2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe

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Universität Trier
Unternehmensinsolvenzrecht
D. Eckardt
WS 2007/08
§ 1 Einführung
Zwangsvollstreckung u. Insolvenz = Realisierung der Vermögenshaftung
a)
Haftung des gesamten Vermögens einer Person für
die Verbindlichkeiten dieser Person
b)
keine Vollstreckung gegen die Person des Sch.
(Verkauf in die Sklaverei, Schuldturm)
Parallele Zwangsvollstreckung/Insolvenzverfahren:
Einzelvollstreckung - Gesamtvollstreckung
|
|
Prioritätsprizip
Gleichbehandlungsgrundsatz
prior in tempore
par condicio creditorum
potior in iure
(§§ 1, 38 InsO)
(§ 804 III ZPO)
2
§ 1 Einführung
I.
-
Zweck und Bedeutung des Insolvenzverfahrens
Begriffe: Insolvenz ./. Insolvenzverfahren
Der Tatbestand der Insolvenz
Leistungsunfähigkeit des Schuldners
- Insuffizienz des haftenden Vermögens: Überschuldung
(bei begrenzter Haftungsmasse)
- Illiquidität des haftenden Vermögens:
Zahlungsunfähigkeit
"Krise": Zeitraum materieller Insolvenz vor Einleitung
des formellen Insolvenzverfahrens
Organpflichten zur Einleitung des formellen
Insolvenzverfahrens im Fall materieller Insolvenz
Haftung wegen Insolvenzverschleppung
3
§ 1 Einführung
- Insolvenzursachen
- Managementfehler
- Unterkapitalisierung (Basel II)
- Verschärfter Wettbewerb
- Wirtschaftspolitik
- Insolvenz von Zulieferern/Abnehmern
- Insolvenzvermeidung
- Kapitalerhöhung
- Sanierungsvergleich mit Kreditgebern
- außergerichtliche Liquidation
- staatliche Beihilfen
4
§ 1 Einführung
-
Insolvenzverfahren als Gesamtverfahren im doppelten Sinne:
-
Gesamtvermögen erfasst: Generalexekution statt Einzelexekution,
sogar incl. Neuerwerb des Sch. nach Verfahrenseröffnung
-
Gesamtheit der Gläubiger erfasst
- gemeinschaftliche und gleichmäßige Gläubigerbefriedigung
(par condicio creditorum, vgl. §§ 38 f., 209 I, 226)
statt Gläubigerwettlauf (Prioritätsprinzip, § 804 III ZPO):
grds. alle Gläubiger ranggleich (Ausn.: Nachrang, § 39)
- Gesamtvollstreckung statt Individualvollstreckung:
individuelle Rechtsdurchsetzung im Eröffnungsverf.
und im eröffneten Verf. unzulässig (§§ 21 I, II Nr. 3, 89),
rückwirkender Eingriff in Vollstreckungserwerb in der Krise
(§§ 88, 131)
5
§ 1 Einführung
- Sicherung des Gl. gegen Insolvenz des Sch.
- Reservierung von Haftungsmasse:
dingliche Sicherungsrechte am Schuldnervermögen
- persönliche oder dingliche Mithaftung Dritter
- Sonderabsicherungen
- Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge: PSV
(§§ 7ff. BetrAVG)
- Insolvenzsicherung des Arbeitslohns: Insolvenzgeld
(§§ 183ff. SGB III)
- Reiseveranstalter: Sicherungsschein (§ 651k BGB)
- Kreditinstitute: Einlagensicherung (BDB),
Gewährträgerhaftung (Sparkassen)
6
§ 1 Einführung
Zum Begriff des
Unternehmensinsolvenzrechts
Arten eines
Insolvenzverfahrens
Verbraucherinsolvenzverf.
InsV über
Sondervermögen
(Nachlass,
Gesamtgut)
Unternehmensinsolvenzverfahren
7
§ 1 Einführung
Zum Begriff des
Unternehmensinsolvenzrechts
-
Unterkategorie des Insolvenzrechts
ungenauer Begriff: befasst sich speziell mit der Insolvenz der
Unternehmensträger
-
Unternehmen:
- organisatorisch-wirtschaftliche Einheit, gerichtet auf die
selbständige, planmäßige, auf Dauer ausgerichtete, Tätigkeit auf
einem Markt
- nicht selbst Rechtssubjekt!
-
Träger der Rechte und Pflichten (Unternehmensträger): Inhaber des
Unternehmens (Unternehmer) oder eine Handelsgesellschaft
8
§ 1 Einführung
-
Die Zwecke des Unternehmensinsolvenzverfahrens (§ 1)
-
für Gläubiger = Insolvenzgläubiger: bestmögliche Gläubigerbefriedigung
durch Kollektivierung der Haftungsverwirklichung (§ 1 S. 1)
- Liquidation des Schuldnervermögens, insbes. des vom
Schuldner betriebenen Unternehmens (vgl. § 159)
- Sanierung von Unternehmen/Unternehmensträgern: ebenfalls
nur Mittel der Gläubigerbefriedigung
- selbstverständliche Prämisse: Haftung des Schuldnervermögens für Schuldnerverbindlichkeiten
(Haftung als Korrelat des persönlichen Anspruchs)
- gerichtlich moderiertes Insolvenzverfahren zur Erfüllung des
Anspruchs der Gl. auf Rechtsschutzgewährung gegen den
Staat (Justizgewährungsanspruch), von Art. 14 GG geschützt
9
Gläubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren
Gläubigerbefriedigung
nach
InsO-Regeln
nach
Insolvenzplan
meist Liquidation
Sanierung
auch Sanierung
denkbar
abw. Verwertung
10
Gläubigerbefriedigung
Vollstreckungsrecht ./. Insolvenzrecht
ZwV
InsV
-> in einzelne Gegenstände
-> in das gesamte Vermögen, selbst in
den Neuerwerb
(Sonderinsolvenzverf.: in das gesamte
Sondervermögen)
Prioritätsprinzip (§ 804 III ZPO)
par condicio creditorum
(§§ 38 f., 209 I, 226)
Initiative des betreibenden
Gläubigers
Gläubigergemeinschaft und InsVerw
unter Aufsicht des InsGer
11
§ 1 Einführung
(Die Zwecke des Insolvenzverfahrens (Forts.))
- für Schuldner (unternehmenstragende natürliche Person):
Restschuldbefreiung (§§ 1 S. 2, 286 ff.), s. auch §§ 304 ff. 305 I Nrn. 1, 4:
Schuldenbereinigungsverfahren (auch für Kleinunternehmer)
- für Eigentümer nicht haftender Vermögensgegenstände
(Aussonderungsberechtigte, § 47) und Gläubiger mit Sicherungsrechten
(Absonderungsberechtigte, §§ 49ff., 165ff.): geordnete Abwicklung
12
§ 1 Einführung
(Die Zwecke des Insolvenzverfahrens (Forts.))
Bedeutung des Insolvenzverfahrens in der marktwirtschaftlichen Ordnung:
zwangsweiser Marktaustrittsmechanismus für nicht wettbewerbsfähige
Unternehmen
„Bereinigung“ des Marktes
Chancen für Investoren & andere Unternehmen
- Kauf oder Beteiligung zu günstigen Preisen
- neue, „vorbereitete“ Betätigungsfelder
- insbes. attraktiv, wenn Insolvenz auf Managementfehlern beruhte
- Kauf eines „lästigen“ Wettbewerbers bzw. seiner Technologie
- Möglichkeit, die „Rosinen“ rauszupicken
Chance auch für das Unternehmen selbst
- Gesundschrumpfen (Abstoßen unprofitabler Unternehmensteile)
- Befreiung von finanziellen „Altlasten“
- Restrukturierung Management + Arbeitnehmerbestand
13
§ 1 Einführung
- Insolvenzverfahren
- Gerichtsverfahren, aber nicht Erkenntnisverfahren, eher administrative
Tätigkeit (wie freiw. Gerichtsbarkeit), Amtsermittlung
- InsR als Schnittpunktmaterie von Verfahrensrecht und mat. Recht:
- Verfahrensabwicklung selbst nach proz. Regeln:
Grds. der Kompetenzkonzentration (aber keine vis attractiva concursus
für Einzelstreitigkeiten, vgl. §§ 47, 85f. (i.V.m. § 240 ZPO), 180)
- aber zahlreiche mat.-r. Wirkungen des InsVerf, z.B. auf schwebende
Verträge (§§ 103 ff.), Anfechtung (§§ 129 ff.), Modifikation der
Aufrechnung (§§ 94 ff.)
14
§ 1 Einführung
Zur Insolvenzrechtsreform in Deutschland
Kommissionsberichte 1985/86
Diskussionsentw. 1988
Referentenentw. 1989
Regierungsentw. 1992
InsO Gesetzesbeschluss 1994, Inkrafttreten 1.1.1999
Reformanlass
- "Konkurs des Konkurses" (Verhältnis eröffneter Verfahren zu mangels
Masse abgelehnter Verfahren 1: 3, Insolvenzquote 3 - 5 %, fast keine
Vgl./Zwangsvgl.
- Ursachen für die Masselosigkeit bzw. Massearmut
(Kapitalausstattung, Sicherungsrechte (insbes. besitzlose),
Verhältnis Fremdkapital ./. Eigenkapital, zu späte Antragstellung)
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§ 1 Einführung
- Reformziele
- nicht Unternehmenssanierung vor der Insolvenz, sondern effiziente
Abwicklung eingetretener Insolvenzen
- Insolvenzverfahren als Gläubigerbefriedigungsverfahren und
Reorganisationsverfahren
- Einheitlichkeit des Insolvenzverfahrens
- einheitliches Eröffnungsverfahren einschließlich der
hier möglichen Sicherungsmaßnahmen
- Einheitlichkeit der Eröffnungsgründe
- Einheitlichkeit der Insolvenzmasse
- einheitliche Rechtsstellung des Insolvenzverwalters
- einheitliche Wirkungen der Verfahrenseröffnung
- Anreize zu früherer Antragstellung
- Insolvenzplan als Regelungsinstrument zur Bereinigung der Insolvenz
- Beschränkung der Mobiliarsicherheiten
- Schuldenregulierung und -erlass (Restschuldbefreiung)
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§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
I. Überblick über das Eröffnungsverfahren
- Antrag: Initiative von Gläubiger oder Schuldner notwendig
- Gerichtliche Prüfung der Eröffnungsgründe, hinreichende Masse
(aufgrund Gutachtens des vorl. Insolvenzverwalters)
- Sicherungsmaßnahmen für die Dauer der Prüfungsphase (3 Mon.),
insbes. vorl. InsV
- vorläufige Betriebsfortführung mithilfe des Insolvenzgelds
- Eröffnungsbeschluss
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Exkurs I: Das Insolvenzgericht
1. Aufgaben
a)
bis zur Verfahrenseröffnung (Richter!):
-
Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§ 21)
-
Anhörung des Insolvenzschuldners (§ 14 II)
-
Prüfung der Eröffnungsgründe (§§ 16 ff.)
-
Prüfung des Vorliegens kostendeckender Masse, ggf. Abweisung des
Insolvenzverfahrens mangels (Insolvenz-)Masse (§ 26)
-
Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27)
-
Ernennung des Insolvenzverwalters (§ 27 I 1)
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b) nach der Verfahrenseröffnung (Rechtspfleger!):
-
Aufsicht über den Insolvenzverwalter (§ 59)
-
Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters (§ 64)
-
Prüfung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters (§ 66 II)
-
Einsetzung des Gläubigerausschusses (§ 67)
-
Einberufung und Leitung der Gläubigerversammlung (§ 74, § 76 I)
-
Durchführung und Leitung des Prüfungstermins (§ 176)
-
Zustimmung zur Schlussverteilung (§ 196 II)
-
Aufhebung und Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 200 I, §§ 207, 2
11, 212, 213, 258)
-
Entscheidung über die Restschuldbefreiung (§§ 296, 297, 300, 303)
19
Exkurs II: Der Insolvenzverwalter
1.
Bedeutung und Aufgabenbereich (§§ 56ff., 148ff.)
•
Inbesitznahme und Verwaltung der Masse
•
Komplettierung und Verwertung der Masse
•
Feststellung und Befriedigung der Insolvenzforderungen
•
Ausübung der Arbeitgeberfunktionen
•
Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten, insbes.
Polizeipflicht, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Pflichten
20
Der Insolvenzverwalter (Forts.)
2.
Rechtsstellung (§ 80 Abs. 1)
•
Organtheorie: Verwalter ist Organ der (als rechtsfähige Einheit
verstandenen) Masse
•
Vertretertheorie: Verwalter ist Vertreter des Schuldners (bei jur.
Personen: Organ des Unternehmensträgers)
•
Amtstheorie (ganz h.M.): Verwalter ist "Partei kraft Amtes" (ges.
Prozessstandschafter, vgl. §§ 19a, 116 S.1 Nr.1 ZPO)
•
Verwalter prozessiert im eigenen Namen über
fremdes Recht: er ist Partei mit dem
Sondervermögen "Insolvenzmasse"
•
Streitgenossenschaft mit Verw "als Privatmann" mgl.
21
(Forts.: Der Insolvenzverwalter)
3.
Ernennung und Qualifikation (§§ 27 I, II Nr. 1, 56f.)
•
natürliche Person (keine Verwalter-GmbH)
•
für den jew. Einzelfall geeignet, geschäftskundig und unabhängig (§ 56)
•
Problematik der Auswahl nach Liste: "closed shop" und Art. 12 I GG
•
Problematik der Abwahl durch Gläubigerversammlung (§ 57)
22
(Forts.: Der Insolvenzverwalter)
4.
Beaufsichtigung und Haftung (§§ 58f., 60 - 62)
•
Rechtsnatur des § 60 InsO: gesetzliches Schuldverhältnis
•
Unterscheidung zwischen Einzel- und Gesamtschaden (§ 92 InsO)
•
Verletzung einer gegenüber einem Beteiligten bestehenden
insolvenzspezifischen Pflicht
•
Verschulden: Sorgfaltsmaßstab (§§ 276 BGB, 60 I 2) und Haftung für
Dritte (§§ 278 BGB, 60 II)
•
Haftung für Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten (§ 61 i.V.m. §§
53, 55 Nr. 1, 207, 209)
•
Haftung der Masse für Handlungen des Insolvenzverw.
(analog § 31 BGB i.V.m. § 55 Nr. 1)
23
5.
Vergütung (§ 63 InsO i.V.m. InsVV)
•
Neufassung InsVV zum 4.10. 2004
(vorher: korrigierende Handhabung)
6.
Beendigung des Verwalteramts
•
mit Beendigung des Verfahrens
•
mit Entlassung (§ 59), Abwahl (§ 57) oder Tod
24
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
II. Der Schuldner
1. Die Insolvenzfähigkeit
- Insolvenzfähigkeit = Fähigkeit, Verfahrenssubjekt eines
Insolvenzverfahrens zu sein
- entspricht grundsätzlich der passiven Parteifähigkeit im
Zivilprozess (§ 50 II ZPO):
- natürliche Personen (§ 11 I 1)
- juristische Personen (§ 11 I 1)
- oHG / KG / GbR / PartG (§ 11 II Nr. 1)
- nicht eingetragener Verein i.S.v. § 54 BGB (§ 11 I 2)
- Sondervermögen (Nachlass, Gesamtgut, § 11 II Nr. 2)
- mit Einschr.: juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 12 l)
25
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
2. Die Handlungsfähigkeit des Schuldners im Verfahren (Überblick)
- Schuldner bleibt rechts- und geschäftsfähig, partei- und prozessfähig
- Schuldner bleibt Vermögensträger (ohne Verfügungsbefugnis)
- Persönlicher Status
- Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§ 97 I 1)
- Beschränkungen, insbes. sog. Bereitschaftspflicht, Postsperre
(§§ 97 III 1, 99)
- Unterhalt
- Antragsrechte (§§ 156 II 1, 161, 218 I 1)
- Schuldner handelt ggf. durch bisherige Organe
26
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• § 11 regelt unmittelbar, über welches Vermögen ein InsV eröffnet
werden kann
 Objekt des InsV
• ein "Vermögen" ist i.d.R. nicht rechts- und handlungsfähig
 es stellt sich die Frage, wer Schuldner, d.h. Subjekt des Verfahrens
ist
• Insolvenzfähigkeit: Fähigkeit, Subjekt eines InsV zu sein
• indirekte Bestimmung durch § 11: Träger des Vermögens, das Objekt
des InsV ist
• anschließend umgekehrte Bestimmung der Insolvenzmasse: gesamtes
Vermögen wird erfasst (Universalinsolvenz, § 35)
– Ausnahme: Partikularinsolvenzverfahren
– bei natürlichen Personen keine Unterscheidung zwischen privatem
und unternehmerischem Vermögen!
27
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Insolvenzfähige juristische oder natürliche Person oder eine der in § 11
II genannten Personenmehrheiten, über deren Vermögen das
Insolvenzverfahren eröffnet werden kann.
– Kongruenz von materiellrechtlicher Haftung und Insolvenzfähigkeit
– Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, § 11 II Nr. 1, da sie
haftungsrechtlich abgrenztes Vermögen aufweisen:
• OHG (§ 105 HGB), KG (§ 161 HGB), Partnerschaftsgesellschaft
(Kooperationsform unter Angehörigen freier Berufe), GbR,
Partenreederei (mehrere Personen verwenden ein ihnen
gemeinschaftlich gehörendes Schiff für gemeinschaftliche
Rechnung zum Erwerb durch die Seeschifffahrt, § 489 HGB),
EWIV (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung)
• reine Innengesellschaften nicht insolvenzfähig - weisen kein
abgrenzbares Vermögen auf
28
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (Forts.):
– 3 Konstellationen denkbar:
• alleinige Insolvenz der Gesellschaft
• Eigeninsolvenz des Gesellschafters
• gleichzeitige Insolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter
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§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (Forts.):
• Insolvenz der Gesellschaft:
• Beginn der Insolvenzfähigkeit mit Wirksamkeit der Gesellschaft
– kaufmännisches Gewerbe  mit Aufnahme der Geschäfte, § 123 II HGB
– "Kann-Kaufmann"  mit Eintragung
• vor Eintragung evtl. Außen-GbR, als solche insolvenzfähig
– sonst reine Innengesellschaft ohne Insolvenzfähigkeit
• Auflösung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 131 I Nr. 3 HGB, § 728
BGB
– wenn kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, auch bei Löschung
wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG (§ 131 II Nr. 2)
• Insolvenzfähigkeit dauert fort, solange noch Vermögen existiert, § 11 III
• Liquidation (OHG, KG)
• Auseinandersetzung (GbR)
30
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Insolvenz eines Gesellschafters: § 131 III Nr. 2 HGB (dispositiv)
 lässt Fortbestand der Gesellschaft grds. unberührt
 Ausscheiden des Gesellschafters aus der OHG/KG
•  Fortsetzung unter den verbliebenen Gesellschaftern
• in der Zweipersonengesellschaft  Erlöschen dieser (Konfusion) +
Gesamtrechtsnachfolge bzgl. des Gesellschaftsvermögens auf
Verbliebenen  haftet (außer i.H.d. Haftsumme) nur mit dem
übergegangenem Gesellschaftsvermögen (str.!)
– gilt auch für das Ausscheiden des einzigen Komplementärs in der
KG (auch in der GmbH & Co. KG), str.
 Realisierung des Anteilswerts nach den außerhalb des
Insolvenzverfahrens geltenden Vorschriften, § 84 InsO
31
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Doppelinsolvenz: nicht zwingend, aber in der Praxis die Regel
• Trennungsprinzip
– Verfahren gesondert abzuwickeln
– aber oft Bestellung desselben InsVerw
• faktische Berührungen, da persönliche Haftung nach § 128 HGB [bei GbR:
analog] nur vom InsVerw geltend gemacht werden kann, § 93 InsO
– im Interesse der Gläubigergleichbehandlung
– das Vermögen des Komplementärs bleibt aber rechtlich selbständig, es
wird nicht zur Insolvenzmasse
– gilt auch für die Haftung des Kommanditisten, § 171 II HGB
• unterschiedlicher Standort der Regelung, da Kommanditisteneinlage =
Gesellschaftsvermögen (h.M.)
32
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Grundsätze gelten für die Außen-GbR
– Innengesellschaft nicht insolvenzfähig
• seit BGH v. 29.1.2001 ("Weißes Ross") rechts- und parteifähig
• zwingend persönliche Haftung der Gesellschafter
– Aufgabe der Doppelverpflichtungslehre, jetzt Akzessorietätstheorie
– Haftung analog § 31 BGB
– Haftung eintretender Gesellschafter für Altverbindlichkeiten (vgl. § 130
HGB)
• Haftung der Gesellschafter (Akzessorietät) kann nur vom InsVerw geltend
gemacht werden, § 93
33
Kommanditist
GmbH & Co. KG
1
GmbH
= K.tär
2
Gl.
z.B. § 433 II BGB
KG
34
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Insolvenz in der GmbH & Co. KG:
• formell gelten die Vorschriften für die KG
– -> Insolvenzfähigkeit nach § 11 II 1
• Insolvenz der KG umfasst nicht unmittelbar die GmbH!
– jedoch oft als Reflex auch Insolvenz der GmbH, da sie nach § 128 HGB
unbeschränkt haftet und meist mit dem Mindestkapital ausgestattet ist, das
sie an die KG weitergegeben hat
• Insolvenz der GmbH
– führt nach § 131 III Nr. 2 i.V.m. § 161 HGB zum Ausscheiden aus der KG
35
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
Stadien von Kapitalgesellschaften
Vorgründungsgesellschaft
(zwischen Vorvertrag und Gesellschaftsvertrag)
Vorgesellschaft
(zwischen Gesellschaftsvertrag und Eintragung)
Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit
(ab Eintragung)
Liquidationsgesellschaft
(zwischen Auflösung und Löschung)
Gelöschte Gesellschaft
(Vermögen wird nachträglich entdeckt)
36
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Vorgründungsgesellschaft:
• Personenzusammenschluss mit Zweck der Gründung einer GmbH oder AG
– grds. reine Innengesellschaft ohne abgrenzbares Vermögen  keine
Insolvenzfähigkeit
• Kein Übergang in die Vorgesellschaft oder in die Kapitalgesellschaft 
keine Übernahme der Verbindlichkeiten
– bereits eigenes Vermögen  GbR  Insolvenzfähigkeit nach § 11 II Nr. 1
(= eigenständige Gesellschaft!)
– bereits gemeinsamer Geschäftsbetrieb aufgenommen  OHG-Recht (§
105 I HGB)  Insolvenzfähigkeit nach § 11 II Nr. 1
37
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Vorgesellschaft
• Zeitraum zwischen Gesellschaftsvertrag - Satzungsfeststellung (AG)
bzw. notarieller Gründungsvertrag (GmbH) - und Eintragung ins
Register
• in der Regel bereits eigenes Vermögen  Regeln der angestrebten
Organisationsstruktur, wenn sie nicht Rechtspersönlichkeitserwerb
durch Eintragung erfordern
– bereits jetzt Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Vermögen
der Gesellschafter (nach außen hin)
• aber Vorbelastungshaftung in der GmbH
– Teil der einheitlichen Gründerhaftung zusammen mit der
Verlustdeckungshaftung
– steht der Vor-GmbH zu gegen die Gesellschafter (nicht den
Gläubigern der GmbH!), geht über in die GmbH
–  Insolvenzfähigkeit analog § 11 I 1 (str.), § 11 II 1 Nr. 1 denkbar
– Insolvenzantragspflicht analog § 64 I GmbHG und § 92 II AktG
38
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Nachgesellschaften
• Auflösung berührt nicht Insolvenzfähigkeit, wenn noch zu verteilendes
Vermögen existiert (§ 11 III)
•  Liquidationsgesellschaft insolvenzfähig
• Auflösungsgründe bei Körperschaften (u.a.):
– Ablauf der bestimmten Zeit
– Auflösungsurteil oder Auflösungsbeschluss
– Eröffnung des Insolvenzverfahrens
• § 60 I Nr. 4 GmbHG, § 262 I Nr. 3 AktG, § 42 BGB
• Insolvenzantragspflicht bei den Liquidatoren
• InsVerw tritt an die Stelle der Liquidatoren
39
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Auch die Rechtsfähigkeit dauert fort bis zur Löschung
– Löschung erfolgt erst nach vollständiger Verteilung des Vermögens
(„Abwicklung“ bei der AG, § 273 I 2, „Liquidation“ bei der GmbH, §
74 I 2)
– -> Insolvenzfähigkeit kann vor Rechtsfähigkeit enden
• S. aber auch § 141a FGG: Löschung von Amts wegen oder auf Antrag
der Steuerbehörde bei Vermögenslosigkeit
– Nach richtiger Ansicht besteht trotzdem noch Insolvenzfähigkeit,
wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass doch noch Vermögen
vorhanden ist
• Nachtragsliquidation muss angeordnet werden, § 273 IV 1 AktG
40
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Fehlerhafte Gesellschaft
– Gründungsmängel beeinflussen nicht die Insolvenzfähigkeit, sofern
ein abgrenzbares Vermögen existiert
• Faktische Gesellschaft
– Keine Insolvenzfähigkeit (str.)
41
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
Konzern und Insolvenzfähigkeit
• Grundsatz: Trennungsprinzip
– je Rechtsträger – ein InsV
•  der Konzern als solcher ist nicht insolvenzfähig
•  jede Gesellschaft ist gesondert abzuwickeln
– ob ein Eröffnungsgrund vorliegt
– ob eine Antragspflicht besteht
– welches Gericht örtlich zuständig ist
– ob ein Antrag gestellt wurde und begründet ist
– + das gesamte InsV
42
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Pro Trennungsprinzip
– Existenzfähigkeit und Sanierungschancen können getrennt beurteilt
werden
• keine „Sippenhaft“
– Gläubiger kriegen nicht einen Schuldner vorgesetzt, mit dem sie vor der
Insolvenz rechtlich nichts zu tun hatten
• Contra
– Ursachen der Insolvenz liegen im Konzern oft nicht im insolventen
Unternehmen selbst
– Oft durch Domino-Effekt sowieso über kurz oder lang der ganze Konzern
betroffen
– (Vorinsolvenzliche) Sanierung kann erschwert werden durch Herauslösen
einzelner Teile
– Evtl. keine funktionierende Verwaltungsstruktur vorhanden
43
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Grundsätzlich bleibt Insolvenzfähigkeit im Konzern erhalten wie zuvor
• Im Vertragskonzern kann das abhängige Unternehmen praktisch nicht selbst
insolvent werden, solange die Mutter solvent ist
– Wegen der Verlustausgleichspflicht, § 302 AktG
• Schicksal der Unternehmensverträge und Bewältigungsmechanismen der
Trennung später in der Vorlesung
• Gesonderte InsV
44
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Keine Konzernzuständigkeit
– -> unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten, dadurch wird
Verfahrenskoordination erschwert (mgl. aber z.B. Einsetzen desselben
InsVerw)
• Abhilfe über § 3 I 2? „Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit“
– Allerdings maßgeblich die nach außen ausgeübte Geschäftstätigkeit
• Mitgliedschaft in einem Unternehmensverbund reicht ohne Hinzutreten
besonderer Umstände regelmäßig nicht aus, eine Zuständigkeit am Sitz
der Muttergesellschaft zu begründen
– -> Nicht der Ort der strategischen Entscheidungen
• Erfolgt die tatsächliche wirtschaftliche Lenkung durch die
Hauptverwaltung der Muttergesellschaft
– -> Zuständigkeit am Ort der Zentrale
– Auch Einzelheiten (Einkauf, Rechnungen, Personalwesen) müssen
von Mutter geführt werden, so dass die Tochtergesellschaft nach
außen hin wie ein unselbständiger Unternehmensbereich auftritt 45
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Insolvenzfähigkeit bei Umwandlung
• Bei Formwechsel Identitätswahrung
 Insolvenzfähigkeit bleibt erhalten
• Bestimmt sich nach der neuen Rechtsform
• Verschmelzung und Aufspaltung
– Der übertragende Rechtsträger erlischt
•  Ende der Insolvenzfähigkeit des übertragenden Rechtsträgers
•  Insolvenzfähigkeit wird beim neuen Rechtsträger geprüft
– im Rahmen der Leistungsunfähigkeit werden auch die
übernommenen Verbindlichkeiten des alten Rechtsträgers
berücksichtigt
46
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Insolvenzfähigkeit bei Abspaltung und Ausgliederung:
• Der übertragende Rechtsträger bleibt bestehen
er ist insolvenzfähig
– Gläubigerschutz: §§ 133 f. UmwG
• an Spaltung beteiligte Rechtsträger haften gesamtschuldnerisch
für vor der Spaltung entstandene Verbindlichkeiten des
übertragenden Rechtsträgers
47
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Vermögensübertragung:
• bei Vollübertragung wie bei Verschmelzung
–  Insolvenzfähigkeit des übernehmenden Rechtsträgers
• Aber Vorsicht, Ausnahmen des § 12 I!
• bei Teilübertragung wie Abspaltung
–  § 133 f. UmwG zum Gläubigerschutz ist analog anzuwenden, §§
177, 179 UmwG
48
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
formelle Akte
Insolvenzantrag
materielle
Insolvenz
Eröffnungsbeschluss
Eröffnungsverfahren
eigentliches
InsV
49
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Die Eröffnungsvoraussetzungen
• warum erforderlich?
– Eröffnungsgrund nötig, um Eingriff in Rechtspositionen des Schuldners
und der Gläubiger (Art. 14 GG!) zu rechtfertigen
• Begründetheit des Insolvenzantrags
– Eröffnungsgrund
• Zahlungsunfähigkeit
– Drohende Zahlungsunfähigkeit
• Überschuldung
– genug Masse zur Deckung der Massekosten
50
Materielle Insolvenz:
Leistungsunfähigkeit
Überschuldung
(nicht genug
Vermögen)
- Juristische Person
- OHG, KG ohne
natürliche Person
- Sondervermögen
Zahlungsunfähigkeit
(illiquides
Vermögen)
ZeitpunktIlliquidität
ZeitraumIlliquidität
Drohende
Zahlungsunfähigkeit
Nur bei
Eigenantrag!
51
z
Überschuldung
nur bei Gesellschaften ohne persönlich haftenden Gesellschafter
Drohende Zahlungsunfähigkeit
nur bei Eigenantrag, aber bei allen Schuldnern
Zahlungsunfähigkeit
bei allen Schuldnern, unabhängig von Antragsteller
Zahlungseinstellung
stärkste Form der Zahlungsunfähigkeit
52
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
IV. Der Eröffnungsgrund (§§ 16ff.)
1. Zahlungsunfähigkeit (§ 17):
• Zeitpunkt-Illiquidität: andauerndes Unvermögen, die wesentlichen
fälligen Geldverbindlichkeiten noch zu berichtigen.
• § 17 II 2: wird widerleglich vermutet, wenn der Schuldner seine
Zahlungen eingestellt hat
• Vorverlagerung der Insolvenzauslösung durch Nichtaufnahme der
bisherigen Kriterien »dauernde«, »ernstlich eingefordert« und
»im wesentlichen«
• entscheidend ist eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung (sog.
Liquiditätsbilanz) der verfügbaren Zahlungsmittel und der
vollständigen Geldschulden
• von bloß vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten
(Zahlungsstockungen) abzugrenzen
53
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
2. drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18): Zeitraum-Illiquidität
• Prognose ist ein Finanz- oder Liquiditätsplan, in dem die Entwicklung
der finanziellen Lage bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit aller rechtlich
bestehenden Verbindlichkeiten abzubilden ist, sog. Prognosezeitraum
• Differenz zwischen dem Anfangsbestand an Zahlungsmitteln
sowie geplanten Einzahlungen (Aktiva) einerseits und den
bestehenden, aber noch nicht fälligen Zahlungspflichten sowie den
geplanten Auszahlungen (Passiva) andererseits
• bei jur. Pers. kann Antrag nur von der Gesamtheit der Mitglieder des
Vertretungsorgans gestellt werden (§ 18 III)
54
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
3.
Überschuldung (§ 19)
• als Eröffnungsgrund beschränkt auf:
• juristische Personen (§ 19 I),
• Sondervermögen (Nachlass, Gesamtgut),
• Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen keine
natürliche Person unbeschränkt haftet (§ 19 III 1)
55
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
• Definition: Überschuldung liegt vor (§ 19 II), wenn ...
a) • das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt (nach Liquidationswerten)
• und (!) die Ertragsfähigkeit des Unternehmens nicht mehr gewährleistet
erscheint oder (!)
b) das Vermögen die Schulden auch nach Betriebsfortführungswerten nicht
mehr deckt (sog. einfache zweistufige Überschuldungsprüfung)
56
§ 2 Insolvenzfähigkeit, Eröffnungsgründe, Eröffnungsverfahren
sog. einfache zweistufige Überschuldungsprüfung:
1. Schritt: rechnerische Überschuldungsprüfung
• durch eine Gegenüberstellung des Aktiv- und Passivvermögens wird
ermittelt, ob das Schuldnerunternehmen rechnerisch überschuldet ist
• Aktiva nach Liquidationswerten
falls rechnerische Überschuldung (+), dann 2. Schritt: Fortbestehensprognose
• Prognosegegenstand: mittelfristige Zahlungsfähigkeit
• Prognosezeitraum: das laufende und das folgende Geschäftsjahr
• Prognosemethode: Ertrags- und Finanzplanung
• Ergebnis: falls F. (-), dann Ü. (+) - falls F. (+), dann: erneute Prüfung der
rechnerischen Überschuldung, aber jetzt nach Fortführungswerten
57
Allgemeiner Eröffnungsgrund:
Zahlungsunfähigkeit, § 17
• Eröffnungsgrund für alle insolvenzfähigen Schuldner
– Unvermögen, die fälligen Geldverbindlichkeiten zu begleichen
• nicht Zahlungsunwilligkeit!
• Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auch relevant bei der Anfechtung nach §
131 I Nr. 1 (dazu später)
58
Zahlungsunfähigkeit = Zeitpunkt-Illiquidität
• Stichtag: Gerichtsentscheidung (Eröffnung oder Ablehnung)
– nicht: Antragstellung!
–  InsV wird auch dann eröffnet, wenn der Sch. erst im
Eröffnungsverfahren zahlungsunfähig wurde
• kann sogar wegen des Insolvenzantrags vorkommen, wenn ihm aus
dem Grund niemand mehr Kredit gewährt
– harte Folge, lässt sich aber kaum vermeiden
– auch Schadensersatzansprüche nur, wenn Voraussetzungen des §
826 BGB vorliegen
59
Zahlungseinstellung
• meist die letzte Stufe materieller Insolvenz
–  Widerlegliche Vermutung für Zahlungsunfähigkeit, § 17 II 2
• Vermutung wirkt fort, bis Zahlungen wieder generell aufgenommen werden
– nicht nur im Hinblick auf den Antragsteller!
• wichtig, wenn Antragsteller befriedigt wird und Antrag für erledigt
erklärt
– andere Gläubiger können neuen Antrag stellen
60
Ausprägungen
• Nichtzahlung eines wesentlichen Teils (10 – 15%) der fälligen Schulden
– einzelne beträchtliche Zahlungen unerheblich
• maßgeblich ist das Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden
• Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen
– gerade Sozialversicherungsbeiträge und Löhne werden typischerweise nur
dann nicht bei Fälligkeit bezahlt, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür
nicht vorhanden sind
• jedes sonstige zurechenbare Verhalten
– insbes. Flucht und Geschäftaufgabe
– mehrere Vollstreckungsmaßnahmen oder Wechselproteste
– auch Bitte um langfristige Stundung
61
Liquiditätsbilanz
falls noch keine Zahlungseinstellung vorliegt
oder trotz solcher die Vermutung entkräftet wurde:
Aktiva
Passiva
verfügbare und innerhalb von 3
Wochen flüssig zu machende Mittel
am selben Stichtag fällige
Verbindlichkeiten
62
Liquiditätsbilanz
• verfügbare Zahlungsmittel – fällige Geldschulden
– Zahlungsmittel:
• grundsätzlich nur Geldmittel, nicht Sachwerte!
– auch nicht, wenn sie „versilbert“ werden können
» wenn jedoch Schuldner sich bereits um einen Kredit oder
Verkauf bemüht, könnte Zahlungsstockung vorliegen, s.u.
– m.a.W.: Sachwerte, wenn sie in drei Wochen liquidierbar sind
• auch bereits abrufbare Kredite
– bis zur Kreditlinie
• nicht die Mithaftung anderer Personen (Gesellschafter, Bürgen)
– nicht kurzfristig zu realisieren
63
Liquiditätsbilanz (Forts.:)
• Verpflichtungen
– Geldverpflichtungen
• sonstige Pflichten (z.B. Beschaffung nach § 433 I 1 BGB) werden nur
berücksichtigt, wenn sie bereits in Geldansprüche umgewandelt
wurden, z.B. über § 280 BGB)
– kurzfristige Verbindlichkeiten
• Laufzeiten bis maximal ein Jahr
– problematisch: strittige/zweifelhafte Forderungen
• mit dem Buchwert, aber auch der ist nicht eindeutig feststellbar
64
Liquiditätsbilanz (Forts.:)
• Liquiditätslücke über 10 % der Geldschulden
– Vermutung für Zahlungsunfähigkeit
• außer es ist ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Liquiditätslücke demnächst
vollständig oder fast vollständig geschlossen wird (positive Prognose)
– und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen
des Einzelfalles zuzumuten ist
• Liquiditätslücke unter 10%
– Vermutung für keine Zahlungsunfähigkeit
• außer es ist absehbar, dass sie demnächst 10 % überschreiten wird
– m.a.W. negative Prognose
65
Zahlungsstockung
• Eigentlich ist ja Zahlungsunfähigkeit Zeitpunktliquidität
– aber bloß vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten sollten nicht zur
Eröffnung eines InsV führen
• zu bedenken: eines der Ziele des InsR ist, marode Unternehmen vom
Markt zu nehmen
– nicht an sich gesunde!
–  bloße Zahlungsstockung ist kein Eröffnungsgrund
• Zahlungsstockung:
– kurzfristiger Geldmangel, der umgehend behoben werden kann
• durch sofortige Kreditaufnahme
• oder weil Zahlungen zu erwarten sind
66
Zeitraum für Zahlungsstockung
• ca. 3 Wochen sind unschädlich
– Argument aus § 64 I GmbHG: Gesetz nimmt Ungewissheit drei Wochen
lang in Kauf (BGH)
• m.E. schwaches Argument, hier dürfte es eher um die Zumutbarkeit für
den GF gehen
– ausschlaggebend:
• wie lange braucht eine kreditwürdige Person, um einen Kredit zu
kriegen?
67
Drohende Zahlungsunfähigkeit
• nur bei Eigenantrag des Schuldners!
– bei jur. Pers. und Gesellschaften nur durch einzelvertretungsbefugte
Organe oder Gesellschafter, § 18 III
• es müssen aber nicht alle einzelvertretungsbefugten Mitglieder den
Antrag stellen!
– keine Einzelvertretungsbefugnis -> kein Antrag wegen drohender
Zahlungsunfähigkeit
– + Glaubhaftmachung erforderlich, wenn nicht alle
vertretungsbefugten Mitglieder Antrag stellen, § 15 II 1
• Kenntnis Dritter der drohenden Zahlungsunfähigkeit relevant für
Vorsatzanfechtung, § 133 (dazu s. später)
68
Gesetzeszweck
• soll Sanierungschancen im InsV erhöhen
– praktisch zu empfehlen:
• wenn in das Betriebsgrundstück vollstreckt wird
– Möglichkeit der einstweiligen Einstellung, § 30d ZVG
• wenn in letzter Zeit öfters erfolgreich vollstreckt wurde
– über die Rückschlagsperre des § 88 kann Liquidität zurückerlangt
werden
» macht eine Unternehmensfortführung wahrscheinlicher
69
Warum in der Praxis nicht durchgesetzt?
• Schuldnerziel:
– Unternehmensfortführung
• „Schutz“ durch InsV
• Sanierungsplan
• Realität:
– Gläubigerversammlung kann Zerschlagung beschließen, § 157
– evtl. Haftung des GFs nach § 64 II GmbHG
• wenn Gericht feststellt, dass bereits Überschuldung besteht
– daher gefährlich, „schlafende Hunde“ zu wecken
– evtl. strafrechtliche Folgen
• InsGer teilt Staatsanwaltschaft die Eröffnung des InsV mit
– mögliche Haftungstatbestände
– nicht rechtzeitig gestellter Antrag
– schlecht geführte Bücher, § 283 I Nr. 5, 7 StGB, §§ 140 f. AO
– evtl. Kreditbetrug
70
Zeitraum-Illiquidität, § 18
• Prognose für die Zukunft erforderlich, § 18 II
– Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher als ihre Vermeidung
• Glaubhaftmachung durch Schuldner nicht erforderlich
– Ausnahme: Wenn nicht alle vertretungsbefugten Mitglieder Antrag
stellen, § 15 II 1
» Hier auch Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes
notwendig
• aber Mitteilung der Tatsachen, die die wesentlichen Merkmale des § 18
tragen
– evtl. eidesstattliche Versicherung
• Prognosezeitraum nicht gesetzlich bestimmt
– theoretisch wäre der Zeitraum durch die bestehenden Zahlungspflichten
bestimmt
• jedoch auf das praktisch Handhabbare begrenzen müssen
– kommendes Quartal, laufendes Geschäftsjahr
71
Prognose durch Finanz- oder Liquiditätsplan
• Entwicklung der finanziellen Lage bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit aller
rechtlich bestehenden Verbindlichkeiten, sog. Prognosezeitraum
– str., ob zukünftige, noch nicht begründete, aber sicher zu erwartende
Zahlungspflichten zu berücksichtigen sind
• s. insbesondere Löhne
• Differenz zwischen dem Anfangsbestand an Zahlungsmitteln sowie geplanten
Einzahlungen (Aktiva) einerseits und den bestehenden, aber noch nicht
fälligen Zahlungspflichten sowie den geplanten Auszahlungen (Passiva)
andererseits
72
Überschuldung, § 19
• Eröffnungsgrund beschränkt auf:
– juristische Personen (§ 19 I),
– Sondervermögen
• Nachlass, Gesamtgut
– Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen keine natürliche
Person unbeschränkt haftet, § 19 III 1
• warum nicht auch bei natürlichen Personen oder „normalen“
Personenhandelsgesellschaften?
– Gängige Begründung: bei ihnen das wichtigste „Kapital“ die
Leistungsfähigkeit des Unternehmers
• auch hier maßgeblich der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung
• Ermittlung: Überschuldungsbilanz
73
Überschuldungsdefinition
Insolvenzmasse
bei Eröffnung
eines InsV
<
Verbindlichkeiten
gegenüber InsGl bei
Eröffnung eines InsV
• Verbindlichkeiten, die durch die Eröffnung des InsV entstehen, werden nicht
vom Vermögen abgezogen
74
Ü. nach Liquidationswerten?
(rechnerische Überschuldung)
Fortbestehensprognose?
(Zwischenschritt)
Ü. nach Fortführungswerten?
(rechtliche Überschuldung) -> InsV
75
Prüfungsschritte Überschuldung
• 1. Schritt: rechnerische Überschuldungsprüfung
– Gegenüberstellung des Aktiv- und Passivvermögens
– Aktiva nach Liquidationswerten
– Falls rechnerische Überschuldung bejaht ->
• 2. Schritt: Fortbestehensprognose
– Prognosegegenstand: mittelfristige Zahlungsfähigkeit
– Prognosezeitraum: das laufende und das folgende Geschäftsjahr
– Prognosemethode: Ertrags- und Finanzplanung
• Fortbestehensprognose negativ
– -> Überschuldung
• Fortbestehungsprognose positiv
– erneute Prüfung der rechnerischen Überschuldung
• aber jetzt nach Fortführungswerten
– D.h. günstige Fortführungsprognose reicht nicht aus!
76
Prüfung
Überschuldung
Rechnerische
Überschuldung
Positive
Prognose
Keine rechnerische
Überschuldung
Negative
Prognose
Rechtliche
Überschuldung
Keine rechtliche
Überschuldung
InsV
Kein InsV
Kein InsV
InsV
77
Überschuldung: Varianten
• Überschuldungsvariante 1:
– das Vermögen deckt nicht mehr die Schulden (rechnerische
Überschuldung nach Liquidationswerten)
• und (!) die Fortführungsprognose fällt negativ aus
• Überschuldungsvariante 2:
– Trotz positiv ausfallender Fortführungsprognose deckt das Vermögen die
Schulden auch nach Betriebsfortführungswerten nicht mehr
78
• Überschuldung:
– rechnerische Überschuldung + negative Prognose
– rechnerische Überschuldung + positive Prognose + keine Lebensfähigkeit
• Keine Überschuldung
– keine rechnerische Überschuldung
– rechnerische Überschuldung + positive Prognose + Lebensfähigkeit
79
Überschuldungsbilanz
• normale Handels- bzw. Steuerbilanz ist nur das Gerüst
– besondere Überschuldungsbilanz
• sie muss gesamtes Vermögen und Verbindlichkeiten aufweisen
– s. z.B. stille Werte, eigenkapitalersetzende Darlehen (dazu weiter
unten)
• Fortführungswerte nur nach bejahter Fortführungsprognose anzusetzen
– sonst Liquidationswerte
80
Eigenkapitalersetzende Darlehen
• Besonderheit des GmbH-Rechts
– Geltung auch in OHG und KG ohne natürliche Person, §§ 129a, 172a
• Gesellschafterdarlehen an eine GmbHG
– nicht zwingend Darlehen, auch wirtschaftlich gleichgestellte Leistungen, §
32a III GmbHG
• Z.B. Stundung einer Forderung, Gebrauchsüberlassung
– während der Krise
• wenn ihr ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten
– m.a.W., wenn die Gesellschaft (unter diesen Konditionen) kein
marktübliches Darlehen gekriegt hätte
81
• gesetzlich geregelt: InsO (und AnfG)
– -> Nachrangige Forderung (§ 32a I GmbHG, § 39 I Nr. 5 InsO)
– -> Anfechtung nach § 135
• darüber hinaus Rechtsprechungsregeln:
– waren vor Einführung der §§ 32a, b GmbHG eingeführt worden
– bleiben bestehen, BGHZ 90, 370, 377
• Eigenkapitalersetzendes Darlehen ist wie Eigenkapital zu behandeln
•  Rückzahlung ist Schmälerung des Kapitals und damit verboten
(analoge Anwendbarkeit von §§ 30 f. GmbHG)
– -> Bei verbotswidriger Auszahlung -> Rückzahlungsanspruch nach
§ 31 GmbHG analog
• Verjährungsfrist deutlich länger als die Anfechtungsfristen! (s. später)
82
Voraussetzungen
• Gesellschafterdarlehen an eine GmbHG
– nicht zwingend Darlehen, auch wirtschaftlich gleichgestellte Leistungen, §
32a III GmbHG
• z.B. Stundung einer Forderung, Gebrauchsüberlassung
– während der Krise
• wenn ihr ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (oder sie
liquidiert hätten!)
– wenn die Gesellschaft nicht von Dritter Seite Kredit zu den vom
Gesellschafter gewährten Konditionen gekriegt hätte
83
Überschuldungsbilanz & eigenkapitalersetzende Darlehen
• Forderungen von Gläubigern, für die ein Rangrücktritt vereinbart wurde (§ 39
II), sind nicht in die Bilanz aufzunehmen
– da sie die Befriedigung der InsGl nicht gefährden
• Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Darlehen sind bereits per Gesetz
nachrangig zu befriedigen (§ 39 I Nr. 5)
– es läge nahe, sie nicht in die Überschuldungsbilanz aufzunehmen
– anders der BGH: Aufnahme in der Überschuldungsbilanz, außer es wurde
ausdrücklich Rangrücktritt vereinbart
• Grund: Steigerung der Rechtssicherheit für den InsVerw
– weil nicht immer leicht zu beurteilen ist, ob das Darlehen
eigenkapitalersetzenden Charakter hat
– und er nach § 64 II GmbHG haftet
84
Evtl. künftiges Recht (MoMiG)
• § 30 I GmbHG werden folgende Sätze angefügt:
– Wird das Stammkapital durch eine Vorleistung aufgrund eines Vertrags mit
einem Gesellschafter angegriffen, so gilt das Verbot des Satzes 1 nicht,
wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt. Satz 1 ist zudem auf
die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch dann nicht
anzuwenden, wenn das Darlehen der Gesellschaft in einem Zeitpunkt
gewährt worden ist, in dem Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche
Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten; gleiches gilt für Leistungen auf
Forderungen aus Rechtshandlungen, die einer solchen
Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechen.
85
Evtl. künftiges Recht (MoMiG)
• §§ 32a, b GmbHG werden abgeschafft
– in modifizierter Form in § 44a InsO n.F. aufgenommen
• unabhängig von der Rechtsform
• § 39 I Nr. 5 wird wie folgt gefasst:
– nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines
Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die
einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen
• erklärtes Ziel: Das Leben des GmbH-GFs sollte leichter werden
– insbes. die Feststellung von Überschuldung
86
Neuerungen, die die Überschuldungsbilanz betreffen
Problem wohl
neu geschaffen
MoMiG
Problem
abgeschafft
Darlehen an
Gesellschafter
Darlehen an
Gesellschaft
Kapitalerhaltung,
außer „im Interesse“
der Gesellschaft
-Keine Kapitalerhaltung
- Nachrangig
87
Darlehen von Gesellschaftern
• nach § 30 I 3 GmbHG n.F. gilt das Verbot der Kapitalschmälerung nicht für die
Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen
– auch nicht, wenn sie eigenkapitalersetzend waren
• Begriff „kapitalersetzend“ wird aus § 39 I Nr. 5 entfernt
–  Gesellschafterdarlehen sind insgesamt nachrangig
•  keine Passivierungspflicht
88
Darlehen an Gesellschafter
• Kapitalerhaltungsregeln sind nicht auf Darlehen an Gesellschafter
anzuwenden, die im Interesse der Gesellschaft liegen
– Indizien hierzu:
• Drittvergleich (marktüblich?)
• Stundung kaufmännisch üblich?
• Anspruch auf Gegenleistung vollwertig?
• Kreditgewährung kurzfristig kündbar?
– Diese Indizien erinnern sehr stark (wenn auch aus spiegelbildlicher Sicht)
an die früheren Kriterien zum Eigenkapitalersatz
• ist das Darlehen nicht im Interesse der Gesellschaft
–  es gilt § 30 I 1 GmbHG
•  es entsteht ein Anspruch gegen den Gesellschafter nach § 31
GmbHG
– alternativ: Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter, § 31 III
GmbHG
• daneben: Haftung des GFs nach § 43 II, III GmbHG
89
Auswirkungen auf Private Ltd.?
• Regeln über Eigenkapitalersatz im InsV jetzt in der InsO
– Unabhängig von der Rechtsform
• Erklärtes Ziel: insolvenzrechtliche Qualifizierung
– Int. Zuständigkeit für InsV: Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen (Art. 3
EuInsVO)
– Anwendbares Recht: lex fori concursus (Art. 4 EuInsVO)
• Wäre also in Deutschland deutsches Recht
• Näher am Ende des Semesters
90
Fortführungsprognose
• Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe erforderlich
– liegt er nicht vor, endet die Prüfung hier
• Prüfung ähnlich wie bei drohender Zahlungsunfähigkeit
– aber Erweiterung über die bestehenden Passiva hinaus
– einseitige Sanierungsbemühungen reichen nicht
• wenn Erfolg von Einverständnis eines Gläubigers abhängt, muss dieser
Zustimmung erteilt haben
• in der Rspr. stark divergierende Kriterien
91
Unternehmenswert nach Fortführungswerten
• Wert bei Veräußerung des gesamten Unternehmens
– einschließlich stiller Reserven und good will
• wie wird der Wert ermittelt?
– Zeitwert nach Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionskosten
• was würde es kosten, ein Unternehmen in der jetzigen Verfassung zu
errichten?
– alles sehr str. und ungesichert!
92
Insolvenzantrag
§ 13
Eigenantrag
§ 15
Antragsrecht
Fremdantrag
§ 14
Antragspflicht
s. jedoch StGB,
Obliegenheit für spätere
Restschuldbefreiung
93
V. Der Insolvenzantrag (§§ 13ff.)
1. Antragserfordernis (§ 13 I): Dispositionsmaxime
2. Eigenantrag: Antragstellung durch Schuldner (§ 15)
• bei jP: Mitglieder des Vertretungsorgans,
• unabhängig von Einzelvertretungsberechtigung
• außer bei Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit  Antrags- •
und Vertretungsbefugnis identisch, § 18 III (nur, wer •
einzelvertretungsbefugt ist, kann allein Insolvenzantrag stellen)
• bei GbR/KG/OHG: jeder persönlich haftende Gesellschafter (§ 15 I)
• bei GmbH & Co. KG: Die Vertretungsorgane der persönlich haftenden •
Gesellschaft
• jeder Abwickler, wenn das InsV in der Liquidationsphase beantragt
wird • (s. § 11 III)
94
• Antragspflicht für Mitglieder des Vertretungsorgans
• bei jP (§§ 92 II S. 1 AktG, 64 I GmbHG, 42 II BGB)
• bei OHG/KG ohne natürliche Person als Gesellschafter (§§ 130a, 177a HGB)
• weil auch hier de facto beschränkt gehaftet wird!
• Grd. für unterschiedliche Behandlung: bei natürlichen Personen
würde es nur zusätzliche Schulden derselben Person geben, bei den
Gesellschaften dagegen wird ein zusätzlicher Schuldner geschaffen
• für Erben und Nachlassverw
• unverzügl (§ 121 I 2 BGB), spätestens aber nach drei Wochen ab positiver
Kenntnis von den den Eröffnungsgrund begründenden Fakten
95
Verletzung der Antragspflicht
Haftung
ggü. GmbH
z.B. § 64 II GmbHG
ggü. Gläubigern
§ 823 II BGB
i.V.m. § 64 I GmbHG
ggü. Altgläubigern:
Gesamtschaden
§ 92
ggü. Neugläubigern:
Individualschaden
kein § 92
96
Verletzung der Antragspflicht
Haftung
ggü. GmbH
z.B. § 64 II GmbHG
ggü. Gläubigern
§ 823 II BGB
i.V.m. § 64 I GmbHG
ggü. Altgläubigern:
Gesamtschaden
§ 92
ggü. Neugläubigern:
Individualschaden
kein § 92
97
• Haftung gegenüber der GmbH, § 64 II GmbHG
• lag entsprechende Weisung der Gesellschafterversammlung (§ 37
GmbHG) vor, so bleibt Haftung unberührt, soweit zur Gl.-Befriedigung
erforderlich (Verw. auf § 43 III 3 GmbHG)
• Haftung gegenüber der AG, § 93 III Nr. 6 AktG, auch Zahlungsverbot
gem. § 92 III AktG
• kein Vorrang der Insolvenzanfechtung!
• Wird das InsV mangels Masse nicht eröffnet  Anspruch aus § 64 II
GmbHG freigegeben zur Pfändung durch die Gläubiger
98
Anspruch auf Schadensersatz oder Erstattungsanspruch eigener Art?
• BGH: Erstattungsanspruch sui generis
–  Gesamtgläubigerschaden braucht nicht dargelegt werden
• Erleichterung der Rechtsverfolgung
–  Anfechtungsmöglichkeiten wirken nicht schadensmindernd
– Masse darf nur nicht bereichert werden
•  Abtretung dieser Ansprüche
– wird dem GF kaum was bringen, weil die Abtretung erst nach
Leistung seines Schadensersatzes erfolgen soll, den wird kein GF
leisten können
99
Höhe der Erstattungspflicht
• gesamter Zahlungsbetrag nach der Insolvenzreife
• aber Verbot der Bereicherung der Masse:
– GF bekommt Zug um Zug einen Gegenanspruch gegen den InsVerw
• Betrag, der bei der Masse bleibt, weil wegen der Zahlung keine
Insolvenzforderung entstanden ist
– fiktive Quote
– Zug-um-Zug-Abtretung von Ansprüchen der Masse gegen den Empfänger
der Zahlung
• insbes. Anfechtungsansprüche (Abtretbarkeit ist aber umstritten)
100
Exkulpierung nach § 64 II 2 GmbHG
• nur für Zahlungen, die die Gesellschaft auch nach Stellung eines Antrags
geleistet hätte
– insbes. bis zum Zeitpunkt, zu dem ein InsVerw ein Dauerschuldverhältnis
gekündigt hätte
– auch Zahlungen, die die Fortführung eines sanierungs- oder
veräußerungsfähigen Unternehmens gewährleisten
101
Verletzung der Antragspflicht
Haftung
ggü. GmbH
z.B. § 64 II GmbHG
ggü. Gläubigern
§ 823 II BGB
i.V.m. § 64 I GmbHG
ggü. Altgläubigern:
Gesamtschaden
§ 92
ggü. Neugläubigern:
Individualschaden
kein § 92
102
Haftungssanktion ggü. Gläubigern gem. § 64 I GmbHG iVm § 823 II BGB bei
schuldhafter Nichterfüllung
• Haftung ggü. AltGl für Quotenverschlechterung = Gesamtschaden gem.
§ 92 InsO
• Haftung ggü. NeuGl auf Ersatz des vollen Individualschadens
(kein Fall des § 92 InsO)
• Vertrauensschaden: wie wäre Gläubiger gestellt, wenn Antrag
rechtzeitig gestellt würde? i.d.R. hätte er den Vertrag nicht
abgeschlossen
• BGH ZIP 2007, 676: Die Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers
einer GmbH gegenüber Neugläubigern ist nicht um die auf diese
entfallende Insolvenzquote zu kürzen; vielmehr ist dem
Geschäftsführer entsprechend § 255 BGB i.V.m. §§ 273 f. BGB ein
Anspruch auf Abtretung der Insolvenzforderung des Neugläubigers
gegen die Gesellschaft zuzubilligen
• Strafbarkeitssanktion (§§ 84 GmbHG, 401 AktG)
103
Der GmbH-Geschäftsführer im Pflichtenkonflikt
• Zahlung zur Vermeidung der Haftung wegen Nichterfüllung steuerlicher
Pflichten, § 69 AO
– Rspr. bisher: Haftung aus § 69 AO entfällt, aber Haftung nach § 64 I, II
GmbHG
• Zahlung zur Vermeidung der Strafbarkeit bei Nichtzahlung von
Sozialbeiträgen, § 266a StGB
– Zivilsenate bisher: Massesicherung geht vor
– Strafsenat: Massesicherungsgebot verhindert nicht Strafbarkeit
• jetzt BGH ZIP 2007, 1265: "Ein organschaftlicher Vertreter, der bei
Insolvenzreife der Gesellschaft den sozial- oder steuerrechtlichen
Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung oder
Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 92 Abs. 3 AktG oder § 64
Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig."
104
Von der Antragspflicht zu trennen:
• Insolvenzstraftaten, §§ 283 ff. StGB
– Verurteilung führt auch zur Versagung der Restschuldbefreiung
• Obliegenheit des Schuldners zur raschen Antragstellung, um später
Restschuldbefreiung zu beantragen, § 290 I Nr. 4
105
c) Fremdantrag: Antragstellung durch einen Gläubiger
• Glaubhaftmachung von eigener Forderung und Insolvenzgrund als
besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen (§ 14 I 4)
• Kostenvorschusspflicht (§§ 50 I, 61 GKG, 26 I 2)
d) Übersicht zur Zulässigkeit des Insolvenzantrags
• Zuständigkeit des Gerichts
• Partei- und Prozessfähigkeit des Antragstellers
• Insolvenzfähigkeit des Schuldners
• Antragsbefugnis (nur bei Fremdantrag):"doppelte Glaubhaftmachung„ (s.o.)
• Rechtsschutzbedürfnis
106
• kein organschaftlicher Vertreter
– z.B. alle legen ihr Amt nieder
–  Notgeschäftsführer durch Registergericht
– evtl. künftiges Recht (MoMiG): subsidiäres Antragsrecht & Haftung der
Gesellschafter bei Führungslosigkeit
• fehlerhaft bestellter GF
• Antragspflicht nach § 64 I GmbHG
•  Antragsberechtigung
107
II. Das Eröffnungsverfahren
1. Sichernde Maßnahmen (§§ 21ff.)
a) Verfügungsbeschränkungen
• Allg. Veräußerungsverbot (§ 21 II Nr. 2, 24, 81 f.)
• Allg. Zustimmungsvorbehalt (§ 21 II Nr. 2, 24, 81f.)
• Besonderes Verfügungsverbot bzw. besonderer
Zustimmungsvorbehalt (§ 21 I)
• Vollstreckungsverbote (§§ 21 II Nr. 3 InsO, 30d IV ZVG)
• "Beschlagnahme" von Sicherungsgut (§ 21 II Nr. 5)
b) Die vorläufige Postsperre (§§ 21 II Nr. 4, 99)
108
Vorläufiger
InsVerw
starker
schwacher
punktuell stark
meist
kombiniert
halbstark
(Zustimmungsvorbehalt)
109
b) Der vorläufige Insolvenzverwalter (§§ 21 II Nr. 1, 22)
•
Befugnisse
•
"starker" vorläufiger Insolvenzverwalter (§ 22)
• = mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
• Begr. von Masseverbindlichkeiten (§ 55 II, III
•
"schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter
• ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 21 II Nr. 2)
• „vorgeschobener Beobachter“ des InsGer und „Berater“ des
Schuldners
• als "halbstarker" vorläufiger Insolvenzverwalter mit
Einzelkompetenzen
110
b) Der vorläufige Insolvenzverwalter (§§ 21 II Nr. 1, 22)
• gemeinsame Aufgaben und Befugnisse
• Sicherung und Erhaltung der künftigen Insolvenzmasse (§ 22 I 2 Nr.1)
• Unternehmensfortführung (§ 22 I 2 Nr. 2)
• grds. keine Unternehmensveräußerung
• Finanzierung mithilfe des Insolvenzgelds (§§ 183ff. SGB III)
• Begutachtung v. Eröffnungsgrund und Fortführungsaussichten
(§ 22 I 2 Nr. 3)
• Auswahl und Bestellung (§ 21 II Nr. 2 i.V.m. § 56)
• persönliche Rechtsstellung, Haftung und Vergütung (§ 21 II
Nr. 2 i.V.m. §§ 56, 58ff., 63)
111
Aufgaben vorl. starker InsVerw
• Sicherung und Erhaltung der künftigen Insolvenzmasse (§ 22 I 2 Nr. 1)
– Betreten der Geschäftsräume, Einblick in Bücher, Auskunftspflicht des
Schuldners
• Unternehmensfortführung (§ 22 I 2 Nr. 2)
– Stilllegung nur mit Zustimmung des InsGer
– Finanzierung mithilfe des Insolvenzgelds (§§ 183 ff. SGB III)
• grds. keine Unternehmensveräußerung
– da kein Verwertungsrecht
• Ausnahme: Notverkäufe
• Prüfung der Kostendeckung der Masse (§ 22 I 2 Nr. 3)
• ggf. Beauftragung als Sachverständiger im Hinblick auf Eröffnungsgrund und
Fortführungschancen (§ 22 I 2 Nr. 3)
112
• starker InsVerw begründet Masseverbindlichkeiten, § 55 II 1
• Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen werden Masseansprüche, wenn
InsVerw die Gegenleistung für die Masse in Anspruch genommen hat, § 55 II 2
• Haftung: §§ 22 II Nr. 1, 61!
• wird das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet
–  vorrangige Befriedigung dieser Gläubiger
113
Aufgaben vorl. schwacher InsVerw
• Sicherung und Erhaltung der künftigen Insolvenzmasse (§ 22 I 2 Nr. 1)
• weitere Pflichten bestimmt das Gericht, § 22 II 1
– dürfen nicht die Pflichten eines „starken“ InsVerw überschreiten, § 22 II 2
– punktuelle Stärke!
•  zulässig: Ermächtigung zur Begründung von
Masseverbindlichkeiten
• Zustimmungsvorbehalt
– Verfügungsbeschränkung, kann aber nur nachteilige Verfügungen
verhindern
114
Halbstarker InsVerw und Masseverbindlichkeiten
• Handlungen des Schuldners mit Zustimmung des vorl. InsVerw
– nach dem Gesetzeswortlaut  Insolvenzforderungen
– allerdings wird Zustimmungsvorbehalt oft vereinbart, um § 55 II zu
vermeiden
•  einige fordern die analoge Anwendbarkeit des § 55 II
115
2. Die Entscheidung über den Eröffnungsantrag
a) Der Eröffnungsbeschluss (§§ 27ff.)
• Inhalt
• Beschlagnahmewirkung (§§ 80 ff.)
• Eröffnungsbeschluss als Vollstreckungstitel (§ 794 I Nr.3 ZPO)
gegen den Insolvenzschuldner auf Herausgabe (§ 148 II)
• Bestellung des Verwalters (§§ 27, 56)
• Anberaumung von Berichts- und Prüfungstermin (§§ 27,156, 176
InsO)
• Zustellungen, Bekanntmachungen und Mitteilungen (§§ 30ff.)
• Rechtsmittel (§ 34)
116
b) Die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse (§ 26)
• erforderlich: hinreichende Masse für Deckung der Massekosten
(§ 26 I i.V.m. §§ 53f.)
• Gerichtskosten
• Verwalterkosten
• Deckung der Masseschulden (§ 55) nicht erforderlich
• keine Abweisung mangels Masse bei Stundung der
Verfahrenskosten (§§ 4a ff.)
• Option: Vorschuss des ASt. + Kostenerstattungspflicht des
antragspflichtigen Organs der jP (§ 26 III)
117
Regress nach § 26 III
• Wortlaut: nur bei nicht gestelltem Antrag
– allg.M.: auch bei verspätetem Antrag
• bei jeder Verletzung der Antragspflicht
• eigenständiger Schadensersatzanspruch
– Verschulden: „pflichtwidrig und schuldhaft“
• aber Beweislastumkehr, § 26 III 2
• kein Anspruch aus § 26 III, wenn die Masse gereicht hätte
118
Rechtsfolgen der Abweisung
• Eintragung
–  in das Schuldnerverzeichnis, § 26 II
–  u. im Handelsregister, § 31 Nr. 2
• Auflösung der Gesellschaft ohne natürliche Gesellschafter, § 262 I Nr. 4 AktG,
§ 60 I Nr. 5 GmbHG, § 131 II HGB
– nicht der „normalen“ Personengesellschaft
119
Folge der Auflösung
•  gesellschaftsrechtliche Liquidation
– GF (§ 66 GmbHG) können selbst liquidieren
•  obwohl theoretisch die Einzelzwangsvollstreckung wieder möglich
ist, wird sie kaum was bringen
• registermäßige Löschung wegen Vermögenslosigkeit, § 141a FGG
• Vollbeendigung erst, wenn kein Vermögen mehr vorhanden ist
– auch, wenn – fälschlich – wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde
• Lehre vom Doppeltatbestand
–  bis dahin kann neuer Antrag gestellt werden, wenn Antragsteller
glaubhaft macht, dass noch Vermögen existiert
120
Folgen der
Verfahrenseröffnung
Für den
Schuldner
Verfügungsverbot,
Mitwirkungspflichten
Für die
Gläubiger
Keine Begründung
von Einzelrechten,
Klageverbot,
Vollstreckungssperre
Neutral
Unterbrechung &
Aufnahme von
Prozessen,
Gegenseitige
Verträge
121
Rechtsstellung des Schuldners im InsV (Wdh.)
•
Schuldner bleibt materiellrechtlich rechts- und
geschäftsfähig,
prozessual partei- und prozessfähig
•
Schuldner bleibt Vermögensträger
•
verliert aber einerseits die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis,
•
andererseits die Prozessführungsbefugnis, § 80 I
bzw. §§ 85, 86,
§ 240 ZPO)
•
Ziel: Verhinderung der Masseverkleinerung
•
InsVerw ist Partei kraft Amtes und gesetzlicher
Prozessstandschafter
122
Spiegelbildlich: Rechtsstellung des InsVerw, § 80
•
•
•
•
InsVerw tritt faktisch und rechtlich in die bestehende Rechtsstellung des
Schuldners (ähnlich Rechtsnachfolge)
für Kaufmannseigenschaft (wo erforderlich, z.B. Verzugszinsen) kommt
es auf den Schuldner an, InsVerw selbst wird nicht Kaufmann
Auswirkungen des Übergangs der Verfügungsbefugnis:
–
es kann mit befreiender Wirkung nur noch an den InsVerw
geleistet werden (s. aber Gutglaubensschutz nach § 82)
–
InsVerw macht grds. nur bestehende Rechte des Sch. geltend
teilweise aber gehen seine Kompetenzen darüber hinaus, aber nur,
soweit von InsO ausdrücklich so geregelt
–
insbes. Wahlrecht über Erfüllung von Verträgen
–
insbes. Insolvenzanfechtung
–
InsVerw macht Gestaltungsrechte geltend
–
InsVerw macht Arbeitgeberrechte geltend
123
Unwirksamkeit bei Insolvenzzweckwidrigkeit
•
•
•
•
•
Grundsatz: unbeschränkte Verfügungsmacht, wenn auch evtl.
Haftung nach §§ 60 f.
aber: hat auch Grenzen, InsVerw darf das InsV nicht offensichtlich
untergraben
Stichwort: offensichtliche Insolvenzzweckwidrigkeit
–
ggf. Unwirksamkeit der Handlung in analoger Anwendbarkeit der
Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht
offensichtliche Überschreitung des Ermessensspielraums des
InsVerw
–
insbes. im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem
Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung
erforderlich: "Evidenz" der Insolvenzzweckwidrigkeit für Gegner
–
weite Interpretation: grobe Fahrlässigkeit reicht (h.M.)
124
Beispiele für Insolvenzzweckwidrigkeit
•
Schenkungen aus der Masse
•
Abtretung von Schuldnerforderungen an Dritte
•
Vollständige Befriedigung eines
Insolvenzgläubigers
•
Einräumung vorrangiger Befriedigungsrechte
•
Änderung der §§ 103 ff.
125
Die vermögensbezogenen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung
1. Verlust der Verfügungsbefugnis des Sch. (§§ 80 I, 81 I, 91 I)
•
•
•
Grundtatbestand: § 81
Voraussetzung: Vornahme eines tatbestandsmäßigen Verfügungsakts
nach Verfahrenseröffnung
keine Anwendbarkeit des § 81 I 1:
–
Abtretung künftiger Forderung vor Verfahrenseröffnung,
Entstehen der Forderung erst danach
–
Übertragung von Rechten an Grundstücken und Antrag auf
Eintragung vor, Eintragung in Grundbuch nach
Verfahrenseröffnung
–
aber in diesen Fällen Auffangtatbestand des § 91 beachten!
126
•
•
•
Auffangtatbestand: § 91
einzig möglicher Erwerb an Rechten an Massegegenständen nach
Verfahrenseröffnung
–
durch Verfügung des InsVerw nach § 80 I
–
durch Vollstreckungshandlung der Massegläubiger
Beispiele für unwirksamen Erwerb nach § 91:
–
Vollstreckungsmaßnahmen von Neugläubigern (nicht von § 89
erfasst)
–
Rechtserwerb kraft Gesetzes, z.B. §§ 946 ff., soweit nicht auf
Handlungen des InsVerw zurückgeht
Verarbeitungsklauseln (verlängerter EV) erlöschen (leben aber wieder
auf, wenn der InsVerw nach § 103 Erfüllung verlangt)
–
Verfügungen Dritter über Massegegenstände, (auch) wenn der
Schuldner ihnen vor Eröffnung eine Verfügungsermächtigung
erteilt hatte (wird sowieso nach dem Rechtsgedanken der §§ 115
ff. erlöschen)
127
bei Verstoß: absolute Unwirksamkeit
 verfügt der Schuldner trotzdem, ist er Nichtberechtigter

InsVerw kann genehmigen, § 185 II
–
Heilung auch bei vorzeitiger Beendigung des
Insolvenzverfahrens und Rückerwerb der Verfügungsbefugnis
über den (noch nicht verwerteten) Gegenstand
• guter Glaube an Verfügungsbefugnis wird nur ausnahmsweise
geschützt
–
nicht über §§ 932 ff. - beziehen sich nur auf die
Eigentümerstellung
–
in InsO Spezialregeln nur für Grundstücke:
•
§ 81 I 2, § 91 II 1  §§ 892, 983 BGB (guter Glaube an
Grundbuch)
•
nicht für bewegliche Sachen oder Forderungen
128
Vertrauen auf Grundbuch, § 81 I 2
•
•
•
§ 81 I 2 verweist auf §§ 892 f. BGB
–
ausdrücklicher Verweis ist auch erforderlich, § 892 hätte nicht
direkt gegolten: Norm betrifft nur relative
Verfügungsbeschränkungen
Inhalt der Regelung:
–
gutgläubiger Erwerb möglich, wenn die
Verfügungsbeschränkung nicht aus dem Grundbuch ersichtlich
oder sonst bekannt ist, § 892 I 2
wird aber nicht oft vorkommen, da die Eröffnung eingetragen
wird, § 32
maßgeblicher Zeitpunkt: Antrag auf Eintragung in
Grundbuch, § 892 II
Anträge werden an sich in der Reihenfolge ihres Eingangs
bearbeitet, § 17 GBO, aber nach h.M. "Grundbuchsperre" bei
bekannter Insolvenz
129
2. Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen
• Vollstreckung durch Insolvenzgläubiger
• Vollstreckungsverbot nach Verfahrenseröffnung, § 89
• Unwirksamkeit von Vollstreckungsmaßnahmen vor der
Verfahrenseröffnung
• Rückschlagsperre, § 88
• Anfechtung wg. inkongruenter Deckung, § 131
• Vollstreckung durch Neugläubiger
• kein Rechtserwerb an Masse, § 91
• Vollstreckung in insolvenzfreies Vermögen mögl.
130
3. Schicksal anhängiger massebezogener Prozesse (§§ 85 - 87)
• immer Unterbrechung gem. § 240 ZPO, i.ü. Differenzierung nach
Befugnis zur Aufnahme
131
II. Die Abwicklung beiderseits nicht voll erfüllter gegenseitiger Verträge
1. Die Bedeutung des funktionellen Synallagma, insbesondere beim
Kaufvertrag
• Die Abwicklung gegenseitiger Verträge im allgemeinen:
• mit Verfahrenseröffnung wird Gegenforderung des
Vertragspartners zur Insolvenzforderung
• Forderung der Masse wird ebenfalls undurchsetzbar
wg. § 320 I BGB
• § 103 I i.V.m. § 55 I Nr. 2 erlaubt Verw. Aufwertung der
Gegenforderung zur Masseforderung (= "Erfüllungswahl" =
rechtsgestaltende Erkl.)
• dadurch wird zugl. Forderung der Masse wieder durchsetzbar
132
2. Die Behandlung anderer gegenseitiger Verträge (§§ 103, 108ff.InsO)
• Miet- und Pachtverträge
• über bewegliche Sachen (§§ 103 ff., 112):
Verwalterwahlrecht + Kündigungssperre
• über Immobilien
• Schuldner als Mieter/Pächter (§ 109 I 1):
3monatiges SonderkündigungsR des Verw.
• Schuldner als Vermieter/Verpächter (§§ 108, 110, 111):
Fortbestehen des Vertrags ohne Sonderkündigungsrecht
133
InsV &
Arbeitsverhältnis
Insolvenz des
Arbeitgebers
-> nächste Folien
Insolvenz des
Arbeitnehmers
-> § 114
(Lohnabtretung)
134
AN-Schutz
im InsV
Arbeitsverhältnis
Kündigungsschutz
Bestandsschutz bei
Betriebsänderung
Arbeitslohn
Sozialpläne
& Nachteilsausgleich
Insolvenzgeld
Betriebliche
Altersversorgung
Evtl.
Masseverbindlichkeit
Betriebsveräußerung
135
III. Die Rechtsstellung des Arbeitnehmers in der Unternehmensinsolvenz
1. Spannungsverhältnis zwischen privatrechtlichem Arbeitnehmerschutz und
insolvenzrechtlicher Haftungsverwirklichung
2. Schutz der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers:
Insolvenzrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht, Sozialversicherungsrecht
a) Sicherung des Arbeitsverhältnisses
aa) Kündigungsschutz
• insolvenzrechtliche Kündigungsfrist von höchstens 3 Monaten
(§ 113 I), auch wenn tariflich längere Frist vereinbart
• Beachtung der speziellen (§ 9 MuSchG) und allgemeinen (§ 1
KSchG) Kündigungsschutzbestimmungen
• alle Unwirksamkeitsgründe müssen binnen 3 Wochen mittels
Kündigungsschutzklage geltend gemacht werden (§ 4 KSchG)
136
(Kündigungsschutz [Forts.])
• Abfindungsansprüche begründen Masseverbindlichkeiten
• bei Massenentlassungen: Anzeigepflicht, einmonatige Entlassungssperre
• Herabsetzung des Kündigungsschutzes durch kollektivrechtliche Vorprüfung
in Gestalt des Interessenausgleichs gemäß §§ 111 f. BetrVG (§ 125 I, II)
• bei Massenentlassungen durch bes. arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren
erleichterte Feststellung, dass Kündigungen sozial gerechtfertigt sind (§§ 126 128): Bindungswirkung für Kündigungsschutzprozesse
• keine spezifisch insolvenzrechtliche Freistellung – Insolvenzverwalter muss
Lohn als Masseverbindlichkeit zahlen, nur Anrechnung anderweitiger Einkünfte
137
bb) Bestandsschutz bei Betriebsänderungen und Betriebsveräußerungen
Betriebsänderungen:
• dreimonatige Kündigungsfrist für Betriebsvereinbarungen, die die
Insolvenzmasse belasten (§ 120 I)
• Verfahrenserleichterungen (§§ 121 f.)
Betriebsveräußerungen:
• Anwendbarkeit von § 613a BGB, wenngleich mit gewissen
normativen und teleologischen Reduktionen:
• § 613a II BGB gilt nicht, d.h. keine Mithaftung des Erwerbers für vor
dem Betriebsübergang begründete Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis (Insolvenzforderungen) und aus betrieblichen
Versorgungszusagen (Haftung des Trägers der Insolvenzsicherung)
• Modifizierung durch § 128 I, II, soweit Interessenausgleich vereinbart
138
cc)
Ansprüche aus Sozialplänen und auf Nachteilsausgleich gemäß §§ 111
ff. BetrVG (§§ 123 f.)
• Befriedigung der nach Verfahrenseröffnung aufgestellten
Sozialpläne als Masseverbindlichkeiten (§ 123 II S. 1)
• Gesamtbetrag von maximal zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 III
KSchG) aller betroffenen Arbeitnehmer
• Beschränkung auf 1/3 der für die Verteilung an die
Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse
• Besondere Widerrufsmöglichkeit für Sozialpläne aus den letzten
3 Monaten vor Verfahrenseröffnung (§ 124 I, II)
139
b) Sicherung des Arbeitslohns
aa) ... durch Einstufung als Masseverbindlichkeit, wenn im Insolvenzverfahren
durch vorl. InsVerw begründet (= [nur] bei Inanspruchnahme der
Arbeitsleistung, § 55 II)
bb) ... durch Insolvenzgeld (§§ 183 ff. SGB III)
• Prinzip und wettbewerbsrechtliche Bedenken: Aufbringung durch
Unfallversicherungsträger unter Umlegung auf die Unternehmer in ihrem
Zuständigkeitsbereich (§§ 358 ff. SGB III)
• Anspruchsinhaber: alle Arbeitnehmer einschließlich nicht weisungsgebundener
Geschäftsleiter (insolvenzrechtlicher Arbeitnehmerbegriff, sehr streitig)
• Anspruchsinhalt: rückständiges Arbeitsentgelt aus den letzten 3 Monaten des
Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis (§ 183 I SGB III),
d.h. auch für bereits entlassene Arbeitnehmer
• Anspruchsumfang: alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, NettoArbeitsentgelte (Sozialversicherungsbeiträge werden unmittelbar von der
Arbeitsverwaltung an die Sozialversicherungsträger entrichtet
140
•
•
•
•
•
(Forts.: Sicherung des Arbeitslohns durch Insolvenzgeld)
Insolvenzereignis: Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Abweisung mangels
Masse, vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei Masselosigkeit auch
ohne Insolvenzantrag (§ 183 I Nr. 1 - 3 SGB III)
Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis
Ansprüche auf Arbeitsentgelte, für die Insolvenzgeld gezahlt wird, gehen mit
der Antragstellung kraft Gesetzes auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187
SGB III), Rechtsnatur immer: Insolvenzforderungen, selbst wenn im Eröffnungverfahren durch starken Insolvenzverwalter begründet (§ 55 Abs. 3 S. 1)
Vorfinanzierung des Insolvenzgelds durch kollektive Vorausabtretung des
Insolvenzgeldanspruchs an finanzierende Bank (gemäß § 188 Abs. 4 SGB III
nur wirksam, wenn Arbeitsamt zustimmen, weil tatsächliche Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass durch Vorfinanzierung ein erheblicher Teil der
Arbeitsplätze erhalten bleibt)
einige Zweifelsfragen bzgl. EU-RL über den Schutz von AN in der Insolvenz
141
c) Sicherung der betrieblichen Altersversorgung (§§ 7 ff. Gesetz über die
betriebliche Altersversorgung = BetrAVG)
• Anspruch der Versorgungsberechtigten im Insolvenzverfahren des
Arbeitgebers gegen den PSV (= Pensionssicherungsverein) als Träger
der Insolvenzsicherung
• Sicherungsfälle: alle Insolvenzereignisse (s.o.)
• Anspruchsberechtigt: Versorgungsanwärter sowie
Versorgungsempfänger
• Legalzession der Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf den PSV
142
I. Die Insolvenzmasse als Gegenstand der Gesamtverwertung
1.
Die "Masse", Legaldefinition (§§ 35ff.)
• bei Verfahrenseröffnung vorhandenes Vermögen
• Neuerwerb (= Erwerb des Sch. nach Verfahrenseröffnung)
2.
Die Konzentration der Massegegenstände (§§ 148ff.)
143
•
•
•
•
Insolvenzmasse - Altvermögen
Grundstücke, bewegliche Sachen, Anwartschaften
– auch Miteigentums- oder Gesellschaftsanteile
• Auseinandersetzung dann nach den allgemeinen Vorschriften, § 84
Unternehmen als Ganzes, insbes. Good will und Kundenstamm
Immaterielle Rechte?
– Nicht Persönlichkeitsrechte
• wegen höchstpersönlichen Charakters
– gilt dies nach den Marlene-Entscheidungen auch für den
vermögenswerten Bestandteil?
– Firma
• § 23 HGB: Veräußerung der Firma nur mit dem zugehörigen
Handelsgeschäft
• § 24 II HGB: Übertragung der Firma nur mit Zustimmung des
Kaufmanns, wenn sie seinen Eigennamen beinhaltet
nicht die Arbeitskraft
– -> Schuldner ist nicht verpflichtet, für die Masse zu arbeiten
144
Forderungen
• auch Honorarforderungen von Steuerberatern und Ärzten
– trotz Schweigepflicht
• Abwägung APR und insbes. informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I
GG) mit Eigentumsrecht der Gläubiger nach Art. 14 GG
– nur im Hinblick auf Person und Höhe der Honorarforderung!
• Gesellschaftsinsolvenz:
– Ansprüche gegen Geschäftsführer (unterscheide von
Gesamtschadensansprüchen, die durch InsVerw nur geltend gemacht
werden [§ 92], zB wegen Insolvenzverschleppung)
– Ansprüche gegen Gesellschafter, zB aus Kapitalerhaltungsvorschriften
145
Immaterialgüterrechte
• Patente
– nur, wenn der Erfinder den Willen zur wirtschaftlichen Nutzung gezeigt hat
• Urheberrechte
– nur das Nutzungsrecht, und nur, wenn der Urheber eingewilligt hat (§ 36 I 1
InsO i.V.m. § 113 UrhG)
146
Neuerwerb
• fällt nach der InsO auch in die Masse
– insbes. Lohn und Gehalt
• diese waren auch der Hauptgrund für die Neuregelung: Vielfach sind
sie bereits gepfändet oder abgetreten worden, das schmälert die
Chancen der Gläubigergleichbehandlung
– relevante Vorschriften: §§ 81 II, 89 II, 114 I, III, 287 III
– Erbschaften
• allerdings muss der Schuldner sie nicht annehmen, § 83
– wenn er es aber tut -> Insolvenzmasse
– Schenkungen, Lottogewinn, originärer Eigentumserwerb, z.B. nach §§ 946
ff. BGB
147
Freigabe von Massegegenständen durch den InsVerw
• Zulässigkeit vorausgesetzt in § 32 III 1 („wurde ein Grundstück freigegeben“)
– -> Gegenstand gehört nicht mehr zur Masse
• Freigabe = einseitige, empfangsbedürftige WE gegenüber dem Schuldner
• sinnvoll, wenn der Gegenstand voraussichtlich mehr Kosten als Wert bringen
wird oder unverwertbar ist
– z.B. weil ein anhängiger Rechtsstreit vermutlich verloren wird und hohe
Prozesskosten bestehen
– str., ob die Freigabe altlastenverseuchter Grundstücke die Masse von den
Beseitigungskosten befreit (BVerwG: Ja)
148
Freigabe in der Insolvenz von jur. Personen und Gesellschaften
• Problem: Gesellschaften werden bereits mit Eröffnung des InsV aufgelöst
– soll nach Beendigung des InsV noch eine gesellschaftsrechtliche
Liquidation stattfinden?
• nach Intention der InsO nicht, vgl. auch § 199 S. 2:
Verwertungsüberschuss an die Gesellschafter, nicht an die
Liquidatoren
• auch im RegE stand, dass das InsV auch der Vollabwicklung des
Rechtsträgers dient
• wenn der InsVerw Gegenstände freigibt, ist eine Vollabwicklung formal nicht
möglich
– zur Verwertung dieser Gegenstände hat er keine Befugnis nach § 80 I mehr
– solange noch Vermögen besteht, kann die Gesellschaft nicht vollbeendet
werden
• nicht einmal, wenn sie – irrtümlich – nach § 141a I 2 FGG gelöscht
wurde (Lehre vom Doppeltatbestand)
149
Ansichten zur Problematik
•  M.M. (Karsten Schmidt): in der Insolvenz der Gesellschaft sollen keine
Freigaben möglich sein
– Problem: Argumentation überzeugt jedoch nur, wenn die Gesellschaft
voraussichtlich gelöscht werden muss
• Was aber, wenn noch nicht feststeht, ob sie nicht gerettet werden
kann? Und dies vielleicht sogar erschwert würde durch die nicht
mögliche Freigabe?
• deshalb h.M.:
– Freigabe zulässig, auch wenn ggfs. dadurch nach dem InsV noch eine
gesellschaftsrechtliche Liquidation erforderlich wird
150
Insolvenzfreies Vermögen, § 36
• Verknüpfung mit pfändungsfreiem Vermögen
–  regelmäßig nur Schutz von natürlichen Personen, nicht Gesellschaften
– Forderungen nur, soweit sie das Existenzminimum überschreiten
• allerdings pfändungsfreie Grenze von Arbeitseinkommen relativ hoch
151
II. Aussonderung und Absonderung - Überblick
1. Regelungszweck und Geltendmachung
• Aussonderung: Nichtzugehörigkeit zur Insolvenzmasse =
zum haftenden Vermögen i.S.v. § 35 (Parallele: § 771 ZPO)
• Absonderung: vorrangiges Befriedigungsrecht an einem an sich zum
haftenden Vermögen gehörenden Gegenstand
(Parallele: § 805 ZPO)
152
III. Zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren (§§ 94ff.)
1. Aufrechnungsbefugnis als schutzwürdige Rechtsposition
• Aufrechnungsschutz und Gleichbehandlungsgrundsatz
• Beschränkung des ergänzenden Insolvenzschutzes auf
aufrechnungsspezifische Vertrauenstatbestände
2. Eintritt der Aufrechnungslage nach Verfahrenseröffnung
("werdende Aufrechnungslagen", § 95)
3. Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis (§ 96)
4. Erklärung und Wirkung der Aufrechnung
153
Die Insolvenzanfechtung, §§ 129 ff.
Grundsätzliches
• Bezweckt das Auffüllen der Insolvenzmasse
• Betrifft Vermögensgegenstände, die aus dem Schuldnervermögen
ausgeschieden sind
– In zeitlicher Nähe zum InsV
– Unter suspekten Bedingungen
• Verhinderung der Bevorzugung einzelner Gläubiger im Vorfeld des InsV
– Vorverlagerung der Gleichbehandlung Vorfeld des InsV
• Rechtsfolge -> schuldrechtlicher Rückgewähranspruch
– Von der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB streng zu trennen! (Näheres
unten)
• Aber evtl. auch § 138 BGB erfüllt, insbes. bei Kollusion -> Nichtigkeit
154
Voraussetzungen - Überblick
• Rechtshandlung
– Wirtschaftliche Betrachtung – jedes rechtlich relevante Verhalten
• Objektive Gläubigerbenachteiligung
– Befriedigungsmöglichkeiten wären ohne die Rechtshandlung günstiger
• Wirtschaftliche Betrachtung
• Vornahme in einem bestimmten Zeitraum
– Unterschiedlich je nach Anfechtungsart
• Anfechtungsbefugnis: InsVerw, § 80 I
– Im Verbraucher-InsV: Gläubiger, § 313 II
155
1. Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen
a) Anfechtungsgegenstand = durch "Rechtshandlung" entstandene
gläubigerbenachteiligende Rechtswirkung
aa) obj Gläubigerbenachteiligung: Verkürzung der Haftungsmasse
• muß entweder haftende Vermögensgegenstände betreffen (also nicht
Aussonderungsgut, str für EV- und Absonderungsgut)
• oder die Masse insgesamt entwerten, zB durch Inanspruchnahme eines
Kredits
• Befriedigungschancen der InsGl wären ohne die Rechtshandlung besser
(Verkürzung der Haftungsmasse)
• nicht, wenn verschenkter Gegenstand über seinen Wert hinaus belastet
war mit Absonderungsrechten
156
Benachteiligungsarten
• Mittelbar, durch Hinzutreten weiterer Umstände
– In der Regel ausreichend
• Bis zum Ende des Anfechtungsprozesses
– Beispiele:
• Hinzukommen neuer Gläubiger
• Gesicherte Forderung wird durch ungesicherte ersetzt
• Schuldner hat Gegenleistung verbraucht oder verloren
• Wertrelation Leistung/Gegenleistung hat sich verschlechtert
– Z.B. (damals angemessen) veräußerte Wertpapiere sind im Kurs
gestiegen
– keine Berufung auf hypothetische Entwicklungen ("Reserveursachen")
• Unmittelbar
– Ausnahmsweise erforderlich (§§ 132 I, 133 II)
– Varianten:
• Leistung ohne (angemessene) Gegenleistung
• Versprochene/gewährte Gegenleistung, obwohl keine geschuldet war
157
bb) tatbestandlicher Anknüpfungspunkt: „Rechtshandlung“
• jedes rechtlich relevante Verhalten
– positives Tun
• Rechtsgeschäft, Realakt (Verbindung, Vermischung), Prozesshandlung
(Geständnis, Klageverzicht)
– Unterlassen
• Verstreichenlassen von Fristen, Nichtbestreiten im Prozess
• auch Rechtshandlungen Dritter
– Aufrechnung, Zwangsvollstreckung
• soweit nicht bereits § 88 greift
– §§ 132 f. setzen Handlung des Schuldners voraus
158
Handlungen des vorl. InsVerw
• nicht anfechtbar: Handlungen des starken oder des punktuell starken InsVerw
– ist dem endgültigen InsVerw gleichgestellt und begründet
Masseverbindlichkeiten
• grds. anfechtbar: Handlungen des Schuldners mit Zustimmung des
schwachen vorläufigen InsVerw
– da keine Masseverbindlichkeiten begründet werden, d.h. keine dem
endgültigen InsVerw angenährte Stellung
– selbst bei Personenidentität des vorläufigen und endgültigen InsVerw
159
Ausnahme: Vertrauenstatbestand
• bei Zustimmung zu neuen Verträgen, die neue Leistungen des InsGl.
vorsehen, in denen die Erfüllung von Altverbindlichkeiten versprochen wird
– auch bei Zustimmung nur der Zahlung in Kenntnis der Vereinbarung zur
Fortführung der Geschäftsbeziehungen
• außer der vorl. InsVerw hatte sich die InsAnf vorbehalten
• außer der InsVerw wurde durch Ausnutzung der wirtschaftlichen
Machtstellung des Gläubigers gezwungen
– muss dann deutlich gemacht haben, die Befriedigung der
Altverbindlichkeiten für nicht gerechtfertigt zu halten
– Ratio: Ermöglichung der Betriebsfortführung
• kein Vertrauenstatbestand, wenn nur gesetzliche Verpflichtungen erfüllt
wurden, ohne dass neue Leistungen anstehen
– -> Deckungsanfechtung, § 130
160
b) Rechtsfolgen: Haftungsrestitution ("haftungsrechtliche Unwirksamkeit" iwS)
aa) schuldrechtliche Ansprüche, Umfang wie bei Bereicherungsanspruch mit
Kenntnis des Empfängers vom fehlenden Rechtsgrund
•
grds Rückgewähr = haftungsrechtl Restitution: Wiederherstellung des vorh
Haftungszustands in Natur
•
ausnahmsweise Wertersatz: haftungsrechtliche Kompensation nach
Bereicherungsrecht (§ 143 I 2 iVm §§ 819 I, 818 IV, 292, 987 II, 989 BGB)
161
Rückgewähranspruch
• Anspruch entsteht mit Eröffnung kraft Gesetzes
–  kein Gestaltungsrecht des InsVerw
• Im Prozess wird Anfechtbarkeit auch ohne Berufung darauf geprüft,
wenn sie zum Antragsziel führt
• konkreter Inhalt richtet sich nach der anfechtbaren Rechtshandlung
– z.B. Rückübereignung, Verzicht auf bestellte Sicherheiten, Neubegründung
erlassener Forderungen
• Anfechtungsanspruch verjährt
– § 146 I i.V.m. §§ 195, 199 BGB
• beachte: anders AnfG (Ausschlussfristen)
162
(Forts.: Anfechtungsrechtsfolgen)
bb) haftungsrechtliche Unwirksamkeit ieS
• Beispiele: Aufrechnung (§ 96 Nr 3), Pfändung/ Verpfändung, Erlass,
Einverständnisse, Forderungsbegründung
•
Rechtsfolge: Rechtsänderung bleibt unbeachtet, Geltendmachung durch
"Anfechtungseinrede"/"-replik"
163
Haftungsrechtliche Folgen
• anfechtbar erworbener Gegenstand ist zwar (noch) im formellen Vermögen
des Erwerbers, steht aber haftungsrechtlich dem Vermögen des Schuldners zu
• -> wird von Gläubigern des Erwerbers darin vollstreckt
–  Drittwiderspruchsklage des InsVerw, § 771 ZPO (hM, str.)
• wird auch der Erwerber insolvent
–  Aussonderungsrecht des InsVerw, § 47 (hM, str.)
• gewisse Verdinglichung der Position des InsVerw
• s. auch Ausschluss der Aufrechnung, § 96 I Nr. 3
164
c) Geltendmachung
aa) „Anfechtungsklage": nur noch einer von mehreren
Behelfen zur Hemmung der allgemeinen Verjährung
(§ 146 I InsO iVm §§ 195, 199 BGB),
beachte: anders AnfG (Ausschlussfristen)
bb) Anfechtungseinrede
• unbefristet, § 146 II
• Besonderheit: verjährungshemmend, §§ 204 BGB/146 I InsO
165
2. Anfechtungstatbestände
a) Überblick und gemeinsame Merkmale / Unterscheidungskriterien
aa) besondere Insolvenzanfechtung (v.a. §§ 130 - 132 InsO) ./. allgemeine
Anfechtungstatbestände (v.a. §§ 133, 134 InsO)
bb) mittelbare/unmittelbare Gläubigerbenachteiligung
• Grds: mittelbare Benachteiligung genügt - Verwirklichung nachteiliger
Folgen bis zum Ende des Anfechtungsprozesses
• Ausn: unmittelbare Gläubigerbenachteiligung erforderlich
(§§ 132 I, 133 II): wenn Schuldner für das Weggegebene nicht
unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung erhält
166
InsAnf
Differenzierung
Nach
Gegenstand
Nur im InsV
Bes. Tatbestände
§§ 130-132
Nach
Benachteiligung
Auch im AnfG
Allg. Tatbestände
§§ 133, 134
mittelbar
(genügt meist)
unmittelbar
§§ 132 I, 133 II
167
„Anfechtungsgrund“, §§ 130-137
• Allgemeine Anfechtungsgründe (Parallele im AnfG)
– Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung, § 133 ("Vorsatz-" oder
"Absichtsanfechtung", wie § 3 AnfG)
– Unentgeltliche Leistung, § 134 ("Schenkungsanfechtung", wie § 4 AnfG)
– Gesellschafterdarlehen, § 135 (wie § 6 AnfG)
• "Besondere Insolvenzanfechtung" in der Krise (keine Parallele im AnfG)
– von Deckungsgeschäften (Sicherung oder Befriedigung)
– bei kongruenter (oder inkongruenter!) Deckung, § 130
• bei inkongruenter Deckung, § 131
– bei unmittelbar nachteiliger Rechtshandlung, § 132
– Sonderfälle:
• Leistungen an stille Gesellschafter, § 136
• Wechsel- und Scheckzahlungen, § 137 II
168
b) § 130: Anfechtung wegen kongruenter (oder inkongruenter!) Deckung
•
AnfGegner hat erlangt, was und wie es ihm zustand - an sich nicht
anstößig, aber Vorverlagerung der par condicio creditorum ins Vorfeld des
InsV (Krise)
•
Deckung eines InsGl: Gleichbehandlung der InsGl, bezogen auf Zeitpunkt
der Krise
•
Deckung = Sicherung oder Befriedigung oder deren Ermöglichung
•
erforderlich: positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder zwingende
Schlussfolgerung aus bekannten Umständen (längere Nichtabführung von
Sozialversicherungsbeiträgen, Zahlungseinstellung, nur Teilzahlungen)
169
•
Vermutung der Kenntnis bei nahestehenden Personen (§ 138)
•
wichtig als Anknüpfungspunkt für Beweislastumkehr: § 130 III,
ferner §§ 131 II 2, 132 III, 133 II
•
Insolvenz der natürlichen Person (§ 138 I)
• nahe Verwandte des Sch
• vergleichbare gesellschaftrechtl. oder dienstvertragl. Beziehung des
Sch.
•
Insolvenz der juristischen Person (§ 138 II)
• Organmitglieder, persönlich haftende und qualifiziert beteiligte Gfter
• vergleichbare gesellschaftrechtl. oder dienstvertragl. Beziehung
• Ausdehnung auf deren nahe Verwandte
170
zeitliche Aspekte für die Anwendung der Rückrechnungsfristen (§ 140):
•
•
•
Grundsatz: mit Eintritt der rechtlichen Wirkung, § 140 I
• letzte Handlung, die zum rechtlichen Erfolg führt
• z.B. erst Annahme, Genehmigung
• Zwangsvollstreckung: Pfändung, weil dadurch ein Pfändungspfandrecht
entsteht, das bereits ein Absonderungsrecht begründet
soweit Grundbucheintragung erforderlich  mit Einreichen des
Eintragungsantrags (auch zur Vormerkung), § 140 II
• Problem: § 140 II erwähnt nur den Fall, dass „der andere Teil“ (d.h. der
Erwerber) den Antrag stellt  für Schuldner-Anträge würde § 140 I
gelten (Eintritt der Rechtswirkung), das wäre nach Eröffnung, also käme
keine Anfechtbarkeit in Frage (§ 129)
• h.M.: Redaktionelles Versehen  auch bei Eintragungsantrag des
Schuldners ist die Rechtshandlung vor dem InsV erfolgt (§ 140 II) und
kann voll angefochten werden
Bedingungen und Befristungen werden nicht beachtet, § 140 III
171
• Ausnahme für Bardeckung (auch: "Bargeschäft", § 142): Leistung des Sch,
für die unmittelbar eine Gegenleistung zur Haftungsmasse gelangt
• Sinn: Privilegierung zeitnah erfüllter verkehrsüblicher Umsatzgeschäfte, die
nicht unter § 132 I fallen
• Austausch haftungsrechtlich gleichwertiger Leistungen, z.B. ...
– Gutschrift auf debitorisch geführtes Kontokorrent + Zulassung von
Verfügung in gleicher Höhe
– Erwerb eines belasteten Grundstücks unter Anrechnung der Belastung
auf den Kaufpreis
– Zahlung angemessener Vergütung an Sanierungsberater in der Krise
– Sicherung eines Rückzahlungsanspruchs durch Grundschuld
• nicht notwendig Zug um Zug, enger zeitlicher Zusammenhang reicht:
Abgrenzung zum Kreditgeschäft (BGH: eine Woche schädlich, wenn aufgrund
v Zahlungsproblemen; sonst deutlich länger)
• nur bei kongruenten Geschäften (BGH, sehr str), dh Wirkung praktisch nur
Ausschluss des § 130, Anfechtung nach §§ 131, 133 bleibt möglich (mittelbare
Gläubigerbenachteiligung, zB erleichterte Entziehung der Gegenleistung) 172
c) § 131: Anfechtung wegen inkongruenter Deckung
•
Deckung eines Insolvenzgläubigers
•
"Inkongruenz": alles suspekt, was
• nicht
• nicht so ("nicht in der Art", z.B. Leistung an Erfüllungs Statt oder
erfüllungshalber, § 364 BGB; aber Begleichen einer Schuld durch
eigenen Scheck ist verkehrsüblich und damit kongruent [BGH]), oder
Sicherungszession statt SÜ)
• nicht außerhalb der Krise vereinbart war
•
erforderlich: nur Kenntnis der Benachteiligung oder zwingende
Schlussfolgerung
173
Inkongruente Deckung, § 131
Zeitpunkt der
Rechtshandlung
Nach dem Antrag
1 Monat vor Antrag
2-3 Monate
vor dem Antrag
Zahlungsunfähigkeit
alternativ
Kenntnis des Gl.
von Benachteiligung
Vermutet bei
Nahestehenden
174
Zwangsvollstreckung und Inkongruenz
• Vorhandensein eines vollstreckbaren Titels oder Erwerb in der ZwV schließen
Anfechtung nicht aus, § 141
• nach welcher Vorschrift?
– nach h.M. jeder Erwerb in der ZwV inkongruent, weil (frühere Begründung)
er erst durch das Pfändungspfandrecht möglich gemacht wird, und das
war nicht „vereinbart“ bzw. weil ihm in der Krise der Staat nicht mehr die
Machtmittel der ZwV endgültig zubilligen will
• gilt auch, wenn der Schuldner zur Abwendung der unmittelbar
drohenden ZwV freiwillig zahlt
• auch, wenn er tatsächlich geschuldet hat, was sonst nur zu einer
kongruenten Deckungsanfechtung führen würde
– als Zeitpunkt maßgeblich die Pfändung, nicht die Befriedigung
– beachte: für den letzten Monat vor der Antragstellung daneben
Rückschlagsperre gem. § 88 als Sonderrechtsfolge der Anfechtung wegen
inkongruenter Deckung
175
Anfechtung im bankmäßigen Zahlungsverkehr - Verrechnung von
Gutschriften auf debitorischem Konto
• a) Verwendung der Gutschriftsbeträge für zugelassene spätere
Auszahlungen im Kontokorrentverkehr
– kongruent
– Bargeschäft (nur zeitnahe Ausz = wohl bis zu 4 Wochen )
• b) Verwendung für Rückführung des Debetsaldos
– bei Kontokorrentkredit grds inkongruente Deckung, solange nicht
förmlich gekündigt (nicht ausreichend: Androhung der Fälligstellung,
Verweigerung weiterer Belastungen)
– bei einseitiger Überziehung der Kreditlinie grds kongruent, es sei denn
stillschw Erweiterung des Kredits
– nach BGH wohl nur Differenz zwischen Anfangs- und Endstand eines
Monats (aA: Höchst- und Endstand)
176
Anfechtung von Kreditsicherheiten wegen inkongruenter Deckung
• a) wenn nicht Anspruch auf gerade die konkrete Sicherheit bestimmt
vereinbart war
– Pfandrecht gem Nr 14 I AGB-Bk macht Sicherung nicht kongruent, weil
inhaltlich unbestimmt
– Unter-Deckung-Nehmen neuer Forderung unter alte Sicherheit
– Unter-Deckung-Nehmen alter Forderung unter neue Sicherheit
• b) wenn Sicherheit nicht vor der Krise wirksam vereinbart worden war (zB
aufsch Bedingung der Zahlungseinstellung)
177
d) § 132: Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen
aa) § 132 I: Begründung von Verbindlichkeiten durch Abschluss unmittelbar
nachteiliger Verträge
bb) § 132 II: nachteilige Rechtshandlungen
• Auffangtatbestand, insbes für Unterlassungen
• mittelbare Benachteiligung genügt
178
e) § 133: Vorsatzanfechtung
• Rechtshandlung des Sch. (z.B. auch Veranlassung des Lastschrifteinzugs
durch AnfGegner)
• mittelbare Gläubigerbenachteiligung
• Benachteiligungsvorsatz (des Sch.): wie Benachteiligungsabsicht aF
• Bewusstsein des Sch., dass die liquiden Mittel nicht zur Befriedigung
aller fälligen Verbindlichkeiten ausreichen
• nur dann zusätzlich Schädigungsabsicht erforderlich, wenn Sch. sich
darauf beschränkt, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen, d.h. i.d.R.
bei kongruenter Deckung
• inkongruente Deckung als starkes Beweisanzeichen
•
Kenntnis des Anfechtungsgegners (nicht: eig. Benachteiligungsvorsatz !)
• Kenntnis der maßgebl. Umstände genügt
• Inkongruenz als Indiz
• wird nach § 133 I 2 vermutet, wenn Kenntnis von drohender
Zahlungsunfähigkeit und obj. Gl-Benachteiligung, ebenso bei
entgeltlichem Vertrag mit nahestehenden Personen, § 133 II
179
f) Anfechtung unentgeltlicher Leistungen (§ 134, "Schenkungsanfechtung")
•
„unentgeltlich": maßgebl. ist obj. Wertrelation, subj. Fehlvorstellungen der
Part unerheblich, aber Bewertungsspielraum
•
Rechtsfolge: grds nur Herausgabe der vorhandenen Bereicherung (§ 143 II
1), es sei denn, Anfechtungsgegner musste Anfechtbarkeit kennen (str, ob
einfache Fahrl reicht)
180
g. Exkurs: Die Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (§§ 3 - 5, 7,
9 AnfG)
•
Anfechtbare Rechtshandlung, § 3 ff. AnfG, insbesondere:
• Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung, § 3 AnfG
• Unentgeltliche Leistung, § 4 AnfG
• Gesellschafterdarlehen, § 6 AnfG
•
"Ausübung" der Anfechtung durch ...
• ... Einrede, § 9 AnfG (insbesondere gegen Drittwiderspruchsklage des
Anfechtungsgegners)
• ... gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs auf Duldung der
Zwangsvollstreckung („zur Verfügung gestellt ..., soweit ...") oder auf
Wertersatz, §§ 11 ff. AnfG
•
Anfechtungsberechtigter Gläubiger, § 2 AnfG
•
Anfechtungsfrist, §§ 3, 4, 6, 7 AnfG
181
Prüfungsschema Insolvenzanfechtung
• Liegt objektive Gläubigerbenachteiligung durch Rechtshandlung des
Schuldners oder Dritter vor?
• Welcher Anfechtungstatbestand kommt in Frage?
– Schenkungs- und Vorsatzanfechtung ausschließen
– Kongruente oder inkongruente Deckung?
– Bargeschäft?
– Liegt die Rechtshandlung innerhalb des dort vorgesehenen Zeitfensters?
• Ist die subjektive Voraussetzung erfüllt?
• Beweislast beachten!
– Ergibt sich aus Regel-/Ausnahmeverhältnis im Tatbestand
182
Geltendmachung von Gesamtschadensansprüchen (§ 92)
•
•
•
typ. Gesamtschaden = sog. Masseverkürzungs- oder Quotenschaden
Ansprüche gegen Geschäftsführer (Vorstandsmitglieder)
•
Anspr. der Gl. wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 II BGB i.V.m. §§
64 I GmbHG, 130 a I, 177 a HGB, 92 II AktG)
•
Anspr. der Gesellschaft wegen verbotener Zahlungen nach Eintritt der
Insolvenz (§ 823 II i.V.m. § 64 II GmbHG, §§ 130 a II, 177 a HGB, § 92 III
AktG) sowie Haftungsansprüche gegen den Insolvenzverw. wg.
schuldhafter Schmälerung der Insolvenzmasse (§ 60 InsO)
Ansprüche der "Neugläubiger" i.F. der Haftung des GmbH-GF wegen
verspäteter Stellung d. Insolvenzantrags = individueller
Vertrauensschaden, unterliegt nicht der Ermächtigungs- und Sperrwirkung
der Gesamtschadensliquidation iSv § 92
183
•
•
Folge, dass der Insolvenzverwalter und ausschließlich dieser zur
Geltendmachung dieses Anspruchs einziehungs- und
prozessführungsbefugt ist (Sperr- und Legitimationswirkung)
- Ermächtigungswirkung des § 92 S.1: Insolvenzverwalter ist berechtigt,
die Schadensersatzansprüche Insolvenzgläubiger einzuziehen und ggf.
prozessual durchzusetzen (gesetzl. Prozessstandschaft +
Einziehungsermächtigung)
- beschränkt sich auf die am Insolvenzverfahren teilnehmenden Gl.
- Sperrwirkung: alle (!) Gläubiger während des Verfahrens von der
Geltendmachung ihrer (!) Forderung ausgeschlossen
ein über den Anspruch bereits von Einzelgläubigers anhängig
gemachter Prozess ist analog § 17 I 1 AnfG unterbrochen und
unterliegt der Aufnahme durch den Insolvenzverwalter
Bindung des Gl. (= Forderungsinhabers) an Verfügungen des InsVerw, zB
Einziehung, Vergleich (str.)
184
Geltendmachung v. Gesellschaftermithaftung (§ 93 InsO)
•
•
Ermächtigungs- und Sperrwirkung wie bei § 92
von § 93 InsO erfasste Ansprüche gegen die Gesellschafter:
•
str., ob auch von Gesellschaftern gewährte Personalsicherheiten wie
Gesellschafterbürgschaften und Schuldbeitritte betroffen
•
jedenfalls die spezifisch gesellschaftsrechtliche Haftung der
Gesellschafter gem. § 128 HGB
185
Geltendmachung v. Gesellschaftermithaftung (Forts.)
• Umfang der Inanspruchnahme
•
Insolvenzverwalter kann nicht pauschal den Fehlbetrag im
Gesellschafts vermögen verlangen, sondern muss jeweils die
einzelne Forderung geltend machen, um dem Gesellschafter zu
ermöglichen, das Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit
konkret zu bestreiten
•
Gesellschafter kann dabei auch Einwendungen geltend machen, die
ihm persönlich gegen den jeweiligen Gesellschaftsgläubiger
zustehen
•
auch: Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Gläubiger
•
Obergrenze der persönlichen Inanspruchnahme der Gesellschafter:
Ausfall der Insolvenzgläubiger im Verfahren, d.h. der Summe der
Gläubigerforderungen abzüglich des Gesellschaftsvermögens
•
persönliche Haftung in der Insolvenz subsidiär gegenüber der
Haftung des Gesellschaftsvermögens
186
(Forts.: Geltendmachung v. Gesellschaftermithaftung)
•
Verteilung der eingezogenen Beträge: anteilig nur an diejenigen Gläubiger
auszuschütten, denen der Gesellschafter auch tatsächlich persönlich
haftet; insofern ist (mindestens) eine Sondermasse zu bilden, die von der
"normalen" Masse getrennt zu verwalten ist
•
str., ob die Haftung der Gesellschafter auch für die Kosten des Verfahrens
gilt, die Masseverbindlichkeiten nach § 54 InsO sind
187
Sanierung im Unternehmensinsolvenzverfahren
-
Wdh.: Die Zwecke des Unternehmensinsolvenzverfahrens (§ 1)
-
für Gläubiger = Insolvenzgläubiger: bestmögliche Gläubigerbefriedigung
durch Kollektivierung der Haftungsverwirklichung (§ 1 S. 1)
- Liquidation des Schuldnervermögens, insbes. des vom
Schuldner betriebenen Unternehmens (vgl. § 159)
- Sanierung von Unternehmen/Unternehmensträgern: ebenfalls
nur Mittel der Gläubigerbefriedigung
188
Sanierungsmethoden im InsV
• "freie" Sanierung, z.B. durch Sanierungskredite, gesellschaftsrechtliche
Umstrukturierungsmaßnahmen
– Vorteile: keine Imageprobleme des Unternehmens, keine Beunruhigung der
Öffentlichkeit (insbes. im Banken- und Versicherungssektor)
– Problem: keine Zwangswirkung auf nichtmitwirkende Gläubiger
– Risiken bei Scheitern der Sanierung:
• Rang von Sanierungskrediten aus freier Sanierung im folgenden
Insolvenzverfahren: allgemeine Regeln (InsGl., ggf. Nachrang wegen
kapitalersetzende Gfter-Darlehen)
• Anfechtung von Sanierungskrediten (werden zur InsAbwendung
gegeben, z.B. um Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden) bzw. deren
Tilgung/Sicherung
• Gewährung eines Sanierungskredits ohne ausreichende
Sanierungsprüfung kann Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB
begründen (Insolvenzverschleppung).
189
Sanierungsmethoden im InsV
• Sanierung im InsVerf
– Vorteile: Schutzwirkung des InsVerf (insbes. durch Beschränkung von
Gläubigerrechten)
– Nachteile
• Imageverlust
• Konditionenverschlechterung
• Kosten
– sinnvoll, wenn der Fortführungswert höher ist als der voraussichtliche
Liquidationserlös
– denkbar sowohl im Regelinsolvenzverfahren als auch im
Insolvenzplanverfahren
• im Regelinsolvenzverfahren häufig praktisch nicht durchsetzbar, weil
eine Modifizierung der Ansprüche und die Begründung von neuen
Verbindlichkeiten nötig ist
190
Sanierungsmethoden im InsV
• Übertragende Sanierung = Sanierung des Unternehmens (idR, aber nicht
notwendigerweise ohne Sanierung des Unternehmensträgers  sanierende
Liquidation)
– Veräußerung des Unternehmens in der Insolvenz an Dritten, der es
weiterbetreibt (Sanierung in der Form der Liquidation)
– Regelfall
– Befriedigung aus dem Veräußerungserlös
• Fortführende Sanierung, „Reorganisation“ = Sanierung des
Unternehmensträgers
• Schuldenerlass, Neuausrichtung des Unternehmens etc., das in der Hand des
bisherigen Inhabers bleibt
– Ausnahme
– Befriedigung aus den Erträgen
– sinnvoll, wenn Gesellschafter eigene Gelder zuschießen wollen, um die
Gesellschaft zu erhalten
191
Sanierungsinstrumente im Regelinsolvenzverfahren
• Sanierungsmöglk geht in den InsGrund der Überschuldung ein, § 19 II 2
• Besonderer Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit, § 18, soll
rechtzeitige VerfEröffnung erleichtern.
• Anreiz: Eigenverwaltung §§ 270 - 285 (insbes. in den USA meist so der Fall;
Problem Interessenkonflikt)
• InsGericht kann vorl. InsVerwalter bestellen, der grds. das Unternehmen
vorläufig fortführen bzw. Sanierungschancen prüfen muss (§ 22 II Nr.2, 3)
192
• Sanierungstechniken
• Bes. Sachkunde des InsVerwalters nötig --> wirtschaftl. Kompetenz
• Grundentscheidung über Sanierung bei GlVersammlung, § 157, z.T. vorverlagert
auf GlAusschuss, § 158
• ZustimmungsPflichten GlAusschuss bzw. GlVersammlung, vgl. § 160 ff (wichtig §
164 - Wirksamkeit Hdlg. der InsVerwalters trotz fehlender Zust anderer InsOrgane;
aber Haftung § 60)
• Schwebende Verträge §§ 103 ff (WahlR, auch Beschränkung des KündR von
Vermietern etc.; umgekehrt: KündigungsR des InsVerwalters insbes. bei
Arbeitsverhältnissen)
• Verwertung der AbsondRechte an bewegl. Gegenständen durch InsVerwalter, §
166
• Aussetzung der Verwertung von Grundstücken, § 30 d ZVG
• Rang von Sanierungskrediten bei Scheitern der Sanierung? § 55 I Nr. 1, II InsO,
aber uU wenig wert bei Masseunzulänglichkeit, § 209 I Nr.3
193
• Insbesondere: sog. übertragende Sanierung
• § 160 II Nr.1: grds. genügt Zust GlAusschuss; anders bei Veräußerung an
besonders Interessierte, § 162: Insidergefahr)
• Rechtsschutz § 161 od. § 163
• Abschaffung des § 419 BGB a.F. (Mithaftung des Vermögensübernehmers für
Altschulden), nicht jedoch § 25 HGB: grds. Haftung des Erwerbers eines
Handelsgeschäfts/Unternehmens für Altschulden des Veräußerers, wenn
Erwerber die Firma fortführt - gilt nach hM nicht bei Übertragung durch
InsVerwalter, arg: teleologische Reduktion: Anwendung von § 25 HGB würde
in der Insolvenz Sanierung wesentlich behindern + Gläubiger sind
ausreichend geschützt durch Erhalt des Kaufpreises vom Erwerber des
Unternehmens
• Eintritt Erwerber in Arbeitsverhältnisse, § 613 a BGB (beruht auf EG-RiL
77/187/EWG v. 14.2.1977, die nach der Rspr des EuGH bei Veräußerung in
LiquVerf nicht gilt, anders aber bei Sanierung).
• BAG mildert § 613 a BGB (keine Haftung für bei VerfEröffnung bereits
bestehende Verbindlichkeiten)
194
Sanierungsinstrumente im Regelinsolvenzverfahren
• Begleitende gesellschaftsrechtliche u.ä. Maßnahmen
– - insbes. KapHerabsetzung + KapErhöhung
– - denkbar auch andere org. Maßnahmen, z.B. Aufnahme neuer
Gfter, Rechtsformänderung, Fusionen etc.
195
Gläubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren
Gläubigerbefriedigung
nach
InsO-Regeln
nach
Insolvenzplan
meist Liquidation
Sanierung
auch Sanierung
denkbar
abw. Verwertung
196
Grundfragen des Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff.)
•
•
•
•
Zweck: Privatisierung der Insolvenzabwicklung durch autonome Regelung
der Beteiligten (vgl. §§ 1 S. 1, 217)
• Hintergrund: Effizienz privatautonomer Regelungen 
„Vergrößerung“ der Haftungsmasse im Vergleich zum Regelverfahren
Insolvenzplan = universelles Instrument der Masseverwertung,
nicht nur Unternehmenssanierung (vgl. § 1 S. 1: „insbesondere“)
• Plantypen: Liquidationspläne, Übertragungspläne,
Reorganisationspläne
Rechtsnatur eines Insolvenzplans: mehrseitiger Vertrag zwischen
den Gläubigern und dem Schuldner über die Verwertung des
haftenden Schuldnervermögens (str.)
Vorbild: Reorganisationsverfahren des US-amerikanischen
Insolvenzrechts (Chapter 11 des U.S. Bankruptcy Code)
197
Aufbau eines Insolvenzplans (vgl. § 219)
•
darstellender Teil (§ 220) - Funktion: Information über Plangrundlagen
•
gestaltender Teil (§§ 221 ff.) - Funktion: rechtsgestaltende Regelungen
•
Anlagen (§§ 229, 230) - Funktion: teilweise Information (vgl. § 229),
teilweise Sicherstellung d. Planrealisierbarkeit (vgl. § 230 II)
198
•
Aufbau eines Insolvenzplans (vgl. § 219)
darstellender Teil (§ 220)
• Zielsetzung
• Liquidationsplan
• Übertragungsplan (übertragende Sanierung des Unternehmens])
• Sanierungsplan (Sanierung des Unternehmensträgers)
• Unternehmensanalyse
• Insolvenzursachen und Zukunftsperspektive
• Vermögensbewertung, Prognose der Ertragskraft
•
gestaltender Teil (§§ 221 ff.)
• Eingriffe in Rechtsstellung der Beteiligten (vgl. §§ 254 I, 257)
• Eingriff in gesellschaftsrechtl. Struktur des Sch.
• Eingriff in Forderungsrechte der Gl.
• Eingriff in Absonderungsrechte
• Möglichkeit der Einbeziehung des Staates (Subventionen)
•
Anlagen (§§ 229, 230)
199
Ablauf des Insolvenzplanverfahrens
• Planvorlage an das Insolvenzgericht gem. § 218
• Vorprüfung des Plans gem. § 231
• Planvorlagerecht (vgl. § 231 I Nr. 1) gem. § 218 = Planinitiative
• Schuldner
• Problem: Vorlageberechtig. b. Gesellschaften (§18 III ana.?)
• Insolvenzverwalter (mit beratender Unterstützung des GlAussch.)
• aus eigenem Recht
• im Auftrag der Gläubigerversammlung
• Sachwalter (bei der Eigenverwaltung)
• Plankonkurrenz: "Wettbewerb als Entdeckungsverfahren"
• Einh. von Stellungnahmen (§ 232) und Niederlegung des Plans (§234)
• Erörterung des Plans und Abstimmung über den Plan im
Erörterungs- und Abstimmungstermin (§§ 235 ff.)
200
Ablauf des Insolvenzplanverfahrens (Forts.)
•
Rechtsgestaltung in einem Insolvenzplan und Abstimmung über diesen
erfolgen gruppenbezogen (vgl. §§ 222, 243)
• Zur Annahme des Plans grundsätzlich Kopf- und Summenmehrheit in
jd. Gläubigergruppe erforderlich (§ 244)
• Hintergrund: Bildung von Abstimmungskörpern mit Beteiligten, deren
Interessen gleich gelagert sind - Repräsentativität des
Abstimmungsergebnisses in einer Gruppe für alle Gruppenmitglieder
201
Ablauf des Insolvenzplanverfahrens (Forts.)
•
•
ggf. Fiktion der Zustimmung einer Gruppe nach dem
Obstruktionsverbot gem. § 245
Zweck des Obstruktionsverbots: „Verteilungskämpfe“ zwischen
den Gläubigergruppen werden nur bis zur Grenze der
„angemessenen Beteiligung“ toleriert
• Zur Annahme des Plans auch Zustimmung des Schuldners
erforderlich, diese wird unter bestimmten Voraussetzungen fingiert (§
247)
• gerichtliche Bestätigung des Plans (§§ 248 ff.)
• beachte Minderheitenschutz gem. § 251
202
Wirkungen des bestätigten Plans (§§ 254ff.)
•
•
•
•
•
•
Aufhebung des Verfahrens (§ 258 I)
gestaltende Wirkungen (s.o.)
Restschuldbefreiung insbesondere, § 227
Vollstreckbarkeit, § 257
Wirkung auch gegenüber Gl., die ihre Forderungen nicht angemeldet
haben (§ 254 I 3)
Hinfälligkeit von Stundung/Erlass bei erhebl. Zahlungsrückständen des
Sch.
203
Insolvenzplan und Eigenverwaltung
als strategische Handlungsoption für den Schuldner
•
•
•
Eigenverwaltung (§§ 270 ff.): Schuldner verwaltet die Masse und verfügt über
sie unter Aufsicht eines Sachwalters (§ 270 I S. 1)
[USA: „debtor in possession“]
• Voraussetzungen d. Anordn.: § 270 II, insbes. § 270 II Nr. 3
• beachte § 277 I S. 1
Denkbares Vorgehen des Schuldners:
• Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18
• + Vorlage eines Insolvenzplans gem. § 218 I S. 1 und S. 2 als
„Eigensanierungsplan“
• + Antrag auf Anordn. d. Eigenverwaltung gem. § 270 II Nr. 1
• + Antrag auf Aussetzung der Verw. und Verteilung nach § 233 S. 1
Anreizeffekte ökonomisch problematisch:
Insolvenzrecht als „Waschanlage“ für nachlässige Wirtschaftstätigkeit
204
•
Hauptschwächen des Insolvenzplanverfahrens:
• Schwierige Prognoseentscheidungen des Insolvenzgerichts
(§§ 245 I Nr. 1, 251 I Nr. 2)
• Einschaltung von Sachverständigen
• Verfahrensverzögerungen
• Gruppenbezogener Abstimmungsmechanismus stellt nicht
sicher, dass die ökonomisch richtige Entscheidung über die
Unternehmenszukunft getroffen wird
• Neuere Reorganisationsmodelle basieren auf einer vollständigen
Umwandlung von Gläubigerforderungen in Eigenkapital
205
Modelle eines „Konzerninsolvenzrechts“
•
•
•
•
de lege lata: je Rechtsträger  eigenes Insolvenzverfahren (vgl. § 11)
Problem: hierarchisch organisierte Konzerne als „wirtschaftliche Einheit“
• effiziente Insolvenzabwicklung bei solchen Konzernen muss
koordiniert erfolgen
• Maximierung der insgesamt für alle Gläubiger aller
Konzernunternehmen z. Verfügung stehenden Haftungsmasse
• Bsp.: Abwicklung eines Auftrages, bei dem die Muttergesellschaft
als Auftragnehmerin agiert und die Konzerntöchter als Subuntern.
keine Konsolidierung der Haftungsmassen und Gläubigeransprüche: wäre
ökonomisch nicht sinnvoll
anzustreben vielmehr: Koordination der rechtlich selbständigen einzelnen
Verfahren über die mehreren Konzernunternehmen
• Nutzen einer Verfahrenskoordination: Vergrößerung der insgesamt zur
Verfügung stehenden Haftungsmasse
206
Verfahrenskoordination bei „Konzerninsolvenzen“
•
Koordinationsinstrumente
• Zuständigkeitskonzentration bei Über-/Unterordnungskonzernen
gemäß § 3 I S. 2
• einheitliche Insolvenzverwalterbestellung
• Insolvenzverwaltungsverträge (zwischen den beteiligten Verwaltern
und / oder Gerichten)
• Eigenverwaltung (§§ 270 ff.) bei Tochtergesellschaften,
Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft als Sachwalter der Tochter
• abgestimmte Insolvenzpläne (§§ 217 ff.)
• Fortbestehen der Konzernleitungsmacht (beachte § 308 I S. 1 AktG)
207
Verfahrenskoordination bei „Konzerninsolvenzen“
•
•
•
Rechtsgrundlagen
• Insolvenzverwalter/Insolvenzgerichte: § 1 S. 1
• Geschäftsleiter: §§ 93 I S. 1 AktG, 43 I GmbHG
• Gläubiger: Treuepflicht aus gesellschaftsähnlicher Verbindung, die sich
auf die Gläubiger aller Konzernunternehmen erstreckt
• Gesellschafter: Treuepflicht
Allgemeine Vorauss.: Erforderlichkeit u. Zumutbarkeit von Pflichten
(„evidente Besserstellung gegenüber isolierter Insolvenzabwicklung“)
Inhalte: nach Adressaten zu unterscheiden
• Bsp. Insolvenzverwalter: etwa Erfüllung v. Subunternehmerverträgen mit
einer Konzern-Muttergesellschaft, Inanspruchnahme von deren ServiceLeistungen, Vorlage koordinierter Insolvenzpläne, koordinierte
Bestimmung des Abwicklungsmodus (Liquidation, Reorganisation,
übertragende Sanierung), ggf. Abschluss eines Insolvenzvertrags
208
Internationales Unternehmensinsolvenzrecht
•
Gegenstand: Auslandswirkungen einer Inlandsinsolvenz,
Inlandswirkungen einer Auslandsinsolvenz
•
Begriffe
• Die lex fori concursus als Insolvenzstatut (= auf das
Insolvenzverfahren und seine Wirkungen anwendbares Recht)
•
Das Universalitätsprinzip
• inländisches Insolvenzverfahren erfasst weltweites Vermögen
• Umkehrung: Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren
• Einheitlichkeit des Insolvenzverfahrens
209
Rechtsquellen des internationalen Insolvenzrechts
•
Innerhalb der EU: ab 31.5.2002 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates
über Insolvenzverfahren (EuInsVO = EIR [Eur. Insolvency Regulation])
i.V.m. Art. 102 §§ 1 ff. EGInsO
•
Im Verhältnis zu Drittstaaten: autonomes deutsches internationales
Insolvenzrecht (§§ 335 ff.)
•
übereinstimmender Inhalt:
• grds. Universalitätsprinzip
• grds. Geltung der lex fori concursus als Insolvenzstatut
• Partikularverfahren unter dem Recht des Niederlassungsstaates mit
territorialer Wirkung bleibt (i.d.R. als Sekundärinsolvenzverfahren)
möglich
210
Überblick zum "Europäischen Insolvenzrecht"
(EuInsVO i.V.m. Art. 102 EGInsO)
● Hauptinsolvenzverfahren
● EU-weite ipso-iure-Anerkennung, Art. 16 I
● universale Geltung, Art. 17 I
● Voraussetzung: "COMI" (center of main interest, Art. 3 I)
● Sekundärinsolvenzverfahren, Artt. 3 II, III, 16 II, 27ff.
● = Territorialverfahren neben bereits vorh. Hauptinsolvenzverfahren
● Beschränkung auf Territorium des Eröffnungsstaats
● Partikularinsolvenzverfahren = isoliertes Territorialverfahren
211
Sachlicher Anwendungsbereich der EuInsVO
1.
2.
3.
4.
Gesamtverfahren,
die die Insolvenz des Schuldners voraussetzen,
den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag
gegen den Schuldner und
die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben.
212
Internationale Zuständigkeit und Insolvenzfähigkeit
•
Internationale Zuständigkeit: Art. 3 EuInsVO
• Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen in Deutschland (Art. 3 I S. 1
EuInsVO, Vermutung für Satzungssitz gem. Art. 3 I S. 2 EuInsVO)
• bloße Niederlassung in Deutschland  Partikularverfahren, erfasst
nur Inlandsvermögen (Artt. 3 II, III, 27ff. EuInsVO)
• Insolvenzfähigkeit einer Auslandsgesellschaft
• richtet sich nach lex fori concursus (Art. 4 EuInsVO) Auslandsgesellschaft in D als ausländische juristische Person gemäß
§ 11 I insolvenzfähig (Substitution)
213
Eröffnungsvoraussetzungen und Insolvenzantragsrecht/-pflicht
•
•
•
Eröffnungsvoraussetzungen
• richten sich nach lex fori concursus (Art. 4 EuInsVO)
• Problem: Eröffnungsgründe bei Partikularverfahren
Insolvenzantragsrecht
• richtet sich nach lex fori concursus (Art. 4 EuInsVO), gemäß § 15 bei
ausl. jur. Person für Hauptinsolvenzverfahren im Inland jedes Mitglied
des Vertretungsorgans (Substitution)
Insolvenzantragspflicht
• = nicht gesellschaftsrechtlich ( Gründungsstatut), sondern
insolvenzrechtlich zu qualifizieren  über Art. 4 EuInsVO auf
ausländische juristische Person im Wege der Substitution anwendbar
• Antrag bei dem für Hauptinsolvenzverfahren (hypothetisch)
international zuständigen inländischen Gericht zu stellen
214
Voraussetzungen der Anerkennung (Art. 16 EuInsVO)
• Verfahren = „Insolvenzverfahren“ i.S.d. Anlage zur EuInsVO
• Eröffnungsentscheidung
– EuGH 2.5.06, C-341/04 – Eurofood: auch die Ernennung eines
vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn mit Insolvenzbeschlag
einhergehend
– durch ein Gericht eines EU-Mitgliedstaates (außer Dänemark)
– Entscheidung muss nach dem Recht des Eröffnungsstaates
wirksam, nicht aber (formell oder materiell) rechtskräftig sein.
215
• Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts „nach Art 3“ = internationale
Zuständigkeit
• EuGH, Urt.v. 2.5.2006, C-341/04 – Eurofood: Zuständigkeit des
Eröffnungsgerichts darf nicht nachgeprüft werden
– arg.: Erwägungsgrund 22: Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens
– zu prüfen ist aber: Hat das Eröffnungsgericht eine Zuständigkeit „nach
Art. 3“ für sich in Anspruch genommen?
– daran fehlt es, wenn das Gericht
• die internationale Dimension gar nicht erkannt hat
• sich auf sein autonomes internationales Zivilverfahrens- oder
Insolvenzrecht gestützt hat
– aber: kein besonderes Verfahren vorgesehen (Art. 17 Abs. 1 EuInsVO),
ipso-iure-Anerkennung mit Inzident-Prüfung  keine endgültige
Sicherheit über Anerkennung zu erreichen!
216
Lösung von „positiven“ Kompetenzkonflikten
Was, wenn sich die Gerichte zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten zur
Eröffnung eines Hauptverfahrens für zuständig erachten?
 Prioritätsprinzip, Gegenschluss aus Art. 16 Abs. 2 EuInsVO: Die
Eröffnung eines anerkennungsfähigen ausländischen
Hauptverfahrens macht jede spätere Hauptinsolvenzeröffnung in
anderem EU-Staat unzulässig
Art 102 § 3 Abs 1 EGInsO: Hat das Gericht eines anderen Mitgliedstaats
der Europäischen Union ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so ist,
solange dieses Insolvenzverfahren anhängig ist, ein bei einem
inländischen Insolvenzgericht gestellter Antrag auf Eröffnung eines
solchen Verfahrens über das zur Insolvenzmasse gehörende
Vermögen unzulässig. Ein entgegen Satz 1 eröffnetes Verfahren darf
nicht fortgesetzt werden...
217
Grenzen der Anerkennung
• Ordre public des Anerkennungsstaats, Art. 26 EuInsVO
• keine Grundlage für eine Anerkennungsverweigerung:
– falsche Beurteilung der internationalen Zuständigkeit
– andere Beurteilung der Insolvenzfähigkeit, Art. 16 I 2 EuInsVO
– falsche Beurteilung der Insolvenz des Schuldners
• mögliche Grundlage für eine Anerkennungsverweigerung:
– Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, insbes. auf
rechtliches Gehör (EuGH, Urt.v. 2.5.2006, C-341/04 – Eurofood)
– Rechtsmissbrauch/Gesetzesumgehung:
• Problem: Zuständigkeitserschleichung – Wohnsitzwechsel nur für
Insolvenzverfahren - als Einwand gegen die Anerkennung wohl
zulässig, aber Hürden hoch + Beweislast bei Gläubiger
218
Wirkung der Anerkennung, Art. 17 EuInsVO
Grundsatz:
- die nach dem Recht des Eröffnungsstaates eintretenden Wirkungen
treten ebenso in den übrigen Mitgliedstaaten ein.
= Wirkungserstreckung (nicht Gleichstellung)
Einschränkungen: Wirkungserstreckung nach Art. 17 Abs. 1 EuInsVO nur,
“soweit nichts anderes bestimmt“ ist
- Art. 16 Abs. 2, 17 Abs. 1 a.E. EuInsVO: Überlagerungswirkung eines
späteren Partikularverfahrens im Anerkennungsstaat
- Sachnormen im Rahmen der Art. 5 ff., s. insbes. Artt. 5, 7, 13 EuInsVO
- Verwertungsbefugnisse des Insolvenzverwalters  Art. 18 EuInsVO
219
Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens
= Sekundärinsolvenzverfahren (neben Hauptinsolvenzverfahren)
(Artt. 3 II - III, 27ff. EuInsVO)
1. Voraussetzungen der Anerkennung (Art. 16 EuInsVO)
- wie Hauptinsolvenzverfahren
2. Wirkung der Anerkennung: grds. sind die Wirkungen eines Partikularinsolvenzverfahrens territorial beschränkt auf den Eröffnungsstaat
Ausnahmen:
- Art. 17 II EuInsVO: Wirkungen dürfen im Ausland nicht „in Frage gestellt“
werden.
- Art. 18 II EuInsVO: Verfolgungsrecht des Partikularinsolvenzverwalters;
Recht zur Erhebung von Anfechtungsklagen
- Art. 32 EuInsVO: Gläubiger dürfen sich an beiden Verfahren beteiligen
3. Verwalter sollen kooperieren, Art. 31 EuInsVO
220
Insolvenzanfechtung (Art. 13 EuInsVO)
• lex fori concursus maßgeblich für die Anfechtung
• Ausnahme, wenn Anfechtungsgegner nachweist, dass
– Recht eines anderen Mitgliedstaates maßgeblich für
angefochtene Handlung (Geschäftsstatut) und
– Handlung nach diesem Recht in keiner Weise angreifbar ist 
i.E. nur dann anfechtbar, wenn nach beiden Rechtsordnungen
keinen Bestand hat
221
Ende
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