mit der Insolvenz einer Bank. Hans Geiger, 15.9.2014 Seite 2 Die Unterstellung der Vermögensverwalter unter die schwere Hand der Bankenregulierung führt zu einer unnötigen regulatorischen Last dieser weitgehend gewerblich organisierten Branche. Gleich lange Spiesse für alle Marktteilnehmer verhindern einerseits einen Wettbewerb um die beste Form des Angebotes von Finanzdienstleistungen, andererseits begünstigen sie grosse Anbieter und benachteiligt die kleinen. Gleich lange Spiesse haben industriepolitische Wirkungen und wirken immer zum Nachteil der Kleinen. Schliesslich postuliert FINIG Sorgfaltspflichten zur Verhinderung der Entgegennahme unversteuerter Gelder. Sie sind Ausdruck der verfehlten staatlichen Weissgeldstrategie, die das persönliche Anliegen unserer Finanzministerin zu sein scheint. Solche Vorschriften gibt es sonst nirgends auf der Welt. Damit fördert man die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz sicher nicht. Hans Geiger, 15.9.2014 Seite 3