Somatisierung - familiäre Ursachen? Abbildung 1: Titelbild Bachelorarbeit Eine Übersicht über Somatisierung im Kindesalter & Heutiger Forschungsstand zum familiäreren Einfluss auf die Somatisierung Fachbereich 11: Human- und Gesundheitswissenschaften Studiengang Psychologie eingereicht von: Schaar, Alina geboren am: 26.11.1986 in Berlin Matrikel-Nr.: 2242198 Betreuung: Ilva Elena Schulte & Prof. Dr. Ulrike Petermann eingereicht am: 23. September 2010 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung ................................................................................................................... 4 Herleitung des Untersuchungskonzepts ..................................................................... 7 Störungsbilder ............................................................................................................ 7 Funktionelle Störungen .................................................................................................................. 7 Somatoforme Störungen ................................................................................................................ 8 Somatisierung .......................................................................................................... 10 Entwicklungsmodell der Somatisierung .................................................................... 11 Erste Störungsetappe: Entwicklung funktioneller Beschwerden .................................................. 12 Zweite Störungsetappe: Entwicklung einer somatoformen Störung ............................................. 13 Der Einfluss der Familie auf die Somatisierung ........................................................ 14 1. Lernmechanismen ................................................................................................ 14 Modelllernen ................................................................................................................................ 14 Konditionierung ............................................................................................................................ 16 2. Einfluss der Bindung ............................................................................................ 17 3. Coping .................................................................................................................. 19 Qualität des Copings.................................................................................................................... 19 Gesteigerte Stressbelastung........................................................................................................ 20 Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen ........................................................................... 21 4. Die Familie als System ......................................................................................... 22 Rollen........................................................................................................................................... 22 Kommunikative Funktion.............................................................................................................. 23 5. Familienklima ....................................................................................................... 24 Funktionsniveau und Stimmung ................................................................................................... 25 Sozioökonomische Faktoren........................................................................................................ 25 Geschwister ................................................................................................................................. 25 Kultureller Einfluss ....................................................................................................................... 26 Traumatisierung innerhalb der Familie......................................................................................... 26 6. Komorbidität ......................................................................................................... 26 Beeinträchtigung der Eltern ......................................................................................................... 26 Komorbiditäten beim Kind ............................................................................................................ 28 2 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Inhaltsverzeichnis 7. Psychoanalytische Sichtweise .............................................................................. 29 Der narzisstische Mechanismus .................................................................................................. 29 Konversion ................................................................................................................................... 30 Umwandlung von Affekten in körperliche Spannungszustände ................................................... 30 Dissoziation und Traumatisierung ................................................................................................ 31 Die Schmerzpersönlichkeit .......................................................................................................... 32 Fazit & Ausblick ........................................................................................................ 33 Zusammenfassung ................................................................................................... 36 Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. 37 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 38 Danksagungen ......................................................................................................... 41 Eigenständigkeitserklärung ...................................................................................... 42 3 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Einleitung Einleitung So wie dem Schulkind aus dem Keiner soll mich heute seh`n, ich kann nicht zur Schule geh`n, denn ich bin ja krank. Gott sei Dank. Immer wenn ich früh aufsteh` hab ich furchtbar Bauch-auweh, denn ich sehe dann, was heut passieren kann. Kinderlied Eine sechs in Mathe wie Karl-Heinz sie hatte, ein kaputter Hosenschlitz, so wie gestern bei dem Fritz. Und ich werd von Max erwischt, der immer kleine Jungs verdrischt. nur das physische und psychische im nebenstehenden Kasten geht es vielen Kindern und Jugendlichen. Funktionelle Störungen in Bauch, Kopf, Rücken oder den Gliedern sind weit verbreitet und beeinträchtigen nicht Abb. 2 Wohlbefinden der leidtragenden Kinder und Jugendlichen, sondern auch deren soziales Umfeld. Sicher hatte jeder Mensch schon Mama kommt ins Zimmer, mein Bauchweh wird noch schlimmer. Mama sagt, ich soll aufsteh`n, wir müssen wohl zum Doktor geh`n. Der sieht mich an, ich werde bleich, denn was mir fehlt, das weiß er gleich: „Drei, vier Tropfen Selbstvertrau`n. Keiner wird dich mehr verhau`n. Und ein Löffel voll Humor, vieles kommt dir leichter vor. Täglich ein Glas Mut, und dann wird alles gut.“ (Grube, 2006) einmal Bauchschmerzen, wie unser Kind aus dem Lied, zum Beispiel wenn eine Prüfung bevorstand, oder Kopfschmerzen, wenn man gerade besonders viel „um die Ohren“ hatte. Die meisten Kinder und Jugendlichen kommen mit diesen Beschwerden gut zurecht. Ein kleiner Teil ist dazu jedoch nicht in der Lage. Die Betroffenen entwickeln eine Fehlanpassung an den Schmerz und machen sich Sorgen über „ernste Ursachen“. Sie nehmen eine Krankenrolle ein, bleiben zu Hause und nehmen medizinische Hilfe in Anspruch, wie das Kind im Lied. In diesem Bespiel entscheidet das Kind nicht allein, dass es zum Doktor geht, seine Mutter zitiert es dort hin und scheint auch ein wenig zu ahnen, dass keine ernsthafte physische Erkrankung vorliegt. Denkbar wären aber auch andere Reaktionen der Mutter, wie beispielsweise die Vermutung eines entzündeten Blinddarms oder aber ein Ignorieren oder Abtun der Schmerzen. Doch glücklicherweise ist in unserem Fall die Ursache schnell geklärt: der Doktor erkennt die psychischen Ursachen des Bauchwehs und weiß Rat. Ob Kind und Eltern diesen 4 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Einleitung annehmen, ist von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf der Schmerzbewältigung. Glauben sie nicht an psychische Ursachen, sondern dass „hinter diesen Schmerzen doch eine viel ernsthaftere Ursache stecken muss“, wird oft so lange der Arzt gewechselt, bis endlich „etwas gefunden“ wird. Eine Belastung der Familie und des Gesundheitssystems in persönlicher als auch finanzieller Hinsicht sind die Folge. Wie in der Familie mit körperlichen Beschwerden umgegangen wird, hat neben dem Temperament des Kindes einen entscheidenden Einfluss darauf, wie es Schmerzen erlebt und verarbeitet. Die Familie ist der primäre Bezugsrahmen von Heranwachsenden, hier findet ein Großteil des Sozialisationsprozesses statt. Sozialisation bezeichnet „den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Umwelt (,äußere Realität´) und den natürlichen Anlagen und der körperlichen und psychischen Konstitution (,innere Realität´).“ (Hurrelmann, 2006 zit. nach Schneewind, 2008) Körperwahrnehmung und Schmerzverarbeitung zählen also zur Auseinandersetzung mit der „inneren Realität“ (siehe Kasten) und werden innerhalb des Bezugsrahmens Familie vermittelt. Zudem teilen sich Familienmitglieder ihre natürlichen Anlagen in Form von ähnlichen körperlichen und auch psychischen Konstitutionen. Dem entsprechend übt das Familienleben einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung einer Fehlverarbeitung körperlicher Beschwerden und somit auch auf die Somatisierung aus. Trotz zahlreicher Studien in diesem Bereich ist aber noch immer nicht klar, welchen Einfluss die Familie auf deren Entstehung und Aufrechterhaltung hat. Doch gerade hinsichtlich des großen Einflusses der Familie auf die Entwicklung von Kindern ist es wichtig herauszufinden, in welchem Maß Familienmitglieder als Vorbilder, Erzieher und Bezugspersonen zum Somatisierungsprozess beitragen. Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit soll sein, dem Leser einen Überblick über Somatisierung im Kindesalter zu verschaffen. Anhand einer Auswahl der zahlreichen Studien, die zur Klärung des familiären Einflusses beitragen könnten, soll der Stand der Forschung hinsichtlich einer detaillierteren Aufklärung familiärer Einflüsse auf Somatisierung untersucht werden. Um diese Arbeit trotz der inkonsistenten Informationsgrundlage möglichst übersichtlich zu halten, wird ein einfacher und nachvollziehbarer Aufbau angestrebt. 5 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? EinleitungAufbau und Vorgehensweise Dabei werden zunächst kurz die Störungsbilder der funktionellen und somatoformen Störungen definiert und die wichtigsten epidemiologischen Angaben, die zum weiteren Verständnis der Somatisierung unverzichtbar sind, genannt. Anschließend wird das deduktiv hergeleitete Konzept der Arbeit anhand eines selbst entwickelten, integrativen Modells vorgestellt, das behavioristische und familiensystemische Konzepte bezüglich der Somatisierung am Beispiel funktioneller Bauschmerzen in sich vereint. Dieses Modell bildet die inhaltliche Basis für den zweiten Teil, der dem Schwerpunkt des familiären Einflusses gewidmet ist. Hier werden sieben Einflussfaktoren der Familie aus unterschiedlichen psychologischen Sichtweisen auf die Ätiologie der Somatisierung ausgeführt und, soweit es die vorliegenden Studien zulassen, anhand verschiedenster Untersuchungsergebnisse erläutert. Diese Unterpunkte werden folgende sein: 1. Lernmechanismen, insbesondere Modelllernen und Konditionierung. 2. Einfluss unsicherer Bindungsqualitäten bei der Somatisierung. 3. Die Rolle von mehr oder weniger gelungenem Coping mit den Beschwerden. 4. Systemische Sichtweise der Wirkung der Familie auf die Somatisierung. 5. Allgemeines Familienklima und andere familiäre Faktoren. 6. Komorbide Störungen im Zusammenhang mit der Somatisierung. 7. Ätiologische Konzepte aus psychoanalytischer Sichtweise. Aufgrund der Informationsvielfalt beziehen sich diese Unterpunkte hauptsächlich auf funktionelle Bauchschmerzen, da diese in der Kindheit als häufigstes Symptom auftreten. Abrunden möchte die Autorin ihre Arbeit mit einem Fazit über das schon gewonnene Wissen aus den verschiedenen psychologischen Richtungen über den familiären Einfluss auf die Somatisierung. Kritisch anzumerken ist schon an dieser Stelle, dass die immer wieder neu entwickelten Forschungsansätze der Studien oft nicht aufeinander aufbauen und so eine große Verwirrung im sowieso schon komplizierten Störungskonzept zur Folge haben. Im Ausblick soll deshalb auch auf den noch immer großen Forschungsbedarf und die weiterhin offenen Fragen bezüglich des multidimensionalen Prozesses der Somatisierung eingegangen werden. 6 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Störungsbilder Herleitung des Untersuchungskonzepts Störungsbilder Die Störungsgruppe der funktionellen und somatoformen Störungen zeichnet sich vor allem durch eine große begriffliche Vielfalt und damit einhergehender Uneinigkeit über die Diagnosekriterien aus. In der Medizin gängige Bezeichnungen sind „Funktionelle Somatische Symptome“ (FSS) und die „medizinisch nicht erklärbaren Somatischen Symptome“ (medically unexplained somatic symptoms, MUS). Im psychiatrischen Bereich wird von den „somatoformen Störungen“ gesprochen. Teilweise werden auch noch die veralteten Bezeichnungen „psychosomatische“ oder „psychogene Symptome“ verwendet. Die Klassifikation in den gängigen Diagnosesystemen ICD-10 und DSM IV gestaltet sich durch die Symptomvielfalt und starke Verstrickung mit der Pädiatrie als kompliziert (Noeker, 2008). Eine weitere Vertiefung dieser Problematik soll jedoch nicht Inhalt dieser Bachelorarbeit sein. Funktionelle Störungen Vereinzelte funktionelle Beschwerden sind in der Bevölkerung so weit verbreitet, dass sie schon als „normal“ bezeichnet werden könnten. Treten diese jedoch immer wieder auf und gehen mit morphologischen Veränderungen auf der Mikroebene einher, ohne dass organmedizinische Ursachen nachweisbar wären, werden sie störungsrelevant. Funktionelle Bauchschmerzen treten bei 8 bis 25% der Kinder im Schulalter auf (Dufton et al., 2008) und sind zwischen acht und zehn Jahren am häufigsten verbreitet (Guite, Lobato, Shalon, Plante & Kao, 2007). In der frühen Kindheit sind Jungen wie Mädchen in gleichem Maße betroffen, mit fortschreitendem Alter scheinen funktionelle Symptome bei den Jungen zurückzugehen, sodass ein Geschlechterverhältnis von fünf zu drei für die Mädchen entsteht (Guite et al., 2007). Ramchandani, Hotopf, Sandhu, Stein und The ALSPAC Study Team (2005) stellten dieses Verhältnis auch schon bei Zwei- bis Sechsjährigen mit wiederkehrenden Bauchschmerzen fest. Funktionelle Beschwerden können sehr vielfältig sein und sich in Symptomen aus der Kardiologie, HNO, Neuropädiatrie, Gastroenterologie, Infektiologie, Rheumatologie, Orthopädie und Pneumologie zeigen (Noeker, 2008). Bei jüngeren Kindern sind sie meist monosymptomatisch, ältere Kinder und Jugendliche zeigen eher polysymptomatische Störungsbilder (Campo & Fritsch, 1994; Grøholt, Stigum, Nordhagen & Köhler, 2003). Im Folgenden wird jedoch größtenteils auf die Prävalenz von Schmerzstörungen eingegangen. 7 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? StörungsbilderFunktionelle Störungen Roth-Isigkeit, Thyen, Stöven, Schwarzenberger und Schmucker (2005) erhoben in Ostholstein von 749 Kindern und Jugendlichen im Schulalter Daten über deren Schmerzen über einen Zeitraum von drei Monaten. 83% der Befragten gaben an, innerhalb dieses Zeitraumes irgendeine Art von Schmerzen gehabt zu haben. In der nachfolgenden Grafik ist aufgeführt, wie viel Prozent der Befragten unter welchen Beschwerden litten (blauer Balken) und wie stark sie sich durch diese beeinträchtigt fühlten (roter Balken). Häufigkeit funktioneller Beschwerden und Stärke der Beeinträchtigung Kopfschmerzen Bauchschmerzen Halsschmerzen Gliederschmerzen Rückenschmerzen Menstruationsbeschwerden Ohrenschmerzen Zahnschmerzen Schmerzen im unteren Bauch Schmerzen in der Brust andere 30,4 60,5 12,3 43,3 3,9 35 33,6 30,2 10,7 8,9 4,4 14,3 2,5 12 1,6 11,7 1,6 10,8 1,6 9,1 1,64 als am belastendsten empfunden in % von Beschwerden betroffen in % Abb. 3: Vielfalt und Belastung durch funktionelle Beschwerden, mod. nach Roth-Isigkeit et al., 2005 Vor allem Kopf- und Bauchschmerzen werden als sehr belastend erlebt und schränken die Lebensqualität vergleichbar stark ein wie eine organische gastrointestinale Erkrankung. Dies wiesen auch Youssef, Murphy, Langseder und Rosh (2005) bezüglich der Lebensqualität von Kindern mit funktionellen Bauschmerzen nach. Zusammengefasst können funktionelle Störungen wie folgt definiert werden: Funktionelle Störungen sind körperliche Symptome mit unbekannter pathologischer Ursache, die in der Allgemeinbevölkerung recht weit verbreitet sind und als Befindlichkeitsstörungen oder Schmerzen im ganzen Körper vereinzelt (monosymptomatisch) oder in Kombination untereinander (polysymptomatisch) auftreten können. Somatoforme Störungen Bei dieser Störungsgruppe kommt es zur starken Diskrepanz zwischen unauffälligen organischen Befunden und den subjektiv erlebten körperlichen Beschwerden oder Schmerzen des Patienten. Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen der organischen 8 StörungsbilderSomatoforme Störungen Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Erkrankung („disease“), dem subjektiven Empfinden der Beschwerden („illness“) und dessen Kommunikation nach außen („sickness“) (Noeker, 2008). Dabei überwiegen „illness“ und „sickness“ deutlich gegenüber der kaum oder sogar gar nicht vorhandenen „disease“. Je nachdem können verschiedene somatoforme Störungen nach ihren Merkmalen unterteilt werden, die an dieser Stelle jedoch nicht im Detail ausgeführt werden. somatoformen Der Tabelle Störungsbilder 1 ist und eine Übersicht deren Codierung der verschiedenen in den gängigen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV zu entnehmen. Somatoforme (soma.) Störungen F45 im ICD-10 Somatoforme Störungen 300.81 im DSM-IV F45.0 Somatisierungsstörung Somatisierungsstörung F45.1 Undifferenzierte Somatisierungsstörung Undifferenzierte Somatisierungsstörung F45.2 Hypochondrische Störungen Hypochondrische Störung F45.3 Soma. autonome Funktionsstörungen F45.4 anhaltende soma. Schmerzstörungen Schmerzstörung F45.8 sonstige soma. Störungen F45.9 nicht näher bezeichnete soma. Störungen Nicht näher bezeichnete soma. Störung Tabelle 1: Somatoforme Störungen in ICD-10 und DSM-IV (mod. nach Noeker, 2008, S.57) Die epidemiologischen Angaben sind durch die unklaren Diagnosekriterien sehr unterschiedlich und schwanken zwischen Angaben der Lebenszeitprävalenz mit 0,4% für männliche Probanden (EDPS-Studie; nach Noeker, 2008) und 15,65% bei Mädchen (Bremer Jugendstudie, nach Noeker, 2008). Zudem ist eine Erfassung der Störung vor dem Jugendalter kaum möglich, da Kinder meist mit ihren Eltern einen Arzt aufsuchen oder von ihnen geschickt werden und eine Abgrenzung zur somatoformen Störung by-proxy (siehe unten) schwierig ist Somatoforme Störungen treten oft komorbid mit anderen psychischen Störungen auf. So berichten Mädchen mit psychiatrischer Diagnose mehr als drei Mal so häufig von Kopfschmerzen wie gesunde (Beck, 2008). In einer griechischen Studie hatten sogar mehr als 80% der untersuchten Kinder mit Bauchschmerzen eine psychiatrische Diagnose, meist Angst- oder depressive Störungen. (Liakopoulou-Kairis et al., 2002). Somatoforme Störungen zeichnen sich durch organische Symptome unbekannter Ursache und deren psychischer Fehlinterpretation aus und gehen mit der Einnahme einer Krankenrolle und einem gesteigerten Inanspruchnahmeverhalten medizinischer Leistungen einher. 9 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? StörungsbilderAusnahmen Somatoforme Störung by proxy Bei dieser Störung ist das Kind zwar Träger der funktionellen Symptomatik, eine Fehlanpassung geschieht jedoch durch die Eltern. Das gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten und die starke Gesundheitsangst gehen von ihnen aus. Zudem ist eine Abgrenzung zum Münchhausen Syndrom by proxy (Artifizielle Störung by proxy) wichtig, bei dem eine Bezugsperson bewusst eine Symptomatik beim Kind herbeiführt, um dann stellvertretend die Krankenrolle und deren soziale Reaktionen (z.B. Mitleid) für sich einnehmen zu können. Fibromyalgie und Chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronic fatigue syndrome) Diese bis heute wenig erforschten Krankheiten werden ebenfalls dem Bereich der funktionellen und somatoformen Störungen zugeordnet. Beide Störungsbilder sollen in der vorliegenden Bachelorarbeit jedoch aufgrund ihres seltenen Vorkommens und ihrer unklaren Ätiologie ausgeklammert werden. Einen sehr guten Überblick bietet Meinolf Noeker in den entsprechenden Kapiteln seines Buches „Funktionelle und somatoforme Störungen im Kindes- und Jugendalter“ (Noeker, 2008). Somatisierung Der Prozess der Somatisierung bezeichnet den Übergang von den funktionellen Beschwerden in ein somatoformes Störungsbild und ist durch eine Fehlanpassung an die funktionellen Beschwerden mit gesteigertem Inanspruchnahmeverhalten und übermäßiger Beschäftigung mit den Beschwerden gekennzeichnet. Die wohl bekannteste Definition stammt von Lipowski: „Bei der Somatisierung handelt es sich um eine Tendenz, körperlichen Stress zu erleben und zu kommunizieren, der nicht hinreichend durch pathologische Befunde zu erklären ist, diesen auf körperliche Erkrankung zurückzuführen und dazu medizinische Hilfe aufzusuchen.“ (Lipowski, 1988; zit. nach Noeker, 2008, S. 25) Angesichts der weiten Verbreitung funktioneller Beschwerden kommt es nur relativ selten zu einer Somatisierung und zur Entwicklung eines somatoformen Störungsbildes. Vor dem Hintergrund vorliegender Fachliteratur und ausgewählter Studien zu somatoformen und funktionellen Störungen hat die Autorin versucht, mit einem möglichst weiten Überblick, auch aus der Sicht verschiedener psychologischer Richtungen, die multifaktorielle Ätiologie der Somatisierung in einem einzigen Entwicklungsmodell zu vereinen. Dies soll auf den nächsten Seiten vorgestellt werden. 10 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Entwicklungsmodell der Somatisierung Entwicklungsmodell der Somatisierung Aufgrund des inkonsistenten Forschungsstandes existieren mehrere Modelle zur Entwicklung somatoformer Störungen. In dem unten abgebildeten integrativen Modell zur Entwicklung der Somatisierung hat die Autorin versucht, drei verschiedene Ansätze aus familiensystemischer (Palermo & Chambers, 2005), verhaltens(Noeker, 2008) und entwicklungspsychologischer (Beck, 2008) Sichtweise in einem Gesamtkonzept zusammenzubringen. Das Modell soll einerseits verdeutlichen, wie komplex und multifaktoriell bedingt die Somatisierung ist. Andererseits soll es auch als Basis für den anschließenden Teil der Bachelorarbeit dienen, in dem die familiären Faktoren fokussiert und anhand vorliegender Studien untersucht werden. Abb. 4: Integratives Modell der Entwicklung der Somatisierung; zusammengestellt von der Autorin auf Basis von Beck, 2008, S.554; Noeker, 2008, S.99; & Palermo & Chambers, 2005, S.3 11 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? SomatisierungEntwicklung funktioneller Beschwerden Erste Störungsetappe: Entwicklung funktioneller Beschwerden Zum ersten Schritt der Somatisierung, der Manifestation einer funktionellen Symptomatik, tragen physiologische und psychologische Faktoren gleichermaßen bei. Auf körperlicher Ebene besteht durch vererbte oder erworbene Veränderungen der neuronalen Mikrostruktur eine Überempfindlichkeit gegenüber externen und/oder internen Reizen. Schon hier könnte die Familie die körperliche Befindlichkeit des Kindes, z.B. durch die Ernährungsweise, beeinflussen. Die psychischen Einflussfaktoren sind vielfältig: Auf der individuellen Ebene des Kindes spielen das Alter, das Geschlecht und das Temperament eine wichtige Rolle. Im Alter von neun Jahren ist das Risiko funktioneller Bauchschmerzen am höchsten (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Guite et al., 2007) und Mädchen sind mit zunehmendem Alter häufiger betroffen als Jungen (Apley & Naish, 1958; Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Grøholt et al., 2003; Guite et al., 2007; Janssens, Oldehinkel & Rosmalen, 2009; Jellesma, Rieffe, Terwogt & Westenberg, 2008; Noeker, 2008; Ramchandani et al., 2005). Das Temperament spielt eine entscheidende Rolle beim Umgang mit körperlichen und psychischen Beschwerden (Terre & Ghiselli, 1996). Frühe Grundtemperamente können wie folgt in den positiven Affekt verbunden mit Annäherung, den negativen Affekt und zuletzt Scheu und Gehemmtheit (Oerter, 2008) unterschieden werden. Dabei könnten vor allem Kinder, bei denen der zweite und dritte Temperamentsfaktor vorherrschen, zu einer negativen Verarbeitung von Belastungen neigen. Die kindliche Psyche wird während der Entwicklung auch stark von äußerlichen Faktoren aus der Umgebung beeinflusst. So führen beispielsweise unklare Familienstrukturen oder eine Kumulation negativer Lebensereignisse zu einer erhöhten psychischen Vulnerabilität. Beim Entstehen funktioneller Bauchschmerzen wirken jedoch auch bestimmte Schutzfaktoren, die das Kind, trotz der Belastungen, vor einer Manifestation der Symptomatik schützen oder zumindest moderierend auf deren Ausprägung wirken können. Dazu gehören beispielsweise eine positive Grundstimmung, bestimmte Copingstrategien im Umgang mit körperlichen Beschwerden oder eine hohe soziale und intellektuelle Kompetenz. Auch hier hat die Familie als Hauptbezugsrahmen einen ganz entscheidenden Einfluss als Schutzfaktor. Überwiegen jedoch die Risikofaktoren kommt es zur Manifestation funktioneller Bauchschmerzen. 12 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? SomatisierungEntwicklung einer somatoformen Störung Zweite Störungsetappe: Entwicklung einer somatoformen Störung Hat sich eine funktionelle Symptomatik manifestiert, bedarf es zahlreicher weiterer Einflussfaktoren, die letztendlich zur Entwicklung einer somatoformen Störung beitragen. Die funktionellen Beschwerden führen nicht nur zu aversiven sensorischen Empfindungen, sondern beeinflussen auch die Stimmung negativ. Schon hier ist das Verhalten der Eltern als Modelle von entscheidender Bedeutung, da vor allem kleinere Kinder ihre Reaktionen auf aversive Reize nach deren Verhalten richten. Das Modelllernen könnte auch bei einem Kernmerkmal der Somatisierung, der exzessive Gesundheitsangst, gelten. Hinzu kommt die Beeinträchtigung des Alltags durch die Beschwerden. Oft wird dieses Verhalten mehr oder weniger stark von der Familie unterstützt und wirkt als Verstärker für den fehlangepassten Umgang mit den körperlichen Beschwerden im Sinne einer Konditionierung. Daraus entwickelt sich die Hauptmerkmale einer somatoformen Störung: Eine katastrophisierende Verarbeitung der Beschwerden, die dysfunktionale Kommunikation innerhalb der Familie und in der Beziehung zum Mediziner. Ob ein Symptom „zur Katastrophe wird“ unterliegt bei Kindern wieder ganz entscheidend dem Vorbild des familiären Modells. Zudem kommen hier temperamentsabhängige und während der Sozialisation erlernte Copingstrategien des Kindes zum Einsatz. Ist die Kommunikation in der Familie gestört, kann die Somatisierung auch einen bestimmten Zweck im Familiensystem erfüllen oder aus einer gestörten Bindung zur Bezugsperson hervorgehen. Auffällig werden Kinder mit einer somatoformen Störung durch häufiges Fehlen in der Schule und das gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten. Da der behandelnde Arzt keinen organmedizinischen Befund erstellen kann, werden vermehrt neue Mediziner aufgesucht. Die Motivation zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen geht meist nicht allein vom Minderjährigen selbst aus, sondern wird von den Eltern vorgelebt. Zudem tragen im Familienleben gemachte Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeitserfahrungen im Umgang mit den Beschwerden zu der Entscheidung, einen Doktor aufzusuchen, bei. Zahlreiche Studien belegen auch den Einfluss psychischer Störungen oder chronischer körperlicher Erkrankungen der Eltern auf die Somatisierung. Und auch bei Kindern mit Vorerkrankungen auf physischer und seelischer Ebene treten funktionelle Symptome und Somatisierung verstärkt komorbid auf. 13 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Einfluss der Familie auf Somatisierung 1. Lernmechanismen Der Einfluss der Familie auf die Somatisierung In zahlreichen Studien wird im Zusammenhang mit der Somatisierung von einem gehäuften Auftreten funktioneller oder somatoformer Symptomatik bei Mitgliedern einer Familie gesprochen. Begriffe wie „pain-prone children“ (schmerzanfällige Kinder) (Campo & Fritsch, 1994), „Schmerzfamilie“ oder Aussagen, dass „Schmerz in der Familie“ läge (Grøholt et al., 2003) aber auch Studien, in denen diese familiäre Häufung festgestellt wird (Apley & Naish, 1958; Beck, 2008; Hasvold & Johnson, 1996; Livingston, Witt & Smith, 1995) deuten auf eine intergenerationale Transmission (Beck, 2008) der Somatisierung hin und lassen es logisch erscheinen, innerhalb der Familie nach Ursachen für die Somatisierung zu forschen. Die in Familien stattfindenden Prozesse sind verständlicherweise sehr viel komplexer als das entwickelte Modell abzubilden vermag. Es soll in dieser Vielschichtigkeit nur eine Orientierung bieten. Die schon in den Erläuterungen der zwei Störungsetappen des Modells erwähnten Einflussfaktoren der Familie sollen nun im Einzelnen näher untersucht werden. Sie wirken während des Somatisierungsprozesses hochkomplex an mehreren Stellen und in Kombination untereinander. Zur besseren Verständlichkeit sollen sie jedoch im Einzelnen linear nacheinander und, soweit es die vorliegenden Quellen zulassen, anhand ausgewählter Studien erläutert werden. 1. Lernmechanismen Soziale Lernmechanismen wie das Modelllernen aber auch Konditionierungsmechanismen spielen bei der Sozialisation eines Kindes eine entscheidende Rolle und üben so auch Einfluss auf die Somatisierung aus (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994). Die oft als Vorbilder dienenden Verwandten betroffener Kinder leiden häufiger ebenfalls unter somatoformen Störungen (Walker, Garber & Greene, 1991) oder funktionellen Symptomen (Apley & Naish, 1958; Beck, 2008; Campo et al., 2007). So kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die Vererbung, als auch Lernmechanismen zur Somatisierung beitragen. Modelllernen Eltern, aber auch ältere Geschwister, dienen Kindern aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit als Modelle, deren Verhalten sie imitieren und in ihr eigenes Verhaltensrepertoire aufnehmen. In zahlreichen Studien ist nachgewiesen, dass vor 14 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen1. Lernmechanismen allem Mütter von Kindern mit funktionellen oder somatoformen Störungen ebenfalls unter diesen Störungsbildern leiden, oder als Kinder gelitten haben (Campo et al., 2007). Oft ist der kindliche Schmerz auch ähnlich lokalisiert, wie bei den Eltern (Grøholt et al., 2003). Auch das Krankheitsverhalten älterer Geschwister dient jüngeren als Modell (Guite et al., 2007; Hasvold & Johnson, 1996). In einer Studie von Livingston und Kollegen (1995) stellte das Somatisierungsverhalten älterer Geschwister einen guten Prädiktor für die Anzahl der Krankenhausaufenthalte eines Jüngeren dar, ähnlich wie in einer Studie von Guite und Kollegen (2007). Ein wichtiges Kernmerkmal der Somatisierung ist die Katastrophisierung der körperlichen Symptome. Es erscheint logisch, dass Kinder dieses Verhalten am Elternmodell erlernen. Sie spiegeln das Verhalten ihrer Eltern und bewerten es je nach deren Reaktion als mehr oder weniger bedrohlich. Das Katastrophisieren setzt sich aus drei prägenden Verhaltensweisen zusammen: Die Hilflosigkeit ist gekennzeichnet von einem Ohnmachtsgefühl gegenüber den Beschwerden, wenn Eltern z.B. schon bei leichten Bauchschmerzen ihres Kindes ratlos und beunruhigt reagieren. Bei der Magnifikation werden Ursachen und Konsequenzen der Beschwerden in unrealistisch-dramatischer Weise interpretiert, beispielsweise wenn Eltern bei den Bauchschmerzen ihres Kindes sofort von einem entzündeten Blinddarm ausgehen. Dritter Bestandteil der Katastrophisierung ist die Rumination, bei der Betroffene die gesundheitliche Bedrohung in unproduktiven Gedankenketten immer wieder durchspielen ohne zu einem gedanklichen Abschluss der Sorgen zu kommen (Noeker & Petermann, 2008). Im unterstehenden Kasten werden typische Denkweisen der drei Dimensionen der Katastrophisierung in Form von fiktiven, beispielhaften Äußerungen von Eltern, die dem Kind als Modell für die Entwicklung eigener katastrophisierender Denkweisen dienen könnten, aufgeführt. Hilflosigkeit: „Ich weiß doch auch nicht, was man da machen kann. Ich kann dir nicht helfen, ich bin ja kein Arzt.“ Magnifikation: „Bei Bauchschmerzen sollte man wirklich aufpassen, schneller als man denkt liegt man mit einem Blinddarmdurchbruch im Krankenhaus.“ Rumination: „Ich sehe das schon kommen: erst hat man nur ein bisschen Bauchschmerzen, dann wird ein Krebsgeschwür gefunden und am Ende entfernen sie einem ganze Darmabschnitte!“ 15 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen1. Lernmechanismen In einer Studie von Goubert , Eccleston, Vervoort, Jordan & Crombez (2006) wiesen Eltern und Kinder sehr ähnliche Werte bei Hilflosigkeit, Magnifikation und Rumination auf. Katastrophisierendes Denken könnte sich auch kreislaufartig gegenseitig bedingen, so wird in der Studie gesagt: „It is possible, that parental catastrophic thinking about their child´s pain promotes greater pain and disability, and that greater pain and disability promotes more anxious and solicitous parenting, or both.” (Goubert et al., 2006; S. 262). Die größere Sorge und die damit verbundene Katastrophisierung der Beschwerden durch die Eltern könnte demnach eine intensivere Schmerzäußerung und Einschränkung beim Kind verursachen, worauf die Eltern wieder mit noch größerer Sorge reagieren. Für einen solchen Kreislauf spricht auch, dass Kinder von Eltern mit höheren Werten in den Dimensionen der Katastrophisierung mehr Einschränkungen im alltäglichen Leben haben (Stuart & Noyes, 1999). Konditionierung Das katastrophisierende Denken könnte dabei über Generalisierungsmechanismen erlernt werden. Operante Konditionierung könnte im Zusammenhang mit der bewussten Äußerung körperlicher Beschwerden zur Instrumentalisierung wie folgt ablaufen: Können Kinder durch Einnahme einer Krankenrolle unangenehme Pflichten vermeiden, wie beispielsweise in die Schule zu gehen oder bestimmte Aufgaben im Haushalt zu übernehmen, wird das Krankheitsverhalten verstärkt und befördert. Eine Konditionierung von Leidensäußerungen, obwohl gar keine körperlichen Schmerzen vorliegen, wäre aber auch möglich, wenn Eltern in der frühen Entwicklung lediglich auf negative Bedürfnisäußerungen ihres Babys reagieren. Dieses Elternverhalten wird als „conditional caretaking“ (Violon, 1985) bezeichnet. Dadurch lernt das Kind, nach und nach jedes Bedürfnis, z.B. auch nach positiver Zuwendung, über Schmerzäußerungen auszudrücken. Es sprechen jedoch auch einige Studien gegen die Rolle von Konditionierung im Somatisierungsprozess. So fanden Jellesma und Kollegen (2008) heraus, dass positive Konsequenzen Kinder nicht zu häufigerer Schmerzäußerung animierten. Noeker argumentiert in seinem Buch jedoch, dass jedes Kind selbst in Abhängigkeit von Alter, Temperament und Geschlecht individuell definiere, welches Elternverhalten verstärkend wirke (Noeker, 2008; S. 194). 16 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen2. Bindung In einer Studie von Walker und Kollegen sollten Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen Wasser in einer solchen Menge trinken, die leichte Beschwerden auslösen würde (Walker et al., 2006). Anschließend wurde bobachtet, wie in Abhängigkeit vom Verhalten der vorher instruierten Eltern mit den Beschwerden umgegangen wurde. Kinder, deren Eltern mit ihnen über ihre Beschwerden sprachen, beachteten ihre Beschwerden auch mehr. Sprachen sie mit ihren Eltern über andere Inhalte, ließen sie sich gut ablenken und schenkten ihren Beschwerden weniger Beachtung. Dies spricht für den Modellcharakter des Elternverhaltens und für eine Konditionierung des kindlichen Verhaltens, bei dem die Beschäftigung mit den Beschwerden durch die elterliche Zuwendung verstärkt wird. 2. Einfluss der Bindung Nähe und Geborgenheit sind lebendwichtige Grundbedürfnisse, wie schon Kaiser Friedrich II (1194-1250) in einem legendären mittelalterlichen Experiment herausfand: Um die „Ursprache“ zu erforschen, isolierte er Säuglinge von der Außenwelt, die zwar gestillt und sauber gehalten wurden, jedoch keinerlei Zuwendung erfuhren, woraufhin sie innerhalb kurzer Zeit verstarben. Diese Zuwendung durch die Bezugsperson wird als Bindung bezeichnet, deren Qualität einen entscheidenden Einfluss auf die gesamte spätere Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen hat. Man unterscheidet die sichere Bindung und drei verschiedene Arten unsicherer Bindung (vgl. Abb.5). Eine sichere Bindung bildet einen generellen Schutzfaktor bei allen Arten von Belastungen, eine unsichere Bindung steigert die Wahrscheinlichkeit psychischer und wahrscheinlich auch körperlicher Vulnerabilität. Zudem beeinflusst sie das Selbst- und Fremdbild des Individuums und wirkt so auf das Selbstwertgefühl, das Selbstbewusstsein und die soziale Interaktion. Gerade in der Untersuchung familiärer Ursachen der Somatisierung müssen die verschiedenen Bindungstypen berücksichtigt werden, da sie eine Grundlage der Persönlichkeit bilden und an jeder Stelle im Somatisierungsmodell wirksam werden können. So konnten Stuart und Noyes (1999) einen anklammernden Bindungsstil bei somatisierenden Kindern nachweisen und interpretierten die körperlichen Symptome als eine Versicherung der Kinder für die elterliche Obhut. 17 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen2. Bindung Bei der Befragung somatisierender Erwachsener zu deren Bindungsrepräsentation stellten Waller, Scheidt und Hartmann 2004 ebenfalls ein Überwiegen unsicherer Bindungen fest. Hier trat im Gegensatz zu den Ergebnissen von Stuart und Noyes jedoch das vermeidende Bindungsmuster doppelt so häufig auf wie eine anklammernde Bindung. Dieser Bindungstyp der Probanden könnte aus einer „Enttäuschung“ der Erwartungen von Trost in früher Kindheit resultieren, erklärt aber nicht das typische gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten somatisierender Patienten. Der nachfolgenden Grafik sind die verschiedenen Bindungstypen bezüglich des Somatisierungsverhaltens zu entnehmen. Kognitives Selbstmodell positiv negativ SICHER UNSICHER - anklammernd - Vertrauen in sich selbst und andere - emotionale Abhängigkeit von anderen - normale Kommunikation über leichte und reale Beschwerden - gesteigerte Kommunikation über leichte Beschwerden Inanspruchnahmeverhalten: normal Inanspruchnahmeverhalten: hoch positiv kognitives Modell vom „Anderen“ UNSICHER - vermeidend UNSICHER - ängstlich - erzwungene Unabhängigkeit - Wechsel zwischen Annäherung und Abwehr - Angst vor engeren Beziehungen - normale bis reduzierte Kommunikation über reale Beschwerden - gesteigerte Kommunikation über die durch Angst verursachten, realen Beschwerden Inanspruchnahmeverhalten: niedrig Inanspruchnahmeverhalten: niedrig negativ Abb. 5: Bindungstypen und Inanspruchnahmeverhalten; mod. nach Ciechanowski et al., 2002; S.661 Wird das quantitiav messbare Inanspruchnahmeverhalten als ein Indikator für das Somatisierungsverhalten eines Menschen gesehen, scheint laut einer Studie von Ciechanowski und Kollegen eine unsicher-anklammernde Bindung für die Somatisierung typisch, da in dieser Gruppe sehr viel mehr medizinische Hilfe in Anspruch genommen wurde (Ciechanowski, Walker, Katon & Russo, 2002). Zudem sind Menschen dieses Bindungsmusters oft weniger kompetent im Umgang mit den Beschwerden. Eine unsichere Bindung entsteht, wenn Eltern ihrem Kleinkind gegenüber unzuverlässig und wenig einfühlsam auf dessen Bedürfnisse reagieren. Eine 18 Familiäre Ursachen- Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? 2. Bindung 3. Coping Untersuchung der Eltern somatisierender Kinder ergab, dass diese unfähiger waren, Emotionen zu zeigen und auf ihr Kind einzugehen (Brook, 1991). Dies könnte mit dem Konzept der „conditional caretakers“ (Violon, 1985) übereinstimmen. Bialas und Craig untersuchten 2007 das Verhalten von gesunden, organisch erkrankten und somatisierenden Müttern gegenüber ihren vier- bis achtjährigen Kindern während des Spielens und Essens. Sie konnten beobachten, dass Kinder somatisierender Mütter die wenigsten Bedürfnisse, mit inhaltlicher Beschränkung auf das Bedürfnis nach Gesundheit und Sicherheit, zum Ausdruck brachten. Ihre Mütter hingegen waren diejenigen, die während der Testsituation die meisten Bedürfnisse gegenüber ihren Kindern äußerten. Gleichzeitig reagierten Probandinnen aus dieser Gruppe nur auf ein Dreiviertel der Bedürfnisäußerungen, organisch Kranke waren dazu zu 90% in der Lage, gesunde Mütter reagierten auf alle Bedürfnisse ihrer Kinder. Die selteneren Hilfsangebote der somatisierenden Mütter wurden von ihren Kindern noch dazu auffällig oft ignoriert (Bialas & Craig, 2007). Diese Beobachtungen könnten für eine unsichere Bindung bei Kindern somatisierender Mütter sprechen und stützen erneut das Konzept der „conditional caretakers“ hinsichtlich des Inhalts der Bedürfnisäußerungen. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass nur eine geringe Anzahl spezifischer Bedürfnisäußerungen während des Spielens beobachtet werden konnten, wodurch das Ergebnis verfälscht sein könnte. 3. Coping Sind wir Belastungen oder Stressoren ausgesetzt, müssen wir versuchen, mit diesen Anforderungen umzugehen, dieses Verhalten wird als Coping bezeichnet. Bei der Somatisierung bezieht sich Coping also einerseits auf den Umgang mit psychischen Stresssituationen, andererseits auch auf das Zurechtkommen mit den körperlichen Beschwerden. Möglicherweise verfügen somatisierende Kinder über weniger erfolgreiche Copingstrategien beim Umgang mit Stressoren und sind so vulnerabler für psychischen und physischen Stress. Qualität des Copings Im Zusammenhang mit funktionellen Bauchschmerzen werden Hocking und Kollegen (2010) zufolge drei verschiedene Copingmechanismen unterschieden: Die primäre und sekundäre Kontrolle, die die aktive Auseinandersetzung mit dem 19 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen3. Coping Stressor bedeuten und das Vermeidungsverhalten, ein eher passiver Umgang mit der Belastung. Bei der primären Kontrolle erfolgt eine eigenständige Veränderung des Stressors oder der darauf bezogenen Emotionen. Die Habituation des Stressors und eine kognitive Aufmerksamkeitsmodifikation werden als sekundäre Kontrolle bezeichnet und setzen eine gewisse kognitive Reife voraus. Beim passiven Coping wird der Belastung durch Vermeidungsverhalten ausgewichen. Diese Art von Coping ist mit einer stärkeren Schmerzbelastung, somatoformen Symptomen, Angst und Depression verbunden. Sekundäre Kontrollmechanismen hingegen korrelieren sogar negativ mit Angstsymptomen (Hocking et al., 2010). Die untersuchten Kinder mit funktionellem Bauchschmerz dieser Studie berichteten signifikant häufig von passiven Copingstrategien. Dies könnte, laut Aussage der Autoren, aber auch mit dem geringen Altersdurchschnitt von erst knapp zwölf Jahren und nicht mit den Beschwerden assoziiert werden. Dass von Bauchschmerzen heimgesuchte Kinder häufiger passive Copingstrategien einsetzen, konnte auch in einer früheren Studie von Venepalli, Van Tilburg und Whitehead (2006) nachgewiesen werden. Zudem katastrophisierten die untersuchten Kinder ihre Beschwerden stärker, was dafür spricht, dass auch das Katastrophisierungsverhalten Rückschlüsse auf die Copingkompetenz erlaubt. Der Umgang mit Belastungen ist wiederum vom Vorbild der Bezugspersonen und bestimmten Vorerfahrungen geprägt. Hier ist also schon die Komplexität der Ätiologie von Somatisierung zu erkennen, da das Modelllernen auch hier eine wichtige Rolle spielt. Und auch eine gute Bindung ist ausschlaggebend für den Selbstwert, der wiederum Voraussetzung für aktives Coping ist. Gesteigerte Stressbelastung Neben der Verwendung wenig erfolgreicher Copingstrategien könnte auch eine insgesamt höhere Belastung die Entstehung somatoformer Störungen verursachen. Dufton und Kollegen untersuchten 2008 die Auswirkungen von Stress auf die Schmerztoleranz von 49 neun- bis 17-jährigen Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen. Eine Gruppe sollte zuerst ihren Arm so lange wie möglich in schmerzhaft kaltes Wasser halten und danach schwierige Aufgaben, die eine Stresssituation erzeugen sollten, lösen. Die zweite Gruppe löste als erstes die Stress auslösenden Aufgaben und setzte sich danach dem Schmerzreiz aus. Die zweite „gestresste“ Gruppe konnte den Schmerz nicht so lange ertragen wie die erste 20 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen3. Coping Gruppe. Es könnte also sein, dass Stress die Schmerztoleranz sinken lässt. Andererseits ist fraglich, inwiefern von einem kontrollierten, sichtbaren Schmerzreiz im Arm auf Bauchschmerzen, die eher unkontrolliert auftreten, Rückschlüsse möglich sind. Andere Studien konnten eine gesteigerte alltägliche Stressbelastung bei Kindern oder deren Eltern nachweisen (Beck, 2008; Brook, 1991; Logan & Scharff, 2005). Zudem wurden bei betroffenen Kindern und Erwachsenen mehr negative, belastende Lebensereignisse (Beck, 2008; Liakopoulou-Kairis et al., 2002; Robinson, Alvarez & Dodge, 1990) bis hin zur Traumatisierung durch Verlust von Bezugspersonen (Campo & Fritsch, 1994) oder sogar Misshandlungserfahrungen (Brown, Schrag & Trimble, 2005) erfasst. Sowohl die gesteigerte Stressbelastung im Alltag, als auch die negativen Lebensereignisse sind bei Kindern vor allem im familiären Rahmen zu finden. Gleichzeitig ist dies aber die Umgebung, die einen Schutzraum bieten sollte, um Copingstrategien zu erlernen und zu festigen. Sind Eltern oder andere Bezugspersonen jedoch schon selbst nicht zu adäquatem Coping in der Lage, ergibt sich für einen Heranwachsenden eine Doppelbelastung: Einerseits wird er mit Belastungen konfrontiert, denen er entwicklungsmäßig noch gar nicht gewachsen sein kann. Auf der anderen Seite ist die Möglichkeit stark eingeschränkt, der Mehrbelastung angemessene Copingstrategien im unmittelbar verfügbaren Rahmen, nämlich der Familie, zu erlernen. Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen Bei Kindern und Jugendlichen mit funktionellen und somatoformen Störungen konnte eine geringere Selbstwirksamkeit beim Umgang mit den Beschwerden beobachtet werden (Goldbeck & Bundschuh, 2007; Stuart & Noyes, 1999). So glaubten somatisierende Kinder eher an Ursachen außerhalb ihres Kontrollbereichs. Auch in der Studie von Roth-Isigkeit und Kollegen (2005) nannten die Befragten oft Auslöser wie das Wetter oder Krankheiten, erkannten aber auch psychische Stressoren wie Probleme in Schule und Familie als Auslöser. Den Beschwerden werden häufiger organmedizinisch-biologische Ursachen zugeschrieben (Martin et al., 2007). Goldbeck und Bundschuh (2007) erforschten die Kontrollüberzeugungen von somatisierenden Kindern und deren Eltern. In ihrer Studie gab es am meisten physikalisch-externale Ursachenannahmen und Kontrollüberzeugungen. Auch hier kann wieder ein Erklärungsansatz für das gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten 21 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen4. Systemische Sicht liegen. Die nachgewiesen geringe Selbstwirksamkeit könnte mit der in einigen Studien festgestellten Überbehütung somatisierender Kinder assoziiert werden (Campo & Fritsch, 1994; Janssens et al., 2009). Wieder zeigt sich, dass Coping einerseits in der Familie erlernt wird, gerade diese andererseits aber auch den Erwerb angemessener Bewältigung behindern kann. 4. Die Familie als System Im systemischen Sinn ist die Familie als existentiell bedeutsames Beziehungssystem (Stierlin, 2005 nach Schweitzer, Beher, von Sydow & Retzlaff, 2007) zu verstehen, in dem das Verhalten der einzelnen Mitglieder nicht isoliert, sondern aus deren Beziehungen untereinander heraus betrachtet wird. In diesem System nimmt jedes Individuum eine bestimmte, kontextabhängige und meist situationsspezifische Rolle ein. In diesem Kontext wird die Entstehung der Somatisierung also nicht allein einer Vulnerabilität des Betroffenen zugesprochen, sondern einer dysfunktionalen Kommunikation zwischen den einzelnen Mitgliedern in ihrer jeweiligen Rolle. Rollen Über seine bestimmte Rolle kann jedes Familienmitglied sich selbst identifizieren und von anderen identifiziert werden. Sind Rollenverhältnisse klar definiert, kann sich ein Heranwachsender gut zurechtfinden und sich selbst verwirklichen. Eine zu rigide Rollenverteilung kann jedoch einschränkend und beengend wirken, hier ist also, wie so oft in der Psychologie, das Gleichgewicht bedeutend. Gerade in größeren Familien mit mehreren Kindern oder in komplizierteren Verhältnissen von „Patchworkfamilien“ fällt es dem Einzelnen oft schwerer „seine Rolle“ in dem System zu finden. Eine funktionelle oder somatoforme Störung kann hier die Möglichkeit zur Identifikation bieten, nach dem Motto „I complain, thus I exist.“ (Violon, 1985; S.243244). Dafür spricht, dass funktionelle und somatoforme Störungen in großen oder „verstrickten“ Familien häufiger vorkommen (Livingston et al., 1995) Auch das Festhalten an Geschlechterrollen spielt bezüglich der Somatisierung eine große Rolle. So wurde in zahlreichen Studien festgestellt, dass im jüngeren Alter beide Geschlechter gleichermaßen, später jedoch deutlich häufiger Mädchen betroffen sind (z.B. bei Campo & Fritsch, 1994; Grøholt et al., 2003; Janssens et al., 2009). Diese Verschiebung könnte auf dem Hineinwachsen der Jungen in ihre gesellschaftliche Rolle des „starken Geschlechts“ beruhen. 22 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen4. Systemische Sicht Kommunikative Funktion Somatisierungsverhalten übernimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine kommunikative Funktion in der Familie (Beck, 2008). Der Ausdruck körperlicher Beschwerden könnte der Kommunikation über den „wahren“ oder emotionalen Konflikt vorgezogen werden: „When children from families for which illness is salient experience negative emotional states that make them ´feel bad` they may direct their attention to the somatic components of their distress. In such families, illness may be the most readily available explanation of the cause of a child´s discomfort.” (Walker et al., 1991, S.389). Das Somatisierungsverhalten könnte also dazu dienen, wirkliche Konflikte zu „maskieren“, wenn deren Lösung aus verschiedenen Gründen schwierig oder unmöglich ist. So könnte eine offene Konfrontation verhindert werden (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Stuart & Noyes, 1999). Jugendliche mit funktioneller oder somatoformer Symptomatik berichteten oft von einer schlechten Beziehung zu ihren Eltern (Campo & Fritsch, 1994). Dafür spricht auch, dass bei betroffenen Kindern gehäuft ein geringerer Familienzusammenhalt beobachtet wurde (Campo & Fritsch, 1994; Brown, et al., 2005; Jellesma et al., 2008; Terre & Ghiselli, 1996). Als das Gegenteil dieses zu geringen Zusammenhalts könnte ein überbehütender, zu enger Kontakt zwischen Eltern und Kindern betrachtet werden. Diese Überbehütung konnte ebenfalls vermehrt in Familien somatisierender Kinder und Jugendlicher beobachtet werden (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Terre & Ghiselli, 1996; Janssens et al., 2009). Walker, McLaughlin und Greene (1988) überprüften in diesem Zusammenhang die Gültigkeit des Circumplex Models, dargestellt in Abbildung 6. Hier werden die beiden gerade erläuterten Faktoren des Familiensystems als Kohäsion und Adaptabilität gegenübergestellt. Die Kohäsion beschreibt die Stärke des Familienzusammenhaltes. Sind die Familienmitglieder sehr unabhängig voneinander besteht eine Loslösung. Sind sie wiederum sehr stark voneinander abhängig, könnte man von einer „Verwickelung“ sprechen. Die Adaptabilität ist der Ausdruck für die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Familie. Erreicht eine Familie einen hohen Wert, spräche dies für chaotische Verhältnisse, ein sehr niedriger Wert hingegen würde für rigide, einschränkende Beziehungen der Familienmitglieder sprechen. Dem Modell zufolge extreme Ausprägungen von Kohäsion und Adaptabilität störungsrelevant. Moderate Werte sprächen eher für ein gesundes Familiensystem. 23 Familiäre Ursachen- Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? 4. Systemische Sicht 5. Familienklima Kohäsion losgelöst abgesondert verbunden verwickelt Adaptabilität chaotisch Legende: O= Familien mit „gesunder“ Kommunikation flexibel O O O O O strukturiert X= Familie mit somatisierendem Kind X rigide Abb. 6: Circumplex Model; mod. nach Olsen et al., in Walker et al., 1988 (S.3) Die Ergebnisse der Studie konnten jedoch keinen Beweis für die Gültigkeit der Annahmen liefern. Bei keinem Probanden aus der Gruppe der somatisierenden elfbis 18-Jährigen traten die erwarteten Werte auf. Die 123 Familien erreichten unabhängig vom Vorhandensein einer Störung ähnlich moderate Werte. Die Selbstbeurteilung von Kohäsion und Adaptabilität durch die Jugendlichen und ihre Mütter scheint, hinsichtlich der doch sehr subjektiv wahrnehmbaren Merkmale, eher fraglich. Die Autoren merken an, dass hohen Kohäsions- und Adaptabilitästswerten anderen Studien sogar positive Auswirkungen auf das Familiensystem zugeschrieben wurden. So könnte z.B. eine hohe Adaptabilität auch positiv im Sinne eines Veränderungswillens gegenüber Problemen wirken. Und, gerade bei Jugendlichen, wäre eine geringe Kohäsion als gute Loslösung von der Familie ebenso positiv zu interpretieren. Diese Ergebnisse könnten für eine noch komplexere Ätiologie der Somatisierung mit mehr als zwei Faktoren im Familiensystem sprechen. 5. Familienklima Neben den eben aufgeführten, eher systemischen Merkmalen wurden noch zahlreiche andere Besonderheiten von Familien somatisierender Kinder und Jugendlicher beobachtet, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Diese Faktoren wirken natürlich ebenfalls auf das Familiensystem, die Entwicklung bestimmter Copingstrategien, die Bindung zwischen den Eltern und dem Kind und auch den Ablauf von Lernmechanismen. 24 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen5. Familienklima Funktionsniveau und Stimmung Bei betroffenen Familien wurde immer wieder ein deutlich negativeres Funktionsniveau beobachtet. Hierzu zählt eine Häufung häuslicher Konflikte mit körperlicher, verbaler und psychischer Gewalt (Beck, 2008; Brown et al., 2005; Liakopoulou-Kairis et al., 2002), von Alkohol- und Drogenmissbrauch und antisozialem Verhalten (Campo & Fritsch, 1994; Livingston et al., 1995). Oft wurden an somatisierende Kinder auch höhere Anforderungen und Erwartungen gestellt (Liakopoulou-Kairis et al., 2002). Sozioökonomische Faktoren In einigen Familien somatisierender Kinder und Jugendlicher wurden eine soziale Benachteiligung und ein niedrigeres Einkommen der Eltern erfasst (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Guite et al., 2007; Youssef et al., 2005). Mütter waren oft jünger und lebten vom Kindesvater getrennt (Campo et al., 2007). Zudem stammten betroffene Kinder häufiger aus Familien ethnischer Minderheiten (Campo & Fritsch, 1994). Auch eine geringere Bildung der Eltern scheint eine Rolle bei der Somatisierung zu spielen (Campo & Fritsch, 1994; Grøholt et al., 2003; Hotopf, Carr, Mayou, Wadsworth & Wessely, 1998; Livingston et al., 1995). Entgegen diesen Ergebnissen erfassten Ramchandani und Kollegen (2005) bei Müttern von Kindern mit wiederkehrenden Bauchschmerzen jedoch einen höheren Bildungsgrad und besseren sozialen Status. Geschwister Der Einfluss von Brüdern und Schwestern wurde schon an anderer Stelle in Verbindung mit ihrer Modellfunktion erwähnt. Häufig sind mehrere Kinder einer Familie von somatoformen oder funktionellen Störungen betroffen. Geschwister somatisierender Kinder könnten durch die geringere Aufmerksamkeit der Eltern und die Übernahme von Aufgaben des erkrankten Geschwisterkindes psychisch vulnerabler werden. Guite und Kollegen (2007) erforschten die Geschwister von Kindern mit funktionellem Bauchschmerz und fanden bei ihnen ein erhöhtes Risiko für emotionale und Verhaltensprobleme, aber auch somatische Symptome. Dies erklärten sie damit, dass die Geschwisterkinder häufig unter der geringeren Aufmerksamkeit der Eltern litten, sich an das kranke Kind anpassten und mehr Verantwortung übernähmen (Guite et al., 2007). 25 Familiäre Ursachen- Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? 5. Familienklima 6. Komorbidität Kultureller Einfluss Auch die kulturelle Orientierung und die große Präsenz der Massenmedien beeinflussen das Miteinander und den Umgang mit Beschwerden in der Familie und nehmen so indirekt Einfluss auf die Somatisierung (Campo & Fritsch, 1994; Hasvold & Johnson, 1996; Stuart & Noyes, 1999; Terre & Ghiselli, 1996). Ständiger Fernsehkonsum könnte beispielsweise die Kommunikation der Familienmitglieder untereinander und die Sensibilität für emotionale Bedürfnisse einschränken. Hinsichtlich der Kultur spielt wohl auch der religiöse Hintergrund eine Rolle. So wird z.B. im Christentum das Leiden anerkannt und bewundert, körperliche Unversehrtheit und Genuss sind dagegen eher negativ konnotiert (Violon, 1985). Weitere Hintergründe des kulturellen Kontextes der Somatisierung sind bei Kraus, 2006 nachzulesen. Traumatisierung innerhalb der Familie Frühe Traumatisierung, gerade innerhalb des engen familiären Vertrauensrahmens, ist ein genereller Risikofaktor für psychische Störungen. So überrascht es nicht, dass auch funktionelle Beschwerden und somatoforme Störungen mit Traumata assoziiert werden (Brook, 1991; Stuart & Noyes, 1999). Ob sexueller Missbrauch und Vernachlässigung eine Rolle bei der Somatisierung spielen, ist umstritten. Brown und Kollegen (2005) konnten keinen Zusammenhang feststellen, in psychoanalytischen Studien wird beidem aber eine große Bedeutung zugeschrieben. 6. Komorbidität Somatisierung entsteht aus einer gesteigerten psychischen und/oder physischen Vulnerabilität. Diese Vulnerabilität des Kindes kann aus einer Vorerkrankung der Eltern oder aus komorbiden Störungen beim Kind selbst resultieren. Es könnten aber auch erst durch die Einschränkungen, die mit funktionellen oder somatoformen Störungen einher gehen, andere psychische Störungen oder sogar organmedizinische Folgen entstehen. Beeinträchtigung der Eltern Gerade bei somatisierenden Kindern müssen auch ihre Eltern bezüglich komorbider Störungen sehr genau betrachtet werden. Tritt bei den Bezugspersonen eine Störung auf körperlicher oder seelischer Ebene auf, ist oft auch die Beziehung zum Kind 26 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen6. Komorbidität beeinträchtigt. Elternteile könnten dann beispielsweise nicht mehr in der Lage sein, angemessenes Modellverhalten beim Umgang mit Beschwerden zu zeigen oder ihrem Kind angemessene Copingstrategien vorzuleben. Oft ist gerade bei psychisch erkrankten Eltern auch die Bindung beeinträchtigt. Zudem kann mit einer Vorerkrankung der Eltern auch eine Verschiebung der Rollenverhältnisse im Familiensystem einhergehen, oder sich das allgemeine Klima des Familienlebens verändern, z.B. durch Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Belastung. Abhängig von der Kompetenz der Eltern, mit ihrer eigenen Beeinträchtigung fertig zu werden, können auch hier wieder Risiko- oder auch Schutzfaktoren auf das Kind wirken. In Familien von Bauchschmerz somatisierenden treten gehäuft Kindern oder gesundheitliche Kindern mit Probleme funktionellem oder körperliche Erkrankungen der Eltern wie Migräne, das Reizdarmsyndrom, ein nervöser Magen oder eine Erkrankung der Mutter während der Schwangerschaft auf (Beck, 2008; Campo et al., 2007; Campo & Fritsch, 1994; Robinson et al., 1990; Schulte, Petermann & Noeker, 2010; Youssef et al., 2005). Gerade bei Müttern wiesen Studien eine signifikante Häufung von somatoformen Störungen, Depressionen und Wochenbettdepressionen oder pathologischer Angst nach (Campo et al., 2007; Campo & Fritsch, 1994; Hotopf et al., 1998; LiakopoulouKairis et al., 2002; Ramchandani, Stein, Hotopf, Wiles & The ALSPAC Study Team, 2006; Robinson et al., 1990; Schulte et al., 2010). Stuart und Noyes (1999) gaben eine Prävalenz psychischer Störungen in Familien somatisierender Kinder von 44% bis 73% an. Diese psychische Beeinträchtigung wirkt sich laut vorliegender Studien auf die elterliche Belastbarkeit und deren katastrophisierendes Beschwerden ihres Kindes aus. So konnten Hotopf Denken über die und Kollegen (1998) eine neurotische Persönlichkeit von Müttern von Kindern mit funktionellem Bauchschmerz mit geringerer Belastbarkeit, gesteigerter Angst und einer katastrophisierenden Denkweise assoziieren. Für eine solche Beeinträchtigung des elterlichen Funktionsniveaus sprechen auch ein gesteigertes Inanspruchnahmeverhalten oder häufigere Notaufnahmen bezüglich der kindlichen Beschwerden bei psychischen Auffälligkeiten eines Elternteils (Levy, Langer, Walker, Feld & Whitehead, 2006; Livingston et al., 1995). Venepalli und Kollegen (2006) stellten fest, dass Eltern, die 27 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen6. Komorbidität wegen der Bauchschmerzen ihrer Kinder häufiger medizinische Hilfe in Anspruch nahmen, auch eher zu katastrophisierendem Denken neigten. Komorbiditäten beim Kind Bisher konnte noch nicht geklärt werden, ob sich somatisierendes Verhalten aus einer schon vorliegenden psychischen Störung herausbildet, oder in wie weit erst aus der Somatisierung heraus eine psychische und auch physische Vulnerabilität entsteht. Fakt ist, dass Studien Somatisierung meist komorbid mit anderen Störungen auftretend assoziieren. Diese können sich bei funktionellen abdominellen Schmerzen in körperlichen Symptomen wie Blässe, Übelkeit, Fieber, Schmerzen in anderen Körperregionen (Apley & Naish, 1958) oder einer insgesamt schlechteren gesundheitlichen Konstitution (Campo & Fritsch, 1994; Hotopf et al., 1998) zeigen. Schon in der frühen Entwicklung fielen Kinder, die später einmal funktionelle Bauchschmerzen entwickelten, als „Schreikinder“ mit Drei-Monats-Koliken auf (Ramchandani et al., 2005 & 2006). Die Ursachen dieses Störungsbildes sind bis heute nicht vollständig bekannt, eine psychische Komponente wird vermutet. Funktionelle Symptomen Bauchschmerzen assoziiert konnten werden. schon Meist mit werden zahlreichen eher psychischen internalisierende Persönlichkeitsmerkmale wie Ängstlichkeit, Empfindlichkeit, Schüchternheit oder Nervosität in Verbindung mit funktionellen Störungen angeführt (Apley & Naish, 1958; Hotopf et al., 1998; Robinson et al., 1990; Schulte et al., 2010; Venepalli et al., 2006). Diese Angaben sind jedoch kritisch zu betrachten, da diese bei Kindern oft auf Fremdbeurteilungen beruhen und man sich hinsichtlich dieser Merkmale zu sehr auf Ergebnisse älterer Studien beziehen muss. Kinder mit funktionellen Schmerzen im Abdomen haben laut Liakopoulou-Kairis und Kollegen (2002) in über 80% der Fälle auch eine psychiatrische Diagnose. Als Komorbiditäten bei somatoformen und funktionellen Störungen gelten Depressionen, Angststörungen wie Phobien oder Trennungsängste, aber auch Bindungs- und Persönlichkeitsstörungen oder eine dissoziative Amnesie (Beck, 2008; Brown et al., 2005; Campo & Fritsch, 1994; Jellesma et al., 2008; Noeker & Petermann, 2008; Stuart & Noyes, 1999). 28 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht 7. Psychoanalytische Sichtweise Aus psychoanalytischer Sicht wird Somatisierung als „Organneurose“ betrachtet, bei der die Beschwerden als psychischer Regulator funktionieren. Dabei wird von verschiedenen Erklärungen zur Entstehung ausgegangen. Die vorliegenden Quellen bezogen sich auf Schmerzen im Allgemeinen und auf keine bestimmte Altersgruppe, wodurch sich auch der folgende Abschnitt nicht nur auf Kinder und Jugendliche bezieht. Es wäre aber durchaus denkbar, dass die beschriebenen Vorgänge auch schon während der Kindheit prägend wirken. So stellten Psychoanalytiker schon früh eine kausale Beziehung zwischen einem demütigenden und harten Kindheitsmilieu und einer daraus entstehenden Schmerzkrankheit fest (Schilder, 1931, nach Hoffmann & Egle, 2007). Der narzisstische Mechanismus Zweck dieses psychoprothetischen Vorganges ist, subjektiv existenzielle Krisen („narzisstische Krise“) durch die Bildung eines körperlichen Symptoms oder Verhaltens zu vermeiden oder zu begrenzen und so einen intrapsychischen Ausfall zu substituieren. Er dient nicht nur der Spannungsentlastung, sondern garantiert auch das Weiterfunktionieren ohne psychischen Zusammenbruch (Hoffmann & Egle, 2007). Dieser Mechanismus kommt zum Einsatz, wenn keine sinnvolle Alternative, z.B. eine angemessene Copingstrategie, eingesetzt werden kann. Auslöser einer solchen narzisstischen Reaktion könnten beispielsweise belastende Lebensereignisse, körperliche und psychische Traumen, aber auch eine funktionelle Störung sein. Eine Häufung belastender Lebensereignisse konnte bei Patienten mit somatoformen und funktionellen Störungen festgestellt werden (Beck, 2008; Campo & Fritsch, 1994; Grunau, Whitfield, Petri & Fryer, 1994; Liakopoulou-Kairis et al., 2002; Ramchandani et al., 2006; Robinson et al., 1990; Schulte et al., 2010; Venepalli et al., 2006). In diesem Sinne kommt die Auffassung, der Körperschmerz bahne den Weg für den Seelenschmerz, zum Tragen (Ermann, 2007). Zudem könnten unverarbeitete, infantile Unverletzlichkeitsphantasien zu Verhaltensproblemen führen. Bei Versagen oder Misserfolgen kommt es zur Auslösung großer Hilflosigkeit und regressiven Verhaltens. Diese Hilflosigkeit wurde im Rahmen des katastrophisierenden Denkens in Studien nachgewiesen (Goubert et al., 2006; Noeker & Petermann, 2008). Der narzisstische Mechanismus tritt auch vor allem in Verbindung mit Persönlichkeitsstörungen auf (Hoffmann & Egle, 2007). 29 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht Konversion Der aus dem Lateinischen stammende Begriff bedeutet „Umwandlung“ und sagt so für sich schon aus, was bei diesem Mechanismus geschieht. Hier kommt es zu einer Entlastung von inneren Konflikten durch deren körpersprachlichen Ausdruck in bestimmten Symptomen. Dazu Freud: „Was ist es denn, was sich hier in körperlichen Schmerz verwandelt? Die vorsichtige Antwort wird lauten: Etwas, woraus seelischer Schmerz hatte werden können und werden sollen“ (Freud, 1895; zit. nach Hoffmann & Egle, 2007, S.130). Typisch ist der kommunikative Symbol- oder Darstellungsgehalt der Beschwerden als „Ausdruckskrankheit“. Dabei werden bestimmte unbewusste Vorstellungen und Phantasien beispielsweise durch Verdrängung oder Verschiebung abgewehrt. Zudem sind die Betroffenen emotional oft sehr erregbar, was auch Apley und Naish feststellten (1958). Selbstbild und Selbstwahrnehmung sind durch Schwäche, Hilflosigkeit, Unschuld, und ein Anlehnungsbedürfnis gekennzeichnet. Durch die Beschwerden und Leidensäußerungen entsteht ein unbewusster sekundärer Symptomgewinn. Diese Theorie stimmt mit der Häufung unsicher-anklammernder Bindungsstile und geringem Selbstbewusstsein und -wirksamkeit überein (Schulte et al., 2010; Stuart & Noyes, 1999; Venepalli et al., 2006; Walker et al., 1988). Zu beachten ist bei der Konversion der kommunikative Aspekt der körpersprachlichen Mitteilung an reale oder imaginäre Beobachter („sickness“). Bei der Konversion erzeugt ein ungelöster seelischer Schmerz also den körperlichen Schmerz. Besonders häufig sind, wie schon früher erwähnt, Depressions- oder Angstpatienten betroffen. Das Zitat einer Patientin fasst diesen Zusammenhang in die passenden Worte: „Lieber unerträgliche Schmerzen als ständig diese Leeregefühle.“ (Hoffmann & Egle, 2007; S.130). Dabei könnten Schuldgefühle, die Umlenkung der Aufmerksamkeit von psychischen auf körperliche Beschwerden, Verlustersatz, eine Aggressionshemmung und zahlreiche individuell variierende und kombinierte Aspekte Motivatoren für die Konversion sein. Umwandlung von Affekten in körperliche Spannungszustände Es ist völlig normal, dass bei Gefühlen auch vegetative Korrelate als körperliche Begleiterscheinungen wie Herzklopfen, ein Kribbeln im Bauch oder verstärktes Schwitzen auftreten. Diese entstehen laut Ermann (2007), da im Säuglingsalter noch keine Trennung zwischen Körperempfindungen und affektivem Befinden besteht. Dabei bedeuteten Zärtlichkeit und Sättigung Wohlbefinden und eine gute Beziehung zur Bezugsperson. Schutzlosigkeit und Feindseligkeit hingegen gingen mit 30 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht Körperschmerzen und Leid einher. Hier könnte wieder eine enge Verbindung zu den Bindungsqualitäten gezogen werden. Die körperbezogenen Erfahrungen spielen für die frühe Affektregulierung eine entscheidende Rolle und werden als vegetativaffektiv-sensorische Zustände und Reaktionsmuster im implizit-prozeduralen Gedächtnis abgelegt, wo sie den Pool somatischer Erinnerungen bilden (Ermann, 2007). In der Entwicklung erfolgt nun nach und nach eine Trennung (Desomatisierung) des seelischen und körperlichen Erlebens. Bei großer affektiver Belastung durch die Umwelt („stress“) und/oder innerpsychischer Vorgänge („strain“) kann es nun aber zu einer Ich-Regression auf die ausschließlich körperlichen Symptome kommen, die als „vegetatives Äquivalent“ oder „Stellvertreter“ der Emotion auftreten. Selbstbeobachtung Dazu kommt („Monitoring“) häufig und die eine ängstlich-hypochondrische Überzeugung von ausschließlich organischen Ursachen der Beschwerden. Die Hemmung expressiver Affektabfuhr (z.B. verbal oder mimisch) führt zu einer erhöhten Muskelspannung. Im Alltag kommt diese Emotionsunterdrückung in Wendungen wie „die Zähne zusammenbeißen“ oder „sich zusammenreißen“ zum Ausdruck. In der unterstehenden Abb. 7 ist die Somatisierung aus psychoanalytischer Sichtweise dargestellt. Resomatisierung des Erlebens Auslöser pathogener Affekt Aktivierung vegetativer Äquivalente Monitoring Somatisierungssymptom Körperorientierte Kommunikation („sickness“) Abb. 7: Somatisierung in der Psychoanalyse; mod. nach Ermann, 2008 (S. 242) Dissoziation und Traumatisierung Das vierte psychoanalytische Erklärungsprinzip für Somatisierung geht von einer schweren Traumatisierung und einer darauf folgenden Dissoziation aus. Somatisierer scheinen oft Traumatisierungen oder negative Kindheitserlebnisse wie Misshandlungen oder den Verlust von Bezugspersonen erlebt zu haben (Beck, 2008; Brook, 1991; Campo & Fritsch, 1994; Stuart & Noyes, 1999). Brown und Kollegen (2005) stellten bei der Hälfte der untersuchten Patienten mit somatoformer Störung 31 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Familiäre Ursachen7. Psychoanalytische Sicht eine dissoziative Amnesie fest. Betroffene hatten mehr körperliche und emotionale Misshandlung durch Familienmitglieder über einen längeren Zeitraum erlitten. Die Untersuchung fand jedoch anhand einer relativ kleinen Stichprobe von 28 stationär behandelten Patienten statt und ist deshalb nicht generalisierbar. Bei der Dissoziation kommt es zur teilweisen oder völligen Desintegration psychischer Funktionen, wie der Erinnerungen, dem Identitätsbewusstsein, oder der Selbstwahrnehmung. Dadurch wird versucht, das Nichtaushaltbare zu bewältigen indem es dem Bewusstsein entzogen wird. Es „schlummert“ jedoch weiterhin im Unterbewussten und wird in heftigen Schmerzzuständen mit klarer Lokalisation wiedererlebt. Die Schmerzpersönlichkeit Zuletzt soll noch das ursprünglich von Engel, 1959 (in Hoffmann & Egle, 2007) entwickelte Konzept der „Schmerzpersönlichkeit“, das in der Psychoanalyse im Zusammenhang mit der Somatisierung nicht unerwähnt bleiben sollte, erläutert werden. Demnach neigen bestimmte Persönlichkeitsstrukturen zum Somatisieren und dazu, emotionale Belastungen eher in körperlichen Symptomen zu verarbeiten. Menschen mit repressiver Persönlichkeit („Repressoren“) unterdrücken ihre Impulse, Gedanken und Emotionen und ertragen Belastungen ängstlich und angespannt, anstatt sichtbare, psychische Reaktionen zu zeigen, da sie weniger kompetent in der Verarbeitung von Konflikten sind. Diese werden dann in als sozial anerkannt wahrgenommenen, körperlichen Symptomen ausgedrückt (Scheer, 2008). Masochistisch geprägte Persönlichkeiten haben ein unbewusstes Sühnebedürfnis, und erfahren durch Schmerz eine Reduktion ihrer Schuldgefühle, die sie durch die unterdrückten Gefühlsregungen in sich tragen. Meist haben sie eine lange Geschichte von Leid und Niederlage hinter sich, können Erfolge nicht tolerieren oder provozieren sogar unbewusst Verletzungen und invasive Behandlungen (Ermann, 2007; Hoffmann & Egle, 2007). Schmerz oder Beschwerden können auch als eine Art Ersatzbefriedigung fungieren, wenn ein Beziehungsverlust erlebt wurde oder befürchtet wird. Dabei kann der Schmerz zur Identifizierung mit sozialen Bezugspersonen dienen indem er die selbe Lokalisation aufweist, oder auch in unsicheren Situationen bekanntes Verhalten bei Anderen erzeugen und so Sicherheit geben (Ermann, 2007; Hoffmann & Egle, 2007). 32 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Fazit & Ausblick Fazit & Ausblick Die vorliegende Bachelorarbeit sollte einen möglichst umfassenden Überblick zu den familiären Ursachen der Somatisierung bieten. Darum hat die Autorin versucht, sich mit allen Ansätzen zur Ätiologie der Somatisierung auseinanderzusetzen um keinen Erkenntnisgewinn zu übersehen. Dabei konnten nicht alle Aspekte, bei denen es vielleicht notwendig gewesen wäre, vertieft werden. Trotz der Vielfalt der Studien aus einem halben Jahrhundert ist die Autorin am Ende ihrer Recherche in der Lage zu behaupten, dass die Ursachen für Somatisierung in der Familie zu finden sind. Die meisten Studien sprechen für diese Aussage. Psychoanalytische, psychologische bindungstheoretische, Forschungskonzepte unterschiedlichen Herangehensweisen systemische kommen und trotz oder ihrer Sichtweisen doch verhaltens- teilweise zu völlig ähnlichen Ergebnissen, die alle für einen großen Einfluss der Familie auf die Somatisierung sprechen. Im Folgenden werden die übereinstimmenden Ergebnisse, die eine Ursächlichkeit der Somatisierung in der Familie belegen, noch einmal kurz aufgeführt. 1. Eltern und nahe Bezugspersonen dienen Heranwachsenden als Verhaltensmodelle. Sind sie aus Gründen wie einer eigenen psychischen oder physischen Beeinträchtigung nicht in der Lage, dem Kind als angemessenes Modell bei der Bewältigung harmloser funktioneller Beschwerden zu dienen, kann dies die Somatisierung zur Folge haben. 2. Je stärker das Verhältnis zwischen Eltern und Kind in Form einer unsicheren Bindung und/oder einer gestörten Kommunikation beeinträchtigt ist, desto größer ist die Gefahr einer erhöhten allgemeinen psychischen Vulnerabilität und somit auch für Somatisierung. 3. Die Familie ist ein sehr komplexes System in dem viele verschiedene Faktoren ein ganz eigenes Umfeld schaffen, welches ein Kind gegenüber bestimmten Belastungen gegenüber anfälliger aber auch stärker machen kann. 33 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Fazit & Ausblick Bei der Lektüre der zahlreichen Studien aus über 50 Jahren Forschung zum Thema Somatisierung erlebte die Autorin einerseits eine befruchtende Vielfalt, andererseits aber auch eine große Inkonsistenz und viele Widersprüche. Es war mühsam, die Ergebnisse in ein zusammenhängendes Bild zu den familiären Ursachen der Somatisierung zu bringen, da sich die Autoren immer wieder auf andere Modelle oder Untersuchungen, zum Teil aus den verschiedenen psychologischen Richtungen, stützen. Zudem sind funktionelle und somatoforme Störungen noch nicht klar in den Diagnosesystemen klassifiziert und werden auf der Basis verschiedener Kriterien diagnostiziert. Hier ist eine Einigung auf eine klare Begrifflichkeit und einheitliche Diagnosekriterien mit der Pädiatrie dringend notwendig. Eine weitere Schwierigkeit ist darin zu sehen, dass sich somatisierendes Verhalten in den meisten Fällen eher im pädiatrischen Bereich zeigt und daher nur selten oder erst bei sehr auffälligem Verhalten psychologisch oder psychiatrisch erfassbar wird. Dadurch spiegeln die meisten Studien mit klinischen Stichproben wahrscheinlich wirklich nur die „extremen“ Fälle von Somatisierungsverhalten wieder, bei denen unter Umständen tiefgreifendere Ursachen mit häufiger Komorbidität auftreten. Die „Dunkelziffer“ der somatoformen Störungen liegt möglicherweise viel höher, als in Studien erfassbar ist, da nicht jeder Kinderarzt das somatisierende Verhalten seiner jungen Patienten zu erkennen vermag und nicht alle Betroffenen erfasst werden. Hier sollten Psychologie und Pädiatrie zukünftig verstärkt Hand in Hand zusammenarbeiten. Perfekt wäre eine Partnerschaft jedes Kinderarztes mit einem Kinder- und Jugendlichenpsychologen oder -psychotherapeuten, damit auch zwischen den beiden Fachkräften eine gute und enge Zusammenarbeit auf Vertrauensbasis möglich ist. Zudem liegen erst sehr wenige Forschungsergebnisse über die Rolle des Vaters bei der Somatisierung vor. So wurden Väter gerade mal in sechs der vorliegenden Studien mit einbezogen. Auch über die Rolle von Geschwistern, Großeltern oder anderen Bezugspersonen, die oft ebenfalls erzieherisch wirken, ist bislang wenig bekannt. So wäre es beispielsweise vorstellbar, dass bei einer Erkrankung eines Elternteils eine gute Beziehung zu den Großeltern einen Schutzfaktor darstellen könnte. Über diesen Einflussfaktor besteht also noch dringender Forschungsbedarf. Eine weitere Schwäche der hier verwendeten Studien ist darin zu sehen, dass Symptome und Verhaltensweisen sehr oft subjektiv vom Kind oder Jugendlichen 34 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Fazit & Ausblick oder durch deren Mütter eingeschätzt wurden. Zeigt eine Mutter beispielsweise stark katastrophisierendes Verhalten, ist sie sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewusst. Und auch ihr Kind, das mit diesem mütterlichen Denken aufgewachsen ist, empfindet deren abweichendes Verhalten vielleicht als normal. Viele der vorliegenden Studien beruhen auf einer Selbsteinschätzung der Schmerzen. Nur in vereinzelten Fällen wurde ein Schmerzreiz auch mit entsprechender Lokalisation objektiv erzeugt und somit vergleichbar. Studien wie die von Walker und Kollegen (2006) geben einen guten Aufschluss über Verhaltensweisen bei funktionellen Beschwerden und können so nützliche Strategien zur Bewältigung zeigen. Trotz der Wichtigkeit der weiteren Erforschung der Ursachen von somatisierendem Verhalten kann sich die Autorin nicht vorstellen, dass jemals ein quantitatives Erfassungsinstrument in der Lage sein wird, die Somatisierung vollständig zu erfassen. Durch Experimente, Studien und Befragungen werden immer nur kleine Teile der hochkomplexen Entwicklung dieser Störungsgruppe erfasst. Trotzdem werden diese einen Teil dazu beitragen, die Ätiologie klarer werden zu lassen. Hierbei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, dass hinter dem Probanden, dem Teilnehmer oder auch Patienten ein Kind oder ein Jugendlicher und dessen Familie steht, die unter der Störungssymptomatik leiden. Dieses persönliche Leid, aber auch die entstehenden Mehrkosten im Gesundheitssystem, könnten reduziert werden, wenn jeder Kinderarzt seinen kleinen Patienten und dessen Familie so gut kennte, wie der fiktive Doktor im einleitenden Lied, der gleich weiß, dass das Kind nicht körperlich krank ist, sondern nur ein wenig „Selbstvertrauen“, „Humor“ und „Mut“ braucht. Hinzu käme noch die Einsicht, das psychische Leiden nicht als „eingebildete“ Krankheit abzutun, sondern ernst zu nehmen und auch über eine hohe Kompetenz bei der Kommunikation mit der Familie über das Störungsbild zu verfügen. So könnte zumindest schon einmal eine Vertrauensbasis entstehen und das für alle Beteiligten unangenehme „DoctorShopping“ vermieden werden. Wenn der Kinderarzt dann auch in der Lage wäre, die betroffene Familie schon bei wiederholt auftauchenden funktionellen Symptomen an einen Psychologen zu überweisen, ohne ein Gefühl des abgewiesen und nicht ernst genommen Werdens zu vermitteln, könnte die Somatisierung weitgehend verhindert werden. 35 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Zusammenfassung Zusammenfassung Somatisierung ist der Übergang von wiederholt auftretenden funktionellen Beschwerden in ein somatoformes Störungsbild. Dies ist durch katastrophisierendes Denken über die Symptome und der damit einher gehenden Einnahme einer Krankenrolle mit stark gesteigertem Inanspruchnahmeverhalten medizinischer Leistungen verbunden. Diese Fehlanpassung wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst und wurde in dieser Arbeit in einem integrativen Entstehungsmodell zusammengefasst. Ursachen der Somatisierung sind zu einem großen Teil in der Familie als dem primären Bezugsrahmen und Sozialisationsraum eines Heranwachsenden zu finden. Eltern dienen ihren Kindern als Modelle, auch bezüglich der katastrophisierenden Denkweise über die körperlichen Symptome und können bestimmte Verhaltensweisen konditionierend verstärken. Somatisierende Kinder sind häufiger unsicher gebunden, worin das typische gesteigerte Inanspruchnahmeverhalten mitbegründet ist. Die Betroffenen verfügen über weniger effiziente Copingmechanismen, die ebenfalls innerhalb der Familie erlernt werden und sind mehr belastenden Lebensereignissen ausgesetzt. Eltern und Kinder verfügen meist über eine geringere Selbstwirksamkeit und schreiben ihren Beschwerden eher Auslösern, auf die sie selbst keinen Einfluss haben, zu. In der systemischen Sichtweise wird dem Somatisieren eine kommunikative Funktion in der familiären Rollenverteilung zugeschrieben. Zudem spielen im Familienklima ein geringeres Funktionsniveau und eine negative Stimmung bis hin zu Misshandlungen, geringeres Einkommen und eine schlechtere Bildung aber auch der Einfluss der Kultur eine Rolle. Komorbide Störungen der Eltern aber auch beim Kind treten in Verbindung mit funktionellen und somatoformen Störungen gehäuft auf. In der Psychoanalyse werden verschiedene Entstehungswege zur Somatisierung, wie der narzisstische Mechanismus, die Konversion, die Umwandlung von Affekten in körperliche Spannungszustände, Dissoziation und Traumatisierung und die Schmerzpersönlichkeit, angeführt. Trotz dieser zahlreichen ätiologischen Konzepte besteht weiterhin dringender Forschungsbedarf und dafür ist eine Einigung über Diagnosekriterien notwendig. Zudem ist in Zukunft eine engere Zusammenarbeit mit der Pädiatrie erstrebenswert. 36 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Titelbild .......................................................................................................... 1 Quelle: http://members.aon.at/eva.reichl/familie_2008.jpg [05.08.2010;14.18 Uhr] Abb. 2: Kind aus dem Lied ......................................................................................... 4 Leykamm, M. & Fischer, (2006).3. Lied: Bauschschmerzen. In Ich bin ich und Du bist du! Grube, P., Leykamm, M., Fischer, U. & Klemm, (6. Aufl.). (S.109) KoltourVerlag/Pehnert+Hoffmann GbR. Abb. 3: Vielfalt und Belastung durch funktionelle Beschwerden ................................ 8 mod. nach Roth-Isigkeit, 2005 Abb. 4: Integratives Modell der Entwicklung der Somatisierung .............................. 11 zusammengestellt von der Autorin auf Basis von Beck, 2008, S.554; Noeker, 2008, S.99; & Palermo & Chambers, 2005, S.3 Abb. 5: Bindungstypen und Inanspruchnahmeverhalten........................................... 18 mod. nach Ciechanowski et al., 2002; S. 661 Abb. 6: Circumplex Model ........................................................................................ 24 mod. nach Olsen et al., in Walker, McLaughlin & Greene, 1988; S.3 Abb. 7: Somatisierung in der Psychoanalyse ........................................................... 31 mod. nach Ermann, 2008; S. 242 Abb. 8: „Und ein bisschen Mut, dann wird alles gut.“ ................................................ 41 Leykamm, M. & Fischer, (2006). Aus: Ich bin ich und Du bist du! Grube, P., Leykamm, M., Fischer, U. & Klemm, (6. Aufl.). (S.42) Koltour-Verlag/Pehnert+Hoffmann GbR. 37 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Apley, J. & Naish, N. (1958). Recurrent Abdominal Pains: A Field Survey of 1,000 School Children. Archieves of Disease in Childhood, 33, 165-170. Beck, J.E. (2008). A Development Perspective on Functional Somatic Symptoms. Journal of Pediatric Psychology, 33 (5), 547-562. Bialas, I. & Craig, T.K.J. (2007). `Needs expresses` and `offers of care`: an observational study of mothers with somatization disorder and their children. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 48:1, 97-104. Brook, A. (1991). Bowel distress and emotional conflict. Journal of the Royal Society of Medicine, 84, 3942. Brown, R.J., Schrag, A. & Trimble, M.R. (2005). Dissociation, Childhood Interpersonal Trauma, and Family Functioning in Patients With Somatization Disorder. American Journal of Psychiatry,162, 899905. 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Frau Prof. Dr. Ulrike Petermann und die Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter ihres Fachbereichs bestärkten in den vorangegangenen Semestern in Vorlesungen und Seminaren mein Interesse und meine Begeisterung für den Bereich der Klinischen Kinderpsychologie. Vor allem möchte ich mich auch bei meinen Freunden bedanken, die mich immer wieder ermutigten und motivierten, wenn es einmal nicht so gut voranging. In gemütlichen, gemeinsamen Stunden konnte ich ein wenig abschalten und neue Kraft schöpfen. Alex & Terence, Celine & Andi, Willi & Molli, Anne & Gizmo, Lisa & Manuel, Esther, Farina, Sabina, und Kati, ihr seid super! Vielen Dank Marcus, für deine immer währende große Begeisterung, das KontrollLesen meiner schriftlichen Ergüsse zu übernehmen! Meine Mutter stellte mir, als beste Mutter der Welt, natürlich sofort die Bücher von Jako-O zur Verfügung. Und sie stand mir als ständiger telefonscher Ansprechpartner trotz ihrer eigenen beruflichen und mütterlichen Auslastung mit einem unbeugbaren Glauben in meinen Erfolg mit einem offenen Ohr rund um die Uhr zur Verfügung. Meinen Großeltern sei ebenfalls mein tiefster Dank ausgesprochen. Oma, auch du hast immer an mich geglaubt und verfügst über die Fähigkeit, alles was ich tue anzuerkennen. Vor allem meinem Opa, Eckhard Kutter, sei ganz besonders gedankt! Als Ingenieur betrat er als Lektor meiner Bachelorarbeit in ehrwürdigem Alter noch einmal ein völlig neues Fachgebiet, in das er sich unglaublich schnell und flexibel einfand, um mir als Berater beiseite zu stehen. Allen seelischen, moralischen und fachlichen Unterstützern danke ich dafür, dass ich mit ihrer Hilfe diese Arbeit mit einem sehr guten Gefühl beenden konnte! Abb. 8 41 Bachelorarbeit: Somatisierung - familiäre Ursachen? Eigenständigkeitserklärung Eigenständigkeitserklärung Hiermit versichere ich, Alina Schaar, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Bremen, den 22.09.2010 Schaar, Alina Bachelorarbeit: Somatisierung- familiäre Ursachen? Eine Übersicht über Somatisierung im Kindesalter. und Heutiger Forschungsstand zum familiäreren Einfluss auf die Somatisierung. Abrufbar unter: http://alina.schaar.transcendor.de/Bachelorarbeit_Somatisierung-familiäre_Ursachen.pdf 42