Die Autorin: BAND 84 Mumien SEHEN MITMACHEN SEHEN | HÖREN | MITMACHEN Mumien BAND 84 BAND 84 www.wasistwas.de Mumien Dichter Nebel liegt über dem Moor, als die Männer sich schweigend auf den Weg machen. Einer von ihnen wird nicht zurückkehren: Die Götter fordern ein Opfer ... Immer wieder stoßen Forscher auf die mumifizierten Überreste von Menschen. Dr. Renate Germer Wie entstehen Moorleichen? Ägyptologin Gibt es den Fluch der Pharaonen wirklich? Woran starb die Fürstin von Dai? Die Toten verraten viel über das Leben in vergangenen Zeiten! In dieser Reihe bereits erschienen: Band 1 Unsere Erde Band2 Der Mensch Band3 Energie Band4 Chemie Band5 Entdecker und ihre Reisen Band6 Die Sterne Band 7 Das Wetter Band8 Das Mikroskop Band 9 Der Urmensch Band 10 Fliegerei und Luftfahrt Band 11 Hunde Band 12 Mathematik Band 13 Wilde Tiere Band 14 Versunkene Städte Band 15 Dinosaurier Band16 Planeten und Raumfahrt Band17 Licht und Farbe Band 18 Der Wilde Westen Band 19 Bienen, Wespen und Ameisen Band 20 Reptilien und Amphibien Band21 Der Mond Band 23 Architektur Band 24 Elektrizität Band 25 Schiffe Band 27 Pferde Band 28 Akustik Band 29 Wissenschaften Band 30 Insekten Band 31 Bäume Band 32 Meereskunde ISBN 978-3-7886-0424-0 9 783788 604240 C010_R_04240_84Mumien_120103a.indd 1 Band 33 Pilze Band 34 Wüsten Band 35 Erfindungen Band 36 Polargebiete Band 37 Computer und Roboter Band 38 Säugetiere der Vorzeit Band 39 Magnetismus Band 40 Vögel Band 41 Fische Band 42 Indianer Band 43 Schmetterlinge Band 44 Die Bibel. Das Alte Testament Band 45 Mineralien und Gesteine Band 46 Mechanik Band 47 Elektronik Band 48 Luft und Wasser Band 49 Sport Band 50 Der menschliche Körper Band 51 Muscheln, Schnecken, Tintenfische Band 52 Briefmarken Band 53 Das Auto Band 54 Die Eisenbahn Band 55 Das alte Rom Band 56 Ausgestorbene und bedrohte Tiere Band 57 Vulkane Band 58 Die Wikinger Band 59 Katzen Band 60 Die Kreuzzüge Band 61 Pyramiden 02/12 € [D] 9,95 € [A] 10,30 Band 62 Die Germanen Band63 Fotografie Band 64 Die alten Griechen Band 65 Eiszeiten Band 66 Geschichte der Medizin Band 67 Die Völkerwanderung Band 68 Natur Band 69 Fossilien Band 70 Das alte Ägypten Band 71 Piraten Band 72 Heimtiere Band 73 Spinnen Band 74 Naturkatastrophen Band 75 Fahnen und Flaggen Band 76 Die Sonne Band 78 Geld Band 79 Moderne Physik Band 80 Tiere – wie sie sehen, hören und fühlen Band 81 Die sieben Weltwunder Band 82 Gladiatoren Band 83 Höhlen Band 84 Mumien Band 85 Wale und Delfine Band 87 Türme und Wolkenkratzer Band 88 Ritter Band 89 Menschenaffen Band 90 Der Regenwald Band 91 Brücken und Tunnel Band 92 Papageien und Sittiche Band 93 Die Olympischen Spiele Band 94 Samurai Band 95 Haie und Rochen Band 96 Schatzsuche Band 97 Zauberer, Hexen und Magie Band 98 Kriminalistik Band 99 Sternbilder und Sternzeichen Band 100 Multimedia und virtuelle Welten Band 101 Geklärte und ungeklärte Phänomene Band 102 Unser Kosmos Band 104 Wölfe Band 105 Weltreligionen Band 106 Burgen Band 107 Pinguine Band 108 Das Gehirn Band 109 Das alte China Band 110 Tiere im Zoo Band 112 Fernsehen Band 113 Europa Band 114 Feuerwehr Band 115 Bären Band 116 Musikinstrumente Band 117 Bauernhof Band 118 Mittelalter Band 119 Gebirge Band 120 Polizei Band 121 Schlangen Band 122 Bionik Band 123 Päpste Band 124 Bergbau Band 125 Klima Band 126 Deutschland Band 127 Ernährung Band 128 Hamster, Biber und andere Nagetiere Band 129 Lkw, Bagger und Traktoren Band 130 Maya, Inka und Azteken Gedruckt in Europa. www.tessloff.com www.wasistwas.de 11.01.12 12:08 RE3_WIW_84_Mumien_1-29.qxp 21.05.2010 11:07 Uhr Seite 3 Inhalt Das Grab des Pharao Wer entdeckte das Grab des Tutanchamun? Was fand Carter im Grab? Wer war Tutanchamun? Wer waren die Kindermumien? 4 5 6 7 Die Erforschung von Mumien Was ist eine Mumie? Wie entsteht eine Naturmumie? Was ist eine künstliche Mumie? Wann begann die Mumienforschung? Seit wann werden Mumien geröntgt? Was ist Mumienforschung heute? Wie sahen die Menschen damals aus? Woher kennt man das Alter von Mumien? Wovon ernährten sich die Menschen? Welche Krankheiten gab es damals? Womit wurde balsamiert? 8 9 9 10 11 12 12 13 13 14 15 Mumienfunde auf der ganzen Welt 16 Mumifizierung in Ägypten Wie begann die Balsamierung in Ägypten? Wozu diente Natronsalz? Wie wurde der getrocknete Körper behandelt? Warum balsamierten die Ägypter ihre Toten? Wozu dienten Grabbeigaben? Warum legte man Amulette auf die Mumie? 18 18 19 20 20 21 Die Bestattung des Cha 22 Südamerika Wo gibt es in Südamerika die ältesten Mumien? Wie wurden in Peru Mumienbündel hergestellt? Mumifizierten die Inka ihre Könige? 24 25 26 Asien Gibt es in China Mumien? 27 Wie sieht die Mumie der Fürstin von Dai aus? 27 Woran starb die Fürstin von Dai? 28 Warum blieb die Pazyryk-Frau so gut erhalten? 29 Mumien aus dem Eis Wer wurde dem Berggott geopfert? Wo gibt es noch Eismumien? Was ist das Besondere an den Grönlandmumien? Was ist die Nordwestpassage? Woran scheiterte Franklin? 30 31 Ötzi 34 31 32 33 Funde im Moor Wie entstehen Moorleichen? Aus welcher Zeit stammen die Funde? Hat man auch Verstorbene im Moor begraben? Welche Moorleichen sind am berühmtesten? Gibt es auch Reste von Kleidung? Welche Moorleiche lag in einem Königssarg? 36 37 37 38 39 39 Naturmumien Gibt es in Ägypten auch Naturmumien? Warum sind Naturmumien für die Forschung so wichtig? Was erzählen die Mumien aus dem TarimBecken? Welche Gewölbe wirken mumifizierend? Wo gibt es Mumiengrüfte? 40 40 41 42 42 Mumien aus neuerer Zeit 44 45 Sind Heilige unvergänglich? Wie wurde Lenin balsamiert? Wie streben Menschen heute nach Unsterblichkeit? Darf man menschliche Mumien ausstellen? 46 46 Glossar 48 Index 48 RE3_WIW_84_Mumien_1-29.qxp 21.05.2010 DER GANZEN AUF 9 10 11 13 12 16 14 15 Katzenmumie (Ägypten) 11:13 Uhr W E LT Seite 17 ASIEN 21 Libanon Maroniten-Mumien (Tal der Heiligen, † Ende des 13. Jahrhunderts) 22 Russland 18 Eiszeitliche Tiere: Mammut, Woll22 nashorn u. v. a. (Dauerfrostgebiete, Tollund-Mann bis zu 40 000 Jahre alt) (Dänemark) 17 Mammutbaby „Dima“ (Sibirien, Cherchen-Baby 40 000 Jahre alt) (China) Pazyryk-Frau (Ukok-Ebene im 23 Ramses II. Altai-Gebirge, 2 400 Jahre 24 21 (Ägypten) alt) 23 Japan 20 Selbstmumifizierung buddhistischer Priester (mind. 100–650 Jahre 25 26 alt) Tetsuryukai Mönch Tetsuryukai (Japan) (Yamagata, † 1868) 27 24 China Cherchen-Mann, Cherchen-Baby (Wüste Takla Makan, Tarim-Becken, 3 000 28 Jahre alt) Mao Zedong (Peking, † 1976) Schöne von Loulan (Tarim-Becken, 29 3 800 Jahre alt) Xin Zhui, Fürstin von Dai (Changsha, 2 100 Jahre alt) Yingpan-Mann und ca. 400 weitere Robert Scott Mumien (Wüste Takla Makan, Tarim(Südpol) Becken, 1 200–2 100 Jahre alt) 25 Vietnam Ho Chi Minh (Hanoi, † 1969) AFRIKA 30 26 Philippinen Ibolai-Menschen (Kabayan, 500 19 Kanarische Inseln 15 Italien Jahre alt) Guanche-Mumien (600–1600 Jahre alt) Heilige Margarethe (Cortona, † 1297) 20 Ägypten Heilige Zita (Lucca, † 1278) Architekt Cha (Deir el Medineh, 3 400 AUSTRALIEN UND OZEANIEN Mumiengruft (Neapel, 100–550 Jahre Jahre alt) alt) 27 Papua-Neuguinea Baharija-Oase (2 000 Jahre alt) Mumiengruft (Venzone, 200–700 Naturmumien (Asaro Caves, ca. 300 Katzenmumie (2 300 Jahre alt) Jahre alt) Jahre alt) Leinenmumien (Sakkara, Medum u. a. Mumiengruft der Kapuzinermönche Rauchtrocknung (Irian Jaya) Orte, 4 200–4 700 Jahre alt) (Palermo, 100–500 Jahre alt) 28 Australien Mumie eines römischen Jungen Ötzi (Hauslabjoch, 5 000 Jahre alt) Aborigine-Mumien (Fayum, 1 900 Jahre alt) Rosalia Lombardo (Mumiengruft der 29 Neuseeland Naturmumie Ginger (Gebelein, 5 400 Kapuzinermönche, Palermo, † 1920) Maori-Mumien Jahre alt) 16 Tschechien Pharao Ramses II. (Royal Cachette Gruft im Kapuzinerkloster Brünn Deir el Bahari, 3 220 Jahre alt) SÜDPOL (200–300 Jahre alt) Pharao Ramses V. (Royal Cachette 17 Ukraine 30 Südpol Deir el Bahari, 3 145 Jahre alt) Mönche des Höhlenklosters in Kiew Sir Robert F. Scott und zwei Pharao Sekenenre (Royal Cachette (die meisten 600–900 Jahre alt) Mitglieder seiner gescheiterten Deir el Bahari, 3 550 Jahre alt) 18 Russland Polarexpedition († 1912) Pharao Siptah (Grab Amenophis II., Wladimir Iljitsch Lenin (Moskau, Tal der Könige, Luxor, 3 190 Jahre alt) † 1924) Pharao Tutanchamun (Tal der Könige, Joseph Stalin (Moskau, † 1953) Luxor, 3 330 Jahre alt) 17 RE3_WIW_84_Mumien_1-29.qxp 21.05.2010 11:13 Uhr Seite 18 Mumifizierung in Ägypten Der Pharao ist tot. Doch sein Körper muss erhalten bleiben, Wie begann die damit er auch im Balsamierung Reich der Toten in Ägypten? für seine Untertanen gut sorgen kann. Denn die alten Ägypter glaubten, dass der Pharao für sie, die ihm bald ins Jenseits folgen würden, weiterhin verantwortlich blieb. folgerten die alten Ägypter ganz richtig, dass man diese entfernen müsse. Auch die Muskeln ließen sich noch nicht erhalten – die Balsamierer schnitten sie von den Knochen und es blieb nicht viel mehr als das Skelett übrig. Nun begann die große Kunst des Einwickelns: Schmale Leinenbinden wurden um das Skelett gewickelt, bis daraus wieder die Gestalt eines menschlichen Körpers wurde. Die äußerste Wicklungsschicht entsprach der Kleidung. So entstanden um 2600 v. Chr. die ersten Leinenmumien. MUMIENWICKLUNGEN Zum fachgerechten Einhüllen einer Mumie benötigte ein Balsamierer große Mengen feiner Leinenbinden: Jeder Finger, jeder Zeh wurde zuerst einzeln umwickelt, bis der Arm oder Fuß als Ganzes an der Reihe war. Erst dann wurde der ganze Körper mit Leinenstreifen bedeckt. In römischer Zeit kam die Mode auf, die äußeren Leinen- Kleine Namensschildchen aus Holz sorgten dafür, dass die Körper in der Balsamierungswerkstatt nicht verwechselt wurden. Nichts ist darüber bekannt, wann Ägypter zum ersten Mal auf die Idee kamen, einen menschlichen Leichnam zu behandeln, damit er nicht verweste. Wir können heute nur versuchen, aus den wenigen Überresten dieser frühen Zeit vor 5 000 Jahren zu rekonstruieren, vor welchen Problemen die Menschen damals standen. Die Ägypter waren sehr gute Beobachter. Sie hatten gesehen, dass die Toten, die man traditionell im Wüstensand begrub, in vielen Fällen durch Sonne und Wind austrockneten. Als man jedoch um 3 000 v. Chr. begann, den verstorbenen König, seine Familie und auch die höchsten Beamten in Särge zu legen und in einer besonderen Grabkammer zu bestatten, war dieses natürliche Austrocknen des Körpers nicht mehr möglich. Die Verwesung begann in den Eingeweiden und so 18 Doch diese Lösung war noch nicht perfekt, und deshalb wurde weiter Wozu diente Natronsalz? experimentiert. Wie konnten Muskelgewebe und Haut erhalten werden? Was entzog dem Körper das Wasser? Fleisch konservierten die Ägypter mit Kochsalz, und die Balsamierer stellten fest, dass sich bei Menschen Natronsalz noch viel besser eignete. Es konservierte hervorragend, besonders wenn die Eingeweide aus dem Körper entfernt und das Salz auch in den Körper eingefüllt wurde – und genau das wurde getan. Um jede Verwesungsquelle im Körper auszuschließen, wurde auch das Gehirn – entweder durch die Nase oder das Hinterhauptsloch – entfernt. Da es für die Ägypter keine religiöse Bedeutung hatte, wurde es nicht mitkonserviert. Früh schon erkannten die Ägypter, dass Harze von Pflanzen schichten in kunstvollen Kassettenmustern zu wickeln, in deren Mitte häufig noch ein vergoldeter Gipsknopf eingearbeitet wurde. Die Pyramiden von Gizeh in der Nähe von Kairo RE3_WIW_84_Mumien_1-29.qxp 21.05.2010 11:13 Uhr Seite 19 SO WURDE IN ÄGYPTEN BALSAMIERT Im ersten Schritt einer Balsamierung wurde das Eingebettet in Natron wurde dem Kör- Körperinnere behandelt. Mit speziellen Werkzeugen per die Feuchtigkeit entzogen. Dieser entnahmen die Balsamierer das Gehirn des Verstor- Vorgang dauerte mehrere Wochen. benen, das nicht mitkonserviert wurde. Die inneren Organe wurden getrennt Der getrocknete Körper wurde in Kanopenkrügen bestattet, deren mit Ölen behandelt und schließ- Deckel Götter symbolisierten. Der lich sorgfältig bandagiert. Zwi- menschengestaltige Amset war schen die Schichten legte man für die Leber verantwortlich, der zum Schutz Amulette. Ein Pries- affenköpfige Hapi für die Lunge, ter, der die Maske des Anubis der schakalköpfige Duamutef für trug, wachte über die Balsamie- den Magen und der falkenköpfige rung. Kebechsenuef für den Darm. antibakterielle Wirkung haben. Das machten sie sich zunutze und gossen Salböle aus Harzen, vor allem von Kiefern, in die Bauchhöhle und auch in den Schädel. Der fertig konservierte Körper sollte möglichst lebensecht ausseWie wurde hen und so polsder getrocknete Körper terten die Balsabehandelt? mierer ihn mit Leinen und Sägemehl aus. Besondere Mühe gaben sie sich mit dem Kopf. In den Mund und unter die eingefallenen Wangen kam ebenfalls Stopfmaterial, unter die Augenlider kleine Bällchen aus Leinen oder sogar Zwiebeln, und darauf legten sie Augen aus Fayence mit aufgemalten Pupillen. Um der Mumie beim Einwickeln Halt zu geben, arbeiteten die Balsamierer manchmal Bretter in die Leinenwicklung mit ein oder steckten Stöcke in den Körper. Dann umwickelten sie den Leichnam mit unzähligen Lagen von Leinenstreifen. Ein großes, mit schmalen Binden zusammengehaltenes Tuch bildete den Abschluss. So konserviert und verpackt wurde die Mumie den Angehörigen übergeben, damit diese das Begräbnis durchführen konnten. 19 RE3_WIW_84_Mumien_1-29.qxp 21.05.2010 11:13 Uhr Für Ägypter hörte das Leben eines Menschen nicht mit dessen Warum Tod auf. Sie stellbalsamierten die Ägypter ten sich vor, dass ihre Toten? der Tote in eine andere Welt überführt wurde – in das Jenseits. Um dort auf ewig weiterleben zu können, musste sein Körper erhalten bleiben. Denn ansonsten musste die Seele auf ewig ruhelos umherirren. Die Ägypter glaubten, dass der lebende Mensch mehrere Seelen besaß, die ihm bei der Geburt eingegeben wurden. Besonders wichtig war die Ba-Seele, die man sich in Gestalt eines Vogels vorstellte. Starb der Mensch, verließ sie den Körper. Nur wenn der Körper erhalten war, konnte die Seele dort ihren Platz wiederfinden. Deshalb versuchBa-Seele ten die Ägypter, die Körper ihrer Toten vor der Verwesung zu schützen. Seite 20 Der Verstorbene brauchte im Jenseits wie zuvor im Leben Nahrung, und er Wozu dienten Grabbeigaben? wollte außerdem nicht auf all die Gegenstände verzichten, die ihm bisher lieb gewesen waren: schöne Kleidung, Schmuck und Möbelstücke. Und so wurden ihm auch diese Gegenstände mit ins Grab gegeben. Damit der Tote im Jenseits Nahrung verzehren konnte, war vor der Grablegung ein kompliziertes religiöses Ritual nötig: Ein Priester berührte dabei mit bestimmten Gegenständen, zum Beispiel einem Feuersteinmesser, den Mund der Mumie, ein anderer Priester las dazu aus einer Papyrusrolle religiöse Texte vor. So wurde eine rituelle Wiederbelebung durchgeführt, welche die Ägypter „Mundöffnung“ nannten. Jetzt konnte der Tote auch im Jenseits essen und sprechen, also die wichtigsten Tätigkeiten eines Lebenden ausführen. WARUM BALSAMIERTEN DIE ÄGYPTER AUCH TIERE? eine jenseitige Welt begleiteten und beschützten jeden Verstorbenen eine Reihe von Göttern. Als Erstes wachte der schakalköpfige Gott Anubis darüber, dass die Balsamierung sorgfältig durchgeführt wurde. Während dieser Prozedur beklagten die Göttinnen Isis und Nephthys den Tod des Verstorbenen. War die Balsamierung abgeschlossen, musste der Tote vor den Richter, den Gott der Unterwelt Osiris, treten, und der ibisköpfige Gott Thot schrieb das Ergebnis der Wägung des Herzens auf. Nach bestandenem Totenge- nicht nur in Menschengestalt vor, sondern auch als Tiere oder richt durfte der Verstorbene Mischfiguren mit einem menschlichen Körper und einem Tier- an der nächtlichen Fahrt des kopf. Einige Tiere hielt man für Erscheinungsformen eines Got- Sonnengottes Re auf dessen tes und brachte ihm Opfergaben. Starb ein solches Tier, wurde Schiff durch die Unterwelt es wie ein König balsamiert, mit Schmuck versehen und mit teilnehmen. Wollte ein Ägypter einer Gottheit ein besonderes Opfer bringen, schenkte er ihrem Tempel eine kleine Bronzefigur. Diese zeigte den Gott oder die Göttin, oft in ihrer Tiergestalt. Der Gläubige konnte auch eine kunstvoll gewickelte Mumie dieses Tieres stiften. Das Mumienopfer sollte den Gott für Wünsche und Gebete gnädig stimmen. So gab es Hunderttausende von Katzenmumien für die Göttin Bastet oder Mumien des Ibis, eines Vogels, der dem Gott der Weisheit Thot heilig war. Außerdem wurden auch Krokodile, Fische, Schlangen, Hunde und Schakale balsamiert. 20 Auf seinem Weg vom Tod in Im alten Ägypten stellte man sich die verschiedenen Götter vielen Grabbeigaben in einem unterirdischen Grab bestattet. Mumifizierte Tiere: ein Falke, ein Hund, ein Rind und ein Fisch (von oben im Uhrzeigersinn) WICHTIGE GÖTTER RE3_WIW_84_Mumien_1-29.qxp 21.05.2010 11:13 Uhr Seite 21 Wichtige Amulette, von links: Auge des Horus (Udjat-Auge), Papyruszepter, Anch, DjedPfeiler, geflügelter Skarabäus und Skarabäus mit Sonnenscheibe ÄGYPTISCHE FAYENCE Tschehenet – „das Glänzende“ – nannten die Ägypter ihre Fayence. Sie bestand aus einem Gemisch von fein gemahlenem Quarzpulver und Soda. Für die farbige Oberfläche wurden der Masse vor allem Kupfer- oder Eisensalze hinzugegeben, die beim Brennen grün oder blau glänzende Glasuren ergaben. Unzählige Amulette, die Mumien auf magische Weise schützen sollten, bestehen aus Fayence. Besonders beliebt waren die grünen, weil diese Farbe als ein Symbol für die Auferstehung nach dem Tod galt. Für die ewige Erhaltung des Körpers vertrauten die Ägypter Warum legte nicht nur auf man Amulette die Kunst der auf die Mumie? Balsamierer. Genauso wichtig war magischer Schutz, der vor allem durch beigelegte Amulette garantiert werden sollte. Jedes hatte eine andere Aufgabe. Sie waren meist aus Fayence gearbeitet, nur bei ganz hochstehenden Personen wie dem König und seinem Hofstaat waren sie aus Gold. Das häufigste Amulett war das Udjat-Auge, das die Unversehrtheit des Körpers garantieren sollte. Der Djed-Pfeiler symbolisierte die Ewigkeit und der SkarabäusKäfer schützte speziell die Wiederbelebung nach dem Tode. Besonders wichtig war der Herzskarabäus. Bevor der Tote nämlich auf ewig im Jenseits weiterleben konnte, musste er vor dem Totenrichter, dem Gott Osiris, Auskunft über sein Leben geben. Dabei sprach sein Herz für ihn. Es bestätigte, dass er nicht gesündigt hatte, nicht gemordet oder gestohlen. Auf vielen Papyrusrollen, die man bei Mumien fand, ist dieses Totengericht abgebildet: Osiris sitzt auf seinem Thron, vor ihm die Waa- Osiris beim Wiegen des Herzens: Nur bei unschuldigen Herzen bleibt die Waage im Lot mit dem Zeichen der Wahrheit, der Maat. ge mit dem Herzen des Toten auf der einen, der Feder der Wahrheit auf der anderen Waagschale. Sollte das Herz des Toten nicht sündenfrei sein, saß schon ein Ungeheuer bereit, es zu verschlingen. Um ganz sicher zu sein, dass das Herz vor Gericht auch die richtigen Sprüche wusste, legte man einen steinernen Herzskarabäus mit eingraviertem „Spickzettel“ in die Mumie. Hatte der Verstorbene das Totengericht bestanden, verband sich seine BaSeele wieder mit dem Körper zu einem ewigen Leben im Jenseits. Nach der Vorstellung der alten Ägypter gab es auch im Jenseits soziale Unterschiede und Verpflichtungen. Die Ushebti, kleine mumienförmige Figuren, die den Namen des Toten trugen, sollten unangenehme Arbeit an dessen Stelle auf magische Weise übernehmen. 21 RE3_WIW_84_Mumien_30-48.qxp 21.05.2010 11:19 Uhr Glossar Seite 48 Austrocknen oder Liegen in Moorwasser ganz oder teilweise erhalten blieb. bedeutet, ist heute ungebräuchlich, da er ursprünglich verächtlich gemeint war. Amulett Am Körper getragener Anhänger, der seinem Träger Schutz und Kraft geben und Unheil abwehren soll. Die alten Ägypter legten Amulette auf Mumien, um ihnen das ewige Leben zu ermöglichen. Kanopen Altägyptische Eingeweidekrüge. In jedem der vier Krüge war jeweils ein inneres Organ (Magen, Leber, Darm, Lunge) eines Toten bestattet. Die Eingeweide wurden in diesen Krügen mit ins Grab gegeben, damit der Tote so unversehrt wie möglich war. Nordwestpassage Schifffahrtsweg vom Atlantik durch das Nordpolarmeer zum Pazifik. Anubis Altägyptischer Gott der Einbalsamierung und Herr der Totenstadt. Er wurde in Gestalt eines Schakals oder als Mensch mit Schakalkopf dargestellt. Künstliche Mumie Ein Leichnam, dessen Verwesung nicht auf natürliche Weise, sondern durch menschliches Eingreifen verhindert wird. Ba Nach altägyptischem Glauben eine der Geistseelen des Menschen. Man stellte sie sich in Vogelgestalt vor. Die alten Ägypter sahen in der Ba-Seele die Verbindung der Mumie zur Außenwelt. Kurgan Hügelgrab in den Steppen Südrusslands. In diesen Gräbern setzte das Volk der Skythen seine Fürsten in hölzernen Grabkammern bei. Pharao Im Altägyptischen bedeutete das Wort „großes Haus“ und bezeichnete den Herrscherpalast, später auch den Herrscher, also den König selbst. Man setzte das Wort als Titel vor den Namen des Königs. Balsamierung Behandlung eines Körpers mit Ölen, Salben und anderen Substanzen, um die Verwesung der Leiche aufzuhalten. Eismumie Leichnam, der durch Einfrieren natürlich mumifiziert. Inka Der Titel Inka kam ursprünglich nur dem Herrschergeschlecht zu, das ab dem 15. Jahrhundert auf den Hochebenen der Anden in Peru regierte, später wurde er auf das ganze Volk übertragen. Inuit Mit diesem Wort bezeichnen sich die indianischen Stämme der Arktis selbst. Der Begriff „Eskimo“, der Fleischesser Index A Amset 19 Amulett 19, 21, 40 Amundsen, Roald 33 Antikörper 15 Anubis 19, 20 B Baharija 6 Ba-Seele 20, 21 Bastet 20 „Baumwollfürst“ 25 Beattie, Owen 33 Beni Hassan 6 Bitumen 11 „Blue Babe“ 32 C Carter, Howard 4, 5, 6, 7 Cha 22, 23 Chancay 24 Cherchen-Mann 41 Chimu 24 Chinchorro 12, 24 Computertomographie 7, 11, 30 48 D Dinosaurier 8 Djed-Pfeiler 21 DNA 12, 15, 46 Dolly 46 Duamutef 19 E Elling-Frau 38 F Fluch des Pharao 7 Formalin 9, 45 Franklin-Expedition 32, 33 Fürstin von Dai 27, 28 G Gerbstoffe 36 Ginger 40 Gizeh 5, 6 Grauballe-Mann 37, 38 H Han-Dynastie 27 Hapi 19 Heilige 44, 45 Hieroglyphen 4 Ho Chi Minh 45 Moorleiche Leichnam, der durch langjähriges Liegen im Moorwasser zu einer natürlichen Mumie wurde. „Mundöffnung“ Eine religiöse Zeremonie im alten Ägypten, bei der der Mund der Mumie mit einem speziellen Instrument berührt wurde. Auf diese Weise sollte der Tote wieder atmen, sprechen, essen und trinken können. Natron Ein Mineralsalz, das im alten Ägypten in ausgetrockneten Seen zu finden war. Es wurde bei der Einbalsamierung zum Austrocknen des Körpers verwendet. Natürliche Mumie Leichnam, der ohne menschliches Eingreifen durch Einfrieren, Höhlenkloster 41 Huari 24 I Ibis 20 Ica 24 Inka 26 Inuit 31 Isis 20 J Jomsvikinga-Sage 39 Juanita 30, 31 K Kanopen 14, 19 Kartusche 4 Kebechsenuef 19 Klagefrauen 22, 23 Klonen 46 Korbmumie 25 Kurgan 29 Kwaday Dan Sinchi 32 L Läuse 15, 34 Lenin 45 Lindow-Mann 38, 39 Lord Carnarvon 4, 7 Papiermumien Moorleichen, bei denen weder Organe noch Knochen erhalten sind, sondern die nur noch aus einer festen Hauthülle bestehen. Scheinkopf Kopfähnliche Stoffkugel auf altperuanischen Mumienbündeln, die dem Bündel ein menschliches Aussehen verleihen sollte. Skarabäus Ein Käfer, der den alten Ägyptern heilig war. Er schützte speziell die Wiederbelebung nach dem Tod. Skythen Ein halbnomadisch lebendes Reitervolk, das vom 7. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. am Nordrand des Schwarzen Meeres und in Südrussland lebte. Trockenmumie Leichnam, der durch starke Trockenheit zur natürlichen Mumie wurde. Ushebti Grabfiguren, die nach altägyptischem Glauben dem Verstorbenen im Jenseits als Feldarbeiter dienten. Skythen 29 Südpol 33 Papiermumien 36 Paracas 24 Maat 21 Paracelsus 10 Tal der Könige 5, 22 Mädchen von Yde 14, 39 Parasiten 14, 15, 34, 35, Theben 6 Mammut 32 38 Thot 20 Mao 45 Pazyryk-Frau 29 Tiahuanaco 24 Medum 6 Plastination 46 Tiefkühl-Vitrine 30, 31 Moche 24 Tiermumien 20 „Mumia“ 11 Tollund-Mann 38, 39 Mumienbündel 24, 25 Quecksilber 28 Tutanchamun 4, 5, 6, 7, Mumienfeste 26 14 Mumiengrüfte 42, 43 Mumienpartys 11 Radiokarbondatierung „Mundöffnung“ 20 12, 39, 41 Udjat-Auge 21 Radiokarbonmessung Ushebti 21 37 Napoleon 10 Ramses V. 14 Nasca 24 Rauchtrocknung 9 Virtuelle Mumie 47 Natron 15, 18, 19 Re 20 Nephthys 20 Ritter Kahlbutz 43 Nomaden 29 Roter Franz 37 Weerdinge-Männer 36 Nordwestpassage 32, 33 Windeby-Mädchen 37, „nyujo“ 27 38 Sakkara 6 Wollnashorn 32 Scheinkopf 25 Osiris 20, 21 Scott, Robert 33 Ötzi 15, 31, 34, 35, 47 Selbstkonservierung 27 Xin Zhui 27, 28 Skarabäus 21 Luxor 5, 7 P M T Q R U N V W S O X