Fröbel aus Sicht der Psychologie und Hirnforschung

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Fröbel aus Sicht der Hirnforschung
und Entwicklungspsychologie
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Institut für Bildung und Kultur
Seminar: Arbeitsprojekt Fröbelpädagogik
Seminarleiter: Ulf Sauerbrey M.A.
Referenten: Karsta Sporbert, Jessica Clauß,
Tina Butterbrodt, Sebastian Schulz
Datum: 19.01.10 (WiSe 2009/10)
Gliederung
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Geschichte der Hirnforschung
Entwicklungsstufen nach Fröbel
Aufbau des Gehirns
Förderliche Faktoren für Lernen
Kognitive Entwicklung
Gruppenarbeit
Auswertung
1. Geschichte der Hirnforschung
 antikes Griechenland:
• Gehirn = Sitz kognitiver Fähigkeiten, Funktionsweise bis Ende
des Mittelalters weitgehend unbekannt
 Renaissance:
• Untersuchungen der Struktur des Hirns, aber erst seit dem 18.
Jh. Methoden, um experimentelle Erkenntnisse über seine
Funktion zu gewinnen (v.a. invasive Methoden)
 seit Mitte des 19. Jahrhunderts:
• größter Teil des heutigen Wissensstands zur Hirnanatomie und
Neurophysiologie
 seit Mitte des 20. Jahrhunderts:
• auch nichtinvasive Methoden, die zu vielen weiteren
Erkenntnissen beigetragen haben
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2. Entwicklungsstufen nach Fröbel
 beruhen auf Beobachtungen
 erreichen der nächsten Stufe gebunden an vollendete Entwicklung
der vorhergehenden Stufe
 Tätigkeit der jeweiligen Stufe müssen beachtet und gefördert
werden
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2. Entwicklungsstufen nach Fröbel
 Säuglingsalter
• Einsaugen fast einzige Tätigkeit
• nur auf sich und sein Innerstes bezogen
• übt Gebrauch des Körpers
• ist passiv den äußeren Einflüssen ausgeliefert
• Lächeln als erster Ausdruck des Sozialen
 Entwicklungsaufgaben
• Anregung und Schulung der „Sinnes- und Gliedertätigkeit“
• Entwicklung einer Eigentätigkeit
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2. Entwicklungsstufen nach Fröbel
 Kindesalter
• erschließen der Umwelt mit Hilfe der Sprache
• Anfang des Ich-, Gegenstands-, Raum- und Zeitbewusstseins
• Innerliches äußerlich machen
• Spiel als „freitätige Darstellung des Innern“
• Bewegungs- und Darstellungsdrang des Kindes
 Entwicklungsaufgaben
• Erkenntnisstreben
• Entwicklung der Sprachfähigkeit
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2. Entwicklungsstufen nach Fröbel
 Knabenalter
• Probieren wird Lernen
• konkretere Aneignung der äußeren Umwelt
• erkennen von Gesetzmäßigkeiten von Zuständen und inneren
Zusammenhängen
• offen für neue Erfahrungen
 Entwicklungsaufgaben
• Entwicklung der Selbständigkeit und des Selbstwertes
• Entwicklung der Willenstätigkeit zur Willensfestigkeit
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3. Der Aufbau des Gehirns
 Großhirn:
• Sitz des bewussten Erlebens und großer Teil des
Gedächtnisses,
• einlaufende Informationen der Sinnesorgane ausgewertet und
Befehl an Muskeln formuliert
• Regulierung höherer kognitiver und emotionaler Funktionen
 Zwischenhirn:
• erste Verarbeitung der Informationen der Sinnesorgane, bevor
sie an Großhirn weiter gegeben werden
• wichtige Schaltzentrale für Körperfunktionen
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3. Der Aufbau des Gehirns
 Mittelhirn:
• Schaltstation für einlaufende Informationen, außerdem für
elementare reflexartige Steuermechanismen verantwortlich
 Nachhirn:
• Atemzentrum
 Kleinhirn:
• steuert Bewegungskoordination der Muskeln,
• wertet Infos der Gleichgewichtsorgane aus
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3.1 Das Limbische System
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3. Aufbau des Limbischen Systems
 Teile des Großhirns: bewusste Emotionen und Motive, bewusste
kognitive Leistungen, Handlungs-, Fehler- und Impulskontrolle
 Hippocampus: Organisation des deklarativen Gedächtnisses
 Amygdala: unbewusste emotionale Konditionierung, Vermittlung
negativer Gefühle
 Mesolimbisches System: Belohnung durch hirneigene Opiate
 Neuromodulatorische Systeme: Steuerung von Aufmerksamkeit,
Motivation, Interesse, Lernfähigkeit, durch Ausschüttung
entsprechende Neurotransmitter
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3. Nutzen des Limbischen Systems
 Zentrales Bewertungssystem unseres Gehirns
 bewertet alles, was durch und mit uns geschieht (gut/vorteilhaft,
schlecht/nachteilig) und ob es entsprechend zu meiden ist oder
nicht
 Entscheidend für Lernerfolg, da es fragt „Was spricht für das
Hinhören/Lernen? Lohnt es sich?“
 dafür ist vor allem das Erfolgs- und Misserfolgsgedächtnis
wichtig
  wichtig schon früh positive Lernsituationen zu schaffen, damit das
limbische System Lernen nicht als negativ „speichert“
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3. Die Gehirnentwicklung…
 …beginnt schon 2 Wochen nach der Befruchtung
 …ist nach 9 Monaten Schwangerschaft noch nicht abgeschlossen
 Gewichtszunahme des Gehirns innerhalb des 1. LJ von 250g um
500g auf 750 g, bis zum 5 LJ auf 1300g
 Neugeborenes besitzt 100 Milliarden Neuronen (Nervenzellen)
=Anzahl bei Erwachsenen
 mit 2 Jahren entspricht die Menge der Synapsen der eines
Erwachsenen, mit 3 Jahren hat ein Kind doppelt so viele
 Gehirn eines 3 Jährigen ist mehr als doppelt so aktiv wie
das eines Erwachsenen
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3. Sensible Phasen/ Entwicklungsfenster
 enorme Zahl an Synapsen = Zeichen für enorme Lern- und
Anpassungsfähigkeit von Säuglingen und Kleinkindern
 große Synapsenzahl ermöglicht schnelles Erlernen von
unterschiedlichen Verhaltensweisen, Sprachen, Lebensstilen
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3.5 Sensible Phasen/
Entwicklungsfenster
 die Überproduktion an Synapsen erfolgt in verschiedenen Regionen
des Gehirns zu verschiedenen Zeiten und in untersch. Intensität
 ergeben sich „Entwicklungsfenster“ oder auch „sensible Phasen“,
in denen Kinder für bestimmte Lernerfahrungen besonders
empfänglich sind
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3. Sensible Phasen/
Entwicklungsfenster
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3. Sensible Phasen/
Entwicklungsfenster
 für Lebenswelt des Kindes unwichtige Synapsen werden abgebaut,
um benötigte Bahnen zwischen Nervenzellen zu intensivieren
 zu einem großen Teil bestimmt das Erlebte, Erfahrene und
Gelernte die Struktur des Gehirns
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4. Begünstigungen und Behinderungen
von Spiel, Neugier und Lernen
 Gemeinsamkeit aller Säugetiere: Neugier und Spielverhalten
 Auf Grundlage von Spiel, Neugier und Experimenten lernt das
Kind
 Selbst erzeugte positive Emotionen führen zu einer intrinsische
Motivation
 Maria Montessori: „Hilf mir, es selber zu tun!“
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4.1. Was wissen wir über das lernende
Gehirn?
 Gehirn hat Motivation ständig zu lernen und Möglichkeit sich selbst
mit einem Glücksgefühl zu belohnen:
• Ausschüttung des Glückshormons Dopamin  „Lust auf mehr“
• Aktivierung des Belohnungszentrums  erhöhte
Leistungsfähigkeit
 Neurologische Erklärung: Förderung eines stärker strukturierten
Gehirns, mehr Synapsen und Verbindungen zw. den Neuronen
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4.1. Was wissen wir über das lernende
Gehirn?
 Feinmotorik: fördert Denken durch Anregung beider Gehirnhälften,
Vernetzung des Gehirns & Förderung der Auge-Hand-Koordination
 Wissen kann nicht übertragen werden und muss im Gehirn eines
jeden Lernenden neu und selbst gestaltet werden, denn jedes
Gehirn hat individuelle erfahrungsgeschichtliche Prägung
 Sport und Bewegung steigern Lern- und Konzentrationsfähigkeit
 Koordinative Beanspruchung fördert im Kindesalter
Synapsenbildung; Überschuss an vorhandenen Gehirnneuronen
bleibt erhalten
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4.1. Was wissen wir über das lernende
Gehirn?
 In einer Gruppe ist Probieren/ Experimentieren als Lernprozess
stabiler als in Situation der Vereinzelung
 Für Sicherheit und Erfolgsgewissheit muss viel wiederholt und
geübt werden  Entstehung von Gedächtnis
 „Übung macht den Meister.“
 Gedächtnis als verfügbares Vorwissen = Voraussetzung für das
Lernen des Neuen  Bedeutungskonstruktion
 Wechsel von An- und Entspannung = bedeutend für optimales
Lernen
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4.2. Anregungen durch ein „entspanntes
Feld“
 Für den Lernvorgang hinderlich ist es also, wenn…
• …Kinder keine Anregung erfahren und mit ihren spezifischen
Bedürfnissen und Wünschen nicht wahrgenommen werden
(Vernachlässigung)
• …Kinder in einer Welt aufwachsen, in der Aneignung von
Wissen und Bildung keinen Wert besitzen (Spaßgesellschaft)
• …Kinder keine Gelegenheit bekommen, sich aktiv an der
Gestaltung der Welt zu beteiligen (passiver Medienkonsum)
• …Kinder keine Freiräume mehr finden, um ihre Kreativität
spielerisch zu entdecken (Funktionalisierung)
• …Kinder mit Reizen überflutet, verunsichert und verängstigt
werden (Überreizung)
• …Kinder daran gehindert werden, eigene Erfahrungen bei der
Bewältigung von Problemen und Schwierigkeiten zu machen
(Verwöhnung)
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4.3. Beispiel
 Das Lernverhalten 8 Wochen alter Säuglinge:
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5. Kognitive Entwicklung
 Geburt – 1. Monat
• Sekundäre Kreisreaktionen, die begrenzte motorische
Fertigkeiten benutzen wie Lutschen an einem Sauger, um
Zugang zu interessanten Ansichten und Geräuschen zu
gewinnen
 1 – 4 Monate
• Wissen um bestimmte Eigenschaften von Objekten:
Objektkonstanz, Objektfestigkeit, Schwerkraft
• Aufgeschobene Nachahmung eines Ausdrucks im Gesicht eines
Erwachsenen nach kurzer Verzögerung (1 Tag)
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Exkurs: Nicht eingetroffene Erwartung
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5. Kognitive Entwicklung
 4 – 8 Monate
• numerisches Grundwissen, verbessertes physikalisches Wissen
• Aufgeschobene Nachahmung einer neuen Handlung eines
Erwachsenen nach einer kurzen Verzögerung
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5. Kognitive Entwicklung
 8 – 12 Monate
• Fähigkeit, in verschiedenen Situationen nach zuvor versteckten
Gegenständen zu suchen:
 wenn sie von einem Tuch verdeckt sind
 wenn eine Hand sie unter ein Tuch deponiert
 wenn sie von einem Ort zum anderen bewegt werden
(akkurate A-B-Suche)
• Fähigkeit, sensumotorische Probleme durch Analogie mit einem
vorangegangenen ähnlichen Problem zu lösen
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Exkurs: Problemlösen durch Analogien
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5. Kognitive Entwicklung
 12 – 18 Monate
• Aufgeschobene Nachahmung:
 neue Handlungen eines Erwachsenen mit einem
Gegenstand nach langer Verzögerung (etliche Monate)
 über Veränderung im Kontext hinaus (von zu Hause ins
Labor oder ähnliche Gegenstände benutzen, die sich aber in
Größe und Farbe unterscheiden)
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5. Kognitive Entwicklung
 18 Monate – 2 Jahre
• Aufgeschobene Nachahmung von versuchten Handlungen eines
Erwachsenen, selbst wenn diese nicht voll realisiert werden
• Hinweis auf beginnende Fähigkeit, die Ziele anderer zu
erschließen
• Nachahmung sozialer Rollen wie Mami, Papi und Baby in Als-ob
Spielen
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5. Kognitive Entwicklung
 2 – 4 Jahre
• Dramatischer Anstieg in repräsentierender Aktivität, wie es in der
Sprachentwicklung, dem Als-ob-Spiel und der Kategorisierung
gespiegelt wird
• nimmt in vereinfachten, vertrauten Situationen und in der
Kommunikation von Angesicht zu Angesicht die Perspektive
anderer ein
• Unterscheidet belebte Wesen von unbelebten Gegenständen
• Leugnet, dass Zauberei die alltäglichen Erfahrungen verändern
kann
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5. Kognitive Entwicklung
 2 – 4 Jahre (Fortsetzung)
• Bemerkt Transformationen, nimmt Umkehrprozesse im Denken
vor und erklärt Ereignisse im vertrauten Kontext auf eine
logische Weise
• Kategorisiert Gegenstände auf der Grundlage der
gebräuchlichen Funktion und des Verhaltens (nicht nur nach
wahrgenommenen Merkmalen) und entwickelt Ideen über
zugrundeliegende Merkmale, die einzelne Einheiten (Begriffe)
von Kategorien gemeinsam haben
• Ordnet vertraute Gegenstände in hierarchisch organisierte
Kategorien
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6. Diskussion
Wir bitten euch jetzt, euch wie folgt in Grüppchen zu
sortieren:
 Biografie Fröbels und historische Hintergründe + Das
Spiel bei Fröbel und heute
 Die Mutter- und Koselieder + Die „Menschenerziehung"
 Gabe 1 und 2 + Gabe 3 und 4
 Gabe 5 und 6 + Kreis- und Bewegungsspiele
 Vergleicht die gerade vorgestellten Konzepte von
Entwicklung mit eurem Wissen über die Ideen Fröbels.
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7. Ergebnisse
 kognitive Entwicklung entspricht der Entwicklung der Spielformen & gaben
 Spiele werden immer komplexer
 Wiederholung fördert lernen
 Spielgaben und Bewegungsspiele sehr förderlich für lernen,
 vlg. Gabe 1 & Mobile
 Feinmotorik & Hand-Auge-Koordination: Dinge stapeln, Ball rollt weg,
Basteln
 Als-ob-Spiele: aus Bauklötzen wird ein Haus
 Frühförderung der Sinne durch Mutter- und Koselieder
 auditive Wahrnehmung
 Nachahmung fördert Feinmotorik
 Wiederholung der Lieder fördert Lernen
 Kind ist selbst aktiv - Konstruktivismus
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7. Ergebnisse – Unterschiede
 Fröbel legt kein genaues Alter fest, im Ggs. zu kognitiver
Entwicklung
 Fröbel stellt die Bedeutung sozialer Kontakte nicht so sehr in den
Vordergrund (speziell Gruppenarbeit mit Gleichaltrigen)
 Kinder werden in ihrer Kreativität durch genaue Anweisungen in den
Spielen behindert
 keine ausdrückliche Bearbeitung des Themas Bewegung (hat er
aber angewandt – Turnen & Kreis- und Bewegungsspiele)
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Literatur










Hermann, Ulrich: „Neurodidaktik – neue Wege des Lehrens und Lernens“, in: Herrmann, Ulrich
(Hrsg.): Neurodidaktik – Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen, 2.
Aufl., Weinheim/ Basel: Beltz Verlag, 2009, S.9-15.
Sachser, Norbert: „Neugier, Spiel und Lernen: Verhaltensbiologische Anmerkungen zur Kindheit“,
in: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik – Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes
Lehren und Lernen, 2. Aufl., Weinheim/ Basel: Beltz Verlag, 2009, S.19-29.
Wolfgang, M./ Scharf, K.-H. (Hrsg) (1997):Biologie heute SII: Ein Lehr und Arbeitsbuch.
Hannover: Schroedel
Speck, O. (2008): Hirnforschung und Erziehung: eine pädagogische Auseinandersetzung mit
neurobiologischen Erkenntnissen. München: Reinhardt
Caspary, R. (Hrsg) (2007): Lernen und Gehirn: Der Weg zu einer neuen Pädagogik. Freiburg im
Preisgau: Herder
Berk, L. (32005): Entwicklungspsychologie. München: Pearson Studium.
Frey, A./Gehrlein, B./Wosnitza, M. (2006): Friedrich Fröbel und seine Pädagogik. Landau : Verlag
Empirische Pädagogik.
http://www.vitacco.ch/H-H.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Hirnforschung
http://www.kindergartenpaedagogik.de/779.html
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