Transmutation Alexander Winnemöller, 28.07.2004 1 Exkurs Kernfusion • Energie durch Verschmelzung leichter Kerne (bis A ≈ 20) • Beste Ausbeute bei Entstehung von 4He → z.B. 2H + 3H → 4He + n + 17,6 MeV • Überwindung des Coulomb-Walls (einige MeV) nötig • Thermische Kernreaktion bei ca. 108 K (≈ 10 keV) • Proton/Deuteron durchtunnelt Wall → Fusion 2 Exkurs Kernspaltung • Spaltung ab A ≈ 100 energetisch eigentlich vorteilhaft 3 Exkurs Kernspaltung • riesige Energiebarriere zu überwinden • Abnahme der Coulomb-Energie kompensiert Zunahme der Oberflächen-Energie erst ca. bei Uran • Zuführung von Energie durch Neutronen • Anlagerungsenergie des Neutrons regt Kern zum Schwingen an 4 Exkurs Kernspaltung • Neutronenüberschuss nach (asymmetrischer) Spaltung • Abbau durch β--Zerfall und Neutronenemission • Reaktor: Emittierte Neutronen spalten weitere Kerne → Kettenreaktion • Neutronen zu schnell, Moderator nötig 5 Exkurs Kernspaltung • wegen asymmetrischer Spaltung zwei bevorzugte Bereiche • Im Reaktor bei Spaltung von 235U entstehende Isotope z.B. 99Tc, 93Zr, 90Sr, 129I, 137Cs... 239Pu, 237Np, 241Am... • 235U • 235U-Gehalt im Gegensatz zu 238U durch thermische Neutronen spaltbar im Natururan zu gering → Anreicherung 6 Exkurs Kernspaltung • Gehalt an 235U im Natururan: 0,7% • verschiedene Trennverfahren, nutzen Massenunterschied • Brennstab vor Reaktoreinsatz: → 96,7% 238U → 3,3% 235U • Brennstab nach Reaktoreinsatz: → 94,5% 238U → 0,9% Pu → 0,1% Np, Am, Cm → 3,3% Spaltprodukte → 0,4% 236U → 0,9% 235U 7 Einführung • 30% des deutschen Strombedarfs durch KKWs (170 TWh/a) • jährliche Produktion an Atommüll: → 4500 kg Plutonium (HWZ: 24100 a) → 253 kg Neptunium (HWZ: 2.14·106 a) → 103 kg Americum (HWZ: 7370 a) → 19 t Spaltprodukte (99Tc (2,1·105 a), 129J (1,57·107 a) ...) • Bis 2030 akkumulierte Massen: → 200 t Plutonium → je 10 t Neptunium und Americum • weltweit Mengen um Faktor 20 größer → + Atommüll aus ausgemusterten Atomwaffen (einige 10000) • Frage: wohin damit? 8 Einführung 9 Endlagerung • Abfall muss 100000 Jahre aus Biosphäre entfernt werden • nur wenige Orte geologisch stabil genug • Lagerung z.B. in unerschlossenen Salzstöcken • Risiko gering, jedoch nicht null • Verringerung der Mengen durch Wiederaufbereitung möglich 10 Wiederaufbereitung • Wiederaufbereitung: Trennung von Uran und Plutonium von den Spaltprodukten • Uran und Plutonium können wieder als Brennstoff eingesetzt werden • Geringerer Bedarf an Natururan, Ressourcen reichen nur noch einige Jahrzehnte • Spaltprodukte bleiben jedoch zurück • Bessere Idee: Transmutation 11 Was ist Transmutation? • lat.: Umwandlung • Mittelalter: Herstellung von Gold aus unedlen Metallen • heute: Verwandlung von langlebigen radioaktiven Stoffen in solche mit kürzerer Halbwertszeit • derzeit technisch und wirtschaftlich noch nicht möglich, Physik jedoch im wesentlichen verstanden 12 Vorgehensweise • Beschuss von Isotopen mit Neutronen • Ziel der Transmutation: Einfang eines Neutrons → Energieerhöhung im Kern, Kern wird instabiler → schnellerer Zerfall in stabile Elemente • Transmutationsgleichungen für 99Tc und 129Jod: → → (2,1·105 a) + n → 100Tc (15,8 s) → 100Ru (stabil) 129J (1,57·107 a) + n → 130J (12,36 h) → 130Xe (stabil) 99Tc • Lagerzeit der Reststoffe nur noch ca. 500 Jahre 13 Vorgehensweise • 2 Prozesse: → Kernspaltung bei Transuranen (239Pu, 237Np, 241Am...) → Neutroneneinfang bei Spaltprodukten (99Tc, 129I, 137Cs...) 14 Energy Amplifier • Carlo Rubbia: Energy Amplifier (EA) • unterkritischer Kernreaktor • bauartbedingt sicher, Risiko eines GAU vernachlässigbar • schon vor über 50 Jahren vorgeschlagen, aber als unrealistisch abgetan • erst heute technisch möglich 15 Energy Amplifier • Beschleunigergetriebener Kernreaktor (ADS) • Protonenbeschleuniger schießt Protonen auf Bleitarget • Bleikerne zerplatzen und geben Neutronen ab • Neutronen treffen auf Kern lösen dort Kernumwandlungsprozesse aus • EA erzeugt Energie 16 Aufbau • 3 Hauptkomponenten: → Protonenbeschleuniger 1GeV-Protonen → Spallationstarget (flüssiges Blei) → unterkritisches Blanket 17 Das Target • Kopplung vom Beschleuniger-System mit Kern • Targetmaterial: flüssiges Blei → hohe Dichte: dient gleichzeitig als Kühlmittel → doppelt-abgeschlossene Schale: geringe Neutronenabsorption • Vier Punkte müssen sichergestellt sein: → Protonenstrahl muss sich im Vakuum bewegen → Protonenstrahl muss das Ziel im Zentrum des Kerns treffen → erzeugte Energie muss aus der Spaltungszone entfernt werden → radioaktive Elemente dürfen nicht entweichen 18 "Hot Window"-Konfiguration • Wolfram-Rhenium-Fenster • Dicke: 1.5 - 3 mm, maximaler Energieverlust des Strahls ≈ 3% • Problem: hohe Korrosivität von geschmolzenem Blei • trotz intensiver Forschung noch nicht zufriedenstellend gelöst • weiteres Problem: Wärmeabfuhr durch Konvektion zu gering 19 Wärmeabfuhr • abzuführender Wärmestrom am Fenster ≈ 650 W/cm² • nötige Höhe für Konvektion ≈ 30 m • "Air-Lift-Prinzip" • Verstärkung der Konvektion durch Einperlen von Schutzgas • Höhe jetzt ≈ 10 m 20 Der Kern • Kern aus Thorium oder zu vernichtenden Isotopen • Brennstoffe umgeben Spallationstarget • Einfangquerschnitt bestimmt Position im Kern • flüssiges Blei sorgt für Wärmeabtransport 21 22 Gesamtkonzept 23 Effektivität • Wie effektiv wird der Atommüll vernichtet? 24 Energy Amplifier als Brüter • alternatives Reaktorkonzept • 232Th als Brennstoff → nicht radioaktiv! → 5 mal häufiger als Uran, Uran reicht nur noch für einige Jahrzehnte → hohe Reinheit, daher keine aufwendigen Anreicherungen • Th nicht spaltbar, wird durch Neutroneneinfang zu 233U → 232Th + n → 233Th (22,3 min) → 233Pa (27 d) → 233U (1,6 ·105 a) • kaum Entstehung von Transuranen 25 Adiabatic Resonance Crossing • Beispiel 99Tc: Umwandlung in stabiles 100Ru nach Neutroneneinfang • im normalen Reaktor extrem geringer Einfangquerschnitt • Lösungen: → 99Tc länger im Reaktor lassen → höherer Neutronenfluss • Adiabatic Resonance Crossing: • bei leicht höheren Energien Reihe von Resonanzen im Einfangquerschnitt 26 Adiabatic Resonance Crossing • Blei absorbiert keine Neutronen → elastische Stöße • Neutronen verlieren sehr langsam kinetische Energie • Energieverluste kleiner als Breite der Resonanzen → Neutronen treffen Resonanzen auf jeden Fall • höchste Effizienz bei der Zerstörung • am CERN getestet (TARC) 27 Fazit • Vorteile des EA: → Vernichtung von Atommüll / Lagerzeitverringerung auf 500 Jahre → Thorium als Brennstoff → keine Produktion von Transuranen → keine CO2-Emission • Nachteile des EA: → bisher nur Theorie, noch kein Prototyp vorhanden → weiterhin Endlager nötig, jedoch für kürzere Zeit → Akzeptanzproblem in der Bevölkerung 28 Zusammenfassung • Lagerzeiten für normalen Atommüll ca. 100000 Jahre • Nach Transmutation nur noch ca. 500 Jahre • Transmutation: Einfang von Neutronen • Transmutation physikalisch möglich, technisch jedoch große Herausforderung • technische Realisierung der Transmutation mit EA → kaum Risiko eines GAU 29 Quellen • Robert Klapisch - Accelerator driven systems: an application of proton accelerators to nuclear power industry Europhysics News (2000) Vol.31 No.6 • Nuclear Wastes, Technologies for Separations and Transmutation National Academy Press, 1996 • J.U. Knebel, G. Heusener – Untersuchungen zur Transmutation und zu Beschleuniger getriebenen Systemen (ADS) im Forschungszentrum Karlsruhe • Andreas Kronenberg – Was bedeutet Transmutation? www.energie-fakten.de/PDF/entsorgung-transmutation.pdf • Lake Barrett - A Roadmap for Developing Accelerator Transmutation of Waste (ATW) Technology: A Report to Congress • W. Koelzer – Lexikon zur Kernenergie 30