Töpfer - Wettermuseum Alte Schule Schreufa

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Töpfer: "Gute Klimapolitik wird zur
Friedenspolitik"
Ex-Umweltminister sieht Energiewende als Lösung der
Flüchtlingskrise
Die Schließung der Balkan-Route, die Weigerung osteuropäischer
EU-Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen sowie die katastrophalen
Zustände in den Sammelzentren in Griechenland oder auch in der
Wüstenhitze Jordaniens, spitzen die internationale Krise zu. pressetext
sprach exklusiv mit Klaus Töpfer, dem langjährigen deutschen
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie
ehemaligen Chef des Umweltprogramms der UN, über die
Flüchtlingskrise, Grenzen Europas, Menschenrechte und die Folgen
des Klimawandels.
pressetext: Herr Töpfer, am 12. Mai sind Sie Keynote Speaker bei
den Europäischen Toleranzgespräche in Fresach
http://fresach.org und referieren dort über Globalisierung und
Demografie. Wird Europa zum Kontinent der Einwanderer?
Töpfer: Es gibt weltweit ein massives Gefälle der Lebenschancen und
Perspektiven. Europa ist Afrikas Nachbar. Der Westen ist für viele
kriegerische Auseinandersetzungen dort wie auch im Mittleren Osten
teilweise mitverantwortlich. Das hat eine ganze Region destabilisiert.
Wenn die Ursachen nicht beseitigt werden, wie man vor allem in
Afrika und seiner Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel sieht,
dann werden die Flüchtlingsströme unweigerlich zunehmen. Es wird
dann extrem schwer werden, die Wohlstandsinsel Europa langfristig
zu sichern.
pressetext: Sechs Mrd. Euro, Visa-Erleichterungen für türkische
Bürger und beschleunigte EU-Beitrittsverhandlungen fordert die
Türkei von ihren europäischen Partnern als Gegenleistung zur
Lösung der Flüchtlingskrise. Aus Ihrer Sicht ein zu hoher Preis?
Töpfer: Was mit der Türkei erörtert wird, hat einzig und allein zum
Ziel, die Belastung durch Flüchtlinge zu reduzieren, die in besonderer
Weise Folgen der blutigen Auseinandersetzungen im Mittleren Osten,
Syrien und des Wirkens des IS sind. Es führt kein Weg daran vorbei,
mit der Türkei zu reden. Das ist im Sinne einer schnellen Reduzierung
der Flüchtlingszahlen sinnvoll und notwendig. Denn die EUAußengrenze lässt sich nicht durch Mauern schützen. Langfristig
werden wir uns jedoch noch viel stärker mit anderen Ursachen
beschäftigen müssen.
pressetext: Doch längst nicht nur Krieg ist ein Auslöser. Die
Internationale Organisation für Migration geht bis 2050 von 200
Mio. Klimaflüchtlingen aus. Welche Strategien von Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft sind nötig, um langfristig effektiv
gegenzusteuern?
Töpfer: Viele Länder Afrikas, die wir als gescheiterte Staaten
ansehen, sind hiervon besonders betroffen - sei es Somalia, der Kongo
oder Lybien. Eine Stabilisierung - insbesondere durch nachhaltige
Klimapolitik - ist dringend erforderlich. Nur so kann es zum
Abklingen der Auseinandersetzungen in diesen Krisenregionen
kommen. Dann wird auch die Rolle der Türkei wieder eine andere
sein. Der Klimawandel wird die Situation in Afrika weiter
verschärfen. Die Zahlen der UN stellen lediglich einen Status quo dar,
der eintritt, wenn nichts passiert.
pressetext: Also weg von der bisherigen Mildtätigkeit in der
internationalen Politik hin zu echter
Entwicklungszusammenarbeit mit fragilen Staaten des
afrikanischen Kontinents?
Töpfer: Definitiv. Klimapolitik muss man tatsächlich umsetzen,
anstatt nur wieder eine Unterschrift unter ein Papier zu setzen. Auch
wenn wir uns über den historischen Tiefstand bei den Öl- und
Gaspreisen freuen: Die dadurch verursachten indirekten Kosten
werden viel höher ausfallen. Durchdachte nachhaltige
Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika bedeutet langfristig eine
Investition in die Sicherheit unseres Kontinents. Nur wenn wir den
Menschen in den von Armut und Krieg betroffenen Regionen das
Signal geben können, dass sie eine Zukunft und Perspektiven in ihrem
eigenen Land haben, werden wir die Krise meistern.
pressetext: Fukushima jährt sich zum fünften Mal. Als Folge hatte
die deutsche Regierung im August 2011 die Laufzeitverlängerung
für die Meiler zurückgenommen. 2022 erfolgt die letzte
Abschaltung eines deutschen AKW. Rückblickend eine richtige
Entscheidung?
Töpfer: Der Beschluss der Regierung, die Atomkraftwerke in
Deutschland sukzessive von den Netzen zu nehmen, war richtig und
zukunftsorientiert. Der Weg in die erneuerbaren Energien ist
ökonomisch höchst sinnvoll und damit längst mehr als eine Option. Es
ist eine hochrentierliche Investition in eine stabile wirtschaftliche
Zukunft - in Deutschland und weltweit. Wir müssen erneuerbare
Energien daher weiter fördern, damit sie kostenmäßig auch denen
gerecht werden, die Entwicklung dringend brauchen. Wenn wir das
auf dem heimischen wie auch auf den internationalen Energiemärkten
gut umsetzen, dann ist das künftig so etwas wie eine neue
Friedenspolitik.
pressetext: Deutschland bezieht bereits zu gut einem Drittel seine
Energie aus den Erneuerbaren. Die Errichtung von Stromtrassen
ist teuer und oft schwierig umsetzbar. Zudem bleiben
Kohlekraftwerke mittelfristig relevant. Ist das Land auf einem
guten Weg?
Töpfer: In Deutschland kommen pro Jahr noch immer fast zehn
Tonnen CO2 auf einen Kopf. Das ist zu hoch. Hierbei spielen die
Braunkohlekraftwerke eine Rolle. Wir brauchen einen sozial
abgesicherten, regional balancierten Ausstieg aus der Braunkohle. Das
reicht jedoch nicht. Wenn wir bis Mitte dieses Jahrhunderts ohne CO2
auskommen wollen, dann müssen wir ambitioniert unsere
Hausaufgaben machen. Wer sich hier zurücklehnt und auf die 30
Prozent der erneuerbaren Energien verweist, hat sich die Gesamtbilanz
nicht angesehen.
pressetext: Vielen Dank für das Gespräch!
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Quelle pressetext.redaktion 2016 | Florian Fügemann 2016
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