„Neue Drogen - neue Herausforderungen?“ Steinfurt, 15.05.2014 W. Terhaar Lengerich • Was ist neu an „Badesalz“, „Spice“ und Co? • Wie wirken sich die neuen Drogen bei den Konsumenten/-innen aus? • Welche Konsequenzen hat dies für die suchtpräventive Arbeit und die Suchthilfe? „Neue Drogen“ • Methamphetamine (Crystal) (nicht neu) • Mephedron (Badesalze) (relativ neu) • Spice et al (relativ neu) • GHB (relativ neu) Amphetamine, Methamphetamin oder was? • ATS = Amphetamine Type Stimulants Amphetaminartige Substanzen, die ähnliche Ringstruktur haben! – Amphetamin (Speed) – XTC (MDMA; MDE; MDA) – Methamphetamin (Meth, Crystal-Meth) • Weltweit zusammen 26 million “regular users” Methamphetamine Methamphetamin • erstmals 1893 durch den japanischen Chemiker Nagayoshi Nagai in flüssiger Form synthetisiert. • 1938 unter der Marke Pervitin von den Temmler-Werken in den Handel gebracht, die auch heute noch die Marke halten. • Auch mit Pervitin versetzte sogenannte Panzerund Hausfrauenschokolade waren erhältlich. Methamphetamin • Während der Blitzkriege gegen Polen und Frankreich 1939/40 fand Methamphetamin millionenfache Verwendung, diente zur Dämpfung des Angstgefühls sowie zur Steigerung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit bei • Von April bis Juni 1940 bezogen Wehrmacht und Luftwaffe mehr als 35 Millionen Tabletten Pervitin. • Mitte 1941 war das Medikament durch das geänderte Reichsopiumgesetz nicht mehr frei erhältlich „Badesalze“ • Hauptbestandteil ist meist „Mephedron“ – Psychoaktive Substanz der Amphetamingruppe – Substanz seit 2010 verboten • Wirkung wie Amphetamine Unmittelbare Wirkung amphetaminartiger Stimulanzien Dauerstress und Dauerfluchtbereitschaft: • „Positiv“ – Übernatürliche Wachheit – Erhöhte Fähigkeit, zu fokussieren – Gesteigertes Selbstbewusstsein – Verminderte Hemmschwelle • Aber auch „negativ“: – Gesteigerte Ängstlichkeit – Körper überhitzt – Fehlerhafte Risikoabschätzung – Gesteigerte Aggressivität Leistungssteigerung durch Stimulantien? – Bei „schlechter“ Ausgangslage Aufmerksamkeitssteigerung – Bei guter Ausgangslage möglicherweise Verschlechterung – Kein Nachweis einer Steigerung von Gedächtnisleistungen! – Verschlechterung bei Entscheidungsaufgaben, Reduktion von Planungs- und Handlungsbereitschaft – CAVE: Euphorie führt zu Überschätzung – NW: Schlafstörungen, Unruhe, Appetitlosigkeit Mittelbare Wirkung amphetaminartiger Stimulanzien • Immunabwehr wird geschwächt • Nieren- und Leberschäden • Gewichts- und Zahnverlust • Triggern von Psychosen und Depression (erste Amphetaminpsychose 1938 beschrieben!) • Potenz- und Menstruationsstörungen Problem Dosis und Applikation • Pervitin: 3 mg pro Tablette, bis zu 10 tgl. • Aktuelle Konsumdosierungen: Bis zu 100 mg pro Konsumeinheit! • Oraler Konsum kickt nicht wirklich, daher: – Rauchen – Sneefen – Spritzen • Wer weiß schon wirklich wieviel von was in der gerade erworbenen Droge ist! Konsumgelegenheiten Amphetamin und Methamphetamin – Personengruppen mit missbräuchlichem Konsum und Ansatzpunkte für präventive Maßnahmen; Forschungsbericht ZIS Hamburg, Schäter et. all., 2014 Konsummotive Amphetamin und Methamphetamin – Personengruppen mit missbräuchlichem Konsum und Ansatzpunkte für präventive Maßnahmen; Forschungsbericht ZIS Hamburg, Schäter et. all., 2014 Spice • Szenenamen: – Spice Silver, Spice Gold, Spice Diamond, Spice Genie, Spice Arctic Synergy, Spice Tropical Synergy, Yucatan Fire • Räuchermischungen – unterschiedlicher pflanzlicher Bestandteile zur „Raumluftaromatisierung“ gedacht sind. Synthetische Cannabinoide • Ähnlich wirksam wie Cannabis, nur deutlich stärker! • Ständig neue Substanzen GHB/GBL Liquid Ecstasy Hat mit Ecstasy nichts zu tun!!! GBL (Gamma-Butyro-1,4-Lacton) wird im menschlichen Körper komplett zu GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) GHB-Geschichte GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) als Medikament - GHB wurde erstmals 1960 (GABA-Derivat) hergestellt mit dem Ziel, ein zentral dämpfendes Medikament zu erhalten - GHB fand klinisch Verwendung als intravenöses Narkosemittel (Somsanit®), wurde aber später wegen seiner Nebenwirkungen (epilepsieartige Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen) und schwachen analgetischen Wirkung durch verträglichere Narkosemittel ersetzt Quelle: Der Entzug von GBL und die Akutbehandlung GBLAbhängiger; Behrendt, Aydin, Mrusek; Hamburg 2013 GHB-Geschichte GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) als Medikament - Behandlung von Entzugssymptomen bei Alkoholerkrankung in u.a. Österreich, Italien, Frankreich, Portugal, Ungarn - Therapie der Narkolepsie, seit 2005 in Deutschland als (BtmG)- rezeptflichtiges Medikament erhältlich (Xyrem®) - Anaesthetikum Somsanit zur Narkoseeinleitung, wegen Nebenwirkungen und schlechter Steuerbarkeit selten in Gebrauch Quelle: Der Entzug von GBL und die Akutbehandlung GBLAbhängiger; Behrendt, Aydin, Mrusek; Hamburg 2013 GHB-Geschichte Industrielle Verwendung - GHB: keine Verwendung - GBL (Gamma-Butyrolacton): Lösungsmittel für verschiedene Kunststoffe und Harze, Zusatz zu Bohrölen, Abbeizmitteln und Textilhilfsmitteln, Inhaltsstoff von „acetonfreien" Nagellackentfernern, Bauchemikalien, Farben, Farbpasten, Fotochemikalien, Felgenreiniger etc. In der BRD > 1000 T im Jahr Quelle: Der Entzug von GBL und die Akutbehandlung GBLAbhängiger; Behrendt, Aydin, Mrusek; Hamburg 2013 Illegale Verwendung Verwendung entsprechend der Wirkungseigenschaften: - Dopingmittel (Kraftsport-Szene) - Als Partydroge seit den 90er Jahren - Als Schlafmittel - Aphrodisiakum - „Rape-Drug/KO-Tropfen“ (Geschmacksneutral, schneller Wirkungseintritt, schnelle Elimination, Amnesie, laborchemisch von endogener GHB kaum zu Unterscheiden) Quelle: Der Entzug von GBL und die Akutbehandlung GBLAbhängiger; Behrendt, Aydin, Mrusek; Hamburg 2013 GHB/GBL Liquid Ecstasy Nachweis: • Im Blut 6 – 8 Std. • Im Urin 10 – 12 Std. • Bei Haarproben (kurz nach Konsum) – nach 1 Monat wiederholen – nur in Speziallabors! GHB: Flüssig, farblos, geruchslos, nicht im Routine-DS erfasst GHB - Wirkung 1 – 2 g: Euphorisierend, „leichter Rausch“, Kontaktbedürfnis erhöht, Sinneseindrücke verstärkt, Hemmung bezüglich Intimkontakten reduziert 2 – 3 g: In 5 – 20 Min. leichter Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen, HF runter, Krämpfe 3 – 4 g: In 10 – 20 Min. bewusstlos > 5 g: Tiefes Koma (1 – 4 Std.), Atemdepression Wirkdauer ca. 3 Std. Oder: Bericht F.H., 26 J. Wenn ich in die Disco gehe und Bier trinke, sitze ich nach zwei Stunden immer noch an meinem Bier. Wenn ich GBL nehme, kenne ich nach zwei Stunden die halbe Disco Abhängigkeitspotential GHB • Abhängigkeitspotential hoch • Problematisch ist die hohe Einnahmefrequenz • Im Entzug massive Gefahr von Deliren, welche medikamentös außer durch „Analogsubstitution“ kaum beeinflusst werden können Und was bedeutet das für die Helfer? • Grenzen von Kontrollen akzeptieren Suchtmittelkontrolle praktisch • Verschiedene Formen: – – Suchen nach Suchtmittel Nachweis psychotroper Substanzen im Organismus (Atemalkohol, Drogenscreenings) • Kontrollen dienen der Vertrauensbildung • Kontrollen müssen vorher vereinbart werden • Wer kontrolliert, – – muss das Ergebnis verstehen muss auf das Ergebnis reagieren können und wollen Suchtmittelkontrolle praktisch Ziehen Sie im Umgang mit • Verschiedene Formen: Abhängigen Konsequenzen – Suchen nach Suchtmittel lieber aus dem Verhalten als – Nachweis psychotroper Substanzen im aufgrund von Organismus (Atemalkohol, Drogenscreenings) Suchtmittelkonrollen!! Vertrauensbildung • Kontrollen dienen der • Kontrollen müssen vorher vereinbart werden • Wer kontrolliert, – – muss das Ergebnis verstehen muss auf das Ergebnis reagieren können und wollen Neue Drogen - Kontrollen • Sind in Routinetestverfahren oft nicht nachweisbar! • Es kommen stets neue Substanzen hinzu • Aufklärung in der Szene, was konkret in den Tabletten/Pulvern etc. ist, ist sinnvoll (Analyselabor vor der Disco / Drugchecking) Und was bedeutet das für die Helfer? • Grenzen von Kontrollen akzeptieren • Verändertes Konsumverhalten wahrnehmen Neue Drogen - Konsumverhalten • Neue Drogen treffen auf alte Berater?! • Nutzung von Substanzen für alle möglichen Zwecke nimmt zu! Epidemiologie I Konsumverhalten von Hirndoping-Substanzen bei 1.035 Schüler der gymnasialen Oberstufe bzw. von Berufsschulen sowie 512 Studierende der Fächer Medizin, Pharmazie und Betriebswirtschaft • 4 Prozent der Teilnehmer hatten bislang mindestens einmal versucht, ihre Konzentration, Aufmerksamkeit oder Wachheit mit Hilfe legaler oder illegaler Substanzen zu steigern • Mehr als 80 Prozent der befragten Schüler und Studierenden stünden einer leistungssteigernden und frei verfügbaren Pille ohne Nebenwirkungen positiv gegenüber, insofern sie existieren würde. • 11 Prozent der Befragten lehnten solche Substanzen grundsätzlich ab. Franke und Lieb (Lieb 2010) Epidemiologie II • DAK 2009: 20 % der Untersuchten nehmen am Arbeitsplatz leistungssteigernde Mittel (stimulierende Kopfschmerzmittel, Psychopharmaka) • TK 2008: 10 % der Studierenden nehmen Psychopharmaka ein (deutlich mehr als die „Normalbevölkerung“) Und was bedeutet das für die Helfer? • Grenzen von Kontrollen akzeptieren • Verändertes Konsumverhalten wahrnehmen • Eigene Gewohnheiten hinterfragen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Folien unter: www.mydrive.ch Benutzername: Gast@terhaar_download Passwort: Psychiater Kontakt: [email protected]