23.02.04, Tod und Sterben, B. Bewernick

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Tod und Sterben
Tutorium: Medizinische Psychologie
Bettina Bewernick
WS 2003/04
Gesellschaftliche Aspekte
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Death education/Sterbeaufklärung (Teilbereich der Thanatologie)
Thanatologie: dem griechischen Gott des Todes, und bedeutet
'Forschung über Sterben und Tod'
Keine menschliche Erfahrung überwältigender als Tod
Arzt/Mensch mit Tod konfrontiert
Lebensauffassung und Gewohnheiten bestimmen Art der
Beschäftigung mit dem Tod
Eher Verleugnung des Todes in westlicher Gesellschaft
bis Mitte 20.Jh verstarben besonders in ländlichen Gebieten die
meisten zu Hause, im Kreise der Familie
danach Verlagerung des Sterbeortes in Krankenhäuser/Heime
professionelles Fachpersonal betreut Sterbende
Einstellung des Menschen zu Sterben und Tod
 Religiosität:
 akzeptiert und als dem Leben zugehörig assoziiert
 Konfession:
 Formen der Trauerbewältigung nach einem Todesfall, die
Ungewissheit über das 'Danach' ist somit relativiert, Angst vor
Sterben und Tod vermindert sich gelassenerer und
unverkrampfterer Umgang mit Sterben und Tod.
 Lebensalter:
 je älter je häufiger Gedanken an die eigene Vergänglichkeit
 Gesundheitszustand:
 Schwere Krankheiten führen vermehrt zu Gedanken an den Tod.
An N=75 freiwilligen Studenten der Universität Göttingen, wovon 45 weiblich und 30 männlich waren,
neuentwickelten Fragebogen zur Sterbeaufklärung, 1992,93)
Einstellung des Menschen zu Sterben und Tod II
 Geschlecht:
 Frauen neigen stärker zu Todesangst, Tod als Erlösung und als
fremde Macht; Männer sachlicher
 Bildung:
 Versachlichung bei steigendem Bildungsstand, niedrigere Angst
vor Sterben, Umgang und Einstellung dazu offener
 sozialer Status:

mit Steigen der Lebensqualität durch gegebene Mittel, auch
Wunsch nach Verlängerung des Lebens, Tod wird nicht akzeptiert;
 niedriger sozialer Status: Tod als Ausweg aus der gegenwärtigen
Lebenslage.
An N=75 freiwilligen Studenten der Universität Göttingen, wovon 45 weiblich und 30 männlich waren,
neuentwickelten Fragebogen zur Sterbeaufklärung, 1992,93)
Todesvorstellungen

Lebensende
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
Tod ist tatsächlich das Ende des Lebens
knapp, trocken und unprätentiös
Der vitale Vorgang erreicht seinen Endpunkt
Eine Untergruppe definiert den Tod als den natürlichen Abschluß des
Lebens, der biologische Prozeß steht im Vordergrund
 Lineare Zeitvorstellung
 Individueller Tod endgültige Auslöschung der Existenz, keine
Wiederkehr

Fremde Macht

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Schicksal
resignative Tönung
Tod als unabwendbar
Er besitzt Macht über uns (durchaus personifiziert), er ist ein Wesen,
das in die Welt gesandt wird, um den Menschen die prädisponierte
Bestimmung zukommen zu lassen, das Individuum aus seiner Existenz
herauszulösen
Todesvorstellungen II

Urvölker und Tod
 Tod als Ortswechsel, Kontakt mit Gestorbenen (Traum, Trance,
Kultische Rituale)
 Tod als Folge magischer, dämonischer Einflüsse, eigener Tod nicht als
Individuum, da Teil der Stammesseele
 Zyklische Weltvorstellung: alles kehrt wieder

Tod als Erlösung
 von Schmerzen, vom Diesseitigen
 als Übergang zu neuem Leben im Jenseits
 befreit er das Körperliche, oft durch Krankheit zum Jammertal
gemachte Unglück von seiner materiellen Hülle und Einengung
 Für den, der Siechtum beobachtet hat, bedeutet Aufrechterhaltung des
Lebens oft Qual. [...]

Angst


Tod als schreckliches Ereignis
Der Tod wird angstvoll zu vermeiden versucht, wird tabuisiert und
verleugnet.
Arzt und Tod
 Medizinischer Blick
 Schutz vor leibhaftigem Erleben und Identifikation
 Reaktionen der Betroffenen werden durch routiniertes,
neutrales Verhalten „normalisiert“
 Routinen, Hierarchien und Rituale
 Ziel: Handlungsfähig sein, medizinische Qualität zu sichern,
Vertrauen des Patienten erhalten
Tod: Selbsterfahrung vs. 10 Min Zeit, nachdenken
Tod: Selbsterfahrung vs. 10 Min Zeit, nachdenken
Rollenspiel:
 Zu zweit zusammen, jeweils Tod für andere Person
 Nicht sprechen
 Wenn Ihr Euch in die Augen seht, heißt das, das Ihr
sterbt
 Man kann seinen Tod aktiv suchen/vermeiden/passiv
abwarten
 Tod kann einen suchen/ einem ausweichen
Aufgabe
 Welche Gedanken habt Ihr, wenn Ihr an Euren Tod
denkt
 Welche Gefühle habt Ihr....





Was würdet Ihr gerne noch vorher regeln?
Mit wem würdet Ihr darüber sprechen?
Wie würden Eure Freunde/Verwandte reagieren?
Wie würdet Ihr gerne sterben/beerdigt werden?
Wolltet Ihr jemanden dabei haben, wenn Ihr sterbt?
Was ist Palliativmedizin?

moderne Form der Schmerztherapie/medizinische Versorgung
Sterbender, die Linderung statt künstlicher Lebensverlängerung in
den Mittelpunkt stellt
Sterbehilfe: Begriffe
 Beihilfe zur Selbsttötung:
 Arzt gibt Informationen oder stellt Medikamente zur Selbsttötung
zur Verfügung, Patient tut einen wesentlichen Schritt
selbstSuizid nicht strafbar, aber Arzt strafbar
 Indirekte Sterbehilfe:
 Lebensverkürzung wird billigend in Kauf genommen, ist aber nicht
Ziel der Maßnahme, Z.B. Schmerzlinderung durch Morphium
(aktiv und passiv möglich)
 Nur wenn Hirntod nicht eingetreten
 Wenn mutmaßliche Einwilligung des Pat
 Bei Sinnlosigkeit/Unmöglichkeit von Maßnahmen
 Direkte Sterbehilfe:
 beabsichtigte Lebensverkürzung im Interesse des Patienten um
weiteres Leiden zu verhindern (aktiv und passiv möglich)
Sterbehilfe: Begriffe
 Passive Sterbehilfe:
 Pflicht zur Lebensverlängerung entfällt bei hoffnungsloser
Prognose
 ausdrücklicher/mutmaßlicher Willen des Patienten zum
Behandlungsverzicht
 keine Lebensverlängernden Maßnahmen bzw. Maßnahmen
abbrechen
straffrei, seit 1998 unter bestimmten Umständen
 Aktive Sterbehilfe/Euthanasie:
 Gezielte Verkürzung des Lebens, um dem Patienten Leiden zu
ersparen
auch nach Willen des Patienten in Deutschland verboten, Patient
hat kein Recht auf Tötung!
Umfrage der Deutschen Hospiz Stiftung
Zustimmung wächst
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
8,1%
34,8%
56,6%
für den Einsatz der
Palliativmedizin und
Hospizarbeit
Deutsche Hospiz Stiftung, Befragung Juni 2000,
N=1007 Befragung März 1997, N=984
41,2%
35,4%
für aktive Sterbehilfe
1997
2000
23,9%
weiß nicht
Umfrage der Deutschen Hospiz Stiftung II
Vergleich Männer-Frauen
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
8,7%
50,3% 62,3%
41,0% 30,1%
für den Einsatz von
Palliativmedizin und
Hospizarbeit
für aktive Sterbehilfe
Deutsche Hospiz Stiftung, Befragung Juni 2000, N=1007
Männer
Frauen
7,5%
weiß nicht
Situationen, die den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe hervorrufen können
Frage: "Es kann Situationen im Leben eines Menschen geben, in denen man nicht mehr
weiterleben möchte. Einmal angenommen, es sei erlaubt, dass Ärzte Todkranken auf deren
Wunsch eine "Erlösungsspritze" als Sterbehilfe geben dürfen. In welcher der folgenden
Situationen könnten Sie sich vorstellen, dass Sie sich dies als Todkranker wünschen
(Mehrfachnennungen möglich)?"
Wenn die Schmerzen für mich unerträglich sind
62 %
Wenn ich Verrichtungen wie Essen, Atmen oder
zur Toilette gehen nicht mehr selbstständig
durchführen kann
48 %
Wenn ich den Sterbeprozess mit meiner
persönlich empfundenen Würde nicht mehr in
Einklang bringen kann
43 %
Wenn ich es als sinnlos empfinde, auf den Tod
zu warten, angesichts der Tatsache, dass es die
Möglichkeit gibt, den Sterbeprozess aktiv
abzukürzen
Wenn ich in meinem äußeren Erscheinungs-bild
durch die Krankheit so verändert bin, dass ich
nicht mehr leben möchte
33 %
20 %
Wenn ich auf Hilfe von fremden Menschen
angewiesen bin
19 %
Wenn ich nicht mehr weiterleben mag, die
Gründe jedoch für mich behalten möchte
15 %
Wenn ich zu schwach bin, um mein gewohntes
Leben weiter zu führen
13 %
Forsa-Umfrage Oktober 2000, 1002 Erwachsene per
Telefon
Frage: "Stellen Sie sich bitte einmal folgende Situation vor: Ein todkranker,
volljähriger und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindlicher
Patient bittet seinen Arzt mehrmals darum, nicht länger auf den Tod
warten zu müssen. Der Arzt leistet daraufhin aktive Sterbehilfe, d.h. er
tötet den Patienten auf dessen nachhaltigen Willen und Wunsch. Wie
bewerten Sie das Verhalten des Arztes: Würden Sie sagen, sein
Verhalten ist aus moralischen und ethischen Gründen abzulehnen oder
würden Sie sagen, sein Verhalten ist aus moralischen und ethischen
Gründen zu befürworten?„
ist abzulehnen:
20 %
ist zu befürworten:
68 %
Grenzen der Intensivbehandlung
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
Heilbarkeit
Lebenserhalt
Autonomie des Patienten
Gerechtigkeit für Gesamtbevölkerung
 Oft widersprechende Grundsätze
 Fallbeispiel
Sterbehilfe: Fallbeispiel
 Frau, 62, kollabiert, vom Notarzt intubiert
 CT: starke Gehirnblutung, operativ ausgeräumt
 Inoperables Nierenkarzinom mit Lungenmetastasen
 Nach Narkose: komatös, ohne Spontanatmung
 Einige Stammhirnreflexe noch auslösbar
müssen alle medizinische Möglichkeiten ausgeschöpft
werden bis vollständiger Hirntod?
Ist Therapieeinschränkung erlaubt? Geboten?
Wie darf Therapie begrenzt werden?
Diskussion
 Sterbehilfe nur bei infauster Prognose!
 Aktiv oder Passiv?
 Passive Sterbehilfe oft unterlegen, da der Tod nicht auf
schmerzlose und möglichst „angenehme“ Weise eintritt,
sondern einfach abgewartet wird
 Verzicht auf Maßnahme (z.B. Reanimation) weniger belastend
als Abstellen einer Maschine für Arzt/Pflegepersonal
 Vertrauensverlust dem Arzt gegenüber (Tod und
Heilung durch 1 Person)
 Missbrauch
 bei ohnehin sterbenden, muß „Mörder“ nur abwarten
 Grenze?
 Auch bei Bewußtlosen, nicht Einwilligungsfähige?
Diskussion II

Andere Länder
 In den Niederlanden: aktive Sterbehilfe verboten, aber unter bestimmten
Bedingungen straffrei- WARUM?

Intensivmedizin
 kann sehr lange Sterben verhindern


Knappe Ressourcen
Grundsätze der Ärztekammer:
„Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des
Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten,
Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu
lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen....Art und Ausmaß
einer Behandlung sind vom Arzt zu verantworten. Er muß dabei den
Willen des Patienten beachten....Aktive Sterbehilfe ist unzulässig
und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des
Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung
widerspricht dem ärztlichen Ethos und ist strafbar.“
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