Eckpunkte integrativer Unternehmensethik

Werbung
Eckpunkte integrativer
Unternehmensethik
Erläutert am Brennpunkt Bankenethik
© Dr. Ulrich Thielemann
n
Die wirtschaftsethische Grundfrage
Wie sind Wirtschaft und Ethik zusammen zu denken?
Grundthese: Das Wirtschaften muss, wie jedes andere
Handeln auch, legitim und verantwortbar sein.
2
n
Drei Paradigmen der Unternehmensethik
1. Separierung: Die ökonomische Rationalität ist ethisch
neutral.
Reflexionsstopp (impliziter Ökonomismus)
2. Identität: Ökonomische Rationalität und ethische
Vernunft fallen zusammen.
Ökonomismus
3. Integration: Die ökonomische Rationalität bedarf der
ethischen Einbettung und Moderierung – auf
verschiedenen institutionellen Ebenen.
Vernunftethik des Wirtschaftens
3
n
Warum nach Konzepten fragen?...
... statt zu fragen, wie man „Ethik“ in der
Wirtschaft „anwenden“ kann?
1. Weil wir durch solcher Art „pragmatisches“ Fragen
bereits in einem spezifischen, äusserst voraussetzungsreichen Konzept sind.
2. Weil es vorrangig darum geht, Reflexionswissen zu
bieten – statt Rezeptwissen (know how) für
vermeintlich „gute Zwecke“.
Es geht um die Klärung der „Bedingungen der
Möglichkeit“ legitimen und verantwortbaren
Wirtschaftens.
4
I. Das separative Konzept
n
Hintergrundannahme: Ethik und Wirtschaft sind getrennte
Welten (Zwei Welten Theorie):
• Die Ethik ist durch die Philosophie oder einen
vorgegebenen Normenkatalog definiert.
• Diese Normen sollen dann auf die Wirtschaft
„angewendet“ werden.
Logische Konsequenz:
Das Wirtschaften selbst wird für ethisch neutral erklärt.
5
Manifestation I: Spendenethik
n
„Nur wer Überschüsse erzielt hat, kann sie guten Zwecken zuführen.“
Schneider, D.: Unternehmensethik und Gewinnprinzip in der Betriebswirtschaftslehre,
in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1990, S. 869-891, hier S. 870.
„Der IWF fordert, dass Kantonalbanken «ausschliesslich marktorientiert
arbeiten» sollten und im operativen Bereich vor jeder politischen
Einflussnahme geschützt werden müssten. Einzige übergeordnete
Zielvorgabe dürfe «ausschliesslich die Gewinnmaximierung» sein. Ihre
gesellschaftliche Funktion sollten die Kantonalbanken nicht im täglichen
Geschäft wahrnehmen, sondern erst hinterher: indem sie ihre
maximierten Gewinne an die öffentliche Hand abgeben.“
Erst die Gewinne, dann die Moral, Tagesanzeiger, 6. Juni 2007
Es kommt unternehmensethisch nicht vorrangig auf die Grösse des
„Gewinnkuchens“ an, sondern auf die ethische Qualität der Rezeptur,
mit der er gebacken wird.
6
Manifestation II: Unmöglichkeitstheorem
n
“Wirtschaftsethik (bzw. Unternehmensethik) befasst sich mit der
Frage, welche moralischen Normen und Ideale unter den
Bedingungen der modernen Wirtschaft ... (von den Unternehmen)
zur Geltung gebracht werden können.”
Homann, K./Blome-Drees, F.: Wirtschafts- und Unternehmensethik,
Göttingen 1992, S. 14.
“In einer auf Konkurrenz basierenden Wirtschaft ist es einem
einzelnen Unternehmen nur im Ausnahmefall möglich, das dem
Gemeinwohl Zuträgliche zu tun, wenn dies einen wirtschaftlichen
Nachteil für es bedeutet.”
Hösle, V.: Philosophie der ökologischen Krise, München 1991, S. 104.
Das ethisch Richtige zu tun kann niemals „unmöglich“ sein – aber
es kann als unzumutbar zu beurteilen sein.
7
Auswege aus dem Zumutbarkeitsproblem
n
• In modernen Grossgesellschaften ist die moralische
Verbindlichkeit allein zu schwach.
• Sie muss durch Rechtsverbindlichkeit (sanktionsbewehrte
Regeln) unterstützt werden.
Die Rahmenordnung soll sicherstellen, dass der Verantwortungsbewusste nicht der Dumme ist.
Niemand kann sich herausregen, verantwortungsvoll zu
handeln sei „unmöglich“.
8
n
II. Ökonomismus
Zwei Varianten
1. Funktionalismus
• „The social responsibility of business is to increase
its profits.“ Milton Friedman
2. Instrumentalismus
• „Ethik zahlt sich langfristig aus.“
9
n
A. Funktionalismus
„Die Beschäftigung mit Unternehmensethik ist überflüssig.“
„Betriebswirtschaftslehre [deren Aufgabe darin besteht
aufzuzeigen, wie „der Kapitalwert des Unternehmens zu
maximieren“ ist] ist Unternehmensethik“.
Horst Albach: Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik, ZfB,
2005
„Indem wir für unsere Aktionäre Mehrwerte schaffen, schaffen wir
auch Mehrwerte für alle anderen Ansprechgruppen.“
UBS: Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und die Gesellschaft. Unser
Engagement 1999/2000, Zürich 2000.
10
n
Eine Ethik ohne Moral
„Langfristige Gewinnmaximierung ist ... nicht ein Privileg der
Unternehmer, für das sie sich ständig entschuldigen müssten, es ist
vielmehr ihre moralische Pflicht, weil genau dieses Verhalten ... den
Interessen der Konsumenten, der Allgemeinheit, am besten dient.“
Homann, K./Blome-Drees, F.: Wirtschafts- und Unternehmensethik, 1992, S. 38 f.
 Die Geschäftstätigkeit ist von allen rentabilitätsfremden
Gesichtspunkten frei zu halten.
„Tatsächlich fördert der Einzelne nicht bewusst das Allgemeinwohl... [Der Einzelne] strebt ... lediglich nach eigenem Gewinn.
Und er wird in diesen wie auch in vielen anderen Fällen von einer
unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu
erfüllen er in keiner Weise beabsichtig hat.“
Adam Smith: Wohlstand der Nationen (1776)
 Die Metaphysik des Marktes.
11
n
B. Instrumentalismus
Statements
»
„Langfristig ist Erfolg ohne Ethik nicht möglich.“
∆Bernd Pischetsrieder, bis 2006 Vorsitzender des Vorstandes
der Volkswagen AG
»
„Nachhaltiger Erfolg ist nur zu erreichen, wenn die
legitimen Interessen aller Stakeholder berücksichtigt werden.“
∆Henning Schulte-Noelle, Vorsitzender des Aufsichtsrats der
Allianz AG
12
n
Funktionalismus vs. Instrumentalismus
Unterschied:
„Ethik“ ist nicht „überflüssig“ (Funktionalismus), sondern ein
notwendiges Instrument erfolgreichen Managements.
Gemeinsamkeiten:
1. Gewinn als Massgabe (Gewinnmaximierung)
... lediglich ein anderes Rezept, wie Gewinne zu
erzielen sind.
2. Ethik ohne Moral
Es bedarf keines Handelns aus ethischer Einsicht
13
Gewinnmaximierung – was ist das?
n
Gewinnmaximierung heisst, alles zu tun, damit
die Gewinne insgesamt so hoch wie möglich sind.
Missverständnisse
1.
Gewinnmaximierung ist in sich bereits langfristig ausgelegt.
„Langfristige Gewinnmaximierung“ ist ein Pleonasmus.
„Kurzfristige Gewinnmaximierung“ eine Widerspruch in sich.
2.
Es geht um die langfristige („nachhaltig“ durchsetzbare)
Erfolgsbilanz des Investors, nicht um den dauerhaften Bestand
des Unternehmens.
14
n
Gewinn und Ethik
Gewinnmaximierung ist nicht rechtfertigungsfähig.
Nicht der Gewinn, sondern das Moralprinzip muss
letztlich massgeblich sein. Ohne Anerkennung des
Primats der Ethik lässt sich kein Handeln
legitimieren.
Gewinn ist nicht die letzte Massgabe des
unternehmerischen Handelns. Gewinn ist vielmehr
ein Gesichtspunkt neben anderen.
Gewinnstreben ist legitim. Gewinnmaximierung ist
es a priori illegitim.
15
n
„The Business Case for Ethics“
3 Gegenargumente
1. Konventionalistisches Ethikverständnis –
Vormoderne Katalogethik
2. Opportunismus
3. Ethik des Rechts des Stärkeren
16
Ethik als Faktor?
n
Gegenargument 1
„Wer nachhaltige [nachhaltig rentable] Wertschöpfung erreichen
will, muss sich an moralische Prinzipien und Überzeugungen
binden.“ Josef Wieland
Ethik ist in der modernen, pluralistischen Gesellschaft
prinzipiell kontrovers.  Keine Katalogethik
Nicht überall da, wo „Ethik“ draufsteht, ist auch Ethik drinnen.
Es bedarf der kritischen Urteilskraft und der Integrität des
Managements: Ethik mit Moral.
17
„Reputationsrisiken“?
n
Gegenargument 2
„Die Bank ist sich der vielfältigen Erwartungen bewusst, die
verschiedene Interessengruppen an sie stellen. Daher gehört
Corporate Responsibility zum Geschäftsmodell der UBS.“
UBS, Handbuch 2001/2002
„Zur gesellschaftlichen Verantwortung gehört, sich fortwährend neuen
Gegebenheiten anzupassen.“
CS Nachhaltigkeitsbericht 2002
Opportunismus: „Die Fahne in den Wind hängen“
Konfusion von Legitimität und Akzeptanz
18
n
Langfristigkeit und Recht des Stärkeren
Gegenargument 3
Stakeholder = „any group or individual who can affect
or is affected by the achievement of the corporation‘s
purpose.“
Edward R. Freeman
„Langfristigkeit“ = Zeit, bis sich Widerstand formiert.
Wer keine (manifeste oder latente) Macht hat, der hat
auch keine Rechte.
Es gilt das Recht des Stärkeren.
19
n
Quintessenz
„Ethik zahlt sich langfristig aus“ heisst:
„Wir betreiben diejenigen <Ethik>, die sich
langfristig auszahlt.“
Widerlegung der These in ihrer Pauschalität.
20
n
Eine alternative Sicht
Die Stakeholder erwarten nicht, dass die
Unternehmen sich an ihren „Erwartungen“
orientiert.
Sie erwarten vielmehr, dass die Geschäfte
integer geführt werden.
Die Stakeholder haben ein feines Gespür dafür,
ob es eine Unternehmung erst meint mit der Ethik
– oder sie nur so tut als ob.
21
n
III. Integrative Unternehmensethik:
Die Idee verdienter Reputation
Motto: „Wir möchten nur in legitimer und ethisch
verantwortbarer Weise Gewinne zu erzielen.“
Stakeholder-Support
Geschäftsintegrität kann die Basis des
Unternehmenserfolgs sein
Voraussetzung: Geschäftsintegrität = die
Bereitschaft, das eigene Erfolgsstreben von
seiner Legitimierbarkeit abhängig zu machen.
22
n
Chancen verdienter Reputation
Geschäftspraktiken, die sich nicht rechtfertigen lassen,
haben es schwer.
Es gibt eine ethische Eigendynamik, der sich die
Unternehmen nur schwer entziehen können ->
„Raising the bar“ (UN Global Compact)
Wir beobachten Ansätze eines Ethikwettbewerbs
(Migros / Coop)
Korridor verdienter Reputation – und dieser ist noch
kaum ausgeschöpft.
Echte Chance einer genuinen Geschäftsethik (statt
„Ethik der roten Zahlen“)
23
n
Grenzen verdienter Reputation
Kein neuer Pauschal-Harmonismus
(Überschüsse grösser Null statt maximale Gewinne)
Bloss Korridor –> Zumutbarkeitsproblematik
Es bedarf einer Rahmenordnung, damit der
Verantwortungsbewusste im Wettbewerb nicht der
Dumme ist.
Branchenvereinbarungen
Ordnungsrahmen, national – global
Ordnungspolitische Mitverantwortung im ethisch
wohlverstandenen Eigeninteresse.
24
Herunterladen