Dazu auch das Wortprotokoll des Nationalrates!

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Wortprotokoll 13.3790
Nationalrat - Herbstsession 2015 - Sechste Sitzung - 14.09.1514h30
Conseil national - Session d'automne 2015 - Sixième séance 14.09.15-14h30
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13.3790
Motion Gysi Barbara.
Vereinfachung der Parkierungsmöglichkeiten für Menschen mit einer
Mobilitätsbehinderung
Motion Gysi Barbara.
Simplifier les possibilités de parcage pour personnes à mobilité réduite
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Nationalrat/Conseil national 14.09.15
Gysi Barbara (S, SG): Meine Motion verlangt, dass Artikel 20a Absatz 1 Buchstabe b der
Verkehrsregelnverordnung dahingehend geändert wird, dass das Parkieren für Menschen
mit einer Mobilitätsbehinderung, also für Menschen, die eine Parkkarte für behinderte
Personen haben, ohne Gebührenerhebung erfolgt.
Warum dieser Vorstoss? Nach der Gutheissung einer Standesinitiative Zürich wurde die
Situation für Menschen mit einer Mobilitätsbehinderung zwar verbessert und die besagte
Bestimmung auch angepasst. Damit kann nun auch an Orten mit Parkverbot maximal 3
Stunden und auf Parkplätzen zeitlich unbeschränkt parkiert werden.
Was nicht klar geregelt wurde, ist die Frage, ob das Parkieren kostenpflichtig oder kostenfrei
ist. Diese Frage beliess man in der Hoheit der Kantone und regelte sie damals nicht klar. Die
jetzige Regelung hat also einen gravierenden Haken mit mühsamen Folgen im Alltag für
Menschen mit einer Mobilitätsbehinderung, da die Gebührenfestlegung der Kantonshoheit
und, je nach Kanton, sogar der Gemeindehoheit obliegt. So haben wir Hunderte
verschiedener Lösung. Und vor allem müssen sich Betroffene jedes Mal aufwendig
informieren, wie es jetzt dort geregelt ist, wo sie hinfahren wollen oder müssen.
Meine Motion zielt genau darauf hin, dass es eine einheitliche Lösung mit einer
Kostenbefreiung gibt. Es ist nämlich schlicht eine Zumutung, dass die betroffenen Menschen
mit einer Mobilitätsbehinderung einen unverhältnismässig hohen Aufwand betreiben müssen,
um herauszufinden, wie es sich an dem Ort verhält, an den sie gerade fahren. Wenn Sie auf
den Homepages der Gemeinden schauen - ich habe das gemacht -, dann sehen Sie, dass
es nicht immer einfach ist, das herauszufinden. Es kommt hinzu, dass die Zahlstellen und
der für die Betroffenen idealste Parkplatz oft weit auseinander liegen. Die Zahlstellen können
oft auch vom Rollstuhl aus auch nicht gut bedient werden.
Lassen Sie mich kurz ausführen, was mich zur Motion veranlasst hat: Ich habe eine
Freundin, die Tetraplegikerin ist. Dank einem Spezialfahrzeug ist sie selbstständig und mobil;
sie arbeitete Teilzeit, jetzt studiert sie. Sie kann sich vom Fahrerinnensitz selbstständig in
den Rollstuhl transferieren, sie kann sich dann mit einem Lift über eine Rampe auf die
Strasse hinunterlassen. Muss sie ein Ticket lösen, fährt sie mit ihrem Rollstuhl zum
Ticketautomaten. Wenn sie Glück hat, ist dieser in einer Höhe montiert, die sie erreichen
kann; wenn sie Pech hat, dann kommt sie gar nicht zum Gerät, weil es zu hoch montiert ist
oder gar eine Schwelle den Weg verbaut.
Im besten Fall löst sie also ein Ticket, muss dann wieder zum Fahrzeug zurückfahren, über
den Fahrzeuglift wieder ins Fahrzeug hinein, sich zurück auf den Fahrerinnensitz
transferieren und das Ticket hinter die Frontscheibe legen. Und dann geht es wieder von
vorne los: Transfer in den Rollstuhl, mit dem Lift auf die Strasse usw. Das dauert sicher
zwanzig Minuten zusätzlich. Sie kann erst dann zum Termin fahren, den sie eigentlich hätte.
Wenn ich nun eine Kostenbefreiung fordere, so geht es nicht primär darum, dass Menschen
mit einer Mobilitätsbehinderung nicht bezahlen müssen, sondern darum, ihnen dieses
mühsame Prozedere abzunehmen. Was für andere einfach und eine Sache von zwei, drei
Minuten ist - nämlich schnell ein Ticket zu lösen -, ist eben für diese Freundin und für alle
Menschen mit einer Mobilitätsbehinderung eine sehr aufwendige Sache. Und darum geht es:
Es handelt sich um einen Nachteilsausgleich, der berücksichtigt, dass
Behinderungsbetroffene nicht die Wahl haben, zu Fuss zu gehen oder mit dem Velo zu
fahren.
Wir fördern die Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderungen und wollen, dass
Behinderungsbetroffene am aktiven Leben teilhaben. Wir fordern, dass sie möglichst im
Arbeitsprozess sind und ihre Restarbeitsfähigkeit in die Wirtschaft einbringen. Deshalb sind
sie darauf angewiesen, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Dies bringt oftmals auch
Kurzfahrten mit sich, wobei sie immer wieder an neuen Stellen möglichst nahe parkieren
können müssen. Jedes Mal Geld einzuwerfen, ist auch teuer und bringt - wie vorher
geschildert - anstrengende Transfers und grosse Zeitverluste mit sich. In Italien und
Frankreich kann man immer darauf vertrauen, dass es an einem Platz immer 4 bis 5
Parkplätze für Menschen mit einer Behinderung gibt. In der Schweiz müssen wir immer noch
darauf warten.
Es geht also nicht ums Geld, sondern darum, eine gute Regelung zu schaffen. Lassen Sie
sich bitte nicht vom Föderalismusargument abhalten, die Motion zu unterstützen. Ich danke
Ihnen auch im Namen der Betroffenen dafür.
Leuthard Doris, Bundesrätin: Es wird Sie nicht erstaunen, dass ich trotzdem auf die
Verfassung zu sprechen komme. Der Bund hat seit dem 1. Januar 2012
Parkierungserleichterungen für gehbehinderte Personen geschaffen; Erleichterungen, die mit
Sicherheit von Nutzen sind. Aber was das Bereitstellen von öffentlichen Parkplätzen betrifft,
das Feststellen der Gebührenhöhe und der allfälligen Befreiungen davon, das ist kantonale
Hoheit und in gewissen Kantonen sogar an die Gemeinden und die Städte delegiert. Der
Bund hat per Verfassung kein Recht, in diese Kompetenzordnung für das Gebührenwesen
einzugreifen. Daran muss sich der Bund halten. Sie müssten diese Hoheit per
Verfassungsänderung auf den Bund zurückschreiben, sonst bleibt es Sache der Städte, der
Gemeinden und der Kantone, im Gebührenwesen tätig zu sein.
Le président (Rossini Stéphane, président): Le Conseil fédéral propose de rejeter la motion.
Abstimmung - Vote
(namentlich - nominatif; Beilage - Annexe 13.3790/12391)
Für Annahme der Motion ... 80 Stimmen
Dagegen ... 77 Stimmen
(21 Enthaltungen)
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