Das hereditäre Angioödem (HAE) HAE (hereditary angioedema) Patienteninformation zum Krankheitsbild des hereditären Angioödems Vorwort BeriNetInitiative zur Diagnose und Therapie des HAE Überblick Vorwort Univ.-Prof. Dr. W. Aberer 1 BeriNet Initiative zur Diagnose und Therapie des hereditären Angioödems 2 Das hereditäre Angioödem (HAE) 4 Krankheitsbild Symptomatik Labordiagnostik Therapeutische Möglichkeiten 4 6 8 9 Notfallausweis und Schwellungskalender 12 Fragen und Antworten zu HAE 13 Mein Kind hat HAE 21 HAE und Reisen 23 Kontaktadressen 25 Vorwort Univ.-Prof. Dr. W. Aberer Universitäts-Hautklinik Graz Wiederholt auftretende Schwellungen der Haut, der Atemwegsschleimhäute (Kehlkopf) und des Magen-Darmtrakts (mit Erbrechen, Darmkoliken oder Durchfällen) charakterisieren ein Krankheitsbild, das recht selten diagnostiziert wird, aber lebensbedrohlich sein kann und meist familiär gehäuft auftritt: Das hereditäre Angioödem (HAE) Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der Möglichkeit, dass auch andere Ursachen ähnliche Symptome auslösen können, wird dieses Krankheitsbild oft nicht oder erst spät diagnostiziert; dies ist bedauerlich, weil Attacken eine ganz spezielle Behandlung erfordern und die üblichen Medikamente gegen Haut- und Schleimhautschwellungen keine Wirkung zeigen. Es stehen heute wirksame Medikamente zur Prophylaxe und Therapie zur Verfügung, Voraussetzung für den richtigen Einsatz ist aber eine korrekte Diagnose, eine umfassende Information des Betroffenen und die Verfügbarkeit eines Notfallausweises. BeriNet, die Initiative zur Diagnose und Therapie dieses Krankheitsbildes, will Ihnen als Betroffene/r dabei helfen. Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer 1 BeriNet Initiative zur Diagnose und Therapie des hereditären Angioödem Von dem hereditären Angioödem - wir kürzen den Namen der Krankheit in dieser Informationsschrift mit HAE ab - haben die meisten Menschen noch nie gehört, und auch Ärzte kennen die Krankheit meist nur von ihrem Studium her. So kann es durchaus geschehen, dass auch Ärzte die vom Patienten geschilderten Symptome, zumal diese sehr unterschiedlich sind und die Krankheit sehr selten vorkommt, diesem Krankheitsbild nicht sofort zuordnen. Leider kann dies auch zu einer falschen Therapieentscheidung führen, bei der nur die Symptome, jedoch nicht die Krankheitsursache behandelt werden. Ob Sie selbst betroffen sind, ob nur ein Verdacht besteht oder ob es sich möglicherweise um einen Verwandten oder einen Freund handelt, der beste Weg zu helfen ist Information: Aufklärung über die Krankheit selbst, über ihre Symptome und über die Behandlungsmöglichkeiten. Deshalb wurde in Österreich die Initiative zur Diagnose und Therapie des hereditären Angioödems gegründet. Diese Initiative unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer wurde in Zusammenarbeit mit Experten aus allen Bundesländern und mit Unterstützung der pharmazeutischen Industrie ins Leben gerufen. Was war der Anlass? Internationale Vergleichszahlen deuten darauf hin, dass die Dunkelziffer für die Krankheit in Österreich sehr hoch sein muss. Bedauerlich, wenn man bedenkt, dass das Krankheitsbild für die Betroffenen nicht nur lästig, sondern auch sehr gefährlich, ja sogar lebensbedrohlich sein kann. 2 Die Initiative möchte engagierten Ärzten, jedoch auch PatientInnen und deren Angehörigen ein Österreich abdeckendes Informationsnetz anbieten, das Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite steht. In diesem Rahmen ist es eine wichtige Aufgabe, die Krankheit bei den betroffenen Personen zu diagnostizieren und österreichweit zu erfassen. Nur dann wird es möglich sein, PatientInnen mit HAE eine effiziente Betreuung und Behandlung zuteil werden zu lassen. Aus dieser Idee heraus wurde auch eine Internetplattform - BeriNet gegründet. Unter www.berinet.at können alle, die mehr über HAE erfahren wollen, sich über die Krankheit, über therapeutische Optionen und über HAE-Zentren in Österreich. Zudem haben HAE-Betroffene die S e l b s t h i l f e g r u p p e „ H A E -Au s t r i a “ gegründet. Informationen finden Sie unter www.hae-austria.at. BeriNet - HAE Wissen vernetzt! Auf dieser Plattform werden ebenfalls nützliche, die Therapieunterstützende Maßnahmen und Tipps zur Vorsorge bei einer HAEErkrankung vorgestellt. Durch die öffentliche Vermittlung von Informationen zu diesem Krankheitsbild soll dazu beigetragen werden, noch nicht diagnostizierten Betroffenen schneller Gewissheit über ihre Krankheit zu verschaffen und ihnen zu einer adäquaten Therapie zu verhelfen. 3 Das hereditäre Angioödem (HAE) Krankheitsbild: Hereditär bedeutet vererblich. Ein Ödem ist eine krankhafte Wasseransammlung, die meist zu einer Schwellung führt. Unter einem Angioödem versteht man eine schmerzhafte, längere Zeit anhaltende Schwellung unter der Haut oder unter einer Schleimhaut. Die Ausbildung eines hereditären Angioödems setzt also, wie der Name schon sagt, das Vorhandensein einer bestimmten Erbanlage voraus. Eine solche Veranlagung kann jedoch auch als sog. neue Mutation auftreten. Das heißt, dass sich mit oder ohne erkennbare äußere Einflüsse bestimmte Gene verändern. Bei jedem Träger einer so entstandenen veränderten Erbanlage können sich die Symptome eines HAE entwickeln. Es können sowohl Männer als auch Frauen betroffen sein. Ein ähnliches Krankheitsbild ist das sog. QuinckeÖdem. 4 Es werden mehrere Typen des hereditären Angioödems unterschieden, wobei die beiden häufigsten Formen Typ 1 und Typ 2 kurz beschrieben werden: Typ 1 Der HAE-Typ I stellt mit ca. 85 Prozent aller bekannten Fälle die häufigste Form dar. Dieser Typ ist durch eine verminderte Produktion bzw. durch das völlige Fehlen eines bestimmten Körperstoffes gekennzeichnet. Es fehlt das Enzym C1-Esterase-Inhibitor, ein Eiweißkörper im Blut. Typ 2 Beim HAE-Typ II ist die Konzentration des C1-Esterase-Inhibitors normal, jedoch ist seine Aktivität vermindert oder diese fehlt ganz. Kopf Kopfschmerzen, Schwindel, Sprachstörungen, u. U. Sehstörungen, Lähmungserscheinungen Darmbereich Halsbereich Glottisödem, Larynxödem, beginnend mit Schluckbeschwerden, Stimmveränderungen, Heiserkeit, Atemnot, im Extremfall Ersticken Erbrechen, kollikartige Schmerzen, Durchfälle, Unwohlsein Blase Geschlechtsorgane Schwellungen von Penis und Vagina Brennen beim Wasserlassen, Schmerzen in der Blasen- und Nierengegend, Beschwerden wie bei einer Harnwegsinfektion Extremitäten (Arme und Beine) normale Bewegungsabläufe sind eingeschränkt, Arbeitsabläufe sind eingeschränkt, Behinderungen beim Gehen. Schuhe passen nicht Hautschwellung Spannungs- und Druckgefühl Eigentliche Ursache des HAE ist die angeborene Veränderung eines Gens mit Sitz auf dem Chromosom 11. Dieses Gen ist für die Bildung des zuvor erwähnten Enzyms, also des C1-EsteraseInhibitors verantwortlich. Der C1-Esterase-Inhibitor ist für die Regulierung des sogenannten Komplementsystems mitverantwortlich. 5 Was versteht man unter diesem Komplementsystem? Damit wird eine Gruppe im Serum vorkommender Proteine, also Eiweißstoffe bezeichnet, welche bei bestimmten Reizen in einer festgelegten Form miteinander reagieren und damit einen normalen (= physiologischen) Ablauf wichtiger Körperfunktionen sichern. Der C1-Esterase-Inhibitor steuert dieses Komplementsystem. Bei HAE-Patienten ist entweder zu wenig C1-Esterase-Inhibitor vorhanden oder dieses Enzym ist nicht ausreichend funktionsfähig: Es kommt zu einer Fehlsteuerung des erwähnten Komplementsystems. Daraus ergibt sich der Ansatz für die Behandlung: Weil wir auf den eigentlichen Verursacher, auf das Gen keinen Einfluss nehmen können, müssen wir zwangsläufig den Stoff dem Körper zuführen, für dessen ausreichende Bereitstellung das Gen zuständig wäre: den C1-Esterase-Inhibitor. Symptomatik: Bei Betroffenen führt dies zu wiederholten Schwellungen an den Gliedmaßen, im Gesicht, im Hals- und Kehlkopfbereich und im Magen-Darm-Trakt. Im Prinzip können solche Ödeme in allen Organen, auch im Gehirn, in der Lunge, an den Nieren, im Genitalbereich und am Gesäß auftreten. Die Ödeme können sehr schmerzhaft sein. Charakteristische Symptome des HAE sind also episodisch auftretende Schwellungen. Sie bilden sich in der Regel nach zwei bis fünf Tagen zurück. Sie sind typischerweise farblos bis weiß oder leicht gerötet. Sie jucken nicht und unterscheiden sich damit von der Urtikaria, der Nesselsucht, also von einer allergischen Hautreaktion. Den Schwellungen geht gelegentlich ein Prickeln auf der Haut voraus, oft treten sie jedoch ohne Vorwarnung auf. 6 Stark betroffen sind innere Organe (v.a. der Magen-Darm-Trakt): Über 70 Prozent der Ödeme verursachen Schwellungen der Schleimhäute an inneren Organen. Sie äußern sich als kolikartige Krämpfe, Erbrechen, Durchfall und führen zu Kreislaufbeschwerden. Diese gastro-intestinale Symptomatik wird nicht selten als Erkrankung der Bauchhöhle akutes Abdomen fehlgedeutet. Unnötige und gefährliche operative Eingriffe können aus dieser falschen Auslegung erfolgen. Es handelt sich nämlich beim sogenannten akuten Abdomen um eine sehr ernste Situation, die meist einen operativen Eingriff notwendig macht. Besonders gefährlich für die Betroffenen und verantwortlich für 30 bis 50 Prozent der Todesfälle sind akute Erstickungsanfälle auf Grund einer Schwellung im Kehlkopfbereich. Sie können durch zahnärztliche Eingriffe oder etwa durch die Entfernung der Mandeln ausgelöst werden, aber auch spontan auftreten. Nach heutigem Stand des Wissens gibt es keine eindeutig verantwortlichen Auslöser für die Schwellungs-Attacken. Von Betroffenen werden Stress, Traumata verursacht z.B. durch Operationen oder Zahnextraktionen Insektenstiche und Nahrungsmittel als auslösende Faktoren benannt. Bei Frauen können Menstruation und orale Kontrazeptiva (Antibabypille), bei Kindern der erste Zahndurchbruch Ödem-Attacken auslösen. Ebenfalls bekannt ist, dass der Konsum von Alkohol, jedoch auch die Einnahme von ACE-Hemmern, die in der Bluthochdrucktherapie verwendet werden (diese Medikamente können aber auch ohne HAE Ödeme auslösen), Ödem-Attacken provozieren können. Auch Östrogene, die zur Hormonsubstitution im Rahmen von Beschwerden nach der Menopause verordnet werden, können Ödeme verursachen. Erste Anzeichen eines hereditären Angioödems treten bei der überwiegenden Zahl der PatienInnen vor dem 20. Lebensjahr auf, wobei die Stärke der Attacken meist bis zum Erwachsenenalter zunimmt. 7 Die Häufigkeit der Attacken variiert sehr stark: Ein Drittel der PatienInnen erlebt mindestens eine oder mehr Attacken pro Monat, in Extremfällen sogar ein bis zwei Attacken pro Woche. Eine erhöhte Anfallshäufung ist während der Pubertät und bei Frauen im gebärfähigen Alter zu beobachten. Genaue Angaben über die Häufigkeit solcher Attacken während einer bestimmten Zeit gibt es nicht. In Österreich wird die Gesamtzahl der HAE-Betroffenen auf etwa 100 - 200 geschätzt. Internationale Vergleiche und Untersuchungen legen jedoch die Vermutung nahe, dass die Dunkelziffer sehr hoch sein muss. Wie bereits gesagt: Bei der Therapie von HAE muss das dem Körper nicht im ausreichendem Maße zur Verfügung stehende oder nicht ausreichend wirksame Enzym, also der C1-Esterase-Inhibitor, zugeführt werden. Dies zu wissen ist für das Verständnis der diagnostischen Maßnahmen und der Therapie Voraussetzung. Labordiagnostik: Weil beim ersten Auftreten bestimmter Symptome zunächst nur ein Verdacht auf ein hereditäres Angioödem besteht, ist es zur sicheren Bestätigung der Diagnose unerlässlich, sich um den möglichen Auslöser dieser Symptome zu kümmern: den C1-Esterase-Inhibitor. Es müssen seine Aktivität bzw. seine Konzentration im Blut gemessen werden. Die Aktivitätsmessung muss beim Gesunden einen Wert von 80 120 % erbringen; bei HAE -PatientInnen liegt er jedoch meist unter 30 %. Die normale Proteinkonzentration liegt bei 15 - 35 mg/dL, bei HAEBetroffenen beträgt sie weniger als 15 mg/dL oder ist gar nicht vorhanden. Oft sind noch weitere Untersuchungen notwendig und die Befunde sind generell nicht einfach zu beurteilen. 8 Die zur Diagnostik verwendeten Tests sind sehr empfindlich gegenüber Temperatur und Alter der Blutprobe. Daher ist es äußerst wichtig, dass die PatientInnen zur Blutabnahme in ein Krankenhaus mit angeschlossenem Labor kommt, damit die Blutprobe vor Ort untersucht werden kann. Nur so können schlüssige Laborbefunde erhalten und die geeignete Therapie eingeleitet werden. Therapeutische Möglichkeiten: Bei der Therapie des hereditären Angioödems wird zwischen der Langzeit- und der Kurzzeitprophylaxe sowie der Behandlung akuter Attacken unterschieden. Die sofortige, intravenöse Gabe von C1-Esterase-InhibitorKonzentrat ist die wirkungsvollste Behandlung akuter HAEAttacken, weil das fehlende oder funktionseingeschränkte Enzym direkt zugeführt wird und die Behandlung damit direkt an der Ursache ansetzt. Bereits eine Stunde nach der Gabe des Enzyms erreicht die C1Esterase-Inhibitor-Aktivität im Plasma wieder die physiologisch notwendige Konzentration: Die Schwellungen können sich innerhalb weniger Stunden zurückbilden. Wenn die Schleimhautschwellungen die Atemwege betreffen, kann die Gabe des C1-Esterase-Inhibitors sogar lebensrettend sein. Ohne die Injektion des C1-Esterase-Inhibitors kann oft nur ein Luftröhrenschnitt das Leben der PatienInnen retten. Eine Kurzzeitprophylaxe ist in Situationen angezeigt, die das Risiko einer Ödembildung in sich bergen, z.B. ein operativer Eingriff. Auch hier ist die Substitution mit C1-Esterase-Inhibitor die Therapie der Wahl. Es wird das C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat 30 bis 60 Minuten vor dem geplanten Eingriff intravenös verabreicht. 9 HAE-Patientin im ‚Normalzustand' während einer HAE-Attacke und Eine Langzeitprophylaxe, d.h. eine Dauermedikation, kommt in der Regel nur für Patienten in Betracht, deren Lebensqualität durch die Erkrankung deutlich eingeschränkt ist. Es sind Patienten, die z.B. mindestens eine Schwellungs-Attacke pro Monat haben oder bei denen die Schleimhautschwellungen vorwiegend an den Atemwegen auftreten. Herkömmlicherweise wird das hereditäre Angioödem in der Langzeitprophylaxe mit Androgenderivaten, also mit männlichen Sexualhormonen behandelt. Diese Substanzen sind vielleicht auch Ihnen durch Berichte über vielfältige Doping-Skandale bekannt. Androgenderivate erhöhen die Proteinproduktion und damit auch den C1-Esterase-Inhibitor-Spiegel im Blutplasma. Androgenderivate haben jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen: Sie fördern die Ausprägung männlicher Geschlechtsmerkmale und führen zu einer Vermännlichung (Virilisierung) des weiblichen Organismus. Neben der Ausbildung einer tiefen Stimme fördern sie Haarwuchs und Muskelaufbau. Sie beeinflussen ebenfalls den Hormonhaushalt bis hin zum Ausbleiben der Menstruation, verursachen Stimmungsschwankungen und eine Gewichtszunahme. Auch Nieren- und Leberfunktion können bei einem langfristigen Einsatz der Substanzen geschädigt werden. In Extremfällen kann die Dauer-Hormontherapie zum Leberkarzinom führen. Aufgrund des breiten Spektrums unerwünschter Nebenwirkungen ist beim HAE die Langzeitprophylaxe mit Androgenderivaten umstritten. Besonders für Kinder, Jugendliche und Frauen mit Kinderwunsch ist der Einsatz der Hormone bedenklich. 10 Eine effiziente und verträgliche Alternative stellt der Einsatz des C1Esterase-Inhibitor-Konzentrates dar. Dabei wird das fehlende Enzym C1-Esterase-Inhibitor per intravenöser Injektion oder Infusion verabreicht, um im Blutplasma des Patienten normale Spiegel zu erreichen. C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat ist gut verträglich. Daher ist diese Behandlungsform, die bei der Kurzzeitprophylaxe und der Akutbehandlung ohnehin die Therapie der Wahl darstellt, auch für die Langzeitprophylaxe von HAE-PatientInnen interessant. Insbesondere gilt dies für PatientInnen, die besonders unter den Nebenwirkungen der Hormontherapie mit Androgenderivaten leiden. Die Therapieentscheidung sollte vom behandelnden Arzt unter Berücksichtigung der Häufigkeit der Anfälle sowie von Alter und Geschlecht der PatientInnen abhängig gemacht werden. Zur Kontrolle des Therapieerfolges ist es wichtig, bestimmte Daten zu erfassen: einerseits Art, Dauer und Menge der applizierten Medikamente, andererseits Häufigkeit, Lokalisation und Dauer der Schwellungen. Anhand dieser Informationen kann der behandelnde Arzt den Erfolg der Behandlung besser nachvollziehen und gegebenenfalls Dosiskorrekturen vornehmen. (Siehe Notfallausweis und Schwellungskalender Seite 12) Angesichts des geringen Bekanntheitsgrades von HAE und der mitunter dramatischen Folgen der beschriebenen Schleimhautschwellungen im Kehlkopfbereich, wird HAE- PatientInnen empfohlen, sich sehr intensiv mit ihrem Krankheitsbild und den therapeutischen Möglichkeiten zu beschäftigen. Betroffene sollten immer und überall einen mehrsprachigen Ausweis mit einer Notfall-Therapieempfehlung mit sich tragen. Für einen Patienten kann es lebensrettend sein, wenn der Arzt weiß, dass es sich um HAE handelt und damit wahrscheinlich um eine akute HAE-Attacke. Es wird darauf hingewiesen, dass die Standardtherapie für Angioödeme, also Adrenalin, Antihistaminika und Kortikoide bei HAE unwirksam ist. 11 Notfallausweis und Schwellungskalender Patienten mit hereditärem Angioödem leben mit der ständigen Bedrohung eines Larynx-Ödems, also einer Schwellung im Kehlkopfbereich. Sie sollten ausreichend über ihre Krankheit informiert sein, vor allem über die Frühsymptome der einzelnen Attacken und über die Möglichkeit der Behandlung, insbesondere der Notfallbehandlung. Wenn Sie selbst ein Betroffener sind, sollten Sie ständig den mehrsprachigen Ausweis Notfall-Therapieempfehlung bei sich tragen. Damit geben Sie Helfern und Ärzten auch nonverbal einen Hinweis auf Ihre Erkrankung und die einzuleitende Therapie. Als besonders nützlich hat sich der Notfallausweis auf Reisen ins Ausland erwiesen, insbesondere wenn es um Gebiete geht, in denen HAE und C1-Esterase-InhibitorKonzentrat weniger bekannt sind. WICHTIG: Als HAE-Patient sollten Sie immer 1 - 2 Packungen C1-INH-Konzentrat für den Notfall bei sich tragen. Hilfreich für die Beobachtung der Krankheit und des Therapieerfolges ist der Schwellungskalender. Er erleichtert es, über die klinischen Symptome und deren vermutete Auslöser Buch zu führen. In diesem Kalender kann der Ort der Schwellung sowie die Dauer der Symptome und die Art der durchgeführten Behandlung dokumentiert werden. Die eingetragenen Symptome werden sichtbar in ihrem zeitlichen Verlauf und ihrer Ausprägung festgehalten und können als Grundlage für die Therapieentscheidung des behandelnden Arztes dienen. 12 Fragen und Antworten zu HAE Was ist ein hereditäres Angioödem? Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene, bei nicht Erkennen mit hohem Risiko behaftete Erkrankung. Sie zeigt sich meist schon im Kindesalter. Kennzeichnend für das Krankheitsbild sind Ödeme, also Flüssigkeitsablagerungen, die zu Schwellungen führen. Betroffen sind Haut und Schleimhäute. Tagelange Schmerzattacken im Magen-Darm-Trakt sind typisch. Besonders gefährlich sind Schwellungen im Kopf- und Halsbereich, da sie zu Erstickungsanfällen führen können. Auslöser für die Symptome ist ein Mangel an C1-Esterase-Inhibitor bzw. dessen fehlende Aktivität im Blutplasma. Verantwortlich für diesen Mangel ist ein genetischer Schaden an jenem Gen, das für die Bildung dieses C1-Esterase- Inhibitors verantwortlich ist. Warum wird die Erkrankung hereditär genannt? Sie ist vererbbar. Die dafür verantwortliche Erbanlage tritt bei Männern und Frauen gleich häufig auf. Es besteht ein 50%iges Risiko, dass ein Kind die Erkrankung von einem betroffenen Elternteil erbt. In seltenen Fällen kann es jedoch auch zu einer sog. Spontanmutation kommen. Dann wird das für die Krankheit verantwortliche Gen durch bisher nicht bekannte Einflüsse beschädigt und ist nicht mehr in der Lage, das benötigte Enzym C1-Esterase-Inhibitor ausreichend zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall kann die Krankheit auch erstmalig in einer Familie auftreten. Warum ist HAE so schwer zu diagnostizieren? Das Krankheitsbild des hereditären Angioödems kann sehr leicht mit anderen Formen des Angioödems, z.B. mit dem Quincke-Ödem verwechselt werden. Auch hier treten Schwellungen auf, die meist durch Lebensmittel- oder Medikamentenunverträglichkeiten bzw. Lebensmittel- oder Medikamentenallergien ausgelöst werden. Sie werden mit Kortikosteroiden und Antihistaminika behandelt. Diese Behandlung ist jedoch bei HAE wirkungslos. 13 Wie kommt es zum Krankeitsbild des HAE? Die Bezeichnung hereditär zeigt, dass es sich grundsätzlich um einen Gendefekt handeln muss, weil nur ein solcher weiter vererbt werden kann. Durch diesen Defekt ist der Körper außerstande, ein bestimmtes Enzym in ausreichendem Maße zu produzieren, ein Enzym, das entzündungshemmende und immunstützende Aktivitäten steuert: C1-Esterase-Inhibitor. Bei Patienten mit hereditärem Angioödem ist also der Blutplasmaspiegel dieses Enzyms entweder erniedrigt oder das Enzym fehlt gänzlich. Manchmal ist dieses Enzym zwar in ausreichender Menge vorhanden, seine Funktionstauglichkeit jedoch eingeschränkt. Wie äußert sich das Krankeitsbild? HAE führt zu akut auftretenden Schwellungen der Haut und Schleimhäute, die sich nach 2 bis 5 Tagen spontan zurückbilden und nach tage- bis jahrelangen beschwerdefreien Intervallen wieder kehren. Die Ödeme können an jeder Körperstelle auftreten, am häufigsten sind jedoch Arme, Beine und das Gesicht betroffen. Sehr häufig werden auch Ödeme der Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes beobachtet, die zu kolikartigen Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und im Extremfall zu Darmlähmung bzw. Darmverschluss führen können. Bei der Hälfte aller HAE-PatientInnen kommt es zur Bildung von Schleimhautödemen im Kehlkopf (Larynxödem) und im Luftröhrenbereich.Falsche Behandlung kann zu lebensbedrohlichen Zuständen führen! Welche Faktoren können HAE-Attacken auslösen? Attacken können ohne erkennbare äußere Ursachen auftreten. Stresssituationen, Angst, kleine Verletzungen oder Operationen und auch Infektionen können jedoch das Auftreten von HAE-Attacken provozieren. 14 Zu Schwellungen in den Atemwegen und im Mundbereich kommt es häufig nach vorausgegangenen Zahnbehandlungen. Manchmal sind stärkere mechanische Belastungen wie Rasenmähen, Hämmern oder längeres Schreiben Auslöser von Ödemanfällen. Medikamente wie ACE-Hemmer, das sind blutdrucksenkende Substanzen, können ebenso Angioödeme verursachen, dies allerdings auch ohne das Vorhandensein von HAE. Dürfen HAE-PatientInnen Sport betreiben? Selbst für HAE-Betroffene, die jede Woche eine oder mehrere Attacken haben, ist Sport keinesfalls verboten. Jede anstrengende Tätigkeit, die der Körper gewohnt ist, wird keinen Schub auslösen. Ein trainierter HAE-Patient kann ohne Probleme Joggen, Rad fahren oder Berg Steigen. Ein ungeübter muss jedoch nach sportlicher Betätigung mit Schwellungen rechnen. Schwellungen an den Oberschenkeln und im Genitalbereich sind nach den Rad fahren, Gliedmaßenschwellungen nach dem Langlaufen oder nach Schitagen möglich. Vor allem beim Bergwandern, Bergsteigen oder bei Schitouren im hochalpinen Gelände ist es unbedingt erforderlich immer ein Notfallmedikament dabei zu haben. Welche HAE - Krankheitstypen gibt es? Zum HAE-Typ I zählen jene Patienten, bei denen der C1-EsteraseInhibitor völlig fehlt oder unzureichend produziert wird. Etwa 85 % der Betroffenen gehören zu diesem Typ. Vom HAE-Typ II spricht man bei einer normalen C1-Esterase Inhibitor - Konzentration mit verminderter Funktionstauglichkeit. Hinsichtlich der Symptomatik gibt es keinen Unterschied zwischen HAE-Typ I und HAE-Typ II. In welchem Alter beginnt die HAE-Symtomatik? Das Alter bei Beginn von HAE-Symptomen variiert stark, jedoch findet sich ein Häufigkeitsgipfel im ersten und ein weiterer im zweiten Lebensjahrzehnt. 15 Bei etwa 75 % der PatientInnen zeigen sich mit Erreichen des 20. Lebensjahres die ersten Symptome. Während der Pubertät, nach Einsetzen der ersten Regelblutung und im frühen Erwachsenenalter scheinen Attacken häufig zu sein. Trotzdem muss die Krankheit nicht notwendigerweise schon in jungen Jahren auftreten. Bei einigen wenigen Patienten traten die Ödemschübe im Alter von 50 bis 70 Jahren erstmals auf. Wie lange dauern HAE-Attacken? Die Patienten berichten oft über ein Spannungsgefühl an der Stelle, an der etwa 30 Minuten bis einige Stunden später das Ödem auftritt. Die ödematöse Schwellung hält mindestens vier, im Durchschnitt zwischen 24 und 72 Stunden an, kann jedoch in Einzelfällen auch länger andauern. Wie häufig treten HAE-Attacken auf? Die Häufigkeit der HAE-Attacken variiert enorm. Einige PatientInnen sind über lange Zeit beschwerdefrei, dann treten Schwellungen in kurzen Abständen hintereinander auf. Andere Erkrankte erleiden in kürzeren regelmäßigen Abständen Attacken. Symptomfreie Intervalle können von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren andauern, wobei im Mittel ca. zwei bis drei Schübe im Jahr zu erwarten sind. Warum sind HAE-Anfälle lebensbedrohlich? Die Anfälle sind besonders dann gefährlich, wenn sie im Bereich der Atemwege auftreten. In diesem Fall kann die Schleimhaut die Atemwege verschließen und das Durchführen eines Luftröhrenschnittes erforderlich machen. Eine unbehandelte Schleimhautschwellung in der Luftröhre ist eine der Haupttodesursachen bei HAE-PatientInnen. Wurde das HAE bei PatientInnen nicht erkannt, sind in der Vergangenheit bis zu 25-30 % der PatientInnen gestorben. Daher ist im Falle einer Schleimhautschwellung im Kehlkopfbereich, der Arzt spricht von einem Larynxödem. 16 Die sofortige Gabe von C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat durch den Arzt und eine nach-folgende Beobachtung bis zur Besserung der Symptome unbedingt erforderlich. Was kann zu HAE-Attacken speziell bei Frauen und in der Schwangerschaft führen? Bei Frauen spielt die Änderung der weiblichen Geschlechtshormone (Östrogene) eine wichtige Rolle. Einige Frauen berichten über eine Erhöhung der Anzahl von Attacken während ihrer Menstruation. Erstattacken treten häufig in der Pubertät auf und viele HAE Patientinnen berichten von gehäuften Attacken durch die Einnahme östrogenhaltiger Pillen oder die Verwendung mancher Hormonspiralen. Deshalb sind diese Mittel zur Verhütung ungeeignet und es sollten daher gestagenhaltige Anti-Baby-Pillen oder gestagenhaltige Spiralen verwendet werden. Während der Schwangerschaft, in der Stillzeit und auch in der Menopause können Attacken häufiger auftreten. Bei einer Geburt wird das Gewebe sehr strapaziert und kann daher mit einer Schwellungsattacke im Bereich der Geschlechtsorgane reagieren. Daher sollte bei schwangeren HAE Patientinnen das Vorgehen für die Entbindung mit dem Behandlungszentrum abgestimmt werden und das C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat für den Notfall bereitliegen oder zur Kurzzeitprophylaxe vor der Geburt des Kindes verabreicht werden. Wie wird HAE diagnostiziert? Die typischen Symptome für eine HAE-Erkrankung sind das vorübergehende Auftreten, nicht juckenden Schwellungen. Sie sind farblos und liegen im Unterhautbindegewebe. Bauchschmerzen ohne erkennbare andere Ursache sind typisch. Diese Zeichen begründen den Verdacht auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung. Wenn mehrere Familienmitglieder betroffen sind, kann auch der erbliche Charakter erkannt werden. 17 Der durch die Beobachtung der Symptome entstandene Verdacht wird durch das Messen der C1-Esterase-Inhibitor-Aktivität bzw. des C1-Esterase-Inhibitor-Antigens im Blutplasma bestätigt (mittels Antikörper gegen C1-Esterase-Inhibitor, das als Antigen dient, kann der Nachweis dieses Stoffes im Blut erfolgen). Wie wird HAE behandelt? Es gibt drei Arten der Therapie für Patienten mit HAE: ! Eine langfristige Prophylaxe ! Eine kurzfristige Prophylaxe ! Die Behandlung akuter Attacken Was versteht man unter langfristiger Prophylaxe bei Vorliegen von HAE? Nicht alle Patienten mit hereditären Angioödem benötigen eine langfristige Prophylaxe. Die Attacken sind bei vielen Patienten relativ mild oder selten, und deshalb benötigen diese Patienten keine Langzeittherapie. In der Regel werden allerdings Patienten dann langfristig behandelt, wenn die Schleimhautschwellungen die Atemwege betreffen. Auch dann, wenn ein Patient mehr als eine Attacke pro Monat hat und diese Attacken, bzw. die Erkrankung so schwerwiegend ist, dass er im normalen Alltagsleben massiv behindert ist. Mit anderen Worten: Die Langzeitprophylaxe wird dann begonnen, wenn die Erkrankung eine deutliche Reduktion der Lebensqualität des Betroffenen bedeutet. Welche Substanzen werden für die Langzeitprophylaxe von HAE eingesetzt? Früher wurden für die Langzeittherapie häufig Aminocapronsäure und Tranexamsäure verordnet. Unter ihrer Anwendung konnte zwar eine positive Beeinflussung sowohl der Frequenz als auch der Schwere der Ödeme erzielt werden, aber meist keine völlige Ödemfreiheit. 18 Zudem mussten diese Substanzen in hohen Dosen verabreicht werden. Aus diesen Gründen und wegen ihrer zahlreichen dosisabhängigen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Thrombosen und Muskelnekrosen konnten sie sich in der Langzeittherapie nicht durchsetzen. Gegenwärtig wird überwiegend Danazol, ein Androgen, also ein männliches Sexualhormon eingesetzt. Dieses bewirkt ein Ansteigen des Blutplasmaspiegels des C1-Esterase-Inhibitors. Aber auch bei dieser Substanz kommt es dosisabhängig zu mehr oder weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen, die besonders für Frauen, Jugendliche und Kinder problematisch sind. Andere Androgene wie Stanozolol, die auch in der HAE-Therapie eingesetzt werden, haben sich auf Grund ihrer Nebenwirkungen als noch ungeeigneter gezeigt. Seit kurzem wird alternativ bei einigen Patienten eine Langzeitprophylaxe mit C1-Esterase-InhibitorKonzentrat durch-geführt, besonders bei Patienten die unter Nebenwirkungen von Androgenen leiden. Durch die intravenöse Gabe wird das dem Patienten fehlende Enzym direkt zugeführt. Unerwünschte schwere Nebenwirkungen sind unbekannt. Was sind Androgene? Androgene sind männliche Geschlechtshormone und besitzen im wesentlichen zwei Eigenschaften: Sie erhöhen die Eiweißproduktion im menschlichen Organismus und beeinflussen die Ausprägung der männlichen Geschlechtsmerkmale, z.B. vermehrter Haarwuchs, kräftiger Muskelaufbau, tiefe Stimme. Mit welchen Nebenwirkungen ist bei einer Langzeit-Androgen-Behandlung zu rechnen? Neben Sehstörungen und einer Gewichtszunahme können bei Frauen Vermännlichungserscheinungen auftreten: Bartwuchs, tiefe und raue Stimme, Ausbleiben der Menstruation, männliches Aussehen, Libidoverlust, psychische Veränderungen. 19 Wird über Jahre hinweg regelmäßig Danazol verabreicht, muss mit Leberschäden, erhöhten Cholesterinwerten und einer Vermehrung der roten Blutkörperchen im Blut (Polyglobulie) gerechnet werden. Diese hat eine Erhöhung der Blutviskosität zur Folge, das Blut wird also dickflüssiger, was wiederum zu einer gesteigerten Thrombosegefahr führt. Daher sollten bei diesen PatientInnen in regelmäßigen Abständen Leber- und Nierenfunktion sowie das Blutbild untersucht werden. Was versteht man bei HAE unter Kurzzeitprophylaxe? Die Kurzzeitprophylaxe ist besonders dann von Bedeutung, wenn Patienten mit HAE operiert werden müssen oder eine Zahnbehandlung erforderlich wird. In diesem Fall kann das fehlende Enzym C1-Esterase-Inhibitor in Form einer intravenösen Injektion oder Infusion verabreicht werden. Die benötigte Dosis beträgt meist 500 - 1000 Einheiten C1Esterase-Inhibitor-Konzentrat. Können akute Attacken erfolgreich behandelt werden? Ja, in diesem Fall wird die Substanz C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat sofort intravenös verabreicht. Dies bewirkt eine rasche Beendigung der Attacke und eine Rückbildung des Schleimhautödems. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass die Standardtherapie für Angioödeme (Adrenalin, Antihistaminika, Korticosteroide) bei einer akuten HAE-Attacke unwirksam ist ! Wie soll sich ein(e) PatientIn verhalten, die/der ein Ödem im Halsbereich verspürt? In diesem Fall ist eine sofortige intravenöse Gabe von C1-EsteraseInhibitor-Konzentrat erforderlich. HAE-PatientInnen sollten deshalb immer den HAE - Notfallausweis bei sich tragen, damit der behandelnde Arzt sofort die richtige Entscheidung treffen kann. Falls das Präparat nicht zur Verfügung steht, muss im Notfall ein Luftröhrenschnitt durchgeführt werden. 20 Mein Kind hat HAE Oberste Regel: Verheimlichen Sie die Krankheit Ihres Kindes nicht gehen Sie offensiv damit um! Ihr Kind soll unbeschwert leben können - auch mit HAE. Entscheidend ist die möglichst frühe Diagnose und Therapie. Was sichert die Diagnose? Der behandelnde Arzt sollte bei Verdacht auf HAE so früh wie möglich eine Blutuntersuchung durchführen. Deren Ergebnis sollte mit einem erfahrenen HAE-Zentrum besprochen werden. In der Regel wird die Diagnose durch zweimalige Messung einer erniedrigten C1- INH-Aktivität (die Funktion des C1-INH) bestätigt. Was löst HAE-Attacken bei Kindern aus? Die Auslöser sind häufig nicht bekannt. Auslösend wirkt jedoch Stress aller Art, auch positiver. Ihr Kind kommt in den Kindergarten? Einschulung? Ein Umzug steht an? Neue Lebensphasen erfordern höchste Wachsamkeit. Ebenso Infektionen, Verletzungen, Insektenstiche, Medikamente und bestimmte Nahrungsmittel können Attacken auslösen. Die hormonelle Umstellung in der Pubertät macht besonders den Mädchen zu schaffen durch Östrogen können sich HAE-Symptome verschlimmern oder erst richtig entfalten. Wie wird HAE bei Kindern derzeit therapiert? In der Akutbehandlung der Schwellung ist der Ersatz des fehlenden C1-Esterase Inhibitors eine wirksame Behandlungsmöglichkeit: Eine Besserung tritt meist rasch ein. Was ist zu beachten in Kinderkrippe, Kindergarten, Schule? Klar ist: Ihrem Kind muss jederzeit schnell geholfen werden können. Deshalb macht es keinen Sinn, die Krankheit zu verheimlichen. 21 Das bedeutet: ! Alle Menschen, die an der Betreuung Ihres Kindes teilhaben, müssen über die Krankheit informiert sein - das Kindergartenpersonal, die Lehrer, Erzieher. ! All diese Menschen brauchen Ansprechpartner - Sie, den Arzt, das HAE-Zentrum, Verwandte. Damit sie im Ernstfall die notwendigen Kontakte herstellen können. ! Auch der Notfallausweis sollte stets hinterlegt sein. Tagesausflüge, Klassenfahrten, etc., auch hier gilt: ! Informieren Sie Lehrer und Betreuer über HAE. Geben Sie ihnen die Telefonnummern der wichtigsten Ansprechpartner (Eltern, Arzt, HAE-Zentrum, Verwandte). ! Hinterlegen Sie den Notfallausweis. Und weil Ihr Kind unterwegs ist, sollten Sie zusätzliche Vorkehrungen treffen: ! Händigen Sie den Betreuern ein entsprechendes Notfallpräparat und ggf. den Arztbrief aus. ! Informieren Sie im Vorfeld eine Klinik oder einem Arzt vor Ort. Wichtig: Die derzeit verfügbaren Notfallpräparate können bei Zimmertemperatur aufbewahrt werden (max. +25 ºC). Kontrolluntersuchungen Mindestens zweimal pro Jahr sollten Sie sich mit Ihrem Kind im HAE Zentrum vorstellen. Den Schwellungskalender sollten Sie dem behandelnden Arzt vorlegen. Was ist bei Impfungen zu beachten? Sie können Ihr Kind impfen lassen. Es spricht nichts dagegen, dass es alle Impfungen bekommt, die notwendig sind. Informieren Sie sich über den aktuellen Impfplan für Österreich auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit http://www.bmgfj.gv.at und sprechen Sie die Impfung gegebenenfalls mit Ihrem behandelnden Arzt ab. Für Patienten, die regelmäßig aus menschlichem Blut gewonnene Präparate erhalten, wird grundsätzlich eine Impfung gegen Hepatitis A und Hepatitis B empfohlen. 22 HAE und Reisen Warum nicht? HAE und Reisen, das schließt sich nicht aus. Wer die Dinge selbst in die Hand nimmt, die richtigen Vorkehrungen trifft und ein paar grundsätzliche Regeln beachtet, kann auch als HAE-Patient jeden Auslandsaufenthalt genießen. Führen Sie Ihr Notfall-Medikament nicht im Koffer, sondern stets im Handgepäck mit - dann kann Ihnen Ihr wichtigstes Reiseutensil kaum abhanden kommen. Was können Sie als HAE-PatientIn für sich selbst tun wenn Sie verreisen? Ein geeignetes Reiseland aussuchen ... damit Sie das Klima gut vertragen und extremen Wetterbedinungen aus dem Weg gehen. Die entscheidenden Telefonnummern dabeihaben ... damit Sie im Notfall Ihren behandelnden Arzt oder ein HAEZentrum erreichen können. Stets genug Notfall-Medikament mit sich führen ... damit Sie unliebsame Überraschungen vermeiden. Ihr Medikament ist eventuell nicht in jeder Apotheke verfügbar. Bei Diebstahl, Unfall oder wenn Ihr Reisevorrat nicht ausreicht. Rufen Sie Ihren behandelnden Arzt oder ein HAE-Zentrum an. Ein Arzt vor Ort wird Ihnen im Notfall in der Regel nicht weiterhelfen können. Welche Kosten Sie bei einer Lieferung aus Österreich ins Reiseland möglicherweise selbst übernehmen müssen, ist nur schwer absehbar. Bedenken Sie, dass sich eine solche Lieferung aufgrund von Zoll und Einfuhrbestimmungen schwierig gestalten kann. Wie vermeiden Sie Ärger mit Behörden und Probleme vor Ort? Nehmen Sie Atteste, wenn möglich in der Landessprache oder in Englisch mit und denken Sie an die Zollbescheinigung. 23 Falls Sie mit einem Konzentrat zur Injektion behandelt werden, führen Sie ein weißes Pulver und Injektionsnadeln mit sich - das kann in einigen Ländern zu Missverständnissen führen. Die richtige Bescheinigung beim Check-in lässt keinen Zweifel aufkommen. Erkundigen Sie sich gleich nach Notarzt und Krankenhaus. Wer sich sofort am ersten Tag über Ärzte, Krankenhäuser und deren Erreichbarkeit vor Ort informiert, muss im Notfall nicht suchen und spart wertvolle Zeit. Wie ist die Regelung für Handgepäck bei Flugreisen? Weltweit gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Da jedoch eine weltweit gültige oder länderspezifische Verordnung über erlaubte bzw. nicht erlaubte Medikationen nicht existiert, sollten Sie unbedingt vor der Abreise klären, ob Ihre Medikamente im Handgepäck mitgeführt werden dürfen. Die Bestimmungen richten sich nach Land, Behörden, aktueller Situation und Fluglinie. Fluggästen wird empfohlen, alle mitgeführten Flüssigkeiten möglichst mit dem Reisegepäck, also dem Koffer, aufzugeben. Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten Ihres Abflughafens und bei Ihrer Fluglinie. Ihr Notfall-Medikament gehört jedoch ins Handgepäck. Das Lösungsmittel können Sie ggf. mit dem Koffer aufgeben. Falls mit dem Koffer etwas schief geht: Wasser für Injektionszwecke erhalten Sie in jeder Apotheke! Checkliste für Reisende mit HAE ! geeignetes Reiseland ausgesucht ! Notfall-Medikament in ausreichender Menge eingepackt ! Notfall-Medikament im Handgepäck deponiert ! Attest in der Landessprache griffbereit ! Zollbescheinigung griffbereit ! HAE-Notfallausweis griffbereit ! Telefonnummer Ihres Arztes/HAE Zentrums griffbereit ! Schwellungskalender eingepackt ! nach Notarzt/Krankenhaus am Reiseort erkundigt (spätestens am ersten Tag nach der Ankunft!) 24 Kontaktadressen - HAE Ärztenetz HAE-Zentren Ansprechpartner in den Bundesländern Wien/Bgld.: Universitätsklinikum Wien / AKH Währinger Gürtel 18-20 1090 Wien Klin. Abt. für Allgemeine Dermatologie Name: Univ.-Prof. Dr. G. Tappeiner Tel: 01/40400-7700 email: [email protected] Klin. Abt. für Immundermatologie u. infektiöse Hautkrankheiten Name: OA Dr. T. Kinaciyan Tel: 01/40400-7704 email: [email protected] Steiermark: Universitätsklinikum Graz Klin. Abt. für Umweltdermatologie u. Venerologie Auenbruggerplatz 5 8036 Graz Name: Univ.-Prof. Dr. W. Aberer Vorsitzender der Initiative Tel: 0316/385-3926 email: [email protected] Kärnten: A.ö. Landeskrankenhaus Abt. für Dermatologie und Venerologie St. Veiterstraße 46 9026 Klagenfurt Name: Prim. Dr. W. Pachinger Tel: 0463/538-22612 email: [email protected] Oberösterreich: A.ö. Krankenhaus der Stadt Linz Dermatologische Abteilung Krankenhausstraße 9 4020 Linz OA Dr. Angela Öllinger Telefon: 0732/7806-3780 email:[email protected] 25 Niederösterreich: A.ö. Krankenhaus Abt. für Haut- und Geschlechtskrankheiten Propst-Führerstraße 4 3100 St. Pölten OA Dr. P. Schmidt Tel: 02742/300-2815 email: [email protected] Salzburg: A.ö. Landeskrankenanstalten Landesklinik für Dermatologie Müllner Hauptstr. 48 5020 Salzburg OA Dr. T. Hawranek Telefon: 0662/4482-3003 email: [email protected] Tirol: Universitätsklinikum Innsbruck Univ. Klinik für Dermatologie u. Venerologie Anichstr. 35 6020 Innsbruck Univ.-Prof. Dr. R. Höpfl Telefon: 0512/504-3026 email: [email protected] Vorarlberg: Landeskrankenhaus Feldkirch Abteilung für Dermatologie Carinagasse 47 6807 Feldkirch-Tisis Primarius Dr. Robert Strohal Telefon: 05522/303-1230 email:[email protected] HAE - Selbsthilfegruppe Österreichische Selbsthilfegruppe für Hereditäres Angioödem (HAE - Austria) c/o Adelheid Huemer Schallenbergstraße 10 4174 Niederwaldkirchen 0681 / 10511377 [email protected] www.hae-austria.at 26 Herausgeber: BeriNet Initiative zur Diagnose und Therapie des hereditären Angioödems Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer Universitätsklinikum Graz Abt. f. Umweltdermatologie u. Venerologie Notizen: Mit freundlicher Unterstützung von CSL Behring