Von Affenwegen und Katzenwegen

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PA ULINUS
VO R B E R E I T U N G S J A H R
Sonderausgabe · 13. März 2011
Erlösung in den Weltreligionen
Von Affenwegen und Katzenwegen
Wie sieht es mit Heil und Erlösung in den großen Weltreligionen Islam, Buddhismus und Hinduismus aus?
rans als willkürlich handelnden Despoten vorzustellen. Letztlich ist der
Glaube entscheidend für das Heil des
Menschen, nicht das ethische Tun, da
Mohammed für die gläubigen Muslime Fürsprache einlegt. Diese islamische Vorstellung findet sich nicht im
Koran, ist aber weit verbreitet.
Von Walter Andreas Euler
Hinduismus
Islam
Im Zentrum des Korans steht das Bekenntnis zur absoluten Einheit beziehungsweise Einzigkeit und Erhabenheit Gottes (Allah ist der arabische Begriff für Gott, aber kein Eigenname!). Dieser eine Gott ist zugleich Schöpfer und Richter alles Geschaffenen. Aus der Schöpfung kann
auf den Schöpfer geschlossen werden, aus ihr kann er sicher erkannt
werden. Nach koranischer Auffassung hat Gott jedem Menschen den
Grundgehalt der späteren prophetischen Verkündigung bereits in einer
Uroffenbarung mitgeteilt. Folglich
sind unbedingter Gehorsam gegenüber Gott und völlige Ergebung in
seinen Willen (dies bedeutet der Begriff „Islam“ dem Wortsinn nach!)
schon in der Schöpfung des Menschen begründet.
Aus islamischer Sicht gibt es keinen Bruch in der Schöpfung, wie ihn
die christliche Theologie mit dem
Begriff der Ur- und Erbsünde verbindet. Außerdem ist dem Koran der Gedanke fremd, dass die Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft bildet.
Das Entscheidende ist aus koranischer Perspektive die Beziehung des
Einzelnen zu Gott. Dies bedeutet zugleich, dass die Idee der Stellvertretung, die ja für die christliche Erlösungsvorstellung mit Blick auf die
Gestalt Christi von zentraler Bedeutung ist, mit der Haupttendenz des
Korans nicht vereinbar ist.
Nach koranisch-islamischer Auffassung enthüllt Gott nicht das Geheimnis seines inneren Wesens, sondern nur das Geheimnis seines Handelns im Hinblick auf die Welt. Das
islamische Gesetz, die Sharia, ist der
konkrete islamische Heilsweg, der
darauf zielt, den Muslimen den Willen Gottes (wie sie ihn verstehen) in
allen Lebensbereichen und Situationen zu vermitteln. Ein wesentlicher
Bestandteil des islamischen Gesetzes
sind die fünf Glaubenspflichten
(Glaubensbekenntnis, Ritualgebet,
Almosensteuer, Fasten im Monat Ramadan und Wallfahrt nach Mekka),
deren Erfüllung grundsätzlich allen
Muslimen vorgeschrieben ist.
Aus koranischer Perspektive entscheidend: Die Beziehung des Einzelnen zu
Gott.
Fotos: Imago
Die zweite Funktion, die Gott im
Koran zugeschrieben wird, ist diejenige des Richters aller Geschöpfe. Es
wird vielfach geschildert, wie der
Tag des Gerichtes über die Menschen
hereinbrechen wird. Dabei bedient
sich der Koran drastischer Bilder. Als
„Herr des Ostens und des Westens“
(Sure 73,9), als „Herr der Welten“ (Sure 40,64) wird Gott von allen Rechenschaft fordern, ihnen nach ihren Taten vergelten, sie belohnen (mit dem
Aufenthalt im Paradiesesgarten, der
im Koran als Art jenseitiges Schlaraffenland beschrieben wird) oder bestrafen (mit der Verbannung in die
Hölle, deren Qualen jede Vorstellungskraft übersteigen). Niemandem wird Unrecht getan, denn „Gott
weiß über alle Dinge Bescheid“ (Sure
24,64).
Letztlich ist
der Glaube entscheidend
Die koranische Jenseitsbotschaft
wird geprägt von einer letztlich unauflöslichen Spannung zwischen
der Betonung von Gottes Gerechtigkeit einerseits und seiner schrankenlosen Allmacht andererseits. Der Koran lässt keinen Zweifel daran, dass
die gläubigen Muslime – anders als
die Ungläubigen, zu denen auch Juden und Christen gehören – auf die
göttliche Barmherzigkeit vertrauen
dürfen, selbst wenn sie sich in ihrem
Leben moralisch in durchaus
schwerwiegender Weise verfehlt haben. Es ist aus islamischer Perspektive völlig falsch, sich den Gott des Ko-
Der Begriff Hinduismus steht nicht
für eine einzige Religion, sondern
stellt einen Oberbegriff für verschiedene indische Religionssysteme dar.
Die Hindus nennen ihren Glauben,
ihre Weltsicht gern den „SanatanaDharma“, die ewige Ordnung. Die älteste Traditionsschicht der indischen Religion ist in den vier Veden
überliefert. Im Mittelpunkt der vedischen Religion stehen die Welt der
Götter und die religiösen Opfer. Zu
den Veden gehören auch später entstandene Prosatexte. Von Bedeutung
sind vor allem die Upanishaden, in
denen sich die Lehre vom KarmaSamsara findet. Darunter versteht
man die Vorstellung vom Kreislauf
der Wiedergeburten (Samsara) entsprechend den Taten (Karma). Hindus und Buddhisten stimmen darin
überein, dass ein Wesen in verschiedenen Daseinsformen wiedergeboren werden kann. Der Hinduismus
kennt drei große Erlösungswege:
(1) Der „Weg der Taten“ (Karmamarga): Dieser Weg bezog sich zunächst ausschließlich auf die rituelle
Tat, das heißt der „Weg der Taten“ ist
ursprünglich gemeint als der Weg
zur Erlösung durch exakte Verrichtung der religiösen Opfer. Durch die
Karma-Samsara-Lehre hat dieser Ansatz an Plausibilität verloren. Erlösung bedeutet diesen Texten zufolge
Befreiung vom Zwang der Wiedergeburt. Dieser Zwang geschieht aber
gerade durch das Karma, die Taten
eines Menschen, die ihn von Wiedergeburt zu Wiedergeburt treiben. Soll
der Mensch sich demzufolge aller Taten enthalten? Dass dies letztlich unmöglich ist, haben auch die indischen Denker eingesehen. Man muss
demzufolge lernen zu handeln, ohne
sich mit der Handlung zu identifizieren. Die Vorstellung eines selbstlosen Tuns ohne Blick auf den eigenen
Nutzen macht den Menschen frei
von der Gier, die ihn an den Kreislauf der Wiedergeburten heftet.
(2) Der „Weg des Wissens beziehungsweise der Erkenntnis“ (Jnanamarga). Dieser Erlösungsweg ist mit
der Idee der Identität von Weltseele
(Brahman) und Individualseele (At-
man) in den Upanishaden verbunden. Der Mensch ist erlöst, wenn er
diesen Gedanken vollständig realisiert hat. Erlösung ist diesem Konzept entsprechend nicht nur ein Ziel
für die Zeit nach dem Tod, sondern
sie kann zu Lebzeiten erfolgen. Erlösung bezeichnet also zunächst einen
Bewusstseinszustand, dessen Konsequenz die vollkommene Befreiung
vom Karma und von den Leidenschaften bildet, die immer wieder
neue Wiedergeburten verursachen.
Die Lieblingsgottheit
rituell bewirten
(3) Die beiden genannten Konzepte sind nicht von jedermann realisierbar. Vor allem waren davon die Frauen und die unteren Schichten praktisch ausgeschlossen. Diese Gruppen
machten eine dritte Erlösungsvorstellung populär, den „Weg der Gottesliebe“ (Bhaktimarga). Diesem Weg
folgen heute die meisten Hindus. Dabei geht es um die dienende Zuwendung zur jeweiligen Lieblingsgottheit aus dem hinduistischen Götterpantheon. Diese wird in vielerlei
Weise verehrt und vergegenwärtigt,
zum Beispiel durch litaneiartige Wiederholungen des Gottesnamens und
durch Hymnen auf die Gottheit.
Auch der Gottesdienst im Haus und
in den Tempeln kann diesem Zweck
dienen. Dabei geht es um die rituelle
Bewirtung des Gottes mit mindestens 16 und bis zu 108 verschiedenen
Akten. Die Bhaktifrömmigkeit ähnelt am ehesten unserem abendländischen Religionsverständnis.
In den drei hinduistischen Heilswegen manifestieren sich zwei unterschiedliche Grundhaltungen des
Menschen, der jeweils nach Erlösung
strebt. Die beiden Grundhaltungen
werden in Indien Affenweg und Katzenweg genannt. Der Affenweg orientiert sich am Verhalten des jungen
Äffchens. Dieses klammert sich aus
eigener Kraft am Fell der Mutter fest
und gelangt so in Sicherheit. Das
kleine Katzenjunge ist dagegen vollkommen passiv. Es schreit nur und
wird bei Gefahr von der Mutter ins
Maul genommen und weggetragen.
Diejenigen, die dem Affenweg folgen,
versuchen also aus eigener Kraft zur
Erlösung zu gelangen. Man spricht
vom Prinzip der Selbsterlösung. Diejenigen, die dem Katzenweg folgen,
vertrauen auf die rettende Kraft eines
Gottes, den sie an sich wirken lassen.
Man spricht hier vom Prinzip der
Fremderlösung. Es ist klar, dass der
„Weg der Taten“ und der „Weg der Er-
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