Somatisierung - familiäre Ursachen?

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Somatisierung - familiäre Ursachen?
Abbildung 1: Titelbild
Bachelorarbeit
Eine Übersicht über Somatisierung im Kindesalter
&
Heutiger Forschungsstand zum familiäreren Einfluss auf die Somatisierung
Fachbereich 11: Human- und Gesundheitswissenschaften Studiengang Psychologie
eingereicht von: Schaar, Alina
geboren am: 26.11.1986 in Berlin
Matrikel-Nr.: 2242198
Betreuung: Ilva Elena Schulte & Prof. Dr. Ulrike Petermann
eingereicht am: 23. September 2010
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ................................................................................................................... 4
Herleitung des Untersuchungskonzepts ..................................................................... 7
Störungsbilder ............................................................................................................ 7
Funktionelle Störungen .................................................................................................................. 7
Somatoforme Störungen ................................................................................................................ 8
Somatisierung .......................................................................................................... 10
Entwicklungsmodell der Somatisierung .................................................................... 11
Erste Störungsetappe: Entwicklung funktioneller Beschwerden .................................................. 12
Zweite Störungsetappe: Entwicklung einer somatoformen Störung ............................................. 13
Der Einfluss der Familie auf die Somatisierung ........................................................ 14
1. Lernmechanismen ................................................................................................ 14
Modelllernen ................................................................................................................................ 14
Konditionierung ............................................................................................................................ 16
2. Einfluss der Bindung ............................................................................................ 17
3. Coping .................................................................................................................. 19
Qualität des Copings.................................................................................................................... 19
Gesteigerte Stressbelastung........................................................................................................ 20
Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen ........................................................................... 21
4. Die Familie als System ......................................................................................... 22
Rollen........................................................................................................................................... 22
Kommunikative Funktion.............................................................................................................. 23
5. Familienklima ....................................................................................................... 24
Funktionsniveau und Stimmung ................................................................................................... 25
Sozioökonomische Faktoren........................................................................................................ 25
Geschwister ................................................................................................................................. 25
Kultureller Einfluss ....................................................................................................................... 26
Traumatisierung innerhalb der Familie......................................................................................... 26
6. Komorbidität ......................................................................................................... 26
Beeinträchtigung der Eltern ......................................................................................................... 26
Komorbiditäten beim Kind ............................................................................................................ 28
2
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Inhaltsverzeichnis
7. Psychoanalytische Sichtweise .............................................................................. 29
Der narzisstische Mechanismus .................................................................................................. 29
Konversion ................................................................................................................................... 30
Umwandlung von Affekten in körperliche Spannungszustände ................................................... 30
Dissoziation und Traumatisierung ................................................................................................ 31
Die Schmerzpersönlichkeit .......................................................................................................... 32
Fazit & Ausblick ........................................................................................................ 33
Zusammenfassung ................................................................................................... 36
Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. 37
Literaturverzeichnis .................................................................................................. 38
Danksagungen ......................................................................................................... 41
Eigenständigkeitserklärung ...................................................................................... 42
3
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Einleitung
Einleitung
So wie dem Schulkind aus dem
Keiner soll mich heute seh`n,
ich kann nicht zur Schule geh`n,
denn ich bin ja krank.
Gott sei Dank.
Immer wenn ich früh aufsteh`
hab ich furchtbar Bauch-auweh,
denn ich sehe dann,
was heut passieren kann.
Kinderlied
Eine sechs in Mathe
wie Karl-Heinz sie hatte,
ein kaputter Hosenschlitz,
so wie gestern bei dem Fritz.
Und ich werd von Max erwischt,
der immer kleine Jungs verdrischt.
nur das physische und psychische
im
nebenstehenden
Kasten geht es vielen Kindern und
Jugendlichen.
Funktionelle
Störungen in Bauch, Kopf, Rücken
oder
den
Gliedern
sind
weit
verbreitet und beeinträchtigen nicht
Abb. 2
Wohlbefinden
der
leidtragenden
Kinder und Jugendlichen, sondern
auch deren soziales Umfeld.
Sicher hatte jeder Mensch schon
Mama kommt ins Zimmer,
mein Bauchweh wird noch schlimmer.
Mama sagt, ich soll aufsteh`n,
wir müssen wohl zum Doktor geh`n.
Der sieht mich an, ich werde bleich,
denn was mir fehlt, das weiß er gleich:
„Drei, vier Tropfen Selbstvertrau`n.
Keiner wird dich mehr verhau`n.
Und ein Löffel voll Humor,
vieles kommt dir leichter vor.
Täglich ein Glas Mut,
und dann wird alles gut.“
(Grube, 2006)
einmal Bauchschmerzen, wie unser
Kind aus dem Lied, zum Beispiel
wenn eine Prüfung bevorstand, oder
Kopfschmerzen, wenn man gerade
besonders viel „um die Ohren“ hatte.
Die
meisten
Kinder
und
Jugendlichen kommen mit diesen
Beschwerden
gut
zurecht.
Ein
kleiner Teil ist dazu jedoch nicht in
der
Lage.
Die
Betroffenen
entwickeln eine Fehlanpassung an
den Schmerz und machen sich Sorgen über „ernste Ursachen“. Sie nehmen eine
Krankenrolle ein, bleiben zu Hause und nehmen medizinische Hilfe in Anspruch, wie
das Kind im Lied. In diesem Bespiel entscheidet das Kind nicht allein, dass es zum
Doktor geht, seine Mutter zitiert es dort hin und scheint auch ein wenig zu ahnen,
dass keine ernsthafte physische Erkrankung vorliegt. Denkbar wären aber auch
andere Reaktionen der Mutter, wie beispielsweise die Vermutung eines entzündeten
Blinddarms
oder
aber
ein
Ignorieren
oder
Abtun
der
Schmerzen.
Doch
glücklicherweise ist in unserem Fall die Ursache schnell geklärt: der Doktor erkennt
die psychischen Ursachen des Bauchwehs und weiß Rat. Ob Kind und Eltern diesen
4
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Einleitung
annehmen, ist von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf der
Schmerzbewältigung. Glauben sie nicht an psychische Ursachen, sondern dass
„hinter diesen Schmerzen doch eine viel ernsthaftere Ursache stecken muss“, wird
oft so lange der Arzt gewechselt, bis endlich „etwas gefunden“ wird. Eine Belastung
der Familie und des Gesundheitssystems in persönlicher als auch finanzieller
Hinsicht sind die Folge.
Wie in der Familie mit körperlichen Beschwerden umgegangen wird, hat neben dem
Temperament des Kindes einen entscheidenden Einfluss darauf, wie es Schmerzen
erlebt
und
verarbeitet.
Die
Familie
ist
der
primäre
Bezugsrahmen
von
Heranwachsenden, hier findet ein Großteil des Sozialisationsprozesses statt.
Sozialisation bezeichnet „den Prozess der Entwicklung eines Menschen in
Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Umwelt (,äußere Realität´)
und den natürlichen Anlagen und der körperlichen und psychischen Konstitution
(,innere Realität´).“
(Hurrelmann, 2006 zit. nach Schneewind, 2008)
Körperwahrnehmung und Schmerzverarbeitung zählen also zur Auseinandersetzung
mit der „inneren Realität“ (siehe Kasten) und werden innerhalb des Bezugsrahmens
Familie vermittelt. Zudem teilen sich Familienmitglieder ihre natürlichen Anlagen in
Form von ähnlichen körperlichen und auch psychischen Konstitutionen.
Dem entsprechend übt das Familienleben einen entscheidenden Einfluss auf die
Entstehung einer Fehlverarbeitung körperlicher Beschwerden und somit auch auf die
Somatisierung aus. Trotz zahlreicher Studien in diesem Bereich ist aber noch immer
nicht klar, welchen Einfluss die Familie auf deren Entstehung und Aufrechterhaltung
hat. Doch gerade hinsichtlich des großen Einflusses der Familie auf die Entwicklung
von Kindern ist es wichtig herauszufinden, in welchem Maß Familienmitglieder als
Vorbilder, Erzieher und Bezugspersonen zum Somatisierungsprozess beitragen.
Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit soll sein, dem Leser einen Überblick über
Somatisierung im Kindesalter zu verschaffen. Anhand einer Auswahl der zahlreichen
Studien, die zur Klärung des familiären Einflusses beitragen könnten, soll der Stand
der Forschung hinsichtlich einer detaillierteren Aufklärung familiärer Einflüsse auf
Somatisierung untersucht werden.
Um
diese
Arbeit
trotz
der
inkonsistenten
Informationsgrundlage
möglichst
übersichtlich zu halten, wird ein einfacher und nachvollziehbarer Aufbau angestrebt.
5
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
EinleitungAufbau und Vorgehensweise
Dabei werden zunächst kurz die Störungsbilder der funktionellen und somatoformen
Störungen definiert und die wichtigsten epidemiologischen Angaben, die zum
weiteren Verständnis der Somatisierung unverzichtbar sind, genannt. Anschließend
wird das deduktiv hergeleitete Konzept der Arbeit anhand eines selbst entwickelten,
integrativen Modells vorgestellt, das behavioristische und familiensystemische
Konzepte bezüglich der Somatisierung am Beispiel funktioneller Bauschmerzen in
sich vereint. Dieses Modell bildet die inhaltliche Basis für den zweiten Teil, der dem
Schwerpunkt des familiären Einflusses gewidmet ist.
Hier werden sieben
Einflussfaktoren der Familie aus unterschiedlichen psychologischen Sichtweisen auf
die Ätiologie der Somatisierung ausgeführt und, soweit es die vorliegenden Studien
zulassen,
anhand
verschiedenster
Untersuchungsergebnisse
erläutert.
Diese
Unterpunkte werden folgende sein:
1. Lernmechanismen, insbesondere Modelllernen und Konditionierung.
2. Einfluss unsicherer Bindungsqualitäten bei der Somatisierung.
3. Die Rolle von mehr oder weniger gelungenem Coping mit den Beschwerden.
4. Systemische Sichtweise der Wirkung der Familie auf die Somatisierung.
5. Allgemeines Familienklima und andere familiäre Faktoren.
6. Komorbide Störungen im Zusammenhang mit der Somatisierung.
7. Ätiologische Konzepte aus psychoanalytischer Sichtweise.
Aufgrund der Informationsvielfalt beziehen sich diese Unterpunkte hauptsächlich auf
funktionelle Bauchschmerzen, da diese in der Kindheit als häufigstes Symptom
auftreten.
Abrunden möchte die Autorin ihre Arbeit mit einem Fazit über das schon gewonnene
Wissen aus den verschiedenen psychologischen Richtungen über den familiären
Einfluss auf die Somatisierung. Kritisch anzumerken ist schon an dieser Stelle, dass
die immer wieder neu entwickelten Forschungsansätze der Studien oft nicht
aufeinander aufbauen und so eine große Verwirrung im sowieso schon komplizierten
Störungskonzept zur Folge haben. Im Ausblick soll deshalb auch auf den noch immer
großen Forschungsbedarf und die weiterhin offenen Fragen bezüglich des
multidimensionalen Prozesses der Somatisierung eingegangen werden.
6
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Störungsbilder
Herleitung des Untersuchungskonzepts
Störungsbilder
Die Störungsgruppe der funktionellen und somatoformen Störungen zeichnet sich vor
allem durch eine große begriffliche Vielfalt und damit einhergehender Uneinigkeit
über die Diagnosekriterien aus.
In der Medizin gängige Bezeichnungen sind
„Funktionelle Somatische Symptome“ (FSS) und die „medizinisch nicht erklärbaren
Somatischen Symptome“ (medically unexplained somatic symptoms, MUS). Im
psychiatrischen Bereich wird von den „somatoformen Störungen“ gesprochen.
Teilweise werden auch noch die veralteten Bezeichnungen „psychosomatische“ oder
„psychogene
Symptome“
verwendet.
Die
Klassifikation
in
den
gängigen
Diagnosesystemen ICD-10 und DSM IV gestaltet sich durch die Symptomvielfalt und
starke Verstrickung mit der Pädiatrie als kompliziert (Noeker, 2008). Eine weitere
Vertiefung dieser Problematik soll jedoch nicht Inhalt dieser Bachelorarbeit sein.
Funktionelle Störungen
Vereinzelte funktionelle Beschwerden sind in der Bevölkerung so weit verbreitet,
dass sie schon als „normal“ bezeichnet werden könnten. Treten diese jedoch immer
wieder auf und gehen mit morphologischen Veränderungen auf der Mikroebene
einher, ohne dass organmedizinische Ursachen nachweisbar wären, werden sie
störungsrelevant. Funktionelle Bauchschmerzen treten bei 8 bis 25% der Kinder im
Schulalter auf (Dufton et al., 2008) und sind zwischen acht und zehn Jahren am
häufigsten verbreitet (Guite, Lobato, Shalon, Plante & Kao, 2007). In der frühen
Kindheit sind Jungen wie Mädchen in gleichem Maße betroffen, mit fortschreitendem
Alter scheinen funktionelle Symptome bei den Jungen zurückzugehen, sodass ein
Geschlechterverhältnis von fünf zu drei für die Mädchen entsteht (Guite et al., 2007).
Ramchandani, Hotopf, Sandhu, Stein und The ALSPAC Study Team (2005) stellten
dieses Verhältnis auch schon bei Zwei- bis Sechsjährigen mit wiederkehrenden
Bauchschmerzen fest. Funktionelle Beschwerden können sehr vielfältig sein und sich
in Symptomen aus der Kardiologie, HNO, Neuropädiatrie, Gastroenterologie,
Infektiologie, Rheumatologie, Orthopädie und Pneumologie zeigen (Noeker, 2008).
Bei jüngeren Kindern sind sie meist monosymptomatisch, ältere Kinder und
Jugendliche zeigen eher polysymptomatische Störungsbilder (Campo & Fritsch,
1994; Grøholt, Stigum,
Nordhagen & Köhler, 2003). Im Folgenden wird jedoch
größtenteils auf die Prävalenz von Schmerzstörungen eingegangen.
7
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
StörungsbilderFunktionelle Störungen
Roth-Isigkeit, Thyen, Stöven, Schwarzenberger und Schmucker (2005) erhoben in
Ostholstein von 749 Kindern und Jugendlichen im Schulalter Daten über deren
Schmerzen über einen Zeitraum von drei Monaten. 83% der Befragten gaben an,
innerhalb dieses Zeitraumes irgendeine Art von Schmerzen gehabt zu haben. In der
nachfolgenden Grafik ist aufgeführt, wie viel Prozent der Befragten unter welchen
Beschwerden litten (blauer Balken) und wie stark sie sich durch diese beeinträchtigt
fühlten (roter Balken).
Häufigkeit funktioneller Beschwerden und Stärke der Beeinträchtigung
Kopfschmerzen
Bauchschmerzen
Halsschmerzen
Gliederschmerzen
Rückenschmerzen
Menstruationsbeschwerden
Ohrenschmerzen
Zahnschmerzen
Schmerzen im unteren Bauch
Schmerzen in der Brust
andere
30,4
60,5
12,3
43,3
3,9
35
33,6
30,2
10,7
8,9
4,4
14,3
2,5
12
1,6
11,7
1,6
10,8
1,6
9,1
1,64
als am belastendsten
empfunden in %
von Beschwerden
betroffen in %
Abb. 3: Vielfalt und Belastung durch funktionelle
Beschwerden, mod. nach Roth-Isigkeit et al., 2005
Vor allem Kopf- und Bauchschmerzen werden als sehr belastend erlebt und
schränken
die
Lebensqualität
vergleichbar
stark
ein
wie
eine
organische
gastrointestinale Erkrankung. Dies wiesen auch Youssef, Murphy, Langseder und
Rosh
(2005)
bezüglich
der
Lebensqualität
von
Kindern
mit
funktionellen
Bauschmerzen nach.
Zusammengefasst können funktionelle Störungen wie folgt definiert werden:
Funktionelle Störungen sind körperliche Symptome mit unbekannter
pathologischer Ursache, die in der Allgemeinbevölkerung recht weit verbreitet sind
und als Befindlichkeitsstörungen oder Schmerzen im ganzen Körper vereinzelt
(monosymptomatisch) oder in Kombination untereinander (polysymptomatisch)
auftreten können.
Somatoforme Störungen
Bei dieser Störungsgruppe kommt es zur starken Diskrepanz zwischen unauffälligen
organischen Befunden und den subjektiv erlebten körperlichen Beschwerden oder
Schmerzen des Patienten. Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen der organischen
8
StörungsbilderSomatoforme Störungen
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Erkrankung („disease“), dem subjektiven Empfinden der Beschwerden („illness“) und
dessen Kommunikation nach außen („sickness“) (Noeker, 2008). Dabei überwiegen
„illness“ und „sickness“ deutlich gegenüber der kaum oder sogar gar nicht
vorhandenen „disease“. Je nachdem können verschiedene somatoforme Störungen
nach ihren Merkmalen unterteilt werden, die an dieser Stelle jedoch nicht im Detail
ausgeführt
werden.
somatoformen
Der Tabelle
Störungsbilder
1 ist
und
eine Übersicht
deren
Codierung
der verschiedenen
in
den
gängigen
Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV zu entnehmen.
Somatoforme (soma.) Störungen F45 im ICD-10
Somatoforme Störungen 300.81 im DSM-IV
F45.0  Somatisierungsstörung
Somatisierungsstörung
F45.1  Undifferenzierte Somatisierungsstörung
Undifferenzierte Somatisierungsstörung
F45.2  Hypochondrische Störungen
Hypochondrische Störung
F45.3  Soma. autonome Funktionsstörungen
F45.4  anhaltende soma. Schmerzstörungen
Schmerzstörung
F45.8  sonstige soma. Störungen
F45.9  nicht näher bezeichnete soma. Störungen
Nicht näher bezeichnete soma. Störung
Tabelle 1: Somatoforme Störungen in ICD-10 und DSM-IV (mod. nach Noeker, 2008, S.57)
Die epidemiologischen Angaben sind durch die unklaren Diagnosekriterien sehr
unterschiedlich und schwanken zwischen Angaben der Lebenszeitprävalenz
mit
0,4% für männliche Probanden (EDPS-Studie; nach Noeker, 2008) und 15,65% bei
Mädchen (Bremer Jugendstudie, nach Noeker, 2008). Zudem ist eine Erfassung der
Störung vor dem Jugendalter kaum möglich, da Kinder meist mit ihren Eltern einen
Arzt aufsuchen oder von ihnen geschickt werden und eine Abgrenzung zur
somatoformen Störung by-proxy (siehe unten) schwierig ist
Somatoforme Störungen treten oft komorbid mit anderen psychischen Störungen auf.
So berichten Mädchen mit psychiatrischer Diagnose mehr als drei Mal so häufig von
Kopfschmerzen wie gesunde (Beck, 2008). In einer griechischen Studie hatten sogar
mehr als 80% der untersuchten Kinder mit Bauchschmerzen eine psychiatrische
Diagnose, meist Angst- oder depressive Störungen. (Liakopoulou-Kairis et al., 2002).
Somatoforme Störungen zeichnen sich durch organische Symptome unbekannter
Ursache und deren psychischer Fehlinterpretation aus und gehen mit der
Einnahme einer Krankenrolle und einem gesteigerten Inanspruchnahmeverhalten
medizinischer Leistungen einher.
9
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
StörungsbilderAusnahmen
Somatoforme Störung by proxy
Bei dieser Störung ist das Kind zwar Träger der funktionellen Symptomatik, eine
Fehlanpassung
geschieht
jedoch
durch
die
Eltern.
Das
gesteigerte
Inanspruchnahmeverhalten und die starke Gesundheitsangst gehen von ihnen aus.
Zudem ist eine Abgrenzung zum Münchhausen Syndrom by proxy (Artifizielle
Störung by proxy) wichtig, bei dem eine Bezugsperson bewusst eine Symptomatik
beim Kind herbeiführt, um dann stellvertretend die Krankenrolle und deren soziale
Reaktionen (z.B. Mitleid) für sich einnehmen zu können.
Fibromyalgie und Chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronic fatigue syndrome)
Diese bis heute wenig erforschten Krankheiten werden ebenfalls dem Bereich der
funktionellen und somatoformen Störungen zugeordnet. Beide Störungsbilder sollen
in der vorliegenden Bachelorarbeit jedoch aufgrund ihres seltenen Vorkommens und
ihrer unklaren Ätiologie ausgeklammert werden. Einen sehr guten Überblick bietet
Meinolf Noeker in den entsprechenden Kapiteln seines Buches „Funktionelle und
somatoforme Störungen im Kindes- und Jugendalter“ (Noeker, 2008).
Somatisierung
Der Prozess der Somatisierung bezeichnet den Übergang von den funktionellen
Beschwerden in ein somatoformes Störungsbild und ist durch eine Fehlanpassung
an die funktionellen Beschwerden mit gesteigertem Inanspruchnahmeverhalten und
übermäßiger Beschäftigung mit den Beschwerden gekennzeichnet. Die wohl
bekannteste Definition stammt von Lipowski:
„Bei der Somatisierung handelt es sich um eine Tendenz, körperlichen Stress zu
erleben und zu kommunizieren, der nicht hinreichend durch pathologische
Befunde zu erklären ist, diesen auf körperliche Erkrankung zurückzuführen und
dazu medizinische Hilfe aufzusuchen.“
(Lipowski, 1988; zit. nach Noeker, 2008, S. 25)
Angesichts der weiten Verbreitung funktioneller Beschwerden kommt es nur relativ
selten
zu
einer
Somatisierung
und
zur
Entwicklung
eines
somatoformen
Störungsbildes. Vor dem Hintergrund vorliegender Fachliteratur und ausgewählter
Studien zu somatoformen und funktionellen Störungen hat die Autorin versucht, mit
einem möglichst weiten Überblick, auch aus der Sicht verschiedener psychologischer
Richtungen, die multifaktorielle Ätiologie der Somatisierung in einem einzigen
Entwicklungsmodell zu vereinen. Dies soll auf den nächsten Seiten vorgestellt
werden.
10
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Entwicklungsmodell
der Somatisierung
Entwicklungsmodell der Somatisierung
Aufgrund des inkonsistenten Forschungsstandes existieren mehrere Modelle zur
Entwicklung somatoformer Störungen. In dem unten abgebildeten integrativen Modell
zur Entwicklung der Somatisierung hat die Autorin versucht, drei verschiedene
Ansätze aus familiensystemischer (Palermo & Chambers, 2005), verhaltens(Noeker, 2008) und entwicklungspsychologischer (Beck, 2008) Sichtweise in einem
Gesamtkonzept zusammenzubringen. Das Modell soll einerseits verdeutlichen, wie
komplex und multifaktoriell bedingt die Somatisierung ist. Andererseits soll es auch
als Basis für den anschließenden Teil der Bachelorarbeit dienen, in dem die
familiären Faktoren fokussiert und anhand vorliegender Studien untersucht werden.
Abb. 4: Integratives Modell der Entwicklung der Somatisierung; zusammengestellt von der Autorin auf Basis
von Beck, 2008, S.554; Noeker, 2008, S.99; & Palermo & Chambers, 2005, S.3
11
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
SomatisierungEntwicklung funktioneller Beschwerden
Erste Störungsetappe: Entwicklung funktioneller Beschwerden
Zum ersten Schritt der Somatisierung, der Manifestation einer funktionellen
Symptomatik, tragen physiologische und psychologische Faktoren gleichermaßen
bei. Auf körperlicher Ebene besteht durch vererbte oder erworbene Veränderungen
der neuronalen Mikrostruktur eine Überempfindlichkeit gegenüber externen und/oder
internen Reizen. Schon hier könnte die Familie die körperliche Befindlichkeit des
Kindes, z.B. durch die Ernährungsweise, beeinflussen.
Die psychischen Einflussfaktoren sind vielfältig: Auf der individuellen Ebene des
Kindes spielen das Alter, das Geschlecht und das Temperament eine wichtige Rolle.
Im Alter von neun Jahren ist das Risiko funktioneller Bauchschmerzen am höchsten
(Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Guite et al., 2007) und Mädchen sind mit
zunehmendem Alter häufiger betroffen als Jungen (Apley & Naish, 1958; Beck, 2008;
Campo & Fritsch, 1994; Grøholt et al., 2003; Guite et al., 2007; Janssens, Oldehinkel
& Rosmalen, 2009; Jellesma, Rieffe, Terwogt & Westenberg, 2008; Noeker, 2008;
Ramchandani et al., 2005). Das Temperament spielt eine entscheidende Rolle beim
Umgang mit körperlichen und psychischen Beschwerden (Terre & Ghiselli, 1996).
Frühe Grundtemperamente können wie folgt in den positiven Affekt verbunden mit
Annäherung, den negativen Affekt und zuletzt Scheu und Gehemmtheit (Oerter,
2008) unterschieden werden. Dabei könnten vor allem Kinder, bei denen der zweite
und dritte Temperamentsfaktor vorherrschen, zu einer negativen Verarbeitung von
Belastungen neigen.
Die kindliche Psyche wird während der Entwicklung auch stark von äußerlichen
Faktoren aus der Umgebung beeinflusst. So führen beispielsweise unklare
Familienstrukturen oder eine Kumulation negativer Lebensereignisse zu einer
erhöhten psychischen Vulnerabilität. Beim Entstehen funktioneller Bauchschmerzen
wirken jedoch auch bestimmte Schutzfaktoren, die das Kind, trotz der Belastungen,
vor einer Manifestation der Symptomatik schützen oder zumindest moderierend auf
deren Ausprägung wirken können. Dazu gehören beispielsweise eine positive
Grundstimmung,
bestimmte
Copingstrategien
im
Umgang
mit
körperlichen
Beschwerden oder eine hohe soziale und intellektuelle Kompetenz. Auch hier hat die
Familie
als
Hauptbezugsrahmen
einen
ganz
entscheidenden
Einfluss
als
Schutzfaktor. Überwiegen jedoch die Risikofaktoren kommt es zur Manifestation
funktioneller Bauchschmerzen.
12
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
SomatisierungEntwicklung einer somatoformen Störung
Zweite Störungsetappe: Entwicklung einer somatoformen Störung
Hat sich eine funktionelle Symptomatik manifestiert, bedarf es zahlreicher weiterer
Einflussfaktoren, die letztendlich zur Entwicklung einer somatoformen Störung
beitragen. Die funktionellen Beschwerden führen nicht nur zu aversiven sensorischen
Empfindungen, sondern beeinflussen auch die Stimmung negativ. Schon hier ist das
Verhalten der Eltern als Modelle von entscheidender Bedeutung, da vor allem
kleinere Kinder ihre Reaktionen auf aversive Reize nach deren Verhalten richten.
Das Modelllernen könnte auch bei einem Kernmerkmal der Somatisierung, der
exzessive Gesundheitsangst, gelten. Hinzu kommt die Beeinträchtigung des Alltags
durch die Beschwerden. Oft wird dieses Verhalten mehr oder weniger stark von der
Familie unterstützt und wirkt als Verstärker für den fehlangepassten Umgang mit den
körperlichen Beschwerden im Sinne einer Konditionierung.
Daraus entwickelt sich die Hauptmerkmale einer somatoformen Störung: Eine
katastrophisierende
Verarbeitung
der
Beschwerden,
die
dysfunktionale
Kommunikation innerhalb der Familie und in der Beziehung zum Mediziner. Ob ein
Symptom „zur Katastrophe wird“ unterliegt bei Kindern wieder ganz entscheidend
dem Vorbild des familiären Modells. Zudem kommen hier temperamentsabhängige
und während der Sozialisation erlernte Copingstrategien des Kindes zum Einsatz.
Ist die Kommunikation in der Familie gestört, kann die Somatisierung auch einen
bestimmten Zweck im Familiensystem erfüllen oder aus einer gestörten Bindung zur
Bezugsperson hervorgehen. Auffällig werden Kinder mit einer somatoformen Störung
durch häufiges Fehlen in der Schule und das gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten.
Da der behandelnde Arzt keinen organmedizinischen Befund erstellen kann, werden
vermehrt neue Mediziner aufgesucht. Die Motivation zur Inanspruchnahme
medizinischer Leistungen geht meist nicht allein vom Minderjährigen selbst aus,
sondern wird von den Eltern vorgelebt. Zudem tragen im Familienleben gemachte
Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeitserfahrungen im Umgang mit den
Beschwerden zu der Entscheidung, einen Doktor aufzusuchen, bei.
Zahlreiche Studien belegen auch den Einfluss psychischer Störungen oder
chronischer körperlicher Erkrankungen der Eltern auf die Somatisierung. Und auch
bei Kindern mit Vorerkrankungen auf physischer und seelischer Ebene treten
funktionelle Symptome und Somatisierung verstärkt komorbid auf.
13
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Einfluss der Familie auf Somatisierung
1. Lernmechanismen
Der Einfluss der Familie auf die Somatisierung
In zahlreichen Studien wird im Zusammenhang mit der Somatisierung von einem
gehäuften Auftreten funktioneller oder somatoformer Symptomatik bei Mitgliedern
einer Familie gesprochen. Begriffe wie „pain-prone children“ (schmerzanfällige
Kinder) (Campo & Fritsch, 1994), „Schmerzfamilie“ oder Aussagen, dass „Schmerz in
der Familie“ läge (Grøholt et al., 2003) aber auch Studien, in denen diese familiäre
Häufung festgestellt wird (Apley & Naish, 1958; Beck, 2008; Hasvold & Johnson,
1996; Livingston, Witt & Smith, 1995) deuten auf eine intergenerationale
Transmission (Beck, 2008) der Somatisierung hin und lassen es logisch erscheinen,
innerhalb der Familie nach Ursachen für die Somatisierung zu forschen.
Die in Familien stattfindenden Prozesse sind verständlicherweise sehr viel komplexer
als das entwickelte Modell abzubilden vermag. Es soll in dieser Vielschichtigkeit nur
eine Orientierung bieten. Die schon in den Erläuterungen der zwei Störungsetappen
des Modells erwähnten Einflussfaktoren der Familie sollen nun im Einzelnen näher
untersucht werden. Sie wirken während des Somatisierungsprozesses hochkomplex
an
mehreren
Stellen
und
in
Kombination
untereinander.
Zur
besseren
Verständlichkeit sollen sie jedoch im Einzelnen linear nacheinander und, soweit es
die vorliegenden Quellen zulassen, anhand ausgewählter Studien erläutert werden.
1. Lernmechanismen
Soziale Lernmechanismen wie das Modelllernen aber auch Konditionierungsmechanismen spielen bei der Sozialisation eines Kindes eine entscheidende Rolle
und üben so auch Einfluss auf die Somatisierung aus (Beck, 2008; Campo & Fritsch,
1994). Die oft als Vorbilder dienenden Verwandten betroffener Kinder leiden häufiger
ebenfalls unter somatoformen Störungen (Walker, Garber & Greene, 1991) oder
funktionellen Symptomen (Apley & Naish, 1958; Beck, 2008; Campo et al., 2007). So
kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die Vererbung, als auch
Lernmechanismen zur Somatisierung beitragen.
Modelllernen
Eltern, aber auch ältere Geschwister, dienen Kindern aufgrund ihrer großen
Ähnlichkeit als Modelle, deren Verhalten sie imitieren und in ihr eigenes
Verhaltensrepertoire aufnehmen. In zahlreichen Studien ist nachgewiesen, dass vor
14
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen1. Lernmechanismen
allem Mütter von Kindern mit funktionellen oder somatoformen Störungen ebenfalls
unter diesen Störungsbildern leiden, oder als Kinder gelitten haben (Campo et al.,
2007). Oft ist der kindliche Schmerz auch ähnlich lokalisiert, wie bei den Eltern
(Grøholt et al., 2003). Auch das Krankheitsverhalten älterer Geschwister dient
jüngeren als Modell (Guite et al., 2007; Hasvold & Johnson, 1996). In einer Studie
von Livingston und Kollegen (1995) stellte das Somatisierungsverhalten älterer
Geschwister einen guten Prädiktor für die Anzahl der Krankenhausaufenthalte eines
Jüngeren dar, ähnlich wie in einer Studie von Guite und Kollegen (2007).
Ein wichtiges Kernmerkmal der Somatisierung ist die Katastrophisierung der
körperlichen Symptome. Es erscheint logisch, dass Kinder dieses Verhalten am
Elternmodell erlernen. Sie spiegeln das Verhalten ihrer Eltern und bewerten es je
nach deren Reaktion als mehr oder weniger bedrohlich. Das Katastrophisieren setzt
sich aus drei prägenden Verhaltensweisen zusammen: Die Hilflosigkeit ist
gekennzeichnet von einem Ohnmachtsgefühl gegenüber den Beschwerden, wenn
Eltern z.B. schon bei leichten Bauchschmerzen ihres Kindes ratlos und beunruhigt
reagieren. Bei der Magnifikation werden Ursachen und Konsequenzen der
Beschwerden in unrealistisch-dramatischer Weise interpretiert, beispielsweise wenn
Eltern bei den Bauchschmerzen ihres Kindes sofort von einem entzündeten
Blinddarm ausgehen. Dritter Bestandteil der Katastrophisierung ist die Rumination,
bei der Betroffene die gesundheitliche Bedrohung in unproduktiven Gedankenketten
immer wieder durchspielen ohne zu einem gedanklichen Abschluss der Sorgen zu
kommen (Noeker & Petermann, 2008).
Im unterstehenden Kasten werden typische Denkweisen der drei Dimensionen der
Katastrophisierung in Form von fiktiven, beispielhaften Äußerungen von Eltern, die
dem Kind als Modell für die Entwicklung eigener katastrophisierender Denkweisen
dienen könnten, aufgeführt.
Hilflosigkeit: „Ich weiß doch auch nicht, was man da machen kann. Ich kann dir
nicht helfen, ich bin ja kein Arzt.“
Magnifikation: „Bei Bauchschmerzen sollte man wirklich aufpassen, schneller als
man denkt liegt man mit einem Blinddarmdurchbruch im Krankenhaus.“
Rumination: „Ich sehe das schon kommen: erst hat man nur ein bisschen
Bauchschmerzen, dann wird ein Krebsgeschwür gefunden und am Ende entfernen
sie einem ganze Darmabschnitte!“
15
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen1. Lernmechanismen
In einer Studie von Goubert , Eccleston, Vervoort, Jordan & Crombez (2006) wiesen
Eltern und Kinder sehr ähnliche Werte bei Hilflosigkeit, Magnifikation und Rumination
auf. Katastrophisierendes Denken könnte sich auch kreislaufartig gegenseitig
bedingen, so wird in der Studie gesagt: „It is possible, that parental catastrophic
thinking about their child´s pain promotes greater pain and disability, and that greater
pain and disability promotes more anxious and solicitous parenting, or both.”
(Goubert et al., 2006; S. 262).
Die größere Sorge und die damit verbundene
Katastrophisierung der Beschwerden durch die Eltern könnte demnach eine
intensivere Schmerzäußerung und Einschränkung beim Kind verursachen, worauf
die Eltern wieder mit noch größerer Sorge reagieren. Für einen solchen Kreislauf
spricht auch, dass Kinder von Eltern mit höheren Werten in den Dimensionen der
Katastrophisierung mehr Einschränkungen im alltäglichen Leben haben (Stuart &
Noyes, 1999).
Konditionierung
Das katastrophisierende Denken könnte dabei über Generalisierungsmechanismen
erlernt werden. Operante Konditionierung könnte im Zusammenhang mit der
bewussten Äußerung körperlicher Beschwerden zur Instrumentalisierung wie folgt
ablaufen: Können Kinder durch Einnahme einer Krankenrolle unangenehme Pflichten
vermeiden, wie beispielsweise in die Schule zu gehen oder bestimmte Aufgaben im
Haushalt zu übernehmen, wird das Krankheitsverhalten verstärkt und befördert.
Eine Konditionierung von Leidensäußerungen, obwohl gar keine körperlichen
Schmerzen vorliegen, wäre aber auch möglich, wenn Eltern in der frühen
Entwicklung lediglich auf negative Bedürfnisäußerungen ihres Babys reagieren.
Dieses Elternverhalten wird als „conditional caretaking“ (Violon, 1985) bezeichnet.
Dadurch lernt das Kind, nach und nach jedes Bedürfnis, z.B. auch nach positiver
Zuwendung, über Schmerzäußerungen auszudrücken.
Es sprechen jedoch auch einige Studien gegen die Rolle von Konditionierung im
Somatisierungsprozess. So fanden Jellesma und Kollegen (2008) heraus, dass
positive Konsequenzen Kinder nicht zu häufigerer Schmerzäußerung animierten.
Noeker argumentiert in seinem Buch jedoch, dass jedes Kind selbst in Abhängigkeit
von
Alter,
Temperament
und
Geschlecht
individuell
definiere,
welches
Elternverhalten verstärkend wirke (Noeker, 2008; S. 194).
16
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen2. Bindung
In einer Studie von Walker und Kollegen sollten Kinder mit funktionellen
Bauchschmerzen Wasser in einer solchen Menge trinken, die leichte Beschwerden
auslösen würde (Walker et al., 2006). Anschließend wurde bobachtet, wie in
Abhängigkeit vom Verhalten der vorher instruierten Eltern mit den Beschwerden
umgegangen wurde. Kinder, deren Eltern mit ihnen über ihre Beschwerden
sprachen, beachteten ihre Beschwerden auch mehr. Sprachen sie mit ihren Eltern
über andere Inhalte, ließen sie sich gut ablenken und schenkten ihren Beschwerden
weniger Beachtung. Dies spricht für den Modellcharakter des Elternverhaltens und
für eine Konditionierung des kindlichen Verhaltens, bei dem die Beschäftigung mit
den Beschwerden durch die elterliche Zuwendung verstärkt wird.
2. Einfluss der Bindung
Nähe und Geborgenheit sind lebendwichtige Grundbedürfnisse, wie schon Kaiser
Friedrich
II
(1194-1250)
in
einem
legendären
mittelalterlichen
Experiment
herausfand: Um die „Ursprache“ zu erforschen, isolierte er Säuglinge von der
Außenwelt, die zwar gestillt und sauber gehalten wurden, jedoch keinerlei
Zuwendung erfuhren, woraufhin sie innerhalb kurzer Zeit verstarben. Diese
Zuwendung durch die Bezugsperson wird als Bindung bezeichnet, deren Qualität
einen entscheidenden Einfluss auf die gesamte spätere Persönlichkeitsentwicklung
eines Menschen hat. Man unterscheidet die sichere Bindung und drei verschiedene
Arten unsicherer Bindung (vgl. Abb.5). Eine sichere Bindung bildet einen generellen
Schutzfaktor bei allen Arten von Belastungen, eine unsichere Bindung steigert die
Wahrscheinlichkeit psychischer und wahrscheinlich auch körperlicher Vulnerabilität.
Zudem beeinflusst sie das Selbst- und Fremdbild des Individuums und wirkt so auf
das Selbstwertgefühl, das Selbstbewusstsein und die soziale Interaktion.
Gerade in der Untersuchung familiärer Ursachen der Somatisierung müssen die
verschiedenen Bindungstypen berücksichtigt werden, da sie eine Grundlage der
Persönlichkeit bilden und an jeder Stelle im Somatisierungsmodell wirksam werden
können. So konnten Stuart und Noyes (1999) einen anklammernden Bindungsstil bei
somatisierenden Kindern nachweisen und interpretierten die körperlichen Symptome
als eine Versicherung der Kinder für die elterliche Obhut.
17
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen2. Bindung
Bei der Befragung somatisierender Erwachsener zu deren Bindungsrepräsentation
stellten Waller, Scheidt und Hartmann 2004 ebenfalls ein Überwiegen unsicherer
Bindungen fest. Hier trat im Gegensatz zu den Ergebnissen von Stuart und Noyes
jedoch das vermeidende Bindungsmuster doppelt so häufig auf wie eine
anklammernde Bindung. Dieser Bindungstyp der Probanden könnte aus einer
„Enttäuschung“ der Erwartungen von Trost in früher Kindheit resultieren, erklärt aber
nicht das typische gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten somatisierender Patienten.
Der nachfolgenden Grafik sind die verschiedenen Bindungstypen bezüglich des
Somatisierungsverhaltens zu entnehmen.
Kognitives Selbstmodell
positiv
negativ
SICHER
UNSICHER - anklammernd
- Vertrauen in sich selbst und andere
- emotionale Abhängigkeit von anderen
- normale Kommunikation über leichte
und reale Beschwerden
- gesteigerte Kommunikation über leichte
Beschwerden
 Inanspruchnahmeverhalten: normal
 Inanspruchnahmeverhalten: hoch
positiv
kognitives
Modell
vom
„Anderen“
UNSICHER - vermeidend
UNSICHER - ängstlich
- erzwungene Unabhängigkeit
- Wechsel zwischen Annäherung und Abwehr
- Angst vor engeren Beziehungen
- normale bis reduzierte Kommunikation
über reale Beschwerden
- gesteigerte Kommunikation über die durch
Angst verursachten, realen Beschwerden
 Inanspruchnahmeverhalten: niedrig
 Inanspruchnahmeverhalten: niedrig
negativ
Abb. 5: Bindungstypen und Inanspruchnahmeverhalten; mod. nach Ciechanowski et al., 2002; S.661
Wird das quantitiav messbare Inanspruchnahmeverhalten als ein Indikator für das
Somatisierungsverhalten eines Menschen gesehen, scheint laut einer Studie von
Ciechanowski
und
Kollegen
eine
unsicher-anklammernde
Bindung
für
die
Somatisierung typisch, da in dieser Gruppe sehr viel mehr medizinische Hilfe in
Anspruch genommen wurde (Ciechanowski, Walker, Katon & Russo, 2002). Zudem
sind Menschen dieses Bindungsmusters oft weniger kompetent im Umgang mit den
Beschwerden.
Eine unsichere Bindung entsteht, wenn Eltern ihrem Kleinkind gegenüber
unzuverlässig und wenig einfühlsam auf dessen Bedürfnisse reagieren. Eine
18
Familiäre Ursachen-
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
2. Bindung
3. Coping
Untersuchung der Eltern somatisierender Kinder ergab, dass diese unfähiger waren,
Emotionen zu zeigen und auf ihr Kind einzugehen (Brook, 1991). Dies könnte mit
dem Konzept der „conditional caretakers“ (Violon, 1985) übereinstimmen.
Bialas und Craig untersuchten 2007 das Verhalten von gesunden, organisch
erkrankten und somatisierenden Müttern gegenüber ihren vier- bis achtjährigen
Kindern während des Spielens und Essens. Sie konnten beobachten, dass Kinder
somatisierender Mütter die wenigsten Bedürfnisse, mit inhaltlicher Beschränkung auf
das Bedürfnis nach Gesundheit und Sicherheit, zum Ausdruck brachten. Ihre Mütter
hingegen waren diejenigen, die während der Testsituation die meisten Bedürfnisse
gegenüber ihren Kindern äußerten. Gleichzeitig reagierten Probandinnen aus dieser
Gruppe nur auf ein Dreiviertel der Bedürfnisäußerungen, organisch Kranke waren
dazu zu 90% in der Lage, gesunde Mütter reagierten auf alle Bedürfnisse ihrer
Kinder. Die selteneren Hilfsangebote der somatisierenden Mütter wurden von ihren
Kindern
noch
dazu
auffällig
oft
ignoriert
(Bialas &
Craig,
2007).
Diese
Beobachtungen könnten für eine unsichere Bindung bei Kindern somatisierender
Mütter sprechen und stützen erneut das Konzept der „conditional caretakers“
hinsichtlich des Inhalts der Bedürfnisäußerungen. Kritisch anzumerken ist jedoch,
dass nur eine geringe Anzahl spezifischer Bedürfnisäußerungen während des
Spielens beobachtet werden konnten, wodurch das Ergebnis verfälscht sein könnte.
3. Coping
Sind wir Belastungen oder Stressoren ausgesetzt, müssen wir versuchen, mit diesen
Anforderungen umzugehen, dieses Verhalten wird als Coping bezeichnet. Bei der
Somatisierung bezieht sich Coping also einerseits auf den Umgang mit psychischen
Stresssituationen, andererseits auch auf das Zurechtkommen mit den körperlichen
Beschwerden. Möglicherweise verfügen somatisierende Kinder über weniger
erfolgreiche Copingstrategien beim Umgang mit Stressoren und sind so vulnerabler
für psychischen und physischen Stress.
Qualität des Copings
Im
Zusammenhang mit funktionellen Bauchschmerzen werden Hocking und
Kollegen (2010) zufolge drei verschiedene Copingmechanismen unterschieden: Die
primäre und sekundäre Kontrolle, die die aktive Auseinandersetzung mit dem
19
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen3. Coping
Stressor bedeuten und das Vermeidungsverhalten, ein eher passiver Umgang mit
der Belastung. Bei der primären Kontrolle erfolgt eine eigenständige Veränderung
des Stressors oder der darauf bezogenen Emotionen. Die Habituation des Stressors
und eine kognitive Aufmerksamkeitsmodifikation werden als sekundäre Kontrolle
bezeichnet und setzen eine gewisse kognitive Reife voraus. Beim passiven Coping
wird der Belastung durch Vermeidungsverhalten ausgewichen. Diese Art von Coping
ist mit einer stärkeren Schmerzbelastung, somatoformen Symptomen, Angst und
Depression verbunden. Sekundäre Kontrollmechanismen hingegen korrelieren sogar
negativ mit Angstsymptomen (Hocking et al., 2010). Die untersuchten Kinder mit
funktionellem Bauchschmerz dieser Studie berichteten signifikant häufig von
passiven Copingstrategien. Dies könnte, laut Aussage der Autoren, aber auch mit
dem geringen Altersdurchschnitt von erst knapp zwölf Jahren und nicht mit den
Beschwerden assoziiert werden. Dass von Bauchschmerzen heimgesuchte Kinder
häufiger passive Copingstrategien einsetzen, konnte auch in einer früheren Studie
von Venepalli, Van Tilburg und Whitehead (2006) nachgewiesen werden. Zudem
katastrophisierten die untersuchten Kinder ihre Beschwerden stärker, was dafür
spricht, dass auch das Katastrophisierungsverhalten Rückschlüsse auf die
Copingkompetenz erlaubt.
Der Umgang mit Belastungen ist wiederum vom Vorbild der Bezugspersonen und
bestimmten Vorerfahrungen geprägt. Hier ist also schon die Komplexität der Ätiologie
von Somatisierung zu erkennen, da das Modelllernen auch hier eine wichtige Rolle
spielt. Und auch eine gute Bindung ist ausschlaggebend für den Selbstwert, der
wiederum Voraussetzung für aktives Coping ist.
Gesteigerte Stressbelastung
Neben der Verwendung wenig erfolgreicher Copingstrategien könnte auch eine
insgesamt höhere Belastung die Entstehung somatoformer Störungen verursachen.
Dufton und Kollegen untersuchten 2008 die Auswirkungen von Stress auf die
Schmerztoleranz
von
49
neun-
bis
17-jährigen
Kindern
mit
funktionellen
Bauchschmerzen. Eine Gruppe sollte zuerst ihren Arm so lange wie möglich in
schmerzhaft kaltes Wasser halten und danach schwierige Aufgaben, die eine
Stresssituation erzeugen sollten, lösen. Die zweite Gruppe löste als erstes die Stress
auslösenden Aufgaben und setzte sich danach dem Schmerzreiz aus. Die zweite
„gestresste“ Gruppe konnte den Schmerz nicht so lange ertragen wie die erste
20
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen3. Coping
Gruppe. Es könnte also sein, dass Stress die Schmerztoleranz sinken lässt.
Andererseits ist fraglich, inwiefern von einem kontrollierten, sichtbaren Schmerzreiz
im Arm auf Bauchschmerzen, die eher unkontrolliert auftreten, Rückschlüsse möglich
sind. Andere Studien konnten eine gesteigerte alltägliche Stressbelastung bei
Kindern oder deren Eltern nachweisen (Beck, 2008; Brook, 1991; Logan & Scharff,
2005). Zudem wurden bei betroffenen Kindern und Erwachsenen mehr negative,
belastende Lebensereignisse (Beck, 2008; Liakopoulou-Kairis et al., 2002; Robinson,
Alvarez & Dodge, 1990) bis hin zur Traumatisierung durch Verlust von
Bezugspersonen (Campo & Fritsch, 1994) oder sogar Misshandlungserfahrungen
(Brown, Schrag & Trimble, 2005) erfasst.
Sowohl die gesteigerte Stressbelastung im Alltag, als auch die negativen
Lebensereignisse sind bei Kindern vor allem im familiären Rahmen zu finden.
Gleichzeitig ist dies aber die Umgebung, die einen Schutzraum bieten sollte, um
Copingstrategien
zu
erlernen
und
zu
festigen.
Sind
Eltern
oder
andere
Bezugspersonen jedoch schon selbst nicht zu adäquatem Coping in der Lage, ergibt
sich für einen Heranwachsenden eine Doppelbelastung: Einerseits wird er mit
Belastungen konfrontiert, denen er entwicklungsmäßig noch gar nicht gewachsen
sein kann. Auf der anderen Seite ist die Möglichkeit stark eingeschränkt, der
Mehrbelastung angemessene Copingstrategien im unmittelbar verfügbaren Rahmen,
nämlich der Familie, zu erlernen.
Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen
Bei Kindern und Jugendlichen mit funktionellen und somatoformen Störungen konnte
eine geringere Selbstwirksamkeit beim Umgang mit den Beschwerden beobachtet
werden (Goldbeck & Bundschuh, 2007; Stuart & Noyes, 1999). So glaubten
somatisierende Kinder eher an Ursachen außerhalb ihres Kontrollbereichs. Auch in
der Studie von Roth-Isigkeit und Kollegen (2005) nannten die Befragten oft Auslöser
wie das Wetter oder Krankheiten, erkannten aber auch psychische Stressoren wie
Probleme in Schule und Familie als Auslöser. Den Beschwerden werden häufiger
organmedizinisch-biologische Ursachen zugeschrieben (Martin et al., 2007).
Goldbeck und Bundschuh (2007) erforschten die Kontrollüberzeugungen von
somatisierenden Kindern und deren Eltern. In ihrer Studie gab es am meisten
physikalisch-externale Ursachenannahmen und Kontrollüberzeugungen. Auch hier
kann wieder ein Erklärungsansatz für das gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten
21
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen4. Systemische Sicht
liegen. Die nachgewiesen geringe Selbstwirksamkeit könnte mit der in einigen
Studien festgestellten Überbehütung somatisierender Kinder assoziiert werden
(Campo & Fritsch, 1994; Janssens et al., 2009).
Wieder zeigt sich, dass Coping einerseits in der Familie erlernt wird, gerade diese
andererseits aber auch den Erwerb angemessener Bewältigung behindern kann.
4. Die Familie als System
Im systemischen Sinn ist die Familie als existentiell bedeutsames Beziehungssystem
(Stierlin, 2005 nach Schweitzer, Beher, von Sydow & Retzlaff, 2007) zu verstehen, in
dem das Verhalten der einzelnen Mitglieder nicht isoliert, sondern aus deren
Beziehungen untereinander heraus betrachtet wird. In diesem System nimmt jedes
Individuum eine bestimmte, kontextabhängige und meist situationsspezifische Rolle
ein. In diesem Kontext wird die Entstehung der Somatisierung also nicht allein einer
Vulnerabilität des Betroffenen
zugesprochen, sondern einer
dysfunktionalen
Kommunikation zwischen den einzelnen Mitgliedern in ihrer jeweiligen Rolle.
Rollen
Über seine bestimmte Rolle kann jedes Familienmitglied sich selbst identifizieren und
von anderen identifiziert werden. Sind Rollenverhältnisse klar definiert, kann sich ein
Heranwachsender gut zurechtfinden und sich selbst verwirklichen. Eine zu rigide
Rollenverteilung kann jedoch einschränkend und beengend wirken, hier ist also, wie
so oft in der Psychologie, das Gleichgewicht bedeutend. Gerade in größeren
Familien mit mehreren Kindern oder in komplizierteren Verhältnissen von
„Patchworkfamilien“ fällt es dem Einzelnen oft schwerer „seine Rolle“ in dem System
zu finden. Eine funktionelle oder somatoforme Störung kann hier die Möglichkeit zur
Identifikation bieten, nach dem Motto „I complain, thus I exist.“ (Violon, 1985; S.243244). Dafür spricht, dass funktionelle und somatoforme Störungen in großen oder
„verstrickten“ Familien häufiger vorkommen (Livingston et al., 1995)
Auch das Festhalten an Geschlechterrollen spielt bezüglich der Somatisierung eine
große Rolle. So wurde in zahlreichen Studien festgestellt, dass im jüngeren Alter
beide Geschlechter gleichermaßen, später jedoch deutlich häufiger Mädchen
betroffen sind (z.B. bei Campo & Fritsch, 1994; Grøholt et al., 2003; Janssens et al.,
2009). Diese Verschiebung könnte auf dem Hineinwachsen der Jungen in ihre
gesellschaftliche Rolle des „starken Geschlechts“ beruhen.
22
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen4. Systemische Sicht
Kommunikative Funktion
Somatisierungsverhalten übernimmt
mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine
kommunikative Funktion in der Familie (Beck, 2008). Der Ausdruck körperlicher
Beschwerden könnte der Kommunikation über den „wahren“ oder emotionalen
Konflikt vorgezogen werden: „When children from families for which illness is salient
experience negative emotional states that make them ´feel bad` they may direct their
attention to the somatic components of their distress. In such families, illness may be
the most readily available explanation of the cause of a child´s discomfort.” (Walker
et al., 1991, S.389). Das Somatisierungsverhalten könnte also dazu dienen,
wirkliche Konflikte zu „maskieren“, wenn deren Lösung aus verschiedenen Gründen
schwierig oder unmöglich ist. So könnte eine offene Konfrontation verhindert werden
(Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Stuart & Noyes, 1999).
Jugendliche mit funktioneller oder somatoformer Symptomatik berichteten oft von
einer schlechten Beziehung zu ihren Eltern (Campo & Fritsch, 1994). Dafür spricht
auch, dass bei betroffenen Kindern gehäuft ein geringerer Familienzusammenhalt
beobachtet wurde (Campo & Fritsch, 1994; Brown, et al., 2005; Jellesma et al., 2008;
Terre & Ghiselli, 1996). Als das Gegenteil dieses zu geringen Zusammenhalts könnte
ein überbehütender, zu enger Kontakt zwischen Eltern und Kindern betrachtet
werden. Diese Überbehütung konnte ebenfalls vermehrt in Familien somatisierender
Kinder und Jugendlicher beobachtet werden (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994;
Terre & Ghiselli, 1996; Janssens et al., 2009).
Walker, McLaughlin und Greene (1988) überprüften in diesem Zusammenhang die
Gültigkeit des Circumplex Models, dargestellt in Abbildung 6. Hier werden die beiden
gerade erläuterten Faktoren des Familiensystems als Kohäsion und Adaptabilität
gegenübergestellt.
Die
Kohäsion
beschreibt
die
Stärke
des
Familienzusammenhaltes. Sind die Familienmitglieder sehr unabhängig voneinander
besteht eine Loslösung. Sind sie wiederum sehr stark voneinander abhängig, könnte
man von einer „Verwickelung“ sprechen. Die Adaptabilität ist der Ausdruck für die
Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Familie. Erreicht eine Familie einen hohen
Wert, spräche dies für chaotische Verhältnisse, ein sehr niedriger Wert hingegen
würde für rigide, einschränkende Beziehungen der Familienmitglieder sprechen. Dem
Modell
zufolge
extreme
Ausprägungen
von
Kohäsion
und
Adaptabilität
störungsrelevant. Moderate Werte sprächen eher für ein gesundes Familiensystem.
23
Familiäre Ursachen-
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
4. Systemische Sicht
5. Familienklima
Kohäsion
losgelöst
abgesondert
verbunden
verwickelt
Adaptabilität
chaotisch
Legende:
O= Familien
mit
„gesunder“
Kommunikation
flexibel
O O
O
O
O
strukturiert
X= Familie
mit somatisierendem
Kind
X
rigide
Abb. 6: Circumplex Model; mod. nach Olsen et al., in Walker et al., 1988 (S.3)
Die Ergebnisse der Studie konnten jedoch keinen Beweis für die Gültigkeit der
Annahmen liefern. Bei keinem Probanden aus der Gruppe der somatisierenden elfbis 18-Jährigen traten die erwarteten Werte auf. Die 123 Familien erreichten
unabhängig vom Vorhandensein einer Störung ähnlich moderate Werte. Die
Selbstbeurteilung von Kohäsion und Adaptabilität durch die Jugendlichen und ihre
Mütter scheint, hinsichtlich der doch sehr subjektiv wahrnehmbaren Merkmale, eher
fraglich. Die Autoren merken an, dass hohen Kohäsions- und Adaptabilitästswerten
anderen
Studien
sogar
positive
Auswirkungen
auf
das
Familiensystem
zugeschrieben wurden. So könnte z.B. eine hohe Adaptabilität auch positiv im Sinne
eines Veränderungswillens gegenüber Problemen wirken. Und, gerade bei
Jugendlichen, wäre eine geringe Kohäsion als gute Loslösung von der Familie
ebenso positiv zu interpretieren. Diese Ergebnisse könnten für eine noch komplexere
Ätiologie der Somatisierung mit mehr als zwei Faktoren im Familiensystem sprechen.
5. Familienklima
Neben den eben aufgeführten, eher systemischen Merkmalen wurden noch
zahlreiche andere Besonderheiten von Familien somatisierender Kinder und
Jugendlicher beobachtet, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Diese Faktoren
wirken natürlich ebenfalls auf das Familiensystem, die Entwicklung bestimmter
Copingstrategien, die Bindung zwischen den Eltern und dem Kind und auch den
Ablauf von Lernmechanismen.
24
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen5. Familienklima
Funktionsniveau und Stimmung
Bei
betroffenen
Familien
wurde
immer
wieder
ein
deutlich
negativeres
Funktionsniveau beobachtet. Hierzu zählt eine Häufung häuslicher Konflikte mit
körperlicher, verbaler und psychischer Gewalt (Beck, 2008; Brown et al., 2005;
Liakopoulou-Kairis et al., 2002), von Alkohol- und Drogenmissbrauch und
antisozialem Verhalten (Campo & Fritsch, 1994; Livingston et al., 1995). Oft wurden
an somatisierende Kinder auch höhere Anforderungen und Erwartungen gestellt
(Liakopoulou-Kairis et al., 2002).
Sozioökonomische Faktoren
In einigen Familien somatisierender Kinder und Jugendlicher wurden eine soziale
Benachteiligung und ein niedrigeres Einkommen der Eltern erfasst (Beck, 2008;
Campo & Fritsch, 1994; Guite et al., 2007; Youssef et al., 2005). Mütter waren oft
jünger und lebten vom Kindesvater getrennt (Campo et al., 2007). Zudem stammten
betroffene Kinder häufiger aus Familien ethnischer Minderheiten (Campo & Fritsch,
1994). Auch eine geringere Bildung der Eltern scheint eine Rolle bei der
Somatisierung zu spielen (Campo & Fritsch, 1994; Grøholt et al., 2003; Hotopf, Carr,
Mayou, Wadsworth & Wessely, 1998; Livingston et al., 1995). Entgegen diesen
Ergebnissen erfassten Ramchandani und Kollegen (2005) bei Müttern von Kindern
mit wiederkehrenden Bauchschmerzen jedoch einen höheren Bildungsgrad und
besseren sozialen Status.
Geschwister
Der Einfluss von Brüdern und Schwestern wurde schon an anderer Stelle in
Verbindung mit ihrer Modellfunktion erwähnt. Häufig sind mehrere Kinder einer
Familie von somatoformen oder funktionellen Störungen betroffen. Geschwister
somatisierender Kinder könnten durch die geringere Aufmerksamkeit der Eltern und
die Übernahme von Aufgaben des erkrankten Geschwisterkindes psychisch
vulnerabler werden. Guite und Kollegen (2007) erforschten die Geschwister von
Kindern mit funktionellem Bauchschmerz und fanden bei ihnen ein erhöhtes Risiko
für emotionale und Verhaltensprobleme, aber auch somatische Symptome. Dies
erklärten sie damit, dass die Geschwisterkinder häufig unter der geringeren
Aufmerksamkeit der Eltern litten, sich an das kranke Kind anpassten und mehr
Verantwortung übernähmen (Guite et al., 2007).
25
Familiäre Ursachen-
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
5. Familienklima
6. Komorbidität
Kultureller Einfluss
Auch die kulturelle Orientierung und die große Präsenz der Massenmedien
beeinflussen das Miteinander und den Umgang mit Beschwerden in der Familie und
nehmen so indirekt Einfluss auf die Somatisierung (Campo & Fritsch, 1994; Hasvold
& Johnson, 1996; Stuart & Noyes, 1999; Terre & Ghiselli, 1996). Ständiger
Fernsehkonsum könnte beispielsweise die Kommunikation der Familienmitglieder
untereinander und die Sensibilität für emotionale Bedürfnisse einschränken.
Hinsichtlich der Kultur spielt wohl auch der religiöse Hintergrund eine Rolle. So wird
z.B. im Christentum das Leiden anerkannt und bewundert, körperliche Unversehrtheit
und Genuss sind dagegen eher negativ konnotiert (Violon, 1985). Weitere
Hintergründe des kulturellen Kontextes der Somatisierung sind bei Kraus, 2006
nachzulesen.
Traumatisierung innerhalb der Familie
Frühe Traumatisierung, gerade innerhalb des engen familiären Vertrauensrahmens,
ist ein genereller Risikofaktor für psychische Störungen. So überrascht es nicht, dass
auch funktionelle Beschwerden und somatoforme Störungen mit Traumata assoziiert
werden (Brook, 1991; Stuart & Noyes, 1999). Ob sexueller Missbrauch und
Vernachlässigung eine Rolle bei der Somatisierung spielen, ist umstritten. Brown und
Kollegen (2005) konnten keinen Zusammenhang feststellen, in psychoanalytischen
Studien wird beidem aber eine große Bedeutung zugeschrieben.
6. Komorbidität
Somatisierung entsteht aus einer gesteigerten psychischen und/oder physischen
Vulnerabilität. Diese Vulnerabilität des Kindes kann aus einer Vorerkrankung der
Eltern oder aus komorbiden Störungen beim Kind selbst resultieren. Es könnten aber
auch erst durch die Einschränkungen, die mit funktionellen oder somatoformen
Störungen
einher
gehen,
andere
psychische
Störungen
oder
sogar
organmedizinische Folgen entstehen.
Beeinträchtigung der Eltern
Gerade bei somatisierenden Kindern müssen auch ihre Eltern bezüglich komorbider
Störungen sehr genau betrachtet werden. Tritt bei den Bezugspersonen eine Störung
auf körperlicher oder seelischer Ebene auf, ist oft auch die Beziehung zum Kind
26
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen6. Komorbidität
beeinträchtigt. Elternteile könnten dann beispielsweise nicht mehr in der Lage sein,
angemessenes Modellverhalten beim Umgang mit Beschwerden zu zeigen oder
ihrem Kind angemessene Copingstrategien vorzuleben. Oft ist gerade bei psychisch
erkrankten Eltern auch die Bindung beeinträchtigt. Zudem kann mit einer
Vorerkrankung der Eltern auch eine Verschiebung der Rollenverhältnisse im
Familiensystem einhergehen, oder sich das allgemeine Klima des Familienlebens
verändern, z.B. durch Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Belastung. Abhängig von der
Kompetenz der Eltern, mit ihrer eigenen Beeinträchtigung fertig zu werden, können
auch hier wieder Risiko- oder auch Schutzfaktoren auf das Kind wirken.
In
Familien
von
Bauchschmerz
somatisierenden
treten
gehäuft
Kindern
oder
gesundheitliche
Kindern
mit
Probleme
funktionellem
oder
körperliche
Erkrankungen der Eltern wie Migräne, das Reizdarmsyndrom, ein nervöser Magen
oder eine Erkrankung der Mutter während der Schwangerschaft auf (Beck, 2008;
Campo et al., 2007; Campo & Fritsch, 1994; Robinson et al., 1990; Schulte,
Petermann & Noeker, 2010; Youssef et al., 2005).
Gerade bei Müttern wiesen Studien eine signifikante Häufung von somatoformen
Störungen, Depressionen und Wochenbettdepressionen oder pathologischer Angst
nach (Campo et al., 2007; Campo & Fritsch, 1994; Hotopf et al., 1998; LiakopoulouKairis et al., 2002; Ramchandani, Stein, Hotopf, Wiles & The ALSPAC Study Team,
2006; Robinson et al., 1990; Schulte et al., 2010). Stuart und Noyes (1999) gaben
eine Prävalenz psychischer Störungen in Familien somatisierender Kinder von 44%
bis 73% an.
Diese psychische Beeinträchtigung wirkt sich laut vorliegender Studien auf die
elterliche
Belastbarkeit
und
deren
katastrophisierendes
Beschwerden ihres Kindes aus. So konnten Hotopf
Denken
über
die
und Kollegen (1998) eine
neurotische Persönlichkeit von Müttern von Kindern mit funktionellem Bauchschmerz
mit geringerer Belastbarkeit, gesteigerter Angst und einer katastrophisierenden
Denkweise
assoziieren.
Für
eine
solche
Beeinträchtigung
des
elterlichen
Funktionsniveaus sprechen auch ein gesteigertes Inanspruchnahmeverhalten oder
häufigere Notaufnahmen bezüglich der kindlichen Beschwerden bei psychischen
Auffälligkeiten eines Elternteils (Levy, Langer, Walker, Feld & Whitehead, 2006;
Livingston et al., 1995). Venepalli und Kollegen (2006) stellten fest, dass Eltern, die
27
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen6. Komorbidität
wegen der Bauchschmerzen ihrer Kinder häufiger medizinische Hilfe in Anspruch
nahmen, auch eher zu katastrophisierendem Denken neigten.
Komorbiditäten beim Kind
Bisher konnte noch nicht geklärt werden, ob sich somatisierendes Verhalten aus
einer schon vorliegenden psychischen Störung herausbildet, oder in wie weit erst aus
der Somatisierung heraus eine psychische und auch physische Vulnerabilität
entsteht. Fakt ist, dass Studien Somatisierung meist komorbid mit anderen
Störungen auftretend assoziieren. Diese können sich bei funktionellen abdominellen
Schmerzen in körperlichen Symptomen wie Blässe, Übelkeit, Fieber, Schmerzen in
anderen Körperregionen (Apley & Naish, 1958) oder einer insgesamt schlechteren
gesundheitlichen Konstitution (Campo & Fritsch, 1994; Hotopf et al., 1998) zeigen.
Schon in der frühen Entwicklung fielen Kinder, die später einmal funktionelle
Bauchschmerzen entwickelten, als „Schreikinder“ mit Drei-Monats-Koliken auf
(Ramchandani et al., 2005 & 2006). Die Ursachen dieses Störungsbildes sind bis
heute nicht vollständig bekannt, eine psychische Komponente wird vermutet.
Funktionelle
Symptomen
Bauchschmerzen
assoziiert
konnten
werden.
schon
Meist
mit
werden
zahlreichen
eher
psychischen
internalisierende
Persönlichkeitsmerkmale wie Ängstlichkeit, Empfindlichkeit, Schüchternheit oder
Nervosität in Verbindung mit funktionellen Störungen angeführt (Apley & Naish,
1958; Hotopf et al., 1998; Robinson et al., 1990; Schulte et al., 2010; Venepalli et al.,
2006). Diese Angaben sind jedoch kritisch zu betrachten, da diese bei Kindern oft auf
Fremdbeurteilungen beruhen und man sich hinsichtlich dieser Merkmale zu sehr auf
Ergebnisse älterer Studien beziehen muss.
Kinder mit funktionellen Schmerzen im Abdomen haben laut Liakopoulou-Kairis und
Kollegen (2002) in über 80% der Fälle auch eine psychiatrische Diagnose. Als
Komorbiditäten bei somatoformen und funktionellen Störungen gelten Depressionen,
Angststörungen wie Phobien oder Trennungsängste, aber auch Bindungs- und
Persönlichkeitsstörungen oder eine dissoziative Amnesie (Beck, 2008; Brown et al.,
2005; Campo & Fritsch, 1994; Jellesma et al., 2008; Noeker & Petermann, 2008;
Stuart & Noyes, 1999).
28
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht
7. Psychoanalytische Sichtweise
Aus psychoanalytischer Sicht wird Somatisierung als „Organneurose“ betrachtet, bei
der die Beschwerden als psychischer Regulator funktionieren. Dabei wird von
verschiedenen Erklärungen zur Entstehung ausgegangen. Die vorliegenden Quellen
bezogen sich auf Schmerzen im Allgemeinen und auf keine bestimmte Altersgruppe,
wodurch sich auch der folgende Abschnitt nicht nur auf Kinder und Jugendliche
bezieht. Es wäre aber durchaus denkbar, dass die beschriebenen Vorgänge auch
schon während der Kindheit prägend wirken. So stellten Psychoanalytiker schon früh
eine kausale Beziehung zwischen einem demütigenden und harten Kindheitsmilieu
und einer daraus entstehenden Schmerzkrankheit fest (Schilder, 1931, nach
Hoffmann & Egle, 2007).
Der narzisstische Mechanismus
Zweck dieses psychoprothetischen Vorganges ist, subjektiv existenzielle Krisen
(„narzisstische Krise“) durch die Bildung eines körperlichen Symptoms oder
Verhaltens zu vermeiden oder zu begrenzen und so einen intrapsychischen Ausfall
zu substituieren. Er dient nicht nur der Spannungsentlastung, sondern garantiert
auch das Weiterfunktionieren ohne psychischen Zusammenbruch (Hoffmann & Egle,
2007). Dieser Mechanismus kommt zum Einsatz, wenn keine sinnvolle Alternative,
z.B. eine angemessene Copingstrategie, eingesetzt werden kann. Auslöser einer
solchen
narzisstischen
Reaktion
könnten
beispielsweise
belastende
Lebensereignisse, körperliche und psychische Traumen, aber auch eine funktionelle
Störung sein. Eine Häufung belastender Lebensereignisse konnte bei Patienten mit
somatoformen und funktionellen Störungen festgestellt werden (Beck, 2008; Campo
& Fritsch, 1994; Grunau, Whitfield, Petri & Fryer, 1994; Liakopoulou-Kairis et al.,
2002; Ramchandani et al., 2006; Robinson et al., 1990; Schulte et al., 2010;
Venepalli et al., 2006). In diesem Sinne kommt die Auffassung, der Körperschmerz
bahne den Weg für den Seelenschmerz, zum Tragen (Ermann, 2007).
Zudem
könnten
unverarbeitete,
infantile
Unverletzlichkeitsphantasien
zu
Verhaltensproblemen führen. Bei Versagen oder Misserfolgen kommt es zur
Auslösung großer Hilflosigkeit und regressiven Verhaltens. Diese Hilflosigkeit wurde
im Rahmen des katastrophisierenden Denkens in Studien nachgewiesen (Goubert et
al., 2006; Noeker & Petermann, 2008). Der narzisstische Mechanismus tritt auch vor
allem in Verbindung mit Persönlichkeitsstörungen auf (Hoffmann & Egle, 2007).
29
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht
Konversion
Der aus dem Lateinischen stammende Begriff bedeutet „Umwandlung“ und sagt so
für sich schon aus, was bei diesem Mechanismus geschieht. Hier kommt es zu einer
Entlastung von inneren Konflikten durch deren körpersprachlichen Ausdruck in
bestimmten Symptomen. Dazu Freud: „Was ist es denn, was sich hier in körperlichen
Schmerz verwandelt? Die vorsichtige Antwort wird lauten: Etwas, woraus seelischer
Schmerz hatte werden können und werden sollen“ (Freud, 1895; zit. nach Hoffmann
&
Egle,
2007,
S.130).
Typisch
ist
der
kommunikative
Symbol-
oder
Darstellungsgehalt der Beschwerden als „Ausdruckskrankheit“. Dabei werden
bestimmte
unbewusste
Vorstellungen
und
Phantasien
beispielsweise
durch
Verdrängung oder Verschiebung abgewehrt. Zudem sind die Betroffenen emotional
oft sehr erregbar, was auch Apley und Naish feststellten (1958). Selbstbild und
Selbstwahrnehmung sind durch Schwäche, Hilflosigkeit, Unschuld, und ein
Anlehnungsbedürfnis
gekennzeichnet.
Durch
die
Beschwerden
und
Leidensäußerungen entsteht ein unbewusster sekundärer Symptomgewinn. Diese
Theorie stimmt mit der Häufung unsicher-anklammernder Bindungsstile und
geringem Selbstbewusstsein und -wirksamkeit überein (Schulte et al., 2010; Stuart &
Noyes, 1999; Venepalli et al., 2006; Walker et al., 1988). Zu beachten ist bei der
Konversion der kommunikative Aspekt der körpersprachlichen Mitteilung an reale
oder imaginäre Beobachter („sickness“). Bei der Konversion erzeugt ein ungelöster
seelischer Schmerz also den körperlichen Schmerz. Besonders häufig sind, wie
schon früher erwähnt, Depressions- oder Angstpatienten betroffen. Das Zitat einer
Patientin fasst diesen Zusammenhang in die passenden Worte: „Lieber unerträgliche
Schmerzen als ständig diese Leeregefühle.“ (Hoffmann & Egle, 2007; S.130). Dabei
könnten Schuldgefühle, die Umlenkung der Aufmerksamkeit von psychischen auf
körperliche Beschwerden, Verlustersatz, eine Aggressionshemmung und zahlreiche
individuell variierende und kombinierte Aspekte Motivatoren für die Konversion sein.
Umwandlung von Affekten in körperliche Spannungszustände
Es ist völlig normal, dass bei Gefühlen auch vegetative Korrelate als körperliche
Begleiterscheinungen wie Herzklopfen, ein Kribbeln im Bauch oder verstärktes
Schwitzen auftreten. Diese entstehen laut Ermann (2007), da im Säuglingsalter noch
keine Trennung zwischen Körperempfindungen und affektivem Befinden besteht.
Dabei bedeuteten Zärtlichkeit und Sättigung Wohlbefinden und eine gute Beziehung
zur Bezugsperson. Schutzlosigkeit und Feindseligkeit hingegen gingen mit
30
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht
Körperschmerzen und Leid einher. Hier könnte wieder eine enge Verbindung zu den
Bindungsqualitäten gezogen werden. Die körperbezogenen Erfahrungen spielen für
die frühe Affektregulierung eine entscheidende Rolle und werden als vegetativaffektiv-sensorische
Zustände
und
Reaktionsmuster
im
implizit-prozeduralen
Gedächtnis abgelegt, wo sie den Pool somatischer Erinnerungen bilden (Ermann,
2007).
In
der
Entwicklung
erfolgt
nun
nach
und
nach
eine
Trennung
(Desomatisierung) des seelischen und körperlichen Erlebens. Bei großer affektiver
Belastung durch die Umwelt („stress“) und/oder innerpsychischer Vorgänge („strain“)
kann es nun aber zu einer Ich-Regression auf die ausschließlich körperlichen
Symptome kommen, die als „vegetatives Äquivalent“ oder „Stellvertreter“ der
Emotion
auftreten.
Selbstbeobachtung
Dazu
kommt
(„Monitoring“)
häufig
und
die
eine
ängstlich-hypochondrische
Überzeugung
von
ausschließlich
organischen Ursachen der Beschwerden. Die Hemmung expressiver Affektabfuhr
(z.B. verbal oder mimisch) führt zu einer erhöhten Muskelspannung. Im Alltag kommt
diese Emotionsunterdrückung in Wendungen wie „die Zähne zusammenbeißen“ oder
„sich zusammenreißen“ zum Ausdruck. In der unterstehenden Abb. 7 ist die
Somatisierung aus psychoanalytischer Sichtweise dargestellt.
Resomatisierung des Erlebens
Auslöser
pathogener
Affekt
Aktivierung vegetativer Äquivalente
Monitoring
Somatisierungssymptom
Körperorientierte Kommunikation
(„sickness“)
Abb. 7: Somatisierung in der Psychoanalyse; mod. nach Ermann, 2008 (S. 242)
Dissoziation und Traumatisierung
Das vierte psychoanalytische Erklärungsprinzip für Somatisierung geht von einer
schweren Traumatisierung und einer darauf folgenden Dissoziation aus. Somatisierer
scheinen
oft
Traumatisierungen
oder
negative
Kindheitserlebnisse
wie
Misshandlungen oder den Verlust von Bezugspersonen erlebt zu haben (Beck, 2008;
Brook, 1991; Campo & Fritsch, 1994; Stuart & Noyes, 1999). Brown und Kollegen
(2005) stellten bei der Hälfte der untersuchten Patienten mit somatoformer Störung
31
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht
eine dissoziative Amnesie fest. Betroffene hatten mehr körperliche und emotionale
Misshandlung durch Familienmitglieder über einen längeren Zeitraum erlitten. Die
Untersuchung fand jedoch anhand einer relativ kleinen Stichprobe von 28 stationär
behandelten Patienten statt und ist deshalb nicht generalisierbar. Bei der
Dissoziation kommt es zur teilweisen oder völligen Desintegration psychischer
Funktionen,
wie
der
Erinnerungen,
dem
Identitätsbewusstsein,
oder
der
Selbstwahrnehmung. Dadurch wird versucht, das Nichtaushaltbare zu bewältigen
indem es dem Bewusstsein entzogen wird. Es „schlummert“ jedoch weiterhin im
Unterbewussten und wird in heftigen Schmerzzuständen mit klarer Lokalisation
wiedererlebt.
Die Schmerzpersönlichkeit
Zuletzt soll noch das ursprünglich von Engel, 1959 (in Hoffmann & Egle, 2007)
entwickelte Konzept der „Schmerzpersönlichkeit“, das in der Psychoanalyse im
Zusammenhang mit der Somatisierung nicht unerwähnt bleiben sollte, erläutert
werden. Demnach neigen bestimmte Persönlichkeitsstrukturen zum Somatisieren
und dazu, emotionale Belastungen eher in körperlichen Symptomen zu verarbeiten.
Menschen mit repressiver Persönlichkeit („Repressoren“) unterdrücken ihre Impulse,
Gedanken und Emotionen und ertragen Belastungen ängstlich und angespannt,
anstatt sichtbare, psychische Reaktionen zu zeigen, da sie weniger kompetent in der
Verarbeitung von Konflikten sind. Diese werden dann in als sozial anerkannt
wahrgenommenen, körperlichen Symptomen ausgedrückt (Scheer, 2008).
Masochistisch geprägte Persönlichkeiten haben ein unbewusstes Sühnebedürfnis,
und erfahren durch Schmerz eine Reduktion ihrer Schuldgefühle, die sie durch die
unterdrückten Gefühlsregungen in sich tragen. Meist haben sie eine lange
Geschichte von Leid und Niederlage hinter sich, können Erfolge nicht tolerieren oder
provozieren sogar unbewusst Verletzungen und invasive Behandlungen (Ermann,
2007; Hoffmann & Egle, 2007).
Schmerz oder Beschwerden können auch als eine Art Ersatzbefriedigung fungieren,
wenn ein Beziehungsverlust erlebt wurde oder befürchtet wird. Dabei kann der
Schmerz zur Identifizierung mit sozialen Bezugspersonen dienen indem er die selbe
Lokalisation aufweist, oder auch in unsicheren Situationen bekanntes Verhalten bei
Anderen erzeugen und so Sicherheit geben (Ermann, 2007; Hoffmann & Egle, 2007).
32
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Fazit & Ausblick
Fazit & Ausblick
Die vorliegende Bachelorarbeit sollte einen möglichst umfassenden Überblick zu den
familiären Ursachen der Somatisierung bieten. Darum hat die Autorin versucht, sich
mit allen Ansätzen zur Ätiologie der Somatisierung auseinanderzusetzen um keinen
Erkenntnisgewinn zu übersehen. Dabei konnten nicht alle Aspekte, bei denen es
vielleicht notwendig gewesen wäre, vertieft werden.
Trotz der Vielfalt der Studien aus einem halben Jahrhundert ist die Autorin am Ende
ihrer Recherche in der Lage zu behaupten, dass die Ursachen für Somatisierung
in der Familie zu finden sind. Die meisten Studien sprechen für diese Aussage.
Psychoanalytische,
psychologische
bindungstheoretische,
Forschungskonzepte
unterschiedlichen
Herangehensweisen
systemische
kommen
und
trotz
oder
ihrer
Sichtweisen
doch
verhaltens-
teilweise
zu
völlig
ähnlichen
Ergebnissen, die alle für einen großen Einfluss der Familie auf die Somatisierung
sprechen. Im Folgenden werden die übereinstimmenden Ergebnisse, die eine
Ursächlichkeit der Somatisierung in der Familie belegen, noch einmal kurz
aufgeführt.
1. Eltern
und
nahe
Bezugspersonen
dienen
Heranwachsenden
als
Verhaltensmodelle. Sind sie aus Gründen wie einer eigenen psychischen oder
physischen Beeinträchtigung nicht in der Lage, dem Kind als angemessenes
Modell bei der Bewältigung harmloser funktioneller Beschwerden zu dienen,
kann dies die Somatisierung zur Folge haben.
2. Je stärker das Verhältnis zwischen Eltern und Kind in Form einer unsicheren
Bindung und/oder einer gestörten Kommunikation beeinträchtigt ist, desto
größer ist die Gefahr einer erhöhten allgemeinen psychischen Vulnerabilität
und somit auch für Somatisierung.
3. Die Familie ist ein sehr komplexes System in dem viele verschiedene
Faktoren ein ganz eigenes Umfeld schaffen, welches ein Kind gegenüber
bestimmten Belastungen gegenüber anfälliger aber auch stärker machen
kann.
33
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Fazit & Ausblick
Bei der Lektüre der zahlreichen Studien aus über 50 Jahren Forschung zum Thema
Somatisierung erlebte die Autorin einerseits eine befruchtende Vielfalt, andererseits
aber auch eine große Inkonsistenz und viele Widersprüche. Es war mühsam, die
Ergebnisse in ein zusammenhängendes Bild zu den familiären Ursachen der
Somatisierung zu bringen, da sich die Autoren immer wieder auf andere Modelle
oder
Untersuchungen,
zum
Teil
aus
den
verschiedenen
psychologischen
Richtungen, stützen. Zudem sind funktionelle und somatoforme Störungen noch nicht
klar in den Diagnosesystemen klassifiziert und werden auf der Basis verschiedener
Kriterien diagnostiziert. Hier ist eine Einigung auf eine klare Begrifflichkeit und
einheitliche Diagnosekriterien mit der Pädiatrie dringend notwendig.
Eine weitere Schwierigkeit ist darin zu sehen, dass sich somatisierendes Verhalten in
den meisten Fällen eher im pädiatrischen Bereich zeigt und daher nur selten oder
erst bei sehr auffälligem Verhalten psychologisch oder psychiatrisch erfassbar wird.
Dadurch spiegeln die meisten Studien mit klinischen Stichproben wahrscheinlich
wirklich nur die „extremen“ Fälle von Somatisierungsverhalten wieder, bei denen
unter Umständen tiefgreifendere Ursachen mit häufiger Komorbidität auftreten. Die
„Dunkelziffer“ der somatoformen Störungen liegt möglicherweise viel höher, als in
Studien erfassbar ist, da nicht jeder Kinderarzt das somatisierende Verhalten seiner
jungen Patienten zu erkennen vermag und nicht alle Betroffenen erfasst werden. Hier
sollten
Psychologie
und
Pädiatrie
zukünftig
verstärkt
Hand
in
Hand
zusammenarbeiten. Perfekt wäre eine Partnerschaft jedes Kinderarztes mit einem
Kinder- und Jugendlichenpsychologen oder -psychotherapeuten, damit auch
zwischen den beiden Fachkräften eine gute und enge Zusammenarbeit auf
Vertrauensbasis möglich ist.
Zudem liegen erst sehr wenige Forschungsergebnisse über die Rolle des Vaters bei
der Somatisierung vor. So wurden Väter gerade mal in sechs der vorliegenden
Studien mit einbezogen. Auch über die Rolle von Geschwistern, Großeltern oder
anderen Bezugspersonen, die oft ebenfalls erzieherisch wirken, ist bislang wenig
bekannt. So wäre es beispielsweise vorstellbar, dass bei einer Erkrankung eines
Elternteils eine gute Beziehung zu den Großeltern einen Schutzfaktor darstellen
könnte. Über diesen Einflussfaktor besteht also noch dringender Forschungsbedarf.
Eine weitere Schwäche der hier verwendeten Studien ist darin zu sehen, dass
Symptome und Verhaltensweisen sehr oft subjektiv vom Kind oder Jugendlichen
34
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Fazit & Ausblick
oder durch deren Mütter eingeschätzt wurden. Zeigt eine Mutter beispielsweise stark
katastrophisierendes Verhalten, ist sie sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewusst.
Und auch ihr Kind, das mit diesem mütterlichen Denken aufgewachsen ist, empfindet
deren abweichendes Verhalten vielleicht als normal. Viele der vorliegenden Studien
beruhen auf einer Selbsteinschätzung der Schmerzen. Nur in vereinzelten Fällen
wurde ein Schmerzreiz auch mit entsprechender Lokalisation objektiv erzeugt und
somit vergleichbar. Studien wie die von Walker und Kollegen (2006) geben einen
guten Aufschluss über Verhaltensweisen bei funktionellen Beschwerden und können
so nützliche Strategien zur Bewältigung zeigen.
Trotz der Wichtigkeit der weiteren Erforschung der Ursachen von somatisierendem
Verhalten kann sich die Autorin nicht vorstellen, dass jemals ein quantitatives
Erfassungsinstrument in der Lage sein wird, die Somatisierung vollständig zu
erfassen. Durch Experimente, Studien und Befragungen werden immer nur kleine
Teile der hochkomplexen Entwicklung dieser Störungsgruppe erfasst. Trotzdem
werden diese einen Teil dazu beitragen, die Ätiologie klarer werden zu lassen.
Hierbei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, dass hinter dem Probanden, dem
Teilnehmer oder auch Patienten ein Kind oder ein Jugendlicher und dessen Familie
steht, die unter der Störungssymptomatik leiden.
Dieses
persönliche
Leid,
aber
auch
die
entstehenden
Mehrkosten
im
Gesundheitssystem, könnten reduziert werden, wenn jeder Kinderarzt seinen kleinen
Patienten und dessen Familie so gut kennte, wie der fiktive Doktor im einleitenden
Lied, der gleich weiß, dass das Kind nicht körperlich krank ist, sondern nur ein wenig
„Selbstvertrauen“, „Humor“ und „Mut“ braucht. Hinzu käme noch die Einsicht, das
psychische Leiden nicht als „eingebildete“ Krankheit abzutun, sondern ernst zu
nehmen und auch über eine hohe Kompetenz bei der Kommunikation mit der Familie
über das Störungsbild zu verfügen. So könnte zumindest schon einmal eine
Vertrauensbasis entstehen und das für alle Beteiligten unangenehme „DoctorShopping“ vermieden werden. Wenn der Kinderarzt dann auch in der Lage wäre, die
betroffene Familie schon bei wiederholt auftauchenden funktionellen Symptomen an
einen Psychologen zu überweisen, ohne ein Gefühl des abgewiesen und nicht ernst
genommen Werdens zu vermitteln, könnte die Somatisierung weitgehend verhindert
werden.
35
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Somatisierung
ist
der
Übergang
von
wiederholt
auftretenden
funktionellen
Beschwerden in ein somatoformes Störungsbild. Dies ist durch katastrophisierendes
Denken über die Symptome und der damit einher gehenden Einnahme einer
Krankenrolle mit stark gesteigertem Inanspruchnahmeverhalten medizinischer
Leistungen verbunden. Diese Fehlanpassung wird von zahlreichen Faktoren
beeinflusst und wurde in dieser Arbeit in einem integrativen Entstehungsmodell
zusammengefasst.
Ursachen der Somatisierung sind zu einem großen Teil in der Familie als dem
primären Bezugsrahmen und Sozialisationsraum eines Heranwachsenden zu finden.
Eltern dienen ihren Kindern als Modelle, auch bezüglich der katastrophisierenden
Denkweise
über
die
körperlichen
Symptome
und
können
bestimmte
Verhaltensweisen konditionierend verstärken. Somatisierende Kinder sind häufiger
unsicher gebunden, worin das typische gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten
mitbegründet
ist.
Die
Betroffenen
verfügen
über
weniger
effiziente
Copingmechanismen, die ebenfalls innerhalb der Familie erlernt werden und sind
mehr belastenden Lebensereignissen ausgesetzt. Eltern und Kinder verfügen meist
über eine geringere Selbstwirksamkeit und schreiben ihren Beschwerden eher
Auslösern, auf die sie selbst keinen Einfluss haben, zu. In der systemischen
Sichtweise wird dem Somatisieren eine kommunikative Funktion in der familiären
Rollenverteilung zugeschrieben. Zudem spielen im Familienklima ein geringeres
Funktionsniveau und eine negative Stimmung bis hin zu Misshandlungen, geringeres
Einkommen und eine schlechtere Bildung aber auch der Einfluss der Kultur eine
Rolle. Komorbide Störungen der Eltern aber auch beim Kind treten in Verbindung mit
funktionellen und somatoformen Störungen gehäuft auf. In der Psychoanalyse
werden verschiedene Entstehungswege zur Somatisierung, wie der narzisstische
Mechanismus, die Konversion, die Umwandlung von Affekten in körperliche
Spannungszustände,
Dissoziation
und
Traumatisierung
und
die
Schmerzpersönlichkeit, angeführt.
Trotz dieser zahlreichen ätiologischen Konzepte besteht weiterhin dringender
Forschungsbedarf und dafür ist eine Einigung über Diagnosekriterien notwendig.
Zudem ist in Zukunft eine engere Zusammenarbeit mit der Pädiatrie erstrebenswert.
36
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Titelbild .......................................................................................................... 1
Quelle: http://members.aon.at/eva.reichl/familie_2008.jpg [05.08.2010;14.18 Uhr]
Abb. 2: Kind aus dem Lied ......................................................................................... 4
Leykamm, M. & Fischer, (2006).3. Lied: Bauschschmerzen. In Ich bin ich und Du bist
du! Grube, P., Leykamm, M., Fischer, U. & Klemm, (6. Aufl.). (S.109) KoltourVerlag/Pehnert+Hoffmann GbR.
Abb. 3: Vielfalt und Belastung durch funktionelle Beschwerden ................................ 8
mod. nach Roth-Isigkeit, 2005
Abb. 4: Integratives Modell der Entwicklung der Somatisierung .............................. 11
zusammengestellt von der Autorin auf Basis von Beck, 2008, S.554; Noeker, 2008,
S.99; & Palermo & Chambers, 2005, S.3
Abb. 5: Bindungstypen und Inanspruchnahmeverhalten........................................... 18
mod. nach Ciechanowski et al., 2002; S. 661
Abb. 6: Circumplex Model ........................................................................................ 24
mod. nach Olsen et al., in Walker, McLaughlin & Greene, 1988; S.3
Abb. 7: Somatisierung in der Psychoanalyse ........................................................... 31
mod. nach Ermann, 2008; S. 242
Abb. 8: „Und ein bisschen Mut, dann wird alles gut.“ ................................................ 41
Leykamm, M. & Fischer, (2006). Aus: Ich bin ich und Du bist du! Grube, P., Leykamm,
M., Fischer, U. & Klemm, (6. Aufl.). (S.42) Koltour-Verlag/Pehnert+Hoffmann
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37
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
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40
Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Danksagungen
Danksagungen
Das
Schreiben
meiner
Bachelorarbeit
hat
mir
nach
anfänglichen
Anlaufschwierigkeiten viel Freude bereitet. An diesem Prozess hatten viele
Menschen, die mich während meiner Arbeit unermüdlich unterstützt und motiviert
haben, einen großen Anteil. Ihnen soll an dieser Stelle herzlichster Dank gebühren.
Meine Bachelorarbeit-Betreuerin Ilva Elena Schulte stand mir während der
Koordination meiner Gliederung und vor allem der Literaturrecherche mit Rat und Tat
zur Seite und konnte mir so manchen nützlichen Tipp geben.
Frau Prof. Dr. Ulrike Petermann und die Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter
ihres Fachbereichs bestärkten in den vorangegangenen Semestern in Vorlesungen
und Seminaren mein Interesse und meine Begeisterung für den Bereich der
Klinischen Kinderpsychologie.
Vor allem möchte ich mich auch bei meinen Freunden bedanken, die mich immer
wieder ermutigten und motivierten, wenn es einmal nicht so gut voranging. In
gemütlichen, gemeinsamen Stunden konnte ich ein wenig abschalten und neue Kraft
schöpfen. Alex & Terence, Celine & Andi, Willi & Molli, Anne & Gizmo, Lisa &
Manuel, Esther, Farina, Sabina, und Kati, ihr seid super!
Vielen Dank Marcus, für deine immer währende große Begeisterung, das KontrollLesen meiner schriftlichen Ergüsse zu übernehmen!
Meine Mutter stellte mir, als beste Mutter der Welt, natürlich sofort die Bücher von
Jako-O zur Verfügung. Und sie stand mir als ständiger telefonscher Ansprechpartner
trotz ihrer eigenen beruflichen und mütterlichen Auslastung mit einem unbeugbaren
Glauben in meinen Erfolg mit einem offenen Ohr rund um die Uhr zur Verfügung.
Meinen Großeltern sei ebenfalls mein tiefster Dank ausgesprochen. Oma, auch du
hast immer an mich geglaubt und verfügst über die Fähigkeit, alles was ich tue
anzuerkennen. Vor allem meinem Opa, Eckhard Kutter, sei ganz besonders gedankt!
Als Ingenieur betrat er als Lektor meiner Bachelorarbeit in ehrwürdigem Alter noch
einmal ein völlig neues Fachgebiet, in das er sich unglaublich schnell und flexibel
einfand, um mir als Berater beiseite zu stehen.
Allen seelischen, moralischen und fachlichen Unterstützern danke ich dafür, dass ich
mit ihrer Hilfe diese Arbeit mit einem sehr guten Gefühl beenden konnte!
Abb. 8
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Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen?
Eigenständigkeitserklärung
Eigenständigkeitserklärung
Hiermit versichere ich, Alina Schaar, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig
verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet
habe.
Bremen, den 22.09.2010
Schaar, Alina
Bachelorarbeit:
Somatisierung- familiäre Ursachen?
Eine Übersicht über Somatisierung im Kindesalter.
und
Heutiger Forschungsstand zum familiäreren Einfluss auf die Somatisierung.
Abrufbar unter:
http://alina.schaar.transcendor.de/Bachelorarbeit_Somatisierung-familiäre_Ursachen.pdf
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