Poster der Sitzung des Arbeitskreises Multimedia der Deutschen

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NEURODIDAKTIK
Universitätsklinikum
Essen
Was geht im Kopf eines Menschen vor,
der mit einem Physik-Lernmedium arbeitet?
Abbildung 3:
Unser Meßinstrument:
Zusammen mit dem Universitätsklinikum
Essen führen wir klinische Forschung mit Hilfe
eines 1,5 Tesla Magnetresonanztomographen
Siemens Magnetom Sonata durch.
Bei der Magnetresonanztomografie wird für
kurze Zeit in einzelnen Volumenelementen des
Körpers die Bedingung für die resonante
Anregung
von
Wasserstoffkernen
mit
Radiowellen von 60 MHz geschaffen:
B0 = 1,4092 Tesla  ω = γ·B0 = 376982497s-1
Ein z-Gradient des Magnetfelds sorgt dafür,
dass die Resonanzbedingung jeweils nur in
einer „Scheibe“ des Körpers zutrifft. Die
aufgenommene
Energie
wird,
nach
unterschiedlich
langen
Zeiträumen,
als
elektromagnetische Welle wieder abgestrahlt.
Schnell wechselnde Magnetfelder in x- und yRichtung
verändern
ortsabhängig
Lamorfrequenz
und
Phasenlage
der
strahlenden Wasserstoffkerne, so dass die
Signale einzelner Volumenelemente aus dem
Frequenzgemisch identifiziert und nach
zweifacher Fouriertransformation einem 3DVolumenelement (Voxel) des Körpers im
Computerbild zugeordnet werden können.
Während Frequenz und Phasenlage durch die
Maschine bestimmt werden, werden Intensität
und Abklingzeit der Signale über zwei
Größenordnungen
hinweg
durch
die
Umgebung der Wasserstoffkerne bestimmt.
Abbildung 1:
Das ProteinMolekül
Hämoglobin
Die Informationen werden mit einem Notebook
generiert und dem Probanden mit einer
Rückwandprojektion über einen Umlenkspiegel in
den MRI präsentiert (Abbildung 3).
Gehirnareale, die durch das Gesehene aktiviert
werden, erhöhen ihren Sauerstoffumsatz um das
bis zu 8fache. Durch einen bis jetzt noch nicht völlig
erklärten Mechanismus erweitern sich die Gefäße
des umliegenden Kapillarbettes und fluten das
Gewebe mit Sauerstoff (Abbildung 2). Die T2*Relaxationszeit erhöht sich an dieser Stelle
messbar für einige Sekunden (Ogawa et al.1990).
Eine wichtige Rolle spielen hierbei lokale
Inhomogenitäten des magnetischen Feldes,
die durch das in den roten Blutkörperchen
gelöste Hämoglobin (13g/100ml Blut) erzeugt
werden. Hämoglobin ist diamagnetisch, wenn
es mit Sauerstoff beladen ist. Ohne Sauerstoff
macht das magnetische Restmoment seiner
Fe(II)-Ionen es paramagnetisch. (Pauling und
Coryell, 1936)
Post-StimulusUndershoot
Initial
Dip
5s
In
der
Umgebung
von
oxygeniertem
Hämoglobin erreicht das T2*-Signal innerhalb
von 200ms noch 37% seines Ausgangswertes;
in der Nähe von deoxygeniertem Hämoglobin
nach nur 50ms, in reinem Wasser nach etwa
1000ms. Die starke Abhängigkeit der T2*Relaxationszeit
von
der
SauerstoffKonzentration im Blut machen wir uns bei der
funktionalen Magnetresonanzbildgebung fMRI
zunutze.
Abbildung 2:
BOLD-Antwort des
Kapillar-Bettes um eine
aktivierte Gehirnregion
(Reiz bei t=0s)
SignalIntensität
10s
15s
20s
Zeit
25s
60s
Die Aktivierung kann sofort auf dem Bildschirm zur
Anzeige gebracht werden. (Abildung 4). Die OrtsAuflösung beträgt etwa 3mm.
Beispielaufnahmen:
Aktives Areal: Parietaler Cortex.
Funktion: Räumliche
Wahrnehmung.
Zur statistischen Auswertung der Aktivierung
werden 110 T2*-gewichtete Gradienten EPISequenzen aufgenommen. Davon werden 50
(5x10) Sequenzen in 5 Blöcken während der
aktiven
Auseinandersetzung
mit
der
Physiksoftware aufgenommen und abwechselnd
60 (6x10) in 6 Blöcken während der
Ruhephasen, in denen eine der Lernsoftware
ähnlicher Darstellung ohne physikalischen
Gehalt präsentiert wird.
Die Differenz aus den Aktivierungen in
Ruhephase und aktiver Phase wird in Gebieten
von
3x3x3
Voxeln
(12mmx12mmx12mm)
Ausdehnung mit einem paired Sample T-Test auf
statistische Signifikanz geprüft und zur Anzeige
gebracht. Die Auswertung geschieht mit SPM5
(Ashburner&Friston, Wellcome Trust Center for
Neuroimaging, London). Zu einem Versuchsset
gehören mindestens 12 Probanden. Händigkeit
(links/rechts) und Geschlecht sind wichtige
Auswahlkriterien für die Zusammenstellung von
Probandengruppen.
In Zukunft werden wir unsere Versuche im neuen
7 Tesla MRI des Erwin L. Hahn Institute for
Magnetic Resonance Imaging (Nijmwegen und
Essen) durchführen können. In einem von
weltweit 5 Geräten dieser Klasse können mit
einem fMRI-fähigen Joystick (Abbildung 5)
Interaktionen
zwischen
Proband
und
Lernsoftware mit hoher Bildrate betrachtet und,
so hoffen wir, zum ersten Mal Lernvorgänge
eines menschlichen Gehirns bei der aktiven
Auseinandersetzung mit Lernsoftware in situ
beobachtet werden.
Abbildung 4:
Abbildung 5:
Physik-Software
„Mechanik und Verkehr 2.0“ zur
Visualisierung der
am fahrenden Auto angreifenden Kräfte.
Aktives Areal: Stirnhirn
Funktion: Ich-Bewusstsein, bewusste
Entscheidungsprozesse.
Interpretation: Aus den 2DInformationen der Leinwand wird
eine 3-Dimensionale
Repräsentation des Raumes und
der enthalten Objekte aufgebaut
Aktives Areal: Okzipitaler Cortex.
Funktion: Sehzentrum.
Interpretation: Die über den
Sehnerv den Cortex erreichenden
Reize werden vorverarbeitet und
stehen im einem sensorischen
Register zur Verfügung
Präsentation
Aktives Areal: Temporaler Cortex
Funktion: Symbolische Erkennung.
Aktives Areal: Insula des Zwischenhirns.
Interpretation: Objekte in der
Präsentation werden getrennt von
ihrer Position im Raum in ihrer
Bedeutung erkannt.
Funktion: Verarbeitung negativer
Emotionen.
Interpretation: Empfundes Unwohlsein.
Mirror Neurons
Ein Beispiel für eine fundamentale Entdeckung, die nur durch fMRI
möglich wurde sind die Mirror Neurons (Rizzolatti und Gallese, 1996).
Aktives Areal: Präfrontaler Kortex.
Funktion: Situationsangemessene
Handlungssteuerung, Regulation
emotionaler Prozesse.
Mirror Neurons feuern, wenn eine bekannte Bewegung ausgeführt wird.
Sie feuern aber auch, wenn eine Person eine bekannte Bewegung
erkennt, die jemand anders ausführt! Weitere Studien (Rizzollati und
Gallese, 2004) machten deutlich, dass die Intention der Bewegung für
die Aktivierung entscheidend ist – nicht die Form der Bewegung.
Physiklernen als privilegiertes Lernen?
Hintergrund
Nach bisherigen Erkenntnissen lassen sich verschiedene Arten von Lernen unterscheiden:
Privilegiertes Lernen
Sprechen, Laufen und andere grundlegende
Fähigkeiten erwirbt der Mensch „einfach so“, ohne
äußeren Anreiz und ohne sich darum zu bemühen.
Der Hippocampus
Ist besonders dann aktiv, wenn das Wissen durch Neugier
oder positive Erfahrungen erworben wird. Solches Wissen
lässt sich später gut verknüpfen und kreativ nutzen.
Nicht privilegiertes Lernen
Der größte Teil des schulischen Wissens wird nicht
privilegiert erworben (Schumacher 2005). Dieses
Lernen erfordert meist Anstrengung und äußere
Anreize. Beteiligte Gehirnregionen sind:
Die Amygdala
ist besonders dann beteiligt, wenn aufgrund äußerer
Anreize oder zur Vermeidung negativer Folgen gelernt
wird. Solches Wissen lässt sich kaum kreativ nutzen.
Schülerexperimente und Demonstrationsexperimente
Hintergrund
Die Beobachtung einer Handlung kann die gleiche Aktivierung im Gehirn
auslösen wie die Durchführung derselben Handlung. Voraussetzung ist, dass
die entsprechenden Bewegungen früher bereits selbständig ausgeführt
wurden (siehe Mirror Neurons).
Hypothese
Ist Physik-Lernen möglicherweise auch privilegiertes Lernen? Es gibt jedenfalls Grund zu der Annahme, dass der
Mensch im Laufe seines Leben (wenn auch nicht deklarativ) Modelle und Konzepte über die ihn umgebende Welt
entwickelt, die man durchaus physikalisch nennen kann, und die er ohne Anstrengung oder äußere Anreize erstellt.
Fragestellung
Führt die Beobachtung eines DemonstrationsExperiments zu einer qualitativ anderen
neuronalen Aktivierung, wenn mit den selben
Geräten vorher im Schülerversuch gearbeitet
wurde?
Zielsetzung
Sollte die Vermutung zutreffen, müsste nicht nur die Art und Weise, sondern auch der Zeitpunkt der Vermittlung
physikalischer Kenntnisse in der Schule neu überdacht werden. In jedem Fall aber scheint es lohnenswert, weiter zu
erforschen, welchen Einfluss die Art des Erwerbs physikalischer Kenntnisse auf deren spätere Nutzbarkeit hat.
Zielsetzung
Sollten sich hierzu experimentelle Nachweise erbringen lassen, könnten sich
durch weitere Studien neue Erkenntnisse über den optimalen Einsatz von
Lehrer- und Schülerexperimenten im Unterricht ergeben.
Forschungskooperation für DFG-Antrag gesucht!
Dr. André Bresges
[email protected]
Dr. Alexander Busse
[email protected]
Oberärztin PD Dr. Elke Gizewski
[email protected]
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