Psychosomatik Eine kurze Einführung in die Begrifflichkeit Psychosomatik (c) Beat von Ballmoos / 2016 Seite 1 von 3 Psychosomatik Der Begriff Psychosomatik beschreibt, dass ein Krankheitsgeschehen mehrere Dimensionen haben kann: eine somatischen (= körperlichen) und eine psychische. Manchmal ist es nicht möglich, körperliches Unwohlsein und Symptome auf krankhafte organische Befunde zurückzuführen und eine medizinische Behandlung dafür anzustreben1. Jedes Krankheitsgeschehen hat eine körperliche und eine psychische Dimension. Zum Beispiel wirken sich die Symptome einer Grippe genauso auf die Psyche aus wie die Symptome von Ärger oder Angst auf den Körper. Bei letzterem spricht man unter Umständen von „Somatisierung“. Die Somatisierung stellt ein Leiden dar, das im Erleben der Betroffenen nicht von einer körperlichen (somatischen) Krankheit unterschieden werden kann. Mehr dazu weiter unten. Zur Verdeutlichung der Begrifflichkeit ist es hilfreich, auf den englischen Wortschatz zurück zu greifen. Begrifflichkeit von Krankheit im Englischen Im englischen Sprachgebrauch existieren mehrere Ausdrücke für den deutschen Begriff „Krankheit“. Diese ermöglichen eine bessere Differenzierung dessen, was unter dem Begriff „Krankheit“ zusammengefasst wird. In dieser begrifflichen Differenzierung kommt das Erleben des Betroffenen und die soziale Komponente von Krankheit deutlicher zum Vorschein als dies im deutschen Begriff „Krankheit“ der Fall ist. Hier drei Begriffe und deren Aussage: Disease: „objektive biologische Anomalien in der Struktur und/oder Funktion von Organsystemen“ Illness: „individuelles (..) Sich-krank-fühlen, das sich auf die subjektive Wahrnehmung von Unwohlsein und Leistungseinbusse bezieht“ Sickness: „sozial vermittelte Krankenrolle mit impliziten Vergünstigungen und Pflichten des Krankenstatus“ Wenn es keine medizinische Erklärung gibt Jede Krankheit, unabhängig von ihrer Ursache, spielt sich auf allen drei Eben des Mensch-Seins ab: biologisch, psychologisch und sozial. Man geht heute davon aus, dass durch die Interaktion von Körper und Geist (Body-Mind) ein somatisches2 Symptom auftreten kann, dessen Ursache in einem völlig anderen Bereich des menschlichen Daseins liegt. Dies ist oft bei Schmerzen, Schwindel oder Übelkeit der Fall. Man nimmt auch an, dass unterdrückte Gefühle dazu neigen, sich einen „Weg ins Bewusstsein“ bahnen. Die ursprüngliche Emotion (z.B. Angst, Trauer oder Wut) wird dabei in ein körperliches Symptom umgewandelt (konvertiert) und nicht mehr bewusst als Emotion wahrgenommen, sondern z.B. als Schwindel, Übelkeit, oder Schmerz erlebt wird. In zeitlich variierender Abfolge können Beschwerden in den Bereichen Magen-Darm, Herz-Lunge, sowie neurologische, sexuelle, gynäkologische und Schmerzsymptome auftreten. 1 2 Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Somatisierung_(Psychologie) (9.3.2015) somatisch = den Körper betreffend Psychosomatik (c) Beat von Ballmoos / 2016 Seite 2 von 3 Entstehung der Somatisierung Die Entstehung einer Somatisierung ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Eine wesentliche Komponente spielt aber der Faktor der psychosozialen Belastung einer Person. Weitere Einflussfaktoren sind u.a.: eigene Einstellung und Erfahrungen mit Krankheit, kulturelle Normen, Prägungen der Persönlichkeit, psychischer und körperlicher Allgemeinzustand. Manchmal stellt sich durch die Auswirkungen der Krankheit eine Entlastung der psychosozialen Belastung ein, oder es wird dadurch ein Bedürfnis (z.B. Bedürfnis nach Zuneigung) gestillt. Man spricht dann vom sogenannten Krankheitsgewinn. Der Begriff Krankheitsgewinn löst oft Unbehagen aus und wird genauso oft zu Unrecht mit Simulation oder berechnendem Verhalten assoziiert. Bei einer Somatisierung handelt es sich jedoch nicht um ein willentliches Geschehen, sondern vielmehr um ein unbewusstes Unvermögen. Manchmal sind es auch kulturell bedingte, resp. in der Persönlichkeitsstruktur verankerte Umstände, welche dazu führen, dass sich Betroffene nicht aktiv für die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse einsetzen können. Grundsätzlich werden zwei Formen von Krankheitsgewinn unterschieden. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die körperlichen Symptome wird im Falle einer Somatisierung als Primärer Krankheitsgewinn bezeichnet. Beispielsweise lenken Schmerzen die Aufmerksamkeit zunächst auf den betroffenen Körperteil. Dies entspricht der subjektiven Wahrheit (→ Illnes). Das Bedürfnis, eine Entlastung der Symptome durch eine Schmerztherapie zu erhalten ist nachvollziehbar. Im Falle einer Somatisierung wird eine Therapie dieser Schmerzen aber kaum nachhaltigen Erfolg haben. Die einseitige Therapie der Schmerzen kann aber von der Akzeptanz und Behandlung einer psychischen Komponente ablenken. Der Sekundäre Krankheitsgewinn besteht oft auf der Ebene der sozialen Interaktion, durch das Erleben von Zuwendung, Schutz vor Verlust, Bedrohung oder Überforderung, Vermeidung von Entscheidung oder Veränderung. Eine Genesung würde möglicherweise ein Wegfallen dieser Begleiterscheinungen bedeuten. Fazit Das somatische Erleben betroffener Menschen soll in jedem Fall ernst genommen und entsprechend medizinisch abgeklärt werden. Wenn jedoch keine ausreichenden medizinischen Erklärungen für die körperlichen Symptome gefunden werden kann, sollte immer auch der Aspekt der Somatisierung in Betracht gezogen, und die Bedürfnisse des betroffenen Menschen, auch in seinem sozialen Umfeld, geklärt werden. Literatur zum Thema: Kampfhammer, H.-P., Gündel, H. (Hrsg.), 2001, “Psychotherapie der Somatisierungsstörung Krankheitsmodelle und Therapiepraxis – störungsspezifisch und schulübergreifend“, Stuttgart Georg Thieme Verlag Psychosomatik (c) Beat von Ballmoos / 2016 Seite 3 von 3