G.Rüter: Die Arbeit der HAMLET-Gruppe und erste

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HausärztInnen, kranke Menschen und
Lebenssituationen
Die Dimension „Lebenskunsttherapie“ der
Hausarztmedizin
Dr. med. Gernot Rüter
Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Palliativmedizin
Akademische Lehrpraxis der Universität Tübingen
Referent im Philosophicum für Mediziner der Universität Würzburg
Blumenstr. 11 71726 Benningen [email protected]
DEGAM München 2013 G. Rüter
HAMLET-Gruppe
Neue Phänomenologie (Hermann Schmitz, em.
Ordinarius für Philosophie der Universität Kiel):
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„Die neue Phänomenologie widmet sich der Aufgabe, die Abstraktionsbasis der
Theorie- und Bewertungsbildung tiefer in die unwillkürliche Lebenserfahrung
hineinzulegen“.
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“Die Abstraktionsbasis entscheidet darüber, was so wichtig genommen wird,
dass es durch die Worte und Begriffe Eingang in Theorien und Bewertungen
findet.“
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Was bewegt uns? Was ergreift uns? Was treibt uns in die Enge?
Wodurch kommt der Patient in Bedrängnis? Was bekommen wir von ihm am
eigenen Leib zu spüren? Was sucht er bei uns? Wie erleichtern wir seine
Bedrängnis? Welche Wege führen aus der Enge in die Weite? Kann der
Patient solche Wege sehen? Können wir ihm Wege weisen?
Welche nicht-physikalischen Räume, leibliche und Gefühlsräume können wir
eröffnen, teilen, gemeinsam betreten?
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DEGAM München 2013 G. Rüter
HAMLET-Gruppe
Krankheit und Lebensprobleme
(ein Arzt vor 70 Jahren;
Studien von Ökonomen!)
„We find strong instantaneous effects of bereavement on mortality and on
certain aspects of health. Individuals lose on average 12 % of residual life expectancy after bereavement.“
(2006)
„Menschen, die in Rezessionen geboren werden, haben noch Jahrzehnte später ein deutlich erhöhtes
Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder dement zu werden. Ursächlich können schlechte Hygiene- und
Ernährungsbedingungen und erhöhter Stress bei den Eltern angenommen werden.“
(aus Pressemitteilungen der Univ. Mannheim;)
„Major events in the life of an older individual, such as retirement, a significant decrease in income, death
of a spouse, disability, and move to a nursing home, may affect the mental health status of the individual.
Lindenboom M, Portrait F, van den Berg GJ: An economic analysis of the mental-health effect of major events in the life of older
individuals. Health Econ. 11: 505-520.doi:10.1002/hec.746
„Child loss not only results in reduced income in subsequent years, but also in an increased likelihood of
leaving employment, getting divorced and experiencing reduced mental health…In additional, in case of
fathers, the long run health tends to deteriorate.“
(„The economics of grief“ 2012;
Gerard J. van den Berg, Alexander von Humboldt-Professor für Ökonomie, Mannheim)
DEGAM München 2013 G. Rüter
HAMLET-Gruppe
- The Harvard Study of Adult Development
- The Stanford-Terman Study Revisited:
- Postwar Emotional Health of World War 1 Veterans
Was ein gelingendes Leben wahrscheinlich macht (Studien über
Jahrzehnte)
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sich räumlich und emotional so vom Elternhaus zu lösen, dass die Bildung
einer eigenen Identität gelingt
eine Berufslaufbahn zu finden, die den eigenen Fähigkeiten entspricht und
Anerkennung bringt
Intimität erfahren. Mindestens 10 Jahre in einer stabilen und erfüllten und
erfüllenden Beziehung zu leben.
Eben dieses gelingende Lebenskonzept an die nächste Generation zu
verschenken. Streben nach Erfolg versus Sorge um andere, jüngere
(=Generativität Begriff von Erik Eriksson).
Das Hüten und Bewahren des Wissens und das Weiterreichen kollektiver
Werte und Erfahrungen
Frieden schließen mit sich selbst; akzeptieren der eigenen Biografie. Das
Erlangen von „Integrität“, auch in spiritueller Hinsicht.
Frage: Kann der Hausarzt zur Erreichung solcher Ziele etwas beitragen?
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HAMLET-Gruppe
Dimensionen von Lebenskunst (1)
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Selbstwert
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Beruf/Erwerbstätigkeit
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Schule/Lehre/Studium
Berufsfindung
Berufsausübung
Ausdauer, Durchhaltevermögen, Frustrationen
Körperlichkeit
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Selbstachtung
Selbstmächtigkeit
Hermeneutik des Selbst (=Deuten und Interpretieren des Selbst)
Körpersorge-/pflege; Hygiene
Fitness
Diät
Berührung/Sinnlichkeit/Sexualität
Süchte
Umgang mit Medikation
Umgang mit Unzulänglichkeiten von Körper, Geist und Seele (Enhancement)
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HAMLET-Gruppe
Dimensionen von Lebenskunst (2)
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Charakter; Haltung
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Kognition
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Umgang mit Leiden, Sterben, Angst und Tod
Sein mit dem Anderen
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Denken
Lesen
Schreiben
Träumen
Das Thema Sterblichkeit
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Umgang mit Schmerz
Trauer/Melancholie/Depression
Fröhlichkeit, Lebensfreude; Planung; Entwürfe
Freiheit und Bindung
Aspekte des Liebens
Kinder und Erziehung
Eltern, Geschwister, Freunde
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Pflege
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HAMLET-Gruppe
Trotz der Haltung „Distanz in der Ergriffenheit“ (Schmitz) ist der Arzt
nicht „objektiver“ Beobachter, sondern teilnehmender Beobachter
und als solcher Teil des „synergetischen“ Systems
Im Projekt HAMLET erprobte
Beobachtungsformen:
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Mikroszenenprotokoll
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Volck G, Kalitzkus V: Passung im Minutentakt – die Komplexität einer Hausarztpraxis. Z Allg Med 2012; 88(3) 105-11
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Mikroszenen mit Kurzkatamnesen (Episoden)
„Bewegende Szenen“
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Rüter G, Bohrer T. Ärztliche Interventionen im Zusammenhang mit Kranksein. Bewegende Szenen in hausärztlicher und
spezialistischer Medizin. In: Peter Heusser, Johannes Weinzirl (Hrsg). Medizin und die Frage nach dem Menschen - Wittener
Kolloquium für Humanismus, Medizin und Philosophie (Band 1).Würzburg:Königshausen & Neumann, 2013
Langzeitbeobachtungen
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Rüter G. Hausärztliche Familienmedizin – ein Langzeitprojekt. In: Vera Kalitzkus und Stefan Wilm (Hrsg). Familienmedizin in
der hausärztlichen Versorgung der Zukunft, Düsseldorf: düsseldorf university press 2013
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HAMLET-Gruppe
Dimensionen eines Mikroszenenprotokolls
Patient
Uhrzeit
Beratungsanlass
Geschichte
der
Krankheit(en)
Aspektwechsel,
Geschichte
des
Kranken
Geschichte der
Arzt-PatientenBeziehung
Haltung des
Arztes
Fallbezogene
Befindlichkeit
des Arztes
Leibliche
Hauptintervention
Kommunikation
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HAMLET-Gruppe
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