Soziale Netzwerke Seminar Stadtsoziologie HS08 Prof. Dr. J. Rössel Aline Winzeler - Steffi Wolff - Melanie Glaser 1 Ablauf • Grundlagen der Netzwerkanalyse • Die räumliche Struktur sozialer Netzwerke • Mobilitätsbiografie und Netzwerkgeografie • 2 Studien der ETH Zürich zur Grösse und Struktur von sozialen Netzwerken und zur Art und Häufigkeit der Kontakte • Diskussion 2 Hauptfrage • Worin unterscheiden sich die Lebensbedingungen in der Grossstadt von denen in kleineren Städten und in Dörfern? 3 Die Netzwerkanalyse • Ein hochenwickeltes Verfahren um das Gefüge sozialer Beziehungen zu beschreiben und mit mathematischstatistischen Verfahren zu analysieren. • Definition Netzwerk: Eine Menge von sozialen Einheiten (Personen, Organisationen oder Stadtviertel), die durch Beziehungen eines bestimmten Typus verbunden ist. 4 Die Netzwerkanalyse • Totales Netzwerk: alle möglichen Beziehungen werden ermittelt. • Partielles Netzwerk: nicht alle Arten von Beziehungen werden erhoben. 5 Die Netzwerkanalyse • Gesamtnetzwerk: das gesamte Netzwerk wird untersucht, z.B. die politische Elite einer Kleinstadt. • Egozentriertes Netzwerk: Das Netzwerk eines Individuums wird erhoben. • Die meisten Analysen beziehen sich auf partielle egozentrierte Netzwerke. • => Frage: Mit welchen Personen hat die zu untersuchende Person welche Art von sozialen Kontakten? • Namensgeneratoren: Burt- und Fisher-Generator. 6 Der Burt-Generator • Besteht aus der Frage: „Hin und wieder besprechen die meisten Leute wichtige Angelegenheiten mit anderen: Wenn Sie an die letzten sechs Monate zurückdenken: Mit wem haben Sie über Dinge gesprochen, die Ihnen wichtig waren? • Maximal 5 genannte Personen werden notiert. • Vorteil: Ökonomie 7 Der Fisher-Generator • Umfasst mehrere Fragen, wobei sich jede auf eine andere Dimension richtet. • Vorteil: Die Art der Beziehung kann präziser erfasst werden. • => verschiedene Merkmale von Netzwerken: Grösse, Dichte, Intensität, Reziprozität, Multiplexität, Art der Beziehung. • Keine Obergrenze der genannten Personen 8 Die räumliche Struktur sozialer Netzwerke • Verschiedene Studien konnten empirisch die Grossstadtkritik widerlegen. 9 3 Hypothesen zum Problem Grossstadt vs. Land/Dorf (Wellman, 1979) • Community lost (pessimistische Annahme) • Community saved (optimistische Annahme) • Community liberated (realistische Annahme) 10 Ergebnisse von Wellman (1979) • Es gib keine Hinweise auf eine community lost, da alle Personen soziale Kontakte haben. • Die community saved ist eher eine Ausnahme, da Netzwerke verzweigt und nicht sehr dicht sind. • Daher gilt vor allem die community liberated. Die Kontakte in der Grossstadt sind zahlreich, räumlich verstreut und selektiv. 11 Studie von Fischer (1982) • Grossstädter (Bewohner des Regionkerns) unterscheiden sich von Bewohnern kleiner Gemeinden sowohl in der Zahl, als auch der Entfernung der nvP. • Bewohner dörflicher Gemeinden haben sowohl mehr Verwandte in geringer als auch in sehr grosser Entfernung, Befragte des Regionkerns haben wenige rasch erreichbare Verwandte, aber viele sehr entfernt wohnende. • => Urbanismus fördert extralokale Kontakte auf Kosten der lokalen. • Stützt auch die Annahme einer community liberated. 12 Fazit • Die Netzwerkanalyse ist ein sehr geeignetes Verfahren, um mikrosoziologische Ansätze und Hypothesen zu testen. • Mehrere Studien zeigen, dass die Grossstädter nicht entwurzelt sind. 13 Mobilitätsbiografie und Netzwerkgeografie Einfluss von räumlicher Mobilität auf soziale Netzwerke (Timo Ohnmacht, Andreas Frei, Kay W. Axhausen) • Einführung • Raumsoziologie • Forschungsergebnisse 14 Einführung • Soziale Netzwerke entstehen aus der individuellen Biografie • Räumliche Ausdehnung von Netzwerken beobachtbar – Zunahme Freizeitverkehr – Transnationalisierung – Erosion der sozialen Integration im Nahraum – Internet (virtuelle Kontakte) 15 Raumsoziologie • Simmel: Soziales kann nur im Raum stattfinden • Martina Löw: – Raum wird im Handeln geschaffen – Handlung und Ordnung – Aktive Konstruktion von Raum: Spacing vs. Syntheseleistung 16 Forschungsergebnisse • Daten: 298 egozentrierte Netzwerke • Fragestellung: Welche Ereignisse im Lebenslauf führen zu einem räumlich ausgedehnteren Netzwerk? • Einflüsse auf die Netzwerkgeografie: – Ereignisreiche Biografie (z.B. häufiger Wohnortswechsel) – Besitz eines Autos – Nicht signifikant: Migration, Vereine, Geschlecht, Bildung 17 Fazit • Sozialer Raum wird aktiv konstruiert • Hohe Mobilität typisch für Moderne • „räumliche Flexibilität führt zur Expansion des physischen Sozialraums“ 18 Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich ________________________________________ Andreas Frei und Kay W. Axhausen: Size & structure of social network geographies (2007) Contacts in a shrunken world (2008) 19 These • Die räumliche Nähe verliert an Bedeutung • Die sozialen Netzwerke verteilen sich dorthin, wo man gewohnt und gearbeitet hat 20 Ergebnisse zur Anzahl der Kontakte • durchschnittlich 12.35 Kontakte • Jüngere Menschen mit höherer Ausbildung und tiefem bis mittlerem Einkommen (!) haben ein räumlich disperseres Netzwerk 21 Positiver Einfluss auf Anzahl Kontakte • Alter • Bildung / Beruf • biographische Mobilität • Jahres-/ Monatsabonnement für ÖV • eigenes Auto und Kinder 22 Ergebnisse zu den Distanzen der Netzwerke • knapp 2/3 der Alteri wohnen innerhalb von 25km • circa 13% innerhalb von 26 bis 100km • circa 17% innerhalb von 101 bis 1000km • 3% interkontinental => Die Befragten mischen also alltägliche, lokale Kontakte mit einer grossen Zahl an nicht-lokalen und weit entfernten Kontakten. 23 24 Fazit und Ausblick • Das soziale Kapital ist sehr verstreut => vermehrtes Reisen => Umwelt (CO2) und negative lokale Externalitäten • Verkehrspolitik sollte an Sozialpolitik gekoppelt sein, um sozial benachteiligte Menschen bei der Erhaltung ihres sozialen Kapitals zu unterstützen 25 26 Veränderungen • Investitionen im Strassenverkehr • Telekommunikationskosten gesunken • Reisekosten und -zeiten im Flugverkehr massiv gesunken • Realeinkommen und Motorisierung erheblich gestiegen => All diese Faktoren führen zu einer „shrunken world“ 27 Fragestellung Art und Häufigkeit der Kontakte Anteil von face-to-face, Telefon, Email, SMS Hypothese Der Aufwand für die Interaktion steigt mit zunehmender Distanz. 28 Ergebnisse • Geografische Distanz beeinflusst, wie Menschen miteinander interagieren! • Die Entfernung beeinflusst sowohl die Häufigkeit, als auch die Art der Kontakte. 29 Ergebnisse 30 weitere Variablen • Dauer des Kontakts • Erreichbarkeit zu Fuss • Alter • Einkommen • Anzahl Umzüge 31 Fazit und Ausblick • Geographische Distanz beeinflusst, wie Menschen miteinander interagieren • Globalisierung der egozentrischen sozialen Netzwerken • Wiederholung der Studie: national und international als auch in städtischem und ländlichen Umfeld 32 „Schlusswort“ Gerade in modernen urbanen Gesellschaften kann engste räumliche Nähe mit immenser sozialer Distanz (bzw. psychologischer Indifferenz) einhergehen, während intensivste persönliche Beziehungen über weiteste Entfernungen hin aufrechterhalten werden (vgl. Simmel 1908: 480). 33 34 35