Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege Katharina Nitzsche Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden Obstruktive Harntraktanomalien • Definition: - Erweiterung der fetalen Harnableitung (NBKS, Ureter, Harnblase) • Inzidenz: - 3:1000 – 1:100 aller Geburten - Häufige Fehlbildung - Selten sind operative Interventionen nötig Obstruktive Harntraktanomalien • Lokalisation: • Subpelvine Ureterobstruktion – häufig, Harnstau • Megaureter – Läsion/Dysfunktion am Übergang Ureter/Hb • Ureterozele – zyst. Erweiterung Uretereinmündung in Hb • Urethraobstruktion – Megazystis, Harnstau Nieren bds. Obstruktive Harntraktanomalien • Assoziierte Fehlbildungen: – Blasenekstrophie (normales FW) – Kloakenbildung, Anal-/ Rektumatresie (Diagnose schwer) – Prune-Belly-Syndrom – Chromosomenaberrationen (12%) • Isolierte bds. geringe Dilatation des NBKS – 1,2 - 6faches Risiko • + kombinierter Pathologie – 10 - 20 faches Risiko Obstruktive Harntraktanomalien • Normalbefunde - Darstellung der HB und Nieren ab 11./ 12. SSW - Fehlen der HB, wenn diese in 15.SSW bei mehreren Untersuchungen nicht darstellbar ist Obstruktive Harntraktanomalien • US-Befunde: – Dilatation der Nierenbecken • ap. > 6 mm (II.Trimenon) • ap. > 10 mm (III. Trimenon) – postnatale Kontrolle – Hydronephrose - ap. > 15 mm – Dilatierter Ureter - zyst. Konvolut zwischen HB und Niere – Normwerte NBKS II.Trimenon III.Trimenon ap. 4-6 mm ap. 8-10 mm Obstruktive Harntraktanomalien • US-Befunde: – Dilatierte Harnblase keine Entleerung in 20 min – Obstruktion der Urethra – Normwerte Harnblase 20.SSW – 8 mm 40.SSW – 29 mm Obstruktive Harntraktanomalien • Wichtigste US-Befunde zur Prognoseeinschätzung: – Fruchtwassermenge – Auftreten von Zysten im Nierenparenchym (ab 20.SSW möglich) Obstruktive Harntraktanomalien • Prognose gut: – FW-Depots an 2 Stellen = 2 cm – Einseitiger Obstruktion • Prognose abhängig von Lokalisation: – Erweiterung NBKS, Ureteren, Harnblase Obstruktive Harntraktanomalien • Prognose schlecht: – Oligo-/Anhydramnion < 24.SSW – Fehlende Differenzierung von Nierenmark und -rinde – Zysten im Parenchym (zystische Nierendysplasie) Obstruktive Harntraktanomalien • Pränatales Management: – – – – (Invasive Diagnostik) FW-Auffüllung bei Oligo-, Anhydramnion Fehlbildungsultraschall (DEGUM II) Sonographische Verlaufskontrollen – [Fetale Urinanalyse] – [Vesikoamniale shunts] Obstruktive Harntraktanomalien • Prune-Belly Syndrom (1:50000) • • • • Schädigung in 6.- 8.SSW Fehlen der Bauchdeckenmuskulatur Uretralstenose, Megazystis, Nierendysplasie Fehlbildungen des Genitale • US-Befund: • Megazystis, dilatierte Ureteren, • (Hydronephrose), echogene Nieren • Oligo-, Anhydramnion ab II.Trimenon Fehlbildungen der Harnblase • Blasenektopie • Verlagerung der intakten Harnblase vor die Bauchwand bei Spaltbildungen der Bauchwand • Blasenekstrophie • Zusätzliche Spaltung der Harnblase • Kloakenekstrophie • Zusätzlich Spaltbildungen im Schambereich • Kombination mit Omphalozele, Spina bifida Nierenagenesie, Nierenaplasie • Agenesie: Komplettes Fehlen der Niere • Aplasie: Rudimentäre Nieren/ Ureteren • Inzidenz: Bilateral Unilateral • Pathog.: 1 – 3/ 10000 Geburten 2 / 1000 Geburten Bilateral + weitere Fehlbildungen mgl. Chromosomenstörung Unilateral sporadisch Chromosomenstrg. Nierenagenesie, Nierenaplasie • Pathologie der beiderseitigen Nierenagenesie: – Oligo-/ Anhydramnion – Pulmonale Hypoplasie – Anomalien der Extremitäten (Fehlstellungen) – Typische Gesichtszüge bei Oligo-/ Anhydramnion: • tiefsitzende Ohren • flache Nase • Mikrognathie • Epikanthus Nierenagenesie, Nierenaplasie • Assoziierte Fehlbildungen: – 40% Muskel- und Skelettfehlbildungen z.B.: Radius-, Fibulaaplasie, LKGS, Zwerchfellhernie – 19% Malformationen im Gastrointestinaltrakt z.B.: Omphalozele, Duodenal-, Analatresie Nierenagenesie, Nierenaplasie • Assoziierte Fehlbildungen: – 14% Malformationen im Herzkreislaufsystem z.B.: Fallot, Septumdefekte, hypoplastischer linker Ventrikel – 11% Veränderungen des Nervensystems z.B.: Hydrozephalus, Mikrozephalie Nierenagenesie, Nierenaplasie • US-Befunde: – – – – Fruchtwasserverminderung Bds. Agenesie – Oligo-/ Anhydramnion ab II.Trim. Fehlende Nierendarstellung (Darstlg. ab 12.SSW mgl) Fehlende Harnblasendarstellung (Füllung innerhalb von 30 min) – – – – Verwechslung mit Nebennieren (NBKS fehlt) ! Farbdoppler Ggf. FW-Auffüllung zur Diagnostik Ggf. Farbstoffinstillation Nierenagenesie, Nierenaplasie • Prognose: – Bilateral: • 24 - 38% intrauteriner Fruchttod • Weitere Kinder versterben wenige Tage postnatal • Todesursache - pulmonale Hypoplasie • 50 % IUGR – Unilateral: • Gute Prognose Nierenagenesie, Nierenaplasie Wiederholung.: – 3 - 4% bei unilateralem Fehlen – Bei bilat. Fehlen Risiko für einseitiges Fehlen in folgenden Schwangerschaften bis 30% • Pränatales Management: – Bilateral: • Ggf. Schwangerschaftsbeendigung • Schnittentbindung vermeiden Zystische Nierenerkrankungen • Häufigste angeborene Nierenanomalie • Sehr heterogenes Bild • Unterschiedliche Schweregrade Zystische Nierenerkrankungen Klassifikation • Autosomal rezessiv polyzystische Nephropathie (Potter I) • Autosomal dominante polyzystische Nephropathie (Pot.III) • Multizystische dysplastische Nierenfehlbildung (Potter II) • Obstruktiv multizystische Nierenfehlbildung (Potter IV) • (Polyzystische Nierenmalformation mit Syndromen) Autosomal rezessiv polyzystische Nierenerkrankung Infantile polyzystische Nephropathie Potter Typ I • Inzidenz: 1:6000 – 1:40000 aller Geburten • Pathogenese: autosomal rezessiv Gendefekt kurzer Arm Chrom. 6 • Wiederholung.: 25% Autosomal rezessiv polyzystische Nierenerkrankung • Assoziierte Fehlbildungen, Funktionsstörungen – Funktion der Nieren stark eingeschränkt – Obligate Kombination mit intrahepatischer biliärer Dysgenesie (Leberfibrose) – Keine Assoziation mit weiteren Pathologien Autosomal rezessiv polyzystische Nierenerkrankung • Prognose: – 90% intrauteriner Fruchttod oder neonatales Versterben aufgrund der Lungenhypolasie – Teilweise stehen die Leberveränderungen im Vordergrund – Seltenes Erreichen des Erwachsenenalters mit chronischer Niereninsuffizienz Autosomal rezessiv polyzystische Nierenerkrankung • US-Befunde: – – – – – – – Oligo-/ Anhydramnion ab dem II.Trimenon Nieren bds. symmetrisch vergrößert, hohe Echogenität Schwammartiges Aussehen (multiple Zysten 1-2 mm) Keine Blasenfüllung Leberveränderungen meist nicht darstellbar Zeichen der Lungenhypoplasie (Sektkorkenthorax;) Extremitätenfehlstellungen Autosomal rezessiv polyzystische Nierenerkrankung • Pränatales Management: – (Invasive Diagnostik) – Fruchwasserauffüllung bei Oligo-, Anhydramnion – Fehlbildungsultraschall (DEGUM II) – Konsil Genetik, Gynäkologie, Pädiatrie und Eltern zur Frage der Therapie, Prognose und des weiteren Vorgehens Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung Adulte Form der Zystennieren Potter Typ III • Inzidenz: - 1:200 – 1:1000 der Gesamtbevölkerung - eines der häufigsten Erbleiden - Hauptursache der chron. Niereninsuffizienz • Pathogenese: - autosomal dominant - 95% Mutation im kurzen Arm Chromosom 16 o. 4 - Funktionsstörungen im Erwachsenenalter • Wiederholung: - 50% Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung • Assoziierte Fehlbildungen – Zysten in anderen Organen (Leber, Pankreas, Milz) – Zerebrale Aneurysmata (40%) • Prognose: – Klinische Manifestation 30.- 50. Lebensjahr – Ausprägung der Nierenfunktion ist variabel – 50% vor 60. Lebensjahr terminale Niereninsuffizienz Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung • US-Befunde: – – – – – – Häufig pränatal nicht diagnostizierbar Vergrößerung beider (einer) Niere Einzelne Nierenzysten unterschiedlicher Größe Darstellbar ab dem II. Trimenon Blasenfüllung normal Fruchtwasser normal – Zystische Nierenveränderung bei einem Elternteil! Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung • Pränatales Management: – Ausführliche Beratung (evtl. Pädiater, Nephrologe) – Kein Schwangerschaftsabbruch – Genetische Untersuchungen sind möglich Multizystische dysplastische Nierenfehlbildung Potter Typ II (Potter II A, II B) • Inzidenz: - Unilateral - Bilateral • Pathogenenese: - Sporadisch 1:1000 aller Geburten 1:10000 aller Geburten - Häufig kombiniert mit komplexen Syndromen und Chromosomenstörungen • Wiederholung: - 5% (bei Nierendysplasie und Oligohydramnion) Multizystische dysplastische Nierenfehlbildung • Assoziierte Fehlbilungen – 90% Ureterobstruktionen – Selten kontralaterale Nierenagenesie – Anomalien des ZNS, Gastrointestinaltraktes, Herzen, WS • Prognose: – Abhängig von der Ausprägung – Bilateral schlecht Multizystische dysplastische Nierenfehlbildung • US – Befunde: – Häufig unilaterale, seltener bilaterale Ausprägung – Komplette oder segmentale Ausprägung – Niere vergrößert, multiple, polymorphe, nicht kommunizierende große Zysten (Potter II A) – Niere verkleinert, kleine Zysten (Potter II B) – Nierenbecken nicht darstellbar – Fehlende Blasenfüllung und Oligo-/Anhydramnion bei bilateraler Form Multizystische dysplastische Nierenfehlbildung • Pränatales Management: – Invasive Diagnostik – Fruchtwasserauffüllung bei Oligo-, Anhydramnion – Fehlbildungsultraschall (DEGUM II) – Konsil Genetik. Gynäkologe, Pädiater, Eltern zur Frage der Therapie, Prognose und des weiteren Vorgehens – Nierenultraschall bei Eltern und Geschwistern Obstruktive multizystische Nierenfehlbildung Potter Typ IV • Pathogenese: – Mechanische Blockade der ableitenden Harnwege – Zysten in Nierenrinde – Untergang des Parenchyms • Prognose: – Entsprechend der obstruktiven Uropathien Nierentumore • Wilms-Tumor, kongenitales nephroblastisches Nephrom • Inzidenz: – Kongenital 0,1 % aller Geburten – 95 % einseitig • Assoziierte Fehlbildungen: – In 14 % weitere urogenitale Anomalien Nierentumore • US-Befunde: – Solider Tumor - Echogenität der Niere entsprechend – Differenzierung der beiden Tumore pränatal nicht möglich. – Eventuell Fruchtwasservermehrung – Hydropszeichen beim mesoblastischem Nephrom Nierentumore • Prognose: – Mesoblastisches Nephrom benigne – Wilms-Tumor Heilung bei 85 – 90% • Pränatales Management – Keine vorzeitige Entbindung, ggf. Sectio caesarea VIELEN DANK