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Kieferorthopädie Hund
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Welches Alter ist optimal für die kieferorthopädische
Behandlung beim Hund?
Gerhard Staudacher
Aus der Tierärztlichen Klinik Dr. Staudacher, Aachen
Zusammenfassung
An 45 Hunden wird mit 278 Röntgenbildern nachgewiesen, dass das Kopfwachstum
bei kleinen Rassen bis zum Zahnwechsel schon zu 80% und bei großen Rassen zu
65% abgelaufen ist. Die Arbeit bestätigt klinisch für die basal-skelettale Klasse-2
Malokklusion (Unterkieferverkürzung, Overjet) nach Auswertung der Behandlung von
211 Hunden, dass ein Behandlungsbeginn schon vor dem Zahnwechsel erheblich
bessere Behandlungsergebnisse ermöglicht. Durch Vergleich weiterer 231 KFOBehandlungen der dento-alveolären Klasse 1-Grad II Fehlstellungen des
Unterkieferkaninus (Eckzahnsteilstand) wird der deutlich spätere Zeitraum ab der 16.
bis zur 25. Lebenswoche für die Behandlung empfohlen. Wird die Behandlung danach
durchgeführt, ist wegen höherer Knochendichte mit längeren Behandlungen zu
rechnen.
Schlüsselwörter
Kieferorthopädie, Hund, Malokklusion, Kopfwachstum, Unterkieferverkürzung, Rückbiss, Mikrognathie,
Unterkiefereckzahnsteilstand, enge Mandibula, Aufbissschiene, orthodontischer magnetischer Apparat
Summary
What’s the best age for orthodontic treatment in the dog?
Growth of 45 dogs was protocolled by 278 x-ray examinations. This proved that during primary dentition in small
dog breeds 80% and in large breeds 65% of growth had happened. Study of 211 clinical cases of primary
scelettal class 2-malocclusions (overjet) in dogs showed, that starting treatment in primary dentition improved
outcome significantly. Examination of 231 further cases of class 1-grade II malocclusions of lower canine teeth
proved better outcome treatment from 16th to 25th week of life. If treatment is performed later, caused by higher
bone density it will last longer.
Key words
Orthodontics, dog, malocclusion, growth of skull, overjet, narrow based canines, narrow mandible, inclined plane,
orthodontic magnetic aplliance
Einleitung
Zum optimalen Zeitpunkt einer kieferorthopädischen Behandlung gibt es in der
veterinärmedizinischen Literatur keine greifbaren Hinweise, während zahlreiche Quellen sich
mit einzelnen Behandlungsverfahren beschäftigen. Eickhoff (2005) stellt lediglich fest, dass
die Behandlung früh, unter Umständen schon im Milchgebiss erfolgen sollte. Bislang
beginnen KFO-Behandlungen im bleibenden Gebiss, zumal die Apparate an den Zähnen
befestigt werden. Dies ist an Milchzähnen aufgrund der geringeren Oberfläche schwierig und
wegen fortschreitender Wurzelresorption auch von fraglichem Wert. Eickhoff (2005) stellt
fest, dass das Kopfwachstum bis in den 18. Lebensmonat anhält. Fahrenkrug (1988) nennt
den 10. Lebensmonat als Zeitpunkt für die Beendigung des Kieferknochenwachstums.
Über die Entwicklung der Kiefer und das Kopfwachstum finden sich nur sehr spärliche
Angaben. Hennet und Harvey (1992) konnten zeigen, dass das appositionelle Wachstum der
Maxilla aus den Wachstumsfugen zwischen der Schädelbasis und dem Os maxillare sowie
dem Ossa maxillare und incisivum und das Wachstum der Mandibula ausschließlich durch
enchondrale Ossifikation in der Kondylengegend erfolgt. Scott (1938) stellt fest, dass sich
der Abstand zwischen dem For. mentale und dem vertikalen, cranialen Rand des Proc.
coronoideus der Mandibula, d.h. die Länge des Corpus mandibulae, zwischen dem vierten
und neunten Monat nicht vergrößert. Wijdeveld et al. (1987) stellen fest, dass beim Beagle
54% des Wachstums der hinteren Gaumennaht zwischen der 6. und 16. Lebenswoche (LW),
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35% zwischen der 16. und 25. Woche und nur noch 10% zwischen der 25. und 37.
Lebenswoche erfolgt. Ähnliche Ergebnisse für Beagles erheben Losken et al. (1992) auch an
der Mandibula für die 4., 10. und 32. LW.
Hawthorne et al (2004) untersuchten die Gewichtsentwicklung verschiedener Hunderassen.
Dabei stellten sie fest, dass z.B. der Papillon sein Endgewicht durchschnittlich in der 30. LW
erreicht, der Bernhardiner dagegen erst in der 65. LW. Aus dieser Studie geht darüber
hinaus hervor, dass 50% bzw. 80% der Entwicklung beim Papillon in der 16. bzw. 22. LW,
beim Bernhardiner dagegen in der 26. bzw. 39. LW erreicht sind. Die Wachstumsgeschwindigkeiten beider Rassen sind äußerst unterschiedlich. Dennoch sind 80% des Körpergewichts bei beiden Rassen deutlich unter einem Jahr erreicht, beim Papillon in 73% der
Entwicklungszeit (nach dem 5. Lebensmonat), beim Bernhardiner nach 60% der
Entwicklungszeit (nach dem 9. Lebensmonat). Über die Kopfentwicklung finden sich bei
Hawthorne et al (2004) allerdings keine Angaben.
Nach Habermehl (1975) beginnt der Zahnwechsel mit 3,5 bis 4 Monaten und endet mit 5-6
Monaten. Der Zahnwechsel kann sich bei einzelnen Individuen aller Rassen mit besonderer
Häufung bei Zwergrassen, insbesondere beim ChiHuaHua, bis zum 8. LM hinziehen. Bieniek
(1993) gibt für den Wechsel der Incisiven und Canini den Zeitraum vom 3. – 7. LM an.
Über die Beschaffenheit der Kopfknochen, insbesondere über die Knochendichte und
–festigkeit, existieren nur extrem wenige Studien. Roffet (2005) studierte die Knochendichte
verschiedener Hunderassen im Erwachsenenalter, Schmidt et al. (2006) maßen die
Knochendichte ausgewachsener Katzen. Bourgoin (2005) stellte bei jungen Katzen eine
niedrigere Knochendichte fest als bei ausgewachsenen. Da die Knochendichte vor allem
vom Hydroxylapatit- und Calciumgehalt bestimmt wird, liegt mit zunehmender Knochendichte
eine größere Festigkeit vor. Für Doggen maßen Lauten et al (2002) die Knochendichte vom
2. bis 18. LM in Abhängigkeit von verschiedenen Fütterungsarten.
Malokklusionen werden in basal-skelettale und dento-alveoläre Fehlstellungen differenziert
(Eickhoff (2005), Fahrenkrug (1988) und Bieniek (1993)). Klasse 1-Fehlbildungen umfassen
dento-alveoläre Fehlstellungen einzelner oder mehrerer Zähne bei korrekter knöcherner
Grundlage. Von diesen haben die Unterkiefereckzahnfehlstellungen die größte Bedeutung,
die von Röcken t al. (1996) in vier Grade eingeteilt werden. In Klasse 2 werden
Fehlbildungen zusammengefasst, die zu einer relativen Verlängerung des Oberkiefers in
Verhältnis zum Unterkiefer führen (Prognathia superior, Brachygnathia inferior, Mikrognathia
inferior). Sie werden symptomatisch als Lange Maxilla, Overjet (Johnston (2001)) oder
Rückbiss bezeichnet. Klasse 3 umfasst die mesialen Bisslagen des Unterkiefers, bei denen
er über die Oberkieferschneidezähne hinausreicht. Man spricht von Prognathia inferior,
Brachygnathia superior, Vorbiss oder Underjet (Johnston (2001)).
Während der kieferorthopädischen Arbeit in unserer Klinik zeigte sich, dass die Ergebnisse
kieferorthopädischer Korrekturen in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Malokklusion
in verschiedenen Lebensaltern unterschiedlich erfolgreich und mit verschiedenen
Rezidivraten verbunden waren. Ziel dieser Arbeit war es, hierfür Gründe zu finden und
Empfehlungen für den optimalen Therapiezeitpunkt zu erarbeiten.
Material und Methoden
Zur Feststellung des Kopfwachstums wurden 278 Röntgenbilder (jeweils im dorso-ventralen
und latero-lateralen Strahlengang) von 45 Hunden unterschiedlicher Rassen (6 Dackel, 5
Terrier-Mischlinge, 4 Deutsche Schäferhunde, 3 Rottweiler, 3 Tibet Terrier, 2 Belgische
Schäferhunde, 2 Bearded Collies, 2 Cocker Spaniel, 2 Jack Russell Terrier, 2 Labrador
Retriever, 2 Malteser, 2 Shelties, 2 Weimaraner, 1 Komfohrländer, 1 Bullterrier, 1
ChiHuaHua, 1 Leonberger,1 Mini-Bullterrier, 1 Pyrenäen-Berghund, 2 mittelgroße
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Mischlinge) bis zum Ende des Körperwachstums angefertigt. Alle 45 Hunde wiesen im 8.
Lebensmonat ohne jede Behandlung ein orthodontes Gebiss auf. Außerdem wurden 86
Röntgenbilder von tragenden Hündinnen ausgewertet, die in den Jahren 2003-2006
spätestens fünf Tage nach der Untersuchung gesunde, lebende Welpen geworfen hatten.
Aus den in den vergangenen 20 Jahren (1985 bis 2005) an unserer Klinik abgeschlossenen
kieferorthopädischen Behandlungen an 2.676 Patienten wurden zwei Gruppen ausgewählt:
- Bei 211 Patienten lagen symmetrische Mandibula-Distalbisse vor (Klasse 2-Malokklusion).
Die Tiere gehörten Rassen an, bei denen eine orthodonte Okkulsion Rassestandard ist, und
wiesen eine Unterkieferverkürzung auf, bei der im Röntgenbild bei Behandlungsbeginn der
Abstand zwischen dem mesialen Alveolarrand des I1 und dem distalen Alveolarrand des M1
im Unterkiefer um 10 – 20% (8 – 39 mm) gegenüber dem Abstand zwischen den
entsprechenden Punkten im Oberkiefer an I1 und P4 reduziert war. Die Tiere wurden mit
mesialisierenden, aktivierenden Aufbissschienen, Dehnschrauben oder magnetischen
Apparaten behandelt (Staudacher, (2006)), um das Kieferwachstum anzuregen. 8 Tiere
waren verstorben. Von den 211 Fällen konnten 198 nachverfolgt werden. 117 konnten nach
dem 24. Lebensmonat klinisch untersucht werden. Von 64 wurde Gebissstatus nach dem 24.
Lebensmonat fotografiert. Bie12 Tieren gaben die Tierhalter, bei 5 die überweisenden
Tierärzte ihre Einschätzung des Gebissstatus ab.
- Von 296 beidseitige Fehlstellungen der Unterkiefereckzähne Grad II (Klasse 1Malocclusionen) wurden 231 durch eine Aufbissschiene mit schiefer Ebene (Staudacher et
al. (1995)) kieferorthopädisch behandelt. Bei 195 dieser Tiere war eine vorausgegangene
Zahnwechselstörung mit Persistenz eines (29) oder beider (166) Milcheckzähne
nachweisbar gewesen. 6 Tiere waren im Alter von 24 Lebensmonaten verstorben. 218 der
231 durch Aufbissschiene behandelten Patienten konnten nachverfolgt werden (98 durch
klinische Untersuchung, 89 durch Auswertung eines Fotos, 44 durch Ansprache des
Haustierarztes, 17 durch Besitzeransprache).
- Als Vergleichsgruppe zur Beurteilung der Behandlungsergebnisse wurden 39 Klasse 2Malokklusionen und 21 Klasse 1-Malokklusionen Grad II nach den obigen Kriterien
ausgewählt, deren Behandlung die Besitzer abgelehnt hatten.
Ergebnisse
1. Zur Behandlung der basal-skelettalen Veränderungen (Klasse 2-Malokklusionen):
Zur Beurteilung des Kopfwachstums wurden die Umrisse der Schädel nachgezeichnet. Am
Beispiel eines Komfohrländer-Welpen, der bei Abschluss seines Körperwachstums ein
Gesamtgewicht von 12 kg hatte, kann die Kopfentwicklung gut dargestellt werden. Hierfür
wurden die Kopfumrisse im linken Kiefergelenk zur Deckung gebracht, das in Abb. 1 als
schwarzer Punkt dargestellt ist. Es ist der Ausgangspunkt der grünen Wachstumslinie A die
mit einer Länge von 10,6 cm (83 %) zum Gesamtwachstum beiträgt. Weitere 0,8 cm
(entsprechend 17 %) betrug das Wachstum seit Beginn des Zahnwechsels bis zum
Erreichen der endgültigen Körpergröße (rote Linie B).
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6
4
5 3
1
2. Lebenswoche
2
16. Lebenswoche
Wachstum bis zum Beginn
des Zahnwechsels
A
3
20. Lebenswoche
4
22. Lebenswoche
5
24. Lebenswoche
Wachstum seit dem Beginn
B
des Zahnwechsels
6
8. Lebensmonat
2
2
A
1
B
6 4
Nachgezeichnete Röntgenaufnahmen einer KomfohrländerHündin, geb. 13.9.2005
5
Abb. 1: Längenwachstum des Kopfes eines Komfohrländer-Welpen bis zum 8. Lebensmonat
Wochen
Abb. 2: Wachstumskurve eines Komfohrländers
33
31
29
27
25
23
21
19
17
15
9
11
7
5
3
1
33
29
Zahnwechsel
25
21
17
13
9
5
1
Zahnwechsel
13
Abstand Kiefergelenk A-Punkt
Der Abstand zwischen dem Kiefergelenk dieses Hundes und dem mesialen Alveolarrand
seines I1 (A-Punkt) im Röntgenbild entwickelte sich entsprechend Abb. 2:
Wochen
Abb. 3: Wachstumsgeschwindigkeit
Hiermit ergibt sich die Kurve der Wachstumsgeschwindigkeit der Abb. 3, wie sie auch in der
Humanmedizin verwendet wird. Mit Hilfe solch einer Kurve lässt sich während einer
kieferorthopädischen Behandlung abschätzen, wie groß die Wachstumstendenz des
Patienten bis zum Wachstumsende noch ist.
Die Kopfmaße (vom A-Punkt am I1 bis zum Ansatz des Nackenbandes am Os interparietale)
der intrauterin radiologisch untersuchten Welpen lagen ausnahmslos im Bereich zwischen
1,9 und 4,2 cm. Die Variation war deutlich kleiner als bei den Maßen der ausgewachsenen
Köpfe zwischen 9,2 bis 25 cm.
Bei den 45 im Verlauf ihres Wachstums radiologisch beobachteten Hunden zeigten sind nur
geringe Unterschiede zwischen den Rassen. Wesentlich größer waren die Unterschiede im
Verhältnis zum Endgewicht. So wurden zur Auswertung 6 Gewichtsklassen ohne Rücksicht
auf die Rassezugehörigkeit gebildet: bis 2 kg, 2,1 bis 4 kg, 4,1 bis 10 kg, 10,1 bis 20 kg, 20,1
bis 35 kg und über 35,1 kg. Kriterium war das Körpergewicht am Ende des 8. Lebensmonats.
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Damit werden für die verschiedenen Gewichtsklassen die Kurven der Abb. 4 für die Wachstumsgeschwindigkeiten errechnet.
Abb. 4: Wachstumsgeschwindigkeiten verschiedener
Gewichtsklassen von Hunden.
Beginn des
Zahnwechsels
bis 2 kg
2,1 bis 4
4,1 bis 10
10,1 bis 20
20,1 bis 35
37
34
31
28
25
22
19
16
13
10
7
4
1
über 35
Wochen
Bis Anfang 2004 waren die Malokklusionen der Klasse 2 in unserer Klinik mit Hilfe von
Aktivatoren und Dehnschrauben der Mandibula behandelt worden, die möglichst schnell
nach dem Durchbruch der bleibenden Canini installiert wurden. Behandlungsbeginn war
daher gelegentlich die 16., meistens aber erst die 18. – 20. Lebenswoche, bei großen
Rassen konnte die 24. Lebenswoche erreicht werden. Seit Anfang 2004 erfolgte die
Behandlung der Malokklusionen zunehmend schon vor den Zahnwechsel mit Hilfe
magnetischer Apparate (Staudacher (2006)), die mit Hilfe von Cerclagen an Maxilla und
Mandibula befestigt waren.
Aufgrund der unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten erfolgt die Auswertung der
Behandlungsergebnisse für die Klassen bis 20 kg und über 20 kg Erwachsenengewicht
getrennt.
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Tab. 1: Behandlungsergebnisse der Malokklusionen Klasse 2 in Abhängigkeit vom Zeitpunkt
des Behandlungsbeginns
Hunde
Behandlungsbeginn
Behandelt Mit 8
Nachverfolgt Davon
Mit 8
Anzahl
Monaten nach 24
orthodont Monaten
orthodont Monaten
nicht
orthodont
Davon nach
24 Monaten
nachverfolgt
und nicht
orthodont
82
12
12
61
6
vor dem Zahnwechsel
bis 20 kg (Gruppe 1)
9
9
41
4
über 20 kg (Gruppe 2)
3
3
21
2
199
117
110
96
82
nach dem Beginn des
Zahnwechsel
bis 20 kg (Gruppe 3)
137
73
60
58
74
74
über 20 kg (Gruppe 4)
62
44
44
42
18
18
1
Weitere 6 werden laufend nachuntersucht. Bisher sind alle Gebisse orthodont, es gab kein Rezidiv.
Bei diesen Hunden wurden die 24 Monate aber noch nicht erreicht.
Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug in Gruppe 1 8 Wochen bis zum Erreichen
eines orthodonten Caninusstandes, in Gruppe 1 13 Wochen, in Gruppe 3 16 Wochen und in
Gruppe 4 18 Wochen. War in der 42. Lebenswoche noch kein orthodontes Gebiss
vorhanden, wurde die Behandlung abgebrochen und durch Einzelzahnbewegungen ein
funktionelles, nicht orthodontes Gebiss angestrebt.
Bei weiteren 8 Tieren wurde ab der 8. Lebenswoche eine Behandlung mit Hilfe eines
orthodonten magnetischen Apparates begonnen. Da der 8. Lebensmonat bei diesen Tieren
nicht erreicht ist, wurden sie in der Auswertung nicht berücksichtigt. Bei allen 8 Tieren ist
jedoch schon im Behandlungsverlauf eine erhebliche Reduktion der Malokklusion sichtbar.
Bei den meisten der inzwischen 20 mittels OMA behandelten Tiere war die Malokklusion 4-6
Wochen nach Behandlungsbeginn beseitigt.
Von den als Kontrollgruppe ausgewerteten 39 Klasse 2-Malokklusionen waren mit 8
Monaten 6 und nach 24 Monaten 4 orthodont. 31 und nach 24 Monaten sogar 35 wiesen
zum Teil so erhebliche Fehlstellungen auf, dass Zähne gezogen oder eingekürzt worden
waren. Drei Tiere wurden wegen rezidivierender Mandibulaabszesse im weiteren Verlauf
eingeschläfert.
2. Zur Behandlung der dento-alveolären Veränderungen (Klasse 1, Grad II):
Allen 231 behandelten Patienten mit Malokklusion Klasse 1, Grad II (steil stehende, in den
Oberkiefer einbeißende Unterkiefereckzähne) konnte zu einer orthodonten Verzahnung
verholfen werden. Das Behandlungsergebnis war weder vom Gewicht des Patienten noch
nach dem Zahnwechsel vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes abhängig. Es gab aber
große Unterschiede in der Behandlungsdauer. Hierbei war ein Einfluss des Körpergewichts
zwar gegeben, er war jedoch gering. Sehr große Hunde, deren Behandlung spät begonnen
hatte, benötigten bis zu 15% länger als kleine Hunde, deren Behandlung früh begonnen
hatte. Der Unterschied war aber nicht signifikant.
Die kieferorthopädische Behandlung wurde begonnen, sobald die bleibenden Eckzähne des
Unterkiefers 3-4 mm lang waren, damit für die Wirkung der resultierenden lateralisierenden
Kraft des Hebels der Aufbissschiene ein therapeutisch nutzbarer Kraftarm vorlag. Dies war
frühestens in der 16. Lebenswoche der Fall. Bei sechs Tieren wurde die Behandlung erst
nach dem 12. Lebensmonat, bei drei Tieren sogar erst nach dem 15. Lebensmonat
begonnen. Abb. 5 gibt einen Überblick über die Behandlungszeiten.
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70
60
Tage
50
50%
40
80%
30
100%
20
10
0
16
21
Behandlungsbeginn ab Lebenswoche
25 29 33 37 41
45
49 52
63
Abb. 5: Behandlungsdauer bei Behandlung eines UnterkieferEckzahnengstandes Grad II in Tagen.
Die Zeit bis zum Behandlungsabschluss der Hälfte der Patienten ist
als blauer Balken, von 80% grün und aller Patienten rot dargestellt.
Von den nicht behandelten 21 Klasse 1-Grad II-Malokklusionen wiesen mit 8 Monaten 16
Oberkiefereinbisse auf. Bei 5 Tieren waren die Canini wegen des fortdauernden apikalen
Druckes intrudiert. Im weiteren Verlauf wurden 15 Canini eingekürzt oder extrahiert.
Diskussion
Der größte Teil des Wachstums beim Hund erfolgt vor dem Zahnwechsel (Hawthorne, 2004,
Lauten, 2002). Dies gilt nach den Ergebnissen dieser Arbeit in noch größerem Maße für das
Kopfwachstum. Intrauterin und in den ersten Lebenstagen ist der Kopf im Verhältnis zum
Rumpf deutlich größer („Kindchenschema“, das im Muttertier als Schlüsselreiz das
Fürsorgeverhalten auslöst). Er wächst in den ersten Lebenswochen auch noch stark.
Danach nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit ab. Bei größeren Rassen hält das Wachstum
etwas länger an, dennoch sind bei Kleinhunden 80% und beim Bernhardiner 65% des
Wachstums bereits zum Zeitpunkt des Zahnwechsels erfolgt.
Bei basal-skelettalen Veränderungen muss die kieferorthopädische Behandlung, die das
natürliche Wachstum des Patienten nutzen möchte, deshalb möglichst schon vor dem
Zahnwechsel erfolgen. Da zu diesem Zeitpunkt zur Befestigung der Apparate noch keine zur
Verankerung geeigneten Zähne zur Verfügung stehen, muss die Befestigung direkt am
Knochen erfolgen. Hierzu eignen sich Cerclagen. Da sie das Wachstum nicht behindern
sollen, werden sie nicht allzu stark angezogen. Wegen der damit möglichen kleinen
Bewegungen kann es zu leichten Entzündungen kommen, die in den beobachteten Fällen
sofort nach Entfernung der Apparate komplikationslos abheilten. In drei Fällen entstand eine
Periostreaktion, die sich insbesondere an der Mandibula noch über einige Wochen als ein
angedeutetes Kinn äußerte. Alle vor dem Zahnwechsel behandelten Patienten erzielten ein
orthodontes, orthognathes Gebiss. Es kam nicht zu Rezidiven.
Funktionelle orthodonte magnetische Apparate wie der in dieser Arbeit genutzte,
entsprechend den gemessenen Magnetkräften dimensionierte OMA III (Staudacher (2006))
können zwischen den Kiefern Zugkräfte von mehreren Newton ausüben. Damit stehen sie
auch für die Behandlung großer Hunderassen zur Verfügung. Durch einen Luftspalt oder die
konstruktive Überdeckung der Magnete kann ein direkter Kontakt verhindert werden, durch
den die Kräfte exponentiell steigen würden.
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Demgegenüber erreichten die nach dem Zahnwechsel behandelte Tiere mit Klasse IIMalokklusion nur zu 71% in der Gewichtsklasse über und zu 53% in der Gewichtsklasse
unter 20 kg mit 8 Lebensmonaten ein orthodontes, orthognathes Gebiss. War einmal die
Einordnung des Unterkiefereckzahnes zwischen den Oberkiefercaninus und den äußeren
Schneidezahn erfolgt, traten keine Rezidive mehr auf. Der größere Behandlungserfolg (71%
gegenüber 53%) der Spätbehandelten mit einem Körpergewicht über 20 kg ergibt sich aus
deren zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen größeren Wachstumspotenzial.
Dem entspricht auch die erheblich längere Behandlungszeit der Gruppe 3 und 4 von 16 bzw.
18 Wochen gegenüber 8 und 13 Wochen in Gruppe 1 und 2 bis zum Erreichen eines
orthodonten Gebisses.
Auch bei Klasse 1-Malokklusionen, die nur durch die Einzelnzahnbewegung des
fehlgestellten Caninus behandelt wurden, zahlte sich direkt nach dem Zahnwechsel ein
früher Behandlungsbeginn aus. Behandlungen im Milchgebiss fanden nicht statt. Sobald der
bleibende Unterkiefereckzahn eine Länge von 3-5 mm aufwies, konnte mit der Behandlung
begonnen werden. Bei Behandlungen zwischen der 16. und 25. Lebenswoche (4.-6. Monat)
ergaben sich keine signifikant unterschiedlichen Behandlungszeiten. Mit Zunahme der
Knochendichte nahmen sie danach aber schnell zu. Mit mehr als einem Jahr waren
Einzelzahnbewegungen durchaus noch möglich, sie dauerten aber erheblich länger. Die
längeren Behandlungszeiten lassen sich gut mit der zunehmenden Knochendichte erklären,
die sich mit Abnahme der Wachstumsgeschwindigkeit durch die fortschreitende Verkalkung
der Knochen ergibt (Roffet, 2005, Bourgoin, 2005, Schmidt et al, 2006).
Die Anwendung einer Aufbissschiene führt bei Grad II-Caninusfehlstand vor allem zu einer
Rotation des Zahnes um die Zahnachse in seiner Alveole nach labial. Dabei verursacht der
Zahn, der einen ovalen Querschnitt aufweist, in viel geringerem Umfang Resorptions- und
Appositionsvorgänge als bei einer Translokation, bei der die gesamte Alveole durch den
Knochen bewegt werden muss. Je umfangreicher die Umbauprozesse sind, desto größeren
Einfluss hat die Beschaffenheit des Knochens auf die Behandlungsdauer (Reitan, 1989). Für
solche Behandlungen ist daher der frühzeitige Beginn noch bedeutsamer.
Der kieferorthopädisch arbeitende Tierarzt wird insbesondere von Züchtern häufig mit der
Behauptung konfrontiert, dass sich die Fehlstellung von alleine auswachsen dürfte. Diese
verständliche Behauptung wird durch die Auswertung der Entwicklung der Kontrolltiere
eindeutig widerlegt. Ober- und Unterkiefer wachsen nicht synchron, sodass es durchaus
zeitweise zum Eindruck einer Malokklusion kommen kann. Diese Wachstumsunterschiede
sollten aber unerheblich sein. In der Regel dürften sie über 2-3 mm nicht hinausgehen und
sollten sich – insbesondere vor dem Zahnwechsel – innerhalb einiger Tage regulieren.
Sobald über 2-3 mm hinausgehende Längenunterschiede im Wachstum der beiden Kiefer
vorliegen, können sie im weiteren Verlauf des Kopfwachstums zwar teilweise aufgeholt
werden. Nur in den seltensten Fällen wird dann aber noch eine orthodonte, orthognathe
Situation erreicht. Die nachverfolgten, nicht behandelten Patienten zeigen, dass es durchaus
gefährlich sein kann, den Gebissfehler nicht zu behandeln. Das Warten auf eine eventuelle
Selbstheilung birgt das Risiko, den optimalen Behandlungsbeginn zu verpassen und das
therapeutisch nutzbare Wachstumspotenzial zu verschenken.
Literatur
Bieniek HJ, Bieniek KW. Zahnheilkunde für die Kleintierpraxis. Stuttgart: Enke, 1993.
Bourgoin G. Évaluation de la densité osseuse chez le chat sain a l’aide d’un appareil de type DEXA (Dual-Energy X-Ray
Absorbtiometry). Thèse de doctorat vétérinaire, Lyon: 2005.
Eickhoff M. Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bei Klein- und Heimtieren. Stuttgart: Enke, 2005.
Fahrenkrug P. Handbuch der Zahnbehandlung in der Kleintierpraxis. 4. Aufl. Aulendorf: Albrecht, 1988.
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Habermehl, KH. Die Altersbestimmung bei Haus- und Labortieren. 2. Aufl. Berlin: Parey, 1975
Hawthorne AJ, Booles D, Nugent PA, et al. Body-weight changes during growth in puppies of different breeds. J
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Hennet PR, Harvey, CE. Craniofacial development and growth in the dog. J Vet Dent 1992; 9: 11-18.
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Danksagung
Gudrun Schnock und Maike Thiel fertigten zahlreiche Röntgenbilder an und vermaßen viele
Hunde. Außerdem danke ich Ihnen für die Unterstützung bei der Auswertung des umfangreichen Datenmaterials und die Mitarbeit bei einem großen Teil der kieferorthopädischen
Behandlungen.
Dr. Gerhard Staudacher, Fachtierarzt für Kleintiere, Zahnheilkunde
Tierärztliche Klinik Dr. Staudacher
Trierer Straße 652-658
D-52078 Aachen
Tel. 0241-92866-0
Fax 0241-92866-47
eMail: [email protected]
Tierärztliche Klinik Dr. Staudacher – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen
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