K.-o.-Mittel: Häufigkeit, Wirkungsweise, Beweismittelsicherung

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MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
K.-o.-Mittel: Häufigkeit, Wirkungsweise,
Beweismittelsicherung
Burkhard Madea, Frank Mußhoff
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: K.-o.-Mittel werden eingesetzt, um
Anschlussstraftaten – Raub oder Sexualdelikte – zu ermöglichen. Zwar haben Pressemitteilungen über die Verwendung von K.-o.-Mitteln zugenommen, belastbare epidemiologische Daten zur Häufigkeit drogenassoziierter Sexualdelikte existieren aufgrund der vermuteten hohen Dunkelziffer naturgemäß nicht.
Methoden: Auf der Basis einer selektiven Literaturrecherche zu „Drug Facilitated Sexual Assaults“ (DFSA) oder
„Drug Facilitated Crimes“ (DFC) werden Wirkungsweise
und Nachweisfenster der häufigsten als K.-o.-Mittel
verwendeten Substanzen dargestellt.
Ergebnisse: Die häufigste, bei Sexualdelikten nachgewiesene Substanz ist nach wie vor Alkohol (circa 40–60 %),
gefolgt von illegalen Drogen (Cannabis, Kokain). Nur in einem vergleichsweise geringen Prozentsatz (circa 2 %)
können bei Routineuntersuchungen unfreiwillig eingenommene Medikamente und Drogen nachgewiesen werden.
Hierbei stehen Benzodiazepine, gefolgt von anderen Hypnotika, im Vordergrund. Die als Date-Rape Drug häufig genannte Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB, „Liquid Ecstasy“) wird in Europa relativ selten mit entsprechender Sicherheit nachgewiesen. Das mag einerseits mit dem engen Nachweisfenster (für GHB im Blut 8 Stunden, im Urin
maximal 12 Stunden) in biologischen Flüssigkeiten und andererseits mit dem physiologischen Vorkommen im Körper
zusammenhängen. Gelingt bei dem begründeten Verdacht
auf Beibringung von K.-o.-Mitteln in Urin und Blut kein
Substanznachweis, bietet sich die Analyse einer Haarprobe
circa vier Wochen nach dem Vorfall an, bei entsprechender
Haarlänge kann auch eine längere Zeit zurückliegende Aufnahme erfolgreich nachgewiesen werden. Verurteilungen
wegen Beibringung von K.-o.-Mitteln mit Anschlussstraftaten sind in Europa vergleichsweise selten, vorwiegend wegen im Verfahren auftretender Beweisprobleme.
Schlussfolgerung: Eine sorgfältige ärztliche Anamnese
und Befunderhebung sowie Sicherstellung von Asservaten
bildet die Basis für die Aufdeckung entsprechender Fälle.
Dtsch Arztebl Int 2009; 106(20): 341–7
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0341
Schlüsselwörter: Sexualdelikt, GHB-Missbrauch, Haaranalyse, Drogenscreening, Benzodiazepin
Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn: Prof. Dr. med. Madea,
Prof. Dr. rer. nat. Mußhoff
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ressemitteilungen, die darüber berichten, dass
Knock-out(K.-o.)-Mittel dazu genutzt werden,
eine anschließende Straftat zu begehen, haben in letzten
Jahren – ausgehend von den USA – zugenommen. Vor
Jahren standen dabei Eigentums- und Raubdelikte im
Vordergrund; bekannt sind in diesem Zusammenhang
etwa die Verabreichung von Noludar-Tropfen (Methyprylon) an alkoholisierte Opfer in Etablissements im St.
Pauli-Milieu oder einer Münchner Traditionsgaststätte.
Demgegenüber werden heute im Umfeld der Disco- und
Rave-Szene überwiegend Sexualstraftaten verübt (1–5).
Drei einschlägige Fallbeispiele dazu sind im InternetSupplement (eFallbeispiele) dargestellt.
Der Nachweis, dass K.-o.-Mittel verabreicht wurden, ist häufig schwierig, weil sich die Opfer nach einer mehr oder weniger langen Phase der Bewusstlosigkeit oder anterograden Amnesie nicht an den Vorfall erinnern können, weil sie ferner Geschehensabläufe zum Vorfallszeitpunkt aus der Erinnerung oder
Befragung von Bekannten zu rekonstruieren versuchen und weil sie sich erst zeitlich verzögert einem
Arzt oder der Polizei anvertrauen. Aufgrund eines daraus resultierenden längeren zeitlichen Intervalls zwischen Vorfall und Asservierung einer Blut- und Urinprobe gelingt der chemisch-toxikologische Nachweis
beigebrachter Substanzen daher oft nicht mehr.
Für den analytischen Nachweis kommt erschwerend hinzu, dass K.-o.-Mittel in der Regel in möglichst kleiner Dosierung das Opfer ausreichend sedieren sollen und bei entsprechender Kenntnis häufig auf
Substanzen mit kurzen Eliminationshalbwertszeiten
zurückgegriffen wird. Damit beim Opfer kein Argwohn erweckt wird, sollen die verwendeten Substanzen dabei möglichst geruch-, farb- und geschmacklos
sein, um sie unbemerkt zum Beispiel in einem Getränk verabreichen zu können.
Erschwerend kommt zudem hinzu, dass Opfer, die
eine Beibringung von K.-o.-Mitteln vermuten, häufig
zum Vorfallszeitpunkt höhergradig alkoholisiert waren (im eigenen Untersuchungskollektiv mehr als 40 %).
In manchen Fällen kann bereits die aus Trinkangaben
berechnete Blutalkoholkonzentration zum Vorfallszeitpunkt eine Amnesie mit vollständigem Verlust der
Erlebniskontinuität erklären.
Mit der Absicht, Anschlussstraftaten zu ermöglichen, wurden früher auch häufiger flüchtige Substanzen wie zum Beispiel Chloroform, Äther, aber auch
Halothan verwendet (6).
P
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TABELLE 1
Detailangaben zu sedierenden Medikamenten (inclusive GHB) mit
Nachweis in allen untersuchten Fällen sowie denen mit unfreiwilliger
Einnahme
Wirkstoffgruppe
Bezeichnung
Fallzahl
Vorsätzliche
Beibringung
Benzodiazepine
Diazepam
Temazepam
Lorazepam
insgesamt
44
24
5
84
3
6
1
12
Andere Hypnotika
Zopiclon
GHB etc.
(> 10 µg/mL im Urin)
insgesamt
6
2
1
2
8
3
Diphenhydramin
insgesamt
6
14
2
2
Opiatanalgetika
insgesamt
103
0
Antidepressiva
insgesamt
7
1
Antiparkinsonmittel
Procyclidin
2
0
Antiemetika
Promethazin
4
0
Antihistaminika
Antipsychotika
Thioridazin
3
0
Barbiturate
Phenobarbital
1
0
Illegale Drogen
Ecstasy
Gesamt
(% der Fälle)
N/A
3
226
(22 %)
21
(2 %)
modifiziert nach (10)
GHB, Gammahydroxybuttersäure
Das Spektrum der beigebrachten Substanzen hat
sich in den letzten Jahren deutlich erweitert, wobei gerade die häufig genannte γ-Hydroxybuttersäure
(GHB), auch als Liquid-Ecstasy bezeichnet, analytisch nur in einem äußerst engen Zeitfenster (8 h im
Blut, 12 h im Urin) zu erfassen ist.
Für die Beibringung von Bewusstseinsbeeinträchtigenden Substanzen, mit dem Ziel, anschließend sexuelle Handlungen durchzuführen, hat sich international
inzwischen der Terminus „Drug Faciliated Sexual Assault“ (DFSA) durchgesetzt.
Vom Täter erwünschte Wirkungen bei drogenassoziierten Sexualdelikten sind
> ein sedativer, hypnotischer, schlafinduzierender
Effekt
> die Herbeiführung einer Verhaltensänderung
beim Opfer
> eine anterograde Amnesie mit Erinnerungsverlust
> die Erzeugung einer hilflosen Lage, die vom Täter gezielt ausgenutzt werden kann.
Im Zusammenhang mit Sexualdelikten werden teilweise jedoch auch Mittel zur Steigerung der sexuellen
Appetenz und Herabsetzung des Hemmungsvermögens verabreicht (Amphetamine, Kokain).
Auf der Basis einer selektiven Literaturrecherche
zu „Drug Facilitated Sexual Assaults“ (DFSA) oder
„Drug Facilitated Crimes“ (DFC) werden Wirkungs-
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weise und Nachweisfenster der häufigsten als K.-o.Mittel verwendeten Substanzen dargestellt, um mit
derartigen Fällen befassten Kollegen Anhaltspunkte
für die Gewinnung adäquater Asservate für chemischtoxikologische Untersuchungen zu vermitteln.
Epidemiologie
Nach Berichten – vor allem aus den USA – haben drogenassoziierte Sexualdelikte in den letzten Jahren eindeutig zugenommen, wobei exakte epidemiologische
Daten aufgrund des hohen Dunkelfeldes naturgemäß
nicht existieren. Viele nachgewiesene Drogen werden
allerdings freiwillig konsumiert, der Nachweis heimlich beigebrachter Mittel gelingt nur selten (7, 8). GHB
oder Flunitrazepam waren nur in 3 % der Fälle in einer
US-amerikanischen Untersuchung nachweisbar (8).
Für das Münchner Institut für Rechtsmedizin konnten für den Zeitraum 1995 bis 1998 insgesamt 92 Fälle mit Verdacht auf Gabe eines K.-o.-Mittels registriert werden (3). Als Anschlussstraftaten stand dabei
Raub mit 47,8 % deutlich vor Sexualdelikten (Vergewaltigung 13 %) und Tötungen (5,4 %) beziehungsweise sonstigen Delikten.
Das Bonner Institut für Rechtsmedizin registrierte
zwischen 1997 und 2006 einen Anstieg der Untersuchungen zu berauschenden Mitteln bei Sexualstraftaten um das Zehnfache auf derzeit circa 40 bis 50 Fälle
pro Jahr (5). In der Regel wurden chemisch-toxikologische Untersuchungen sowohl bei Opfern als auch
bei Tatverdächtigen durchgeführt.
Lediglich in 21 von 1 014 Fällen (2 %) konnten in
Großbritannien zwischen 2000 und 2002 unfreiwillig
eingenommene Medikamente nachgewiesen werden
(9, 10). Nur bei der Hälfte der Fälle mit dem Nachweis
unfreiwillig eingenommener Substanzen, also bei 1 %
des gesamten Untersuchungskollektivs, kam es anschließend zu einer Gerichtsverhandlung, die nicht
immer mit einer Verurteilung endete. Von einer weiteren Strafverfolgung musste abgesehen werden, weil
entweder kein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, ein Tatverdächtiger nicht greifbar war oder die Beweislage nicht ausreichte (eKasten).
Bei den unfreiwillig eingenommenen, überwiegend
sedierenden Substanzen standen – wie im eigenen Untersuchungskollektiv – Benzodiazepine im Vordergrund (n = 12), gefolgt von anderen Hypnotika (Zopiclon, GHB > 10 mg/mL in Urin, n = 3), Antihistaminika (Diphenhydramin, n = 2), sedierende Antidepressiva (n = 1) sowie andere illegale Drogen (Ecstasy, n =
3) (Tabelle 1).
Subjektive Symptomatik
In Abhängigkeit von der Pharmakodynamik der eingesetzten Substanzen werden von den Opfern einer
K.-o.-Mittelgabe häufig folgende Symptome geschildert (11):
> ekliger, bitterer Geschmack eines vorher unauffälligen Getränkes
> Verwirrtheit
> Schwindel
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> Benommenheit
> Schläfrigkeit
> Bewusstseinsstörung
> Bewusstlosigkeit
> Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens
> Gefühl, seine Handlungen nicht entsprechend
dem Willen ausrichten zu können
> erniedrigte Herzfrequenz, Hypotonus
> Verlust der Muskelkontrolle
> Übelkeit
> Enthemmung.
Hierauf hat sich auch die Anamneseerhebung auszurichten (Kasten 1).
Amnesien spielen vor allen Dingen bei GHB und
Benzodiazepinen eine Rolle, wobei insbesondere 1,4Benzodiazepine wie Flunitrazepam ein höheres Amnesiepotenzial aufweisen, als die 1,5-Benzodiazepine
wie Clobazam (12). Amnesien können auch auftreten,
ohne dass es zu einem Verlust des Bewusstseins gekommen sein muss. Im Zusammenhang mit Midazolam können sexuell getönte Phantasien auftreten.
Bei der körperlichen Untersuchung sind sorgfältig
Verletzungen, insbesondere sexuell getönte Verletzungen wie zum Beispiel Hämatome an der Innenseite der Oberschenkel oder Kratzspuren an den Brüsten,
und Bagatellverletzungen zu dokumentieren. Ferner
sind Asservate für weiterführende molekularbiologische und toxikologische Untersuchungen sicherzustellen (Kasten 2).
KASTEN 1
Anamneseerhebung bei
Verdachtsfällen*
> Wissentliche Einnahme von Alkohol, Medikamenten,
Drogen?
Wenn ja: Zeitpunkt und Dosis?
> Wahrnehmung von verändertem Geschmack des
Getränks?
> Getränk oder Lebensmittel angeboten bekommen?
> Von wem wurde das Getränk serviert?
> Getränk unbeaufsichtigt gelassen?
> Plötzliche Zustandsänderung?
> Dämmerzustand („wie in Watte gehüllt“)?
> Gefühle der Willenlosigkeit und Reglosigkeit?
> Sprachstörungen, Benommenheit?
> Psychovegetative Auffälligkeiten?
> Erinnerungsstörung?
> Im Nachgang Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Herzbeschwerden, Muskelschwäche?
> Zeitintervall bis zur Meldung an die Polizei, Vorstellung
beim Arzt, Probennahme?
*in Anlehnung an (11, 14)
Häufig benutzte Wirkstoffgruppen
Im Folgenden kann nur ein kurzer Abriss über die gängigsten Wirkstoffgruppen und Wirkstoffe gegeben
werden, die potenziell als K.-o.-Mittel in Betracht
kommen; ausführlichere Informationen finden sich
bei Mußhoff und Madea (13). In der eTabelle ist eine
erweiterte Auflistung potenzieller Mittel zu finden.
Benzodiazepine
Die große Gruppe der Benzodiazepine wird therapeutisch als Tranquilizer, Antikonvulsiva, Hypnotika
oder Sedativa eingesetzt.
Alle Vertreter aus der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine unterliegen in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Dort sind sie in der Anlage III (Verkehrsfähige und verschreibungsfähige
Betäubungsmittel) aufgenommen. Der Gesetzgeber
hat jedoch Höchstmengen pro abgeteilter Form zugelassen, bis zu denen die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung nicht gilt.
In Kombination mit Alkohol oder Opioiden kann es
zu einer Amnesie kommen, vor allem Flunitrazepam
steht im Ruf einer Date-Rape-Droge. Besonders in
den 1990er-Jahren wurden die damals farb- und geschmacklosen Tabletten zu diesem Zweck missbraucht, indem sie Getränken beigemischt wurden.
Teilweise wurden hierzu bereits vorher Tabletten in
Wasser aufgelöst. Deshalb änderte 1999 der Hersteller
die Zusammensetzung, sodass die Tabletten seitdem
eine bläuliche Farbe aufweisen, Flüssigkeiten verfär⏐ Jg. 106⏐
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ben, klumpen und leicht bitter schmecken. In einigen
Ländern sind jedoch nach wie vor die alten Tabletten
verfügbar, von Generika-Herstellen und anderen Firmen werden sie zudem häufig noch in der alten Form
in den Handel gebracht.
Andere Hypnotika
Zopiclon, Zolpidem sowie Zaleplon zählen zu den
nicht benzodiazepinen Hypnotika der neueren Generation. Sie wirken anxiolytisch und schlafanstoßend
beziehungsweise auch muskelrelaxierend. Insbesondere aufgrund des raschen Wirkungseintrittes innerhalb von 10 bis 30 min, aber auch durch die Auslösung
von Amnesien und wegen ihrer begrenzten Nachweisbarkeitsdauer (kurze Halbwertszeiten) sind sie als K.o.-Mittel geeignet.
Gamma-Hydroxybuttersäure, 1,4-Butandiol und
Butyro-1,4-lacton
In der Medizin wird GHB nur noch selten als intravenöses Narkotikum verwendet. GHB ist zudem zur
symptomatischen Behandlung der Narkolepsie zugelassen (14).
Insbesondere seit Ende der 1990er-Jahre wird die
Substanz verstärkt als Partydroge („Liquid Ecstasy“,
„Liquid E“, „Liquid X“, „Fantasy“) genutzt. Auf dem
Schwarzmarkt ist GHB als hygroskopischer Feststoff
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MEDIZIN
KASTEN 2
Ärztliche Maßnahmen und Asservate bei Verdacht
auf Beibringung von K.-o.-Mitteln
> Körperliche, inklusive gynäkologische Untersuchung
> Detaillierte und sorgfältige Dokumentation von Verletzungen, insbesondere
auch von Bagatellverletzungen
> Sicherung von möglichen DNA-Spuren/Abstriche
> Sicherung von Proben für eine toxikologische Analyse (Körperflüssigkeiten
sollten unbedingt gekühlt gelagert werden, bei längerer Lagerung sind
gewonnenes Serum und Urin tiefzufrieren):
– Blutprobe: 10 mL, ohne Citratzusatz
– Urinprobe: circa 100 mL
– Unter Umständen eine Haarprobe nehmen: circa bleistiftdicke Haarsträhne, am Haaransatz mit einem Faden markieren, wenn kein Kopfhaar zur
Verfügung steht ggf. auch Schamhaar. Haarprobe bei negativem Blutund Urinbefund circa 4 Wochen nach dem Vorfall asservieren und trocken
bei Raumtemperatur unter Lichtabschluss aufbewahren.
oder als farblose oder gefärbte Flüssigkeit erhältlich
(wässrige Lösung von GHB-Salzen).
In niedrigen Dosen von circa 0,5 bis 1,5 g dominiert der stimulierende Effekt, es wirkt anxiolytisch,
leicht euphorisierend und sozial öffnend, allerdings
kommt es ähnlich wie bei einem Alkoholrausch auch
zu Beeinträchtigungen der Motorik (Tabelle 2). In
höheren Dosen bis circa 2,5 g führt es analog zum Alkohol zunächst zu einer Stimmungs- und Antriebssteigerung, unter Umständen tritt eine aphrodisierende Wirkung hinzu. In noch höheren Dosen wirkt GHB
stark einschläfernd. Überdosierungen können einen
plötzlichen narkotischen Schlaf zur Folge haben, aus
dem die betreffende Person kaum zu wecken ist.
GHB-Überdosen, das heißt Dosen, die zu einer unerwünschten Narkose führen, sind verhältnismäßig unproblematisch, solange kein Mischkonsum mit anderen Drogen vorliegt.
Gefährlich ist die Kombination mit Alkohol, atemdepressiv wirkenden Medikamenten oder Benzodiazepinen. Dabei kann es zu Übelkeit und Erbrechen
kommen, was durch die narkotisierende Eigenschaft
der Droge zum Erstickungstod durch Aspiration
führen kann. Außerdem können lebensbedrohliche
Atemdepressionen und Herzrhythmusstörungen auftreten. Wegen der mit anderen Substanzen übereinstimmenden einschläfernden Wirkung wird der Zustand der
betroffenen Person von Sanitätern und Helfern oft
falsch eingeschätzt. Meist wird eine Überdosierung
von Benzodiazepinen oder Opiaten vermutet, wobei eine Antagonisierung mit Flumazenil beziehungsweise
Naloxon unwirksam ist. Eine Antagonisierung von
GHB-Wirkungen mit Physiostigmin wird derzeit noch
kontrovers diskutiert (14).
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Butyro-1,4-lacton, oder auch Gamma-Butyrolacton
(GBL) genannt, ist eine farblose Flüssigkeit mit
schwachem Eigengeruch. GBL ist ein weit verbreitetes
Lösungsmittel in der Industrie und wird auch als Farbentferner, Graffitientferner, Reinigungsmittel und Nagellackentferner verwendet. Darüber hinaus dient
GBL auch als Ausgangsstoff zur Herstellung von Pharmazeutika und Chemikalien für die Landwirtschaft. Im
Gegensatz zu GHB wurde GBL bislang nicht als illegales Betäubungsmittel eingestuft, obwohl es als K.o.-Mittel verwendet wird. Im Organismus wird GBL
durch die 1,4-Lactonase zu GHB hydrolysiert. Die
Plasmahalbwertszeit von GBL beträgt aufgrund rascher Metabolisierung zu GHB weniger als 60 sec, das
heißt 5 min nach der Einnahme von GBL sind im Körper nur noch etwa 3 % GBL vorhanden.
1,4-Butandiol (BDO) wird in der Industrie als
Weichmacher verwendet und ist auch ein wichtiges
Zwischenprodukt bei der Synthese anderer Substanzen, unter anderem von GBL. Auch BDO wird im
Körper über eine Alkoholdehydrogenase beziehungsweise Aldehyddehydrogenase zu GHB metabolisiert.
Daher kann man es ersatzweise als Droge/K.-o.-Mittel
verwenden. Eine Wirkung setzt circa 5 bis 20 min
nach oraler Aufnahme ein und hält circa 2 bis 3 h an.
Dosen ab 4 mL wirken wie GHB schlaffördernd.
Höhere Dosen können wie unter GHB zu einem komatösen Zustand und bei starker Überdosierung zum
Tode führen.
Ketamin
Ketamin ist in Deutschland unter generischer Bezeichnung im Handel. Es ist verschreibungspflichtig, unterliegt jedoch nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Man
wendet Ketamin in der Anästhesie zu Narkosezwecken
an, sowie bei der Analgesie und zur Behandlung des
therapieresistenten Status asthmaticus. Außerdem fungiert es als Hypnotikum. Aufgrund seiner dissoziativen,
bewusstseinsverändernden Wirkung wird Ketamin
auch als Rauschdroge beziehungsweise Partydroge
verwendet; auch der Gebrauch als K.-o.-Mittel wird beschrieben.
Anticholinerga
Von den Anticholinerga sind insbesondere Scopolamin oder auch Hyoscin und Atropin aus der Belladonna-Familie bedeutsam. Scopolamin wirkt bei niedriger Dosierung leicht beruhigend und hemmend auf
das Brechzentrum im Gehirn, bei höherer Dosierung
wirkt es dämpfend und sorgt für einen Zustand der
Apathie.
Antihistaminika
Insbesondere von den H1-Antihistaminika der ersten
Generation besitzen einige Vertreter auch eine antagonistische Wirkung an
> Muscarin-Rezeptoren (zum Beispiel Diphenhydramin)
> Dopamin-Rezeptoren (zum Beispiel Promethazin)
> Serotonin-Rezeptoren (zum Beispiel Promethazin)
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Sie verfügen zudem über eine meist gute ZNS-Gängigkeit. Unter Ausnutzung solcher zentralnervösen
Effekte werden solche H1-Antihistaminika heute insbesondere als Antiemetika zur Behandlung der Reisekrankheit und als Schlafmittel angewendet. Aufgrund
anticholinerger Eigenschaften sind H1-Antihistaminika der ersten Generation nicht zuletzt wegen der einfachen Verfügbarkeit prinzipiell als K.-o.-Mittel geeignet. Entsprechende Fälle mit Diphenhydramin oder
Doxylamin sind beschrieben.
Muskelrelaxanzien und flüchtige Substanzen
Zahlreiche weitere Substanzen wie die Muskelrelaxanzien Carisoprodol oder Cyclobenzaprin wurden
wegen ihrer sedierenden Eigenschaften bereits als
K.-o.-Mittel verwendet. Dies gilt insbesondere auch
für flüchtige Substanzen wie zum Beispiel Äther,
Chloroform oder Lachgas. Da sie vergleichsweise
schnell eliminiert oder abgeatmet werden, ist die zeitliche Nachweisbarkeitsdauer sehr begrenzt.
Asservate müssen grundsätzlich in luftdicht verschlossenen Gefäßen sichergestellt werden, um einen
weiteren präanalytischen Substanzverlust zu verhindern. Zum Nachweis bedarf es spezieller Analysen
wie der Headspace-Gaschromatografie oder Festphasenmikroextraktion.
Heute spielen als flüchtige Substanzen in der Partyszene „Poppers“ eine Rolle. Darunter versteht man in
der Regel Amylnitrit, Butylnitrit, Isobutylnitrit oder Mischungen dieser drei Stoffe. Sie haben eine stark gefäßerweiternde Wirkung. Bei Inhalation setzen nach 5
bis 15 Sekunden psychische Wirkungen ein, bestehend
aus einer Intensivierung von Empfindungen, die dosisabhängig circa 10 Minuten anhalten können. Aufgrund
der kurzen Wirkdauer dienen „Poppers“ eher nicht als
K.-o.-Mittel, sondern wegen einer – ebenfalls nur kurzzeitigen – sexuellen Stimulation als Aphrodisiakum.
Weitere als K.-o.-Mittel eingesetzte Substanzen
sind vor allem die der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) unterliegenden Barbiturate, das Antihypertonikum Clonidin, das atypische
Neuroleptikum Clozapin sowie Chloralhydrat.
Vermehrt werden bei Fällen von DFSA auch Stimulanzien wie Kokain, Amphetamin oder Ecstasy genutzt. Einerseits kann es zu einer Steigerung der sexuellen Appetenz sowie einer Enthemmung kommen,
andererseits wird von Tätern der Eintritt der Erschöpfungsphase nach dem eigentlichen Rausch abgewartet, die sich durch große Müdigkeit mit langen tiefen
Schlafphasen auszeichnet.
Chemisch-toxikologische Analyse
Die meisten der genannten Substanzen sind im Blut
mehrere bis etwa 24 h nachweisbar; im Urin inklusive
ihrer Metaboliten wenige Tage. Für GHB gilt die Besonderheit, dass es sehr schnell resorbiert wird, die
maximale Plasmakonzentration wird bereits nach 20
bis 45 min erreicht. Die Halbwertszeit beträgt circa 30
min. Ein Nachweis im Blut ist für 8 h, im Urin für maximal 12 h möglich (15, 16).
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TABELLE 2
Missbräuchliche Anwendung von GHB*
Einzeldosis
Effekt
1,0–2,0 g (p.o.)
Entspannung, Anxiolyse,
Euphorie, Sedierung
2,5–3,0 g (p.o.)
Übelkeit, Erbrechen, Myoklonien,
Bradykardie, Amnesie
3,0–4,0 g (p.o.)
Bewusstlosigkeit
> 4,0 g (p.o.)
Atemdepression, Koma
GHB, Gammahydroxybuttersäure
p.o., per oral; *nach (25)
Aufgrund der im Blut und Urin nur kurzen
Nachweisbarkeitsdauer, der häufig längeren Latenz
zwischen Vorfall und Meldung bei der Polizei beziehungsweise bei einem Arzt sowie der im Zusammenwirken mit Alkohol und anderen Drogen häufig niedrigen Dosis von K.-o.-Mitteln zur Induktion
einer Bewusstseinsbeeinträchtigung müssen je nach
Fallgestaltung sowohl Blut als auch Urin als Untersuchungsmatrix für eine chemisch-toxikologische Analyse sichergestellt werden. Das Material ist zwingend
zu kühlen, insbesondere bei GHB kann es ansonsten
durch bakterielle Aktivität zu Konzentrationserhöhungen kommen.
Für orientierende Untersuchungen sollten so
schnell wie möglich, spätestens innerhalb von 2 bis 4
Tagen, 100 mL Urin sichergestellt werden. Zusätzlich
sollten ebenfalls so schnell wie möglich, am besten innerhalb von 24 h, mindestens 10 mL Blut (citratfrei)
asserviert werden.
Besteht ein längeres Intervall zwischen Vorfall und
ärztlicher Untersuchung oder verliefen bei begründetem Verdacht auf die Beibringung von K.-o.-Mitteln
chemisch-toxikologische Untersuchungen an Blut
und Urin negativ, kommt die Untersuchung einer
Haarprobe in Betracht. Hierzu wird circa 4 Wochen
nach dem Vorfall eine Haarsträhne asserviert. Bei einem durchschnittlichen Wachstum des Kopfhaars von
1 cm pro Monat würde ein Substanznachweis im kopfnahen Segment bei fehlendem Nachweis in spitzennahen Segmenten auf eine Aufnahme zum Vorfallszeitraum deuten. Viele potenzielle K.-o.-Mittel konnten
bereits nach einer einmaligen Aufnahme später im
Haar nachgewiesen werden (17–19). Problematisch
ist der Nachweis von GHB, da dort eine Differenzierung zwischen noch endogenen Haarkonzentrationen
und einer möglicherweise leicht erhöhten Konzentration in einem bestimmten Segment nach exogener Zufuhr erfolgen muss (20, 21).
Es ist darauf hinzuweisen, dass konventionelle Untersuchungsstellen in der Regel nicht in der Lage sind,
das gesamte infrage kommende Analysenspektrum
abzudecken beziehungsweise Analysen mit der gebotenen Sensitivität vorzunehmen (22–24). Folglich
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sollten nur spezialisierte Untersuchungsstellen involviert werden, die dann auch eine Beratung im Einzelfall vornehmen können. Ganz besonders gilt dies für
Haaranalysen nach Einmalaufnahme von Fremdstoffen.
Rechtsfolgen
Mögliche Rechtsfolgen bei Einsatz von K.-o.-Mitteln
sind
> § 179 StGB (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen)
> § 177 StGB (Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung)
> § 224 StGB (Gefährliche Körperverletzung)
> § 250 StGB (Schwerer Raub).
Nach § 177 Abs. 3 StGB stellt das Mitsichführen
eines Werkzeuges oder eines Mittels, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder
Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, einen strafverschärfenden Tatbestand dar. Vom
BGH wurde der Einsatz von K.-o.-Mitteln mit dem
Ziel, einen zu erwartenden Widerstand eines Raubopfers zu verhindern sogar als der klassische Fall des
„Beisichführens“ hervorgehoben. Demzufolge wäre
bei entsprechenden Fällen für einen schweren Raub
eine Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren anzunehmen.
Ähnliches gilt in Analogie für die sexuelle Nötigung
(§ 177 Abs. 3).
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien
des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 6. 11. 2008, revidierte Fassung angenommen: 22. 12. 2008
LITERATUR
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3. Christmann J: Zum Vorkommen von K.-o.-Fällen im Untersuchungsgut des Rechtsmedizinischen Institutes der Universität
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Klinische Kernaussagen
> Auch wenn belastbare epidemiologische Daten zur Häufigkeit drogenassoziierter Sexualdelikte fehlen, haben die Untersuchungszahlen, zum Beispiel in
rechtsmedizinischen Instituten, in den letzten Jahren eindeutig zugenommen.
> Der Nachweis einer Beibringung von K.-o.-Mitteln ist häufig deshalb schwierig,
da sich die Opfer nach einer mehr oder weniger langen Phase der Bewusstlosigkeit oder anterograden Amnesie nicht an den Vorfall erinnern können und
sich erst zeitlich verzögert einem Arzt oder der Polizei anvertrauen.
> Die häufigste bei Sexualdelikten nachgewiesene Substanz ist nach wie vor Alkohol (circa 40 bis 60 % der Fälle) gefolgt von illegalen Drogen (Cannabis, Kokain). Nur in einem vergleichsweise geringen Prozentsatz (circa 2 %) können
bei Routineuntersuchungen unfreiwillig eingenommene Medikamente und
Drogen nachgewiesen werden. Hierbei stehen Benzodiazepine, gefolgt von anderen Hypnotika, im Vordergrund.
> Bei Verdacht auf die Beibringung von K.-o.-Mitteln sollten für orientierende Untersuchungen so schnell wie möglich 100 mL Urin sichergestellt werden, weiterhin sollte so schnell wie möglich – am besten innerhalb von 24 Stunden –
mindestens 10 mL Blut (zitratfrei) asserviert werden.
> Liegt ein längeres Intervall zwischen Vorfall und ärztlicher Untersuchung oder
waren bei begründetem Verdacht auf die Beibringung von K.-o.-Mitteln chemisch-toxikologische Untersuchungen am Blut und Urin negativ, kommt die
Untersuchung einer Haarprobe in Betracht, die circa 4 Wochen nach dem Vorfall asserviert werden soll.
> Eine sorgfältige ärztliche Anamnese und Befunderhebung sowie Sicherstellung
von Asservaten bildet die Basis für die Aufdeckung entsprechender Fälle.
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MEDIZIN
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Anschrift der Verfasser
Prof. Dr. med. Burkhard Madea
Prof. Dr. rer. nat. Frank Mußhoff
Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn
Stiftsplatz 12, 53111 Bonn
E-Mail: [email protected]
Results: The most frequently used drug in cases of sexual assault is
still alcohol (ca. 40% to 60%), followed by illegal drugs (cannabis,
cocaine). The presence of involuntarily consumed medications and
drugs of abuse is demonstrated by routine toxicological analysis only
in relatively few cases (ca. 2%). The substances most commonly
found are benzodiazepines, followed by other hypnotics. In Europe, the
illegal substance gamma-hydroxybutyric acid (GHB, "Liquid Ecstasy"),
often mentioned as a "date-rape drug," is only rarely detected with
sufficient medicolegal certainty. This may be due to its rapid elimination (it is detectable in blood for up to 8 hours, in urine for up to 12
hours) as well as its physiological occurrence in the body. If the toxicological analysis of blood and urine is negative in a case of suspected DFSA, then the analysis of a hair sample about four weeks after
the assault can detect the presence of drugs consumed at that time.
If the victim has long hair, it may be possible to detect knock-out drugs
taken more than four weeks earlier. In Europe, convictions for drugfacilitated crimes are comparatively rare, mainly because of the difficulty of demonstrating conclusive evidence.
Conclusions: A careful medical history and physical examination and
the careful taking of biological samples for toxicological analysis form
the basis for the detection of drug-facilitated crimes.
SUMMARY
Knock-Out Drugs: Their Prevalence, Modes of Action,
and Means of Detection
Background: Knock-out drugs are used to facilitate the commission
of a crime, generally either robbery or sexual assault. Although media
reports on the use of knock-out drugs have become more frequent,
there are no robust epidemiological data on the incidence of drugfacilitated robbery or sexual assault, presumably because many
crimes of these types do not enter into official statistics.
Methods: The authors describe the modes of action and toxicological
means of detection of the substances most frequently used as knockout drugs on the basis of a selective literature research on the terms
"drug-facilitated sexual assaults" (DFSA) and "drug-facilitated crimes"
(DFC).
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Dtsch Arztebl Int 2009; 106(20): 341–7
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0341
Key words: sex crimes, gamma-aminobutyric acid abuse, hair analysis,
drug screening, benzodiazepine
@
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit2009
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
eFallbeispiele, eKasten und eTabelle unter:
www.aerzteblatt.de/artikel09m341
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MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
K.-o.-Mittel: Häufigkeit, Wirkungsweise,
Beweismittelsicherung
Burkhard Madea, Frank Mußhoff
Fallbeispiele
Fall 1
Ein 40-jähriger Gastwirt unterhielt sich vor Schluss des Lokals noch mit seinen beiden letzten Gästen, einer 23 und einer 25 Jahre alten Frau, die nach eigenen Angaben den letzten Bus nach Hause verpasst hätten. Der Gastwirt lud beide
Frauen ein, bei ihm zu übernachten. Auf dem Heimweg habe man sich an einer Tankstelle noch zwei Flaschen Sekt
besorgt. In der Wohnung habe man gemeinsam Sekt getrunken, dann setzte bei dem Wohnungsinhaber die Erinnerung aus. Am nächsten Morgen wachte er nackt in seinem
Bett auf, die Frauen waren verschwunden, aus der Wohnung waren sämtliche Wertgegenstände entfernt.
Aus Scham meldete er erst abends den Vorfall bei der Polizei, wo eine Blut- und Urinprobe sichergestellt wurde; die
beiden Frauen konnte er nur sehr schlecht beschreiben. Eine chemisch-toxikologische Untersuchung wies eine Flunitrazepam-Aufnahme nach (7-Aminoflunitrazepam im
Blut 50 ng/mL, im Urin positiv [nicht quantifiziert]).
Aufgrund von Videoaufnahmen an der Tankstelle konnten die beiden Frauen ermittelt werden. Im Rahmen einer
Hauptverhandlung räumten sie ein, schon zu Hause ein
Fläschchen vorbereitet zu haben, in dem 5 Tabletten Rohypnol in Wasser aufgelöst worden seien. Von dieser Lösung
hätten sie eine unbekannte Menge dem Sekt des Wohnungsinhabers beigemengt. Nach der Einnahme des Getränkes sei es noch zum Geschlechtsverkehr mit einer der
Frauen gekommen, woran sich der Mann allerdings nicht
mehr erinnern konnte. Anschließend sei er nach Angabe der
Frauen in einen tiefen Schlaf gefallen, was sie dazu ausgenutzt hätten, um die Wohnung abzusuchen und Wertgegenstände zu entfernen.
Fall 2
Ein junger Mann führte angeblich im Auftrag der Stiftung
Warentest eine Testung von Alkopops und Bekleidung an
freiwilligen Probanden durch, die hierfür eine Entschädigung erhalten sollten. Dazu sollte eine 30 Jahre alte Frau
mehrere Alkopops probieren. Ein orangefarbenes Mischgetränk habe ihr sehr bitter geschmeckt.
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Während sie sich auszog um Kleidungsstücke anzuprobieren, wurde sie von außen unbemerkt vom Tatverdächtigen gefilmt. Nach dem Konsum eines weiteren orangefarbenen Getränkes habe sie sich plötzlich komisch gefühlt, das Bewusstsein verloren und sich an das weitere Geschehen nicht erinnern
können. Sie sei später tief schlafend, wiederum in anderer Bekleidung, im Wohnzimmer der Großmutter des Tatverdächtigen, zunächst nicht aufweckbar und unfähig zu gehen, aufgefunden worden. Die von ihr aufgenommene Alkoholmenge
reichte bei der von der Geschädigten geschilderten Alkoholtoleranz nicht aus, um diese Symptomatik zu erklären.
Chemisch-toxikologische Untersuchungen zum Nachweis von K.-o.-Mitteln wurden nicht veranlasst, die Polizei
erhielt erst im Rahmen eines anderweitigen Ermittlungsverfahrens Kenntnis von diesem Fall.
Fall 3
Ein 21 Jahre alter Mann wurde beschuldigt, der 23-jährigen
Geschädigten in einer Bar Diphenhydramin in Bier verabreicht zu haben, um sie widerstandsunfähig zu machen. Die
Geschädigte habe sich plötzlich komisch gefühlt, die Erinnerung sei verschwommen gewesen, sie habe sich nicht
mehr in der Lage gesehen, ihr Verhalten nach ihrem Willen
auszurichten. Es sei zu sexuellen Handlungen mit dem Tatverdächtigen auf einer Toilette gekommen.
Am nächsten Tag klagte die Geschädigte über Übelkeit,
Herzklopfen, Herzrasen. Chemisch-toxikologische Untersuchungen an einer 39 Stunden nach dem Vorfall sichergestellten Blut- und Urinprobe verliefen negativ. Eine aus
Trinkangaben errechnete Blutalkoholkonzentration zum
Vorfallszeitpunkt konnte das von der Geschädigten geschilderte Zustandsbild nicht erklären. In einer 8 Wochen nach
dem Vorfall entnommenen Haarprobe war in den proximalen 3 cm Diphenhydramin in einer Konzentration von 1,0
pg/mg nachweisbar. Der Haarbefund war folgendermaßen
zu bewerten: Der angegebene Vorfall fällt in den Wachstumszeitraum der untersuchten Probe.
Bei der nachgewiesenen Konzentration ist nicht von einem regelmäßigen, intensiven Gebrauch des Schlafmittels
auszugehen, sondern es kommt eher eine gelegentliche oder
gar einmalige Aufnahme beziehungsweise Gabe in Betracht.
Gegebenenfalls ist auf eine weitere Medikation zu achten,
die die Befunde erklären kann.
1
MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
K.-o.-Mittel: Häufigkeit, Wirkungsweise,
Beweismittelsicherung
Burkhard Madea, Frank Mußhoff
eKASTEN
Strafverfolgung
> In 21 von 1 014 Fällen (2 %) Nachweis unfreiwillig
eingenommener Medikamente oder Drogen
> Nur in der Hälfte der Fälle anschließende Gerichtsverhandlung
– Nicht in allen Fällen Verurteilung
> Keine weitere Strafverfolgung, weil
– Kein Tatverdächtiger
– Tatverdächtiger abgetaucht
– Unzureichende Beweislage
modifiziert nach (10)
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eTabelle
Wirkstoffe mit Eignung als K.-o.-Mittel (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Burkhard Madea, Frank Mußhoff
K.-o.-Mittel: Häufigkeit, Wirkungsweise, Beweismittelsicherung
ÜBERSICHTSARBEIT
MEDIZIN
Antidepressiva/
Neuroleptika
Benzodiazepine
Opioide
Andere
Amisulprid
Amitriptylin
Benperidol
Citalopram
Clozapin
Chlorpromazin
Chlorprothixen
Clomipramin
Clotiapin
Desipramin
Dibenzepin
Dothiepin
Doxepin
Fluoxetin
Flupirtin
Fluvoxamin
Haloperidol
Hydroxyzin
Imipramin
Levomepromazin
Maprotilin
Mirtazapin
Melperon
Moclobemid
Nordoxepin
Nortriptylin
Olanzapin
Opipramol
Paroxetin
Perazin
Promazin
Promethazin
Prothipendyl
Quetiapin
Reboxetin
Risperidon
Sertralin
Sulpirid
Thioridazin
Tiaprid
Trazodon
Trimipramin
Venlafaxin
Zaleplon
Ziprasidon
Zolpidem
Zopiclon
Zotepin
Zuclopenthixol
2-Hydroxyethylflurazepam
7-Aminoclonazepam
7-Aminoflunitrazepam
Acetamidoflunitrazepam
Alprazolam
Bromazepam
Chlordiazepoxid
Clobazam
Clonazepam
Clorazepat
Clotiazepam
Desalkylflurazepam
Diazepam
Estazolam
Flunitrazepam
Flurazepam
Hydroxybromazepam
Ketazolam
Loprazolam
Lorazepam
Lormetazepam
Medazepam
Midazolam
Nitrazepam
Norclobazam
Nordazepam
Oxazepam
Prazepam
Temazepam
Tetrazepam
Triazolam
6-Acetylmorphin
Alfentanil
Buprenorphin
Codein
Dihydrocodein
EDDP (Methadonmetabolit)
Fentanyl
Heroin
Hydromorphon
Methadon
Morphin
Nortilidin
Oxycodon
Oxymorphon
Pentazocin
Pethidin
Phenazocin
Pipamperon
Piritramid
Propoxyphen
Remifentanil
Sufentanil
Tilidin
Tramadol
1,4-Butandiol
Alkohol
Amphetamine
Atropin
Cannabinoide
Carisoprolol
Chloralhydrat
Clonidin
Flüchtige Narkosemittel
Gammabutyrolacton
Gammahydroxybuttersäure
H1-Antihistaminika
Hyoszin
Ketamin
Kokain
Meprobamat
Pentobarbital
Phenobarbital
Propofol
Scopolamin
Thiopental
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