Grundlegende Gedanken zum Zusammenspiel von Körper und Seele

Werbung
Roland Stettler
PSYCHOSOMATIK –
Wenn die Seele durch den
Körper spricht
Zusammenspiel zwischen Körper und
Seele
Psychosomatik
Begriffsbestimmung

Soma = Körper, Leib

Psyche = Seele, Geist, Gefühle

Psychosomatik ist im weitesten Sinne das
Zusammenwirken von Körper und Seele.

Psychosomatische Krankheiten sind Störungen,
in denen Körper und Psyche zusammenwirken.
Kroenke & Mangelsdorff 1989
Viele Symptome nicht organisch erklärbar
Symptom
Brustschmerz
Müdigkeit
Schwindel
Kopfweh
Oedeme
Rückenweh
Atemnot
Schlafstörungen
Bauchweh
Gefühllosigkeit
Impotenz
Gewichtsabnahme
Husten
Verstopfung
organisch
11
13
18
10
36
10
24
3
10
19
21
5
40
0
psychisch
6
21
2
15
0
0
3
50
0
4
4
28
0
0
nicht klar
83 %
66 %
80 %
75 %
64 %
90 %
73 %
47 %
90 %
77 %
75 %
67 %
60 %
100 %
Sind Träger von Befunden krank?
 Häufigkeit pathologischer Zufallsbefunde LWS
– CT:
alle
über 60J.
35%
50%
– MRI:
alle
über 60J.
33%
57%
Wiesel et al. 1984
Boden et al. 1990
Fazit
1. Die Mehrheit der Patienten mit häufigen
körperlichen Beschwerden hat keinen
körperlichen Befund, der diese Beschwerden
ausreichend erklärt
2. Patienten mit einem eindeutig pathologischen
Befund brauchen nicht notwendigerweise die
dazugehörige Klinik aufweisen. Sie sind im
engeren Sinne gar nicht Patienten
Failed Back Syndrome
 Spätergebnisse von Bandscheibenoperationen sind
oft unbefriedigend
 Bei genauer Untersuchung:
– Oft neurotische Symptome und Probleme
– Ausgeprägte Erhöhung der Klagsamkeitswerte
(Hypochondrie)
– Rolle des therapeutischen Aktivismus der Ärzte
 In vielen Fällen schadet die moderne Medizin dem
Patienten, was nicht der Wahrheit widerspricht,
dass sie ihm in vielen Fällen nützt
Schultz-Venrath, 1993
Wo liegt die Ursache?
Psyche
Krankheit
Veraltet!

NICHT MONOKAUSAL: Psyche verursacht körperliche
Krankheit

SONDERN: Psyche und Körper sind
miteinander verwoben und beeinflussen sich
gegenseitig.

Beispiel: Sorgen machen uns Muskelverspannungen und
erzeugen Kopfweh –- das Kopfweh wiederum signalisiert uns,
dass etwas nicht stimmt; es beansprucht immer mehr Kräfte
und raubt uns Freude und Energie.
Ist die Mutter schuld?
Mutter
Krankheit
Veraltet!
„Zur Entstehung von Neurodermitis“:
- Mütter emotional unterentwickelt
- Kinder unerwünscht
- Mütter reagieren nicht auf Schreien und Tränen der Kinder
- Mütter berühren ihre Kinder kaum
- insgesamt: fehlende mütterliche Zuwendung.
- Spitz (1967): Ungeeignete Mutter-Kind-Beziehung
("psychotoxisch"), "Feindseligkeit in Form von Ängstlichkeit".
Mütter infantil bis debil, wenig Hautkontakt, unbewußte
Feindseligkeit."
----- wörtlich zitiert aus einem psychoanalytischen Lehrbuch der Psychosomatik
Botschaft und Ziel der Symptome?
* z.B. Krebspersönlichkeit
Persönlichkeit*
Botschaft

Veraltet!
Symptom
Ziel
Mythos: Die Versuche, hinter Magenulcera, Asthma
oder Rheuma eine spezielle Problemkonstellation
(„Organjargon“ nach Adler) oder ein verstecktes Ziel
zu finden (z.B. Franz Alexander) sind gescheitert.
Bio-psycho-soziales Modell nach Engel (1977)
Psychosomatik als integrierte Medizin
Medizin für neugierige Ärzte, die nicht mit
Teildiagnosen zufrieden sind, sondern
wissen, dass eine rationale Therapie
„Gesamtdiagnosen“ erfordert, aus denen
hervorgeht, was und mit welchem Gewicht
somatische, psychische und soziale
Faktoren zu dem Krankheitsbild eines
Patienten beitragen
Thure von Uexküll
Krankheit als Störung zwischenmenschlicher Beziehungen
 Sterblichkeit nach dem Tod des
Ehepartners für den überlebenden
Teil auf mehr als das Dopplete
erhöht!
Krankheit als Störung zwischenmenschlicher Beziehungen
 Jede Leistung unseres Körpers braucht eine Gegenleistung
seiner Umgebung (Lunge-Umgebungsluft, Gehen-Boden)
 Jede Rolle braucht eine passende Gegenrolle (SprechenZuhören, Geben-Nehmen)
 Gesundheit und Krankheit als Passung oder
Passungsverlust zwischen Organismus und Umwelt.
 G. Bateson (1985):
– „Lebende Systeme als Einheiten aus
Organismus und Umwelt“.
Salutogenese (Antonovsky 1979)

Gesunderhaltung hängt von einem Kohärenzgefühl
(Verstehen eines sinnvollen Zusammenhangs der Lebensund Erlebnisvorgänge) ab.
1.
Gefühl der Verstehbarkeit (comprehensibility)

2.
Machbarkeitsgefühl (manageability)

3.
Ereignisse vorhersehbar, erklärbar
Ressourcen für die Bewältigung verfügbar, keine Opferrolle
Bedeutsamkeitsgefühl (meaningfullness)

Herausforderung, die Interventionen und Engagement lohnen
Bindungsverhalten

4 Hauptgruppen kindlichen Bindungsverhaltens
1.
2.
3.
4.
•
Kinder mit sicherer Bindung
Kinder mit unsicher-vermeidender Bindung
Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindung
Desorganisiertes Bindungsverhalten
Qualität früher Bindungserfahrungen
Einfluss auf Bewältigung späterer Entwicklungsaufgaben
(z. Bsp. Entwicklung geeigneter adaptiver
Verhaltensstrategien, die Organismus vor Überaktivierung
physiologischer Systeme schützen)
Ainsworth et al. 1991; Schliche 1996
Wirklichkeit als Konstrukt
Systemtheorie
 Kybernetik
– Wissenschaftliche Beschreibung von Regeln und Steuerung komplexer
Systeme
 Offenes System:
Uhr-Model
Defekt-Reparatur-Modell
pragmatische Realität
Chirurgie: Operationsphase
 Geschlossenes System:
„black box“
Code für Austausch
notwendig
kommunikative Realität
Chirurgie: Indikations- /
postoperative Phase
Gemeinsamer Code
Gliederung lebender Systeme in Subsysteme
4 Gruppen psychosomatischer Störungen
1.
Psychische Störungen: Angstkrankheiten,
Depressionen
2.
Funktionelle Störungen, somatoforme Störungen:
Körperliche Beschwerden ohne organischen Befund
3.
Psychosomatische Krankheiten: Körperliche
Erkrankungen, bei deren Entstehung und Verlauf
psychosoziale Faktoren wesentlich beteiligt sind (z.B.
Bluthochdruck, Magengeschwüre, Hörsturz etc.)
4.
Somatopsychische Störungen: Psychische Probleme,
die bei der Bewältigung schwerer somatischer
Erkrankungen auftreten (z.B. Krebs, Diabetes, Dialyse
etc.)
Ohne Körper keine Gefühle!!
Gefühl
Herzklopfen

Psychosomatik ist nicht nur im negativen Sinn als
Krankheit zu verstehen: Erst das Körperempfinden
macht unsere Gefühle wirklich spürbar.

Beispiele:
Kribbeln im Bauch, Gänsehaut,
Erröten, Herzklopfen
Psychosomatik und Stress
Stress hemmt das Immunsystem
Gehirn - Verhalten
Stress
Limbisches System
IL-1
IL-6
ACTH
Nebenniere
Cortisol
TNF
Immunzellen
werden durch
Adrenalin
Kortisol gehemmt
Nach Rüegg
Veg. NS
hemmend
aktivierend
Das vegetative Nervensystem

Unwillkürlich

Begleitet alle Organe

Steuert ihre Funktion
(Muskelspannung,
Sekretion,
Durchblutung)

Bei Stress kommt es
zu Beschwerden ohne
organisch fassbaren
Befund.
Störfaktor Vegetativum
Funktion
Beispiele
Rhythmus
Herz, Darmperistaltik
Tonus
Muskeln Atmung, Kehlkopf, Rücken, Blase etc.
Sekretion
Speichel, Darm, Sexualorgane
Durchblutung
Hände, Füsse, Innenohr
Fehlregulation
Missempfindung
(Schmerz, Verspannung, Übelkeit,
Magenverstimmung, Schwindel,
Schwächegefühl etc.)
NEUER BEGRIFF: Somatoforme Störungen

Nach ICD-10 und DSM-IV: Reine Beschreibung ohne
Spekulation über die (psychogene) Ursache
1.
Somatisierung: „Tendenz, körperliche Beschwerden und
Symptome – ohne Befund – zu erleben und auszudrücken, sie
körperlichen Krankheiten zuzuschreiben und medizinische Hilfe
für sie in Anspruch zu nehmen.“ (Lipowski).
2.
Somatisierungsstörung: körperliche Symptome im
Sinne der früheren Hysterie: Kurzatmigkeit, Menstruationsbeschwerden, Brennen in den Geschlechtsorganen, Kloßgefühl
im Hals, Erbrechen, Amnesie, Schmerzen in den Gliedmassen.
3.
Somatoforme Störungen: „Die Störungen sehen wie
körperlich verursachte aus, sind es aber nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht.“ (Hoffmann)
Somatoforme Störungen (nach ICD-10)

Somatisierungsstörung (F 45.0)

Hypochondrische Störung (F 45.2)

Somatoforme autonome Funktionsstörung (F 45.3)

Herz-Kreislauf

Oberer Gastrointestinaltrakt (Mund, Hals, Speiseröhre, Magen)

Unterer Gastrointestinaltrakt (Darm, Anus)

Atmungsorgane

Urogenitalsystem

Andere Organsysteme

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4)

Dissoziative Störungen (F 44)

Neurasthenie (F 48)
Symptombezogene Diagnosen
...
die in Fachgebieten außerhalb der
psychotherapeutischen Medizin häufig gestellt werden
und eine deutliche Überlappung mit somatoformen
Störungen aufweisen:

Fibromyalgie

Pelvipathie

Chronische Prostatitis

Tinnitus

Spannungskopfschmerz

Schwankschwindel (attackenartig auftretend)
Weitere häufige Syndrome

Multiples Somatoformes Syndrom

Depressive Somatisierung

Unfallreaktive Somatisierung

Umweltbezogene Somatisierung
(Multiple Chemical Sensitivity)

Chronic Fatigue Syndrome
Unterschwellige Symptome sind häufig

Wir erleben tagtäglich kleinere Beschwerden:
Muskelverspannungen, ein kleiner Stich im Rücken,
ein Schmerz in einem Gelenk, ein Druck im Kopf.

Durchschnittlich erleben wir alle 5 - 7 Tage ein neues
Symptom. Da es normalerweise vorübergehend ist,
erzählen wir dem Arzt nichts davon.

Diese unterschwelligen Symptome erreichen nicht
den Grad von Beschwerden, die uns Sorgen machen.
Nach Mumford 1996
Bradford Somatization Inventory

Fühlten Sie in letzter Zeit einen Energiemangel?

Spürten Sie Schmerzen im ganzen Körper?

Fühlten Sie sich müde, auch wenn Sie nicht arbeiteten?

Hatten Sie Schmerzen auf der Brust oder tat Ihnen das Herz weh?

Spürten Sie Hatten Sie ein Zittern oder Schlottern?

Hatten Sie ein Gefühl wie „Magenflattern“?

War es Ihnen als ob Ihr Kopf zusammengepresst würde?

Hatten Sie ein Erstickungsgefühl? (Kloss im Hals)

Mussten Sie häufiger Wasser lösen?

Spürten Sie Mundtrockenheit? Hatten Sie Verstopfung? Blähungen?

Hatten Sie Schmerzen / Verspannungen in Schulter und Nacken?

Hatten Sie kalte Hände oder Füsse?

Litten Sie unter vermehrtem Schwitzen?
Wann führen Symptome zum Arzt?

Psychologischer Streß ist immer mit körperlichen
Symptomen verbunden (Schwitzen, Herzklopfen,
rasche Atmung, Stuhldrang etc.)

Unser emotionaler Zustand erhält dann mehr
„Spitzen“, die von kleineren somatischen Symptomen
ausgehen.

Manche werden dann so stark, dass sie uns echt
Sorgen machen (Arztbesuch) oder zur Einschränkung
des Lebens führen.
Was läuft ab bei psychosomatischen Störungen?
Genetik
Persönlichkeit
Individuelles
Körperschema
Psychosoziales
Umfeld
„Vulnerable“
Persönlichkeit
• Stress
• Strain
Somatisierung
Krankheitserleben
Stigma
Trauma
Ein Modell der Symptome
Bewusste Wahrnehmung
Schwelle
Unterschwellige Symptome
Ein Modell der Symptome
Streß
Depression
Schmerz
Schwelle
Literatur

H. Lieb & A. Pein: Der kranke Gesunde. Trias.

G. Rudolf & P. Henningsen: Somatoforme Störungen.
Schattauer.

S.O. Hoffmann & G. Hochapfel: Neurosenlehre,
Psychotherapeutische und
psychosomatische Medizin. Schattauer.

S. Pfeifer: Der sensible Mensch.
Leben zwischen Begabung und Verletzlichkeit. Brockhaus.

K. Fritsche et al.: Psychosomatische Grundversorgung. Springer.
Weitere Präsentationen
www.seminare-ps.net
Herunterladen