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Das hereditäre Angioödem (HAE)
HAE
(hereditary angioedema)
Patienteninformation zum Krankheitsbild
des hereditären Angioödems
Vorwort
BeriNetInitiative zur Diagnose und Therapie des HAE
Überblick
Vorwort Univ.-Prof. Dr. W. Aberer
1
BeriNet Initiative zur Diagnose und
Therapie des hereditären Angioödems
2
Das hereditäre Angioödem (HAE)
4
Krankheitsbild
Symptomatik
Labordiagnostik
Therapeutische Möglichkeiten
4
6
8
9
Notfallausweis und Schwellungskalender
12
Fragen und Antworten zu HAE
13
Mein Kind hat HAE
21
HAE und Reisen
23
Kontaktadressen
25
Vorwort
Univ.-Prof. Dr. W. Aberer
Universitäts-Hautklinik Graz
Wiederholt auftretende Schwellungen der Haut, der Atemwegsschleimhäute (Kehlkopf) und des Magen-Darmtrakts (mit
Erbrechen, Darmkoliken oder Durchfällen) charakterisieren ein
Krankheitsbild, das recht selten diagnostiziert wird, aber
lebensbedrohlich sein kann und meist familiär gehäuft auftritt: Das
hereditäre Angioödem (HAE)
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der Möglichkeit, dass
auch andere Ursachen ähnliche Symptome auslösen können, wird
dieses Krankheitsbild oft nicht oder erst spät diagnostiziert; dies ist
bedauerlich, weil Attacken eine ganz spezielle Behandlung erfordern
und die üblichen Medikamente gegen Haut- und Schleimhautschwellungen keine Wirkung zeigen. Es stehen heute wirksame
Medikamente zur Prophylaxe und Therapie zur Verfügung,
Voraussetzung für den richtigen Einsatz ist aber eine korrekte
Diagnose, eine umfassende Information des Betroffenen und die
Verfügbarkeit eines Notfallausweises. BeriNet, die Initiative zur
Diagnose und Therapie dieses Krankheitsbildes, will Ihnen als
Betroffene/r dabei helfen.
Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer
1
BeriNet Initiative zur Diagnose und Therapie des
hereditären Angioödem
Von dem hereditären Angioödem - wir kürzen den Namen der
Krankheit in dieser Informationsschrift mit HAE ab - haben die
meisten Menschen noch nie gehört, und auch Ärzte kennen die
Krankheit meist nur von ihrem Studium her. So kann es durchaus
geschehen, dass auch Ärzte die vom Patienten geschilderten
Symptome, zumal diese sehr unterschiedlich sind und die Krankheit
sehr selten vorkommt, diesem Krankheitsbild nicht sofort zuordnen.
Leider kann dies auch zu einer falschen Therapieentscheidung
führen, bei der nur die Symptome, jedoch nicht die Krankheitsursache behandelt werden.
Ob Sie selbst betroffen sind, ob nur ein Verdacht besteht oder ob es
sich möglicherweise um einen Verwandten oder einen Freund
handelt, der beste Weg zu helfen ist Information: Aufklärung über
die Krankheit selbst, über ihre Symptome und über die
Behandlungsmöglichkeiten.
Deshalb wurde in Österreich die Initiative zur Diagnose und Therapie
des hereditären Angioödems gegründet. Diese Initiative unter der
Leitung von Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer wurde in Zusammenarbeit mit Experten aus allen Bundesländern und mit Unterstützung
der pharmazeutischen Industrie ins Leben gerufen.
Was war der Anlass? Internationale Vergleichszahlen deuten darauf
hin, dass die Dunkelziffer für die Krankheit in Österreich sehr hoch
sein muss. Bedauerlich, wenn man bedenkt, dass das Krankheitsbild
für die Betroffenen nicht nur lästig, sondern auch sehr gefährlich, ja
sogar lebensbedrohlich sein kann.
2
Die Initiative möchte engagierten Ärzten, jedoch auch PatientInnen und deren Angehörigen ein Österreich abdeckendes
Informationsnetz anbieten, das Betroffenen mit Rat und Tat zur
Seite steht. In diesem Rahmen ist es eine wichtige Aufgabe, die
Krankheit bei den betroffenen Personen zu diagnostizieren und
österreichweit zu erfassen. Nur dann wird es möglich sein,
PatientInnen mit HAE eine effiziente Betreuung und Behandlung
zuteil werden zu lassen. Aus dieser Idee heraus wurde auch eine
Internetplattform - BeriNet gegründet.
Unter www.berinet.at können alle,
die mehr über HAE erfahren wollen, sich
über die Krankheit, über therapeutische
Optionen und über HAE-Zentren in
Österreich.
Zudem haben HAE-Betroffene die
S e l b s t h i l f e g r u p p e „ H A E -Au s t r i a “
gegründet. Informationen finden Sie
unter www.hae-austria.at.
BeriNet - HAE Wissen vernetzt!
Auf dieser Plattform werden ebenfalls nützliche, die Therapieunterstützende Maßnahmen und Tipps zur Vorsorge bei einer HAEErkrankung vorgestellt.
Durch die öffentliche Vermittlung von Informationen zu diesem
Krankheitsbild soll dazu beigetragen werden, noch nicht diagnostizierten Betroffenen schneller Gewissheit über ihre Krankheit zu
verschaffen und ihnen zu einer adäquaten Therapie zu verhelfen.
3
Das hereditäre Angioödem (HAE)
Krankheitsbild:
Hereditär bedeutet vererblich. Ein Ödem ist eine krankhafte
Wasseransammlung, die meist zu einer Schwellung führt. Unter
einem Angioödem versteht man eine schmerzhafte, längere Zeit
anhaltende Schwellung unter der Haut oder unter einer
Schleimhaut. Die Ausbildung eines hereditären Angioödems setzt
also, wie der Name schon sagt, das Vorhandensein einer bestimmten Erbanlage voraus.
Eine solche Veranlagung kann jedoch auch als sog. neue Mutation
auftreten. Das heißt, dass sich mit oder ohne erkennbare äußere
Einflüsse bestimmte Gene verändern. Bei jedem Träger einer so
entstandenen veränderten Erbanlage können sich die Symptome
eines HAE entwickeln. Es können sowohl Männer als auch Frauen
betroffen sein. Ein ähnliches Krankheitsbild ist das sog. QuinckeÖdem.
4
Es werden mehrere Typen des hereditären Angioödems
unterschieden, wobei die beiden häufigsten Formen Typ 1 und
Typ 2 kurz beschrieben werden:
Typ 1
Der HAE-Typ I stellt mit ca. 85 Prozent aller bekannten Fälle die
häufigste Form dar.
Dieser Typ ist durch eine verminderte Produktion bzw. durch das
völlige Fehlen eines bestimmten Körperstoffes gekennzeichnet. Es
fehlt das Enzym C1-Esterase-Inhibitor, ein Eiweißkörper im Blut.
Typ 2
Beim HAE-Typ II ist die Konzentration des C1-Esterase-Inhibitors
normal, jedoch ist seine Aktivität vermindert oder diese fehlt ganz.
Kopf
Kopfschmerzen, Schwindel,
Sprachstörungen, u. U. Sehstörungen,
Lähmungserscheinungen
Darmbereich
Halsbereich
Glottisödem, Larynxödem, beginnend mit
Schluckbeschwerden, Stimmveränderungen,
Heiserkeit, Atemnot, im Extremfall Ersticken
Erbrechen, kollikartige Schmerzen,
Durchfälle, Unwohlsein
Blase
Geschlechtsorgane
Schwellungen von Penis und Vagina
Brennen beim Wasserlassen,
Schmerzen in der Blasen- und Nierengegend,
Beschwerden wie bei einer Harnwegsinfektion
Extremitäten (Arme und Beine)
normale Bewegungsabläufe sind eingeschränkt,
Arbeitsabläufe sind eingeschränkt,
Behinderungen beim Gehen. Schuhe passen nicht
Hautschwellung
Spannungs- und Druckgefühl
Eigentliche Ursache des HAE ist die angeborene Veränderung eines
Gens mit Sitz auf dem Chromosom 11. Dieses Gen ist für die
Bildung des zuvor erwähnten Enzyms, also des C1-EsteraseInhibitors verantwortlich.
Der C1-Esterase-Inhibitor ist für die Regulierung des sogenannten
Komplementsystems mitverantwortlich.
5
Was versteht man unter diesem Komplementsystem? Damit wird
eine Gruppe im Serum vorkommender Proteine, also Eiweißstoffe
bezeichnet, welche bei bestimmten Reizen in einer festgelegten
Form miteinander reagieren und damit einen normalen
(= physiologischen) Ablauf wichtiger Körperfunktionen sichern.
Der C1-Esterase-Inhibitor steuert dieses Komplementsystem.
Bei HAE-Patienten ist entweder zu wenig C1-Esterase-Inhibitor
vorhanden oder dieses Enzym ist nicht ausreichend funktionsfähig:
Es kommt zu einer Fehlsteuerung des erwähnten Komplementsystems. Daraus ergibt sich der Ansatz für die Behandlung: Weil wir
auf den eigentlichen Verursacher, auf das Gen keinen Einfluss
nehmen können, müssen wir zwangsläufig den Stoff dem Körper
zuführen, für dessen ausreichende Bereitstellung das Gen zuständig
wäre: den C1-Esterase-Inhibitor.
Symptomatik:
Bei Betroffenen führt dies zu wiederholten Schwellungen an den
Gliedmaßen, im Gesicht, im Hals- und Kehlkopfbereich und im
Magen-Darm-Trakt. Im Prinzip können solche Ödeme in allen
Organen, auch im Gehirn, in der Lunge, an den Nieren, im
Genitalbereich und am Gesäß auftreten. Die Ödeme können sehr
schmerzhaft sein.
Charakteristische Symptome des HAE sind also
episodisch auftretende Schwellungen.
Sie bilden sich in der Regel nach zwei bis fünf
Tagen zurück. Sie sind typischerweise farblos
bis weiß oder leicht gerötet. Sie jucken nicht und
unterscheiden sich damit von der Urtikaria, der
Nesselsucht, also von einer allergischen Hautreaktion. Den Schwellungen geht gelegentlich
ein Prickeln auf der Haut voraus, oft treten sie
jedoch ohne Vorwarnung auf.
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Stark betroffen sind innere Organe (v.a. der Magen-Darm-Trakt):
Über 70 Prozent der Ödeme verursachen Schwellungen der Schleimhäute an inneren Organen. Sie äußern sich als kolikartige Krämpfe,
Erbrechen, Durchfall und führen zu Kreislaufbeschwerden. Diese
gastro-intestinale Symptomatik wird nicht selten als Erkrankung der
Bauchhöhle akutes Abdomen fehlgedeutet. Unnötige und gefährliche operative Eingriffe können aus dieser falschen Auslegung
erfolgen. Es handelt sich nämlich beim sogenannten akuten
Abdomen um eine sehr ernste Situation, die meist einen operativen
Eingriff notwendig macht.
Besonders gefährlich für die Betroffenen und verantwortlich für 30
bis 50 Prozent der Todesfälle sind akute Erstickungsanfälle auf
Grund einer Schwellung im Kehlkopfbereich. Sie können durch
zahnärztliche Eingriffe oder etwa durch die Entfernung der Mandeln
ausgelöst werden, aber auch spontan auftreten.
Nach heutigem Stand des Wissens gibt es keine eindeutig
verantwortlichen Auslöser für die Schwellungs-Attacken. Von
Betroffenen werden Stress, Traumata verursacht z.B. durch Operationen oder Zahnextraktionen Insektenstiche und Nahrungsmittel
als auslösende Faktoren benannt. Bei Frauen können Menstruation
und orale Kontrazeptiva (Antibabypille), bei Kindern der erste
Zahndurchbruch Ödem-Attacken auslösen.
Ebenfalls bekannt ist, dass der Konsum von Alkohol, jedoch auch die
Einnahme von ACE-Hemmern, die in der Bluthochdrucktherapie
verwendet werden (diese Medikamente können aber auch ohne HAE
Ödeme auslösen), Ödem-Attacken provozieren können. Auch
Östrogene, die zur Hormonsubstitution im Rahmen von
Beschwerden nach der Menopause verordnet werden, können
Ödeme verursachen.
Erste Anzeichen eines hereditären Angioödems treten bei der
überwiegenden Zahl der PatienInnen vor dem 20. Lebensjahr auf,
wobei die Stärke der Attacken meist bis zum Erwachsenenalter
zunimmt.
7
Die Häufigkeit der Attacken variiert sehr stark: Ein Drittel der
PatienInnen erlebt mindestens eine oder mehr Attacken pro Monat,
in Extremfällen sogar ein bis zwei Attacken pro Woche.
Eine erhöhte Anfallshäufung ist während der Pubertät und bei
Frauen im gebärfähigen Alter zu beobachten. Genaue Angaben über
die Häufigkeit solcher Attacken während einer bestimmten Zeit gibt
es nicht.
In Österreich wird die Gesamtzahl der HAE-Betroffenen auf etwa
100 - 200 geschätzt. Internationale Vergleiche und Untersuchungen
legen jedoch die Vermutung nahe, dass die Dunkelziffer sehr hoch
sein muss.
Wie bereits gesagt:
Bei der Therapie von HAE muss das dem Körper nicht im ausreichendem Maße zur Verfügung stehende oder nicht ausreichend
wirksame Enzym, also der C1-Esterase-Inhibitor, zugeführt werden.
Dies zu wissen ist für das Verständnis der diagnostischen Maßnahmen und der Therapie Voraussetzung.
Labordiagnostik:
Weil beim ersten Auftreten bestimmter Symptome zunächst nur ein
Verdacht auf ein hereditäres Angioödem besteht, ist es zur sicheren
Bestätigung der Diagnose unerlässlich, sich um den möglichen
Auslöser dieser Symptome zu kümmern: den C1-Esterase-Inhibitor.
Es müssen seine Aktivität bzw. seine Konzentration im Blut
gemessen werden.
Die Aktivitätsmessung muss beim Gesunden einen Wert von 80 120 % erbringen; bei HAE -PatientInnen liegt er jedoch meist unter
30 %.
Die normale Proteinkonzentration liegt bei 15 - 35 mg/dL, bei HAEBetroffenen beträgt sie weniger als 15 mg/dL oder ist gar nicht
vorhanden. Oft sind noch weitere Untersuchungen notwendig und
die Befunde sind generell nicht einfach zu beurteilen.
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Die zur Diagnostik verwendeten Tests sind sehr empfindlich
gegenüber Temperatur und Alter der Blutprobe.
Daher ist es äußerst wichtig, dass die PatientInnen zur
Blutabnahme in ein Krankenhaus mit angeschlossenem
Labor kommt, damit die Blutprobe vor Ort untersucht
werden kann.
Nur so können schlüssige Laborbefunde erhalten und die geeignete
Therapie eingeleitet werden.
Therapeutische Möglichkeiten:
Bei der Therapie des hereditären Angioödems wird zwischen der
Langzeit- und der Kurzzeitprophylaxe sowie der Behandlung akuter
Attacken unterschieden.
Die sofortige, intravenöse Gabe von C1-Esterase-InhibitorKonzentrat ist die wirkungsvollste Behandlung akuter HAEAttacken, weil das fehlende oder funktionseingeschränkte Enzym
direkt zugeführt wird und die Behandlung damit direkt an der
Ursache ansetzt.
Bereits eine Stunde nach der Gabe des Enzyms erreicht die C1Esterase-Inhibitor-Aktivität im Plasma wieder die physiologisch
notwendige Konzentration: Die Schwellungen können sich innerhalb
weniger Stunden zurückbilden.
Wenn die Schleimhautschwellungen die Atemwege betreffen, kann
die Gabe des C1-Esterase-Inhibitors sogar lebensrettend sein. Ohne
die Injektion des C1-Esterase-Inhibitors kann oft nur ein
Luftröhrenschnitt das Leben der PatienInnen retten.
Eine Kurzzeitprophylaxe ist in Situationen angezeigt, die das Risiko
einer Ödembildung in sich bergen, z.B. ein operativer Eingriff. Auch
hier ist die Substitution mit C1-Esterase-Inhibitor die Therapie der
Wahl. Es wird das C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat 30 bis 60
Minuten vor dem geplanten Eingriff intravenös verabreicht.
9
HAE-Patientin im ‚Normalzustand'
während einer HAE-Attacke
und
Eine Langzeitprophylaxe, d.h. eine Dauermedikation, kommt in der
Regel nur für Patienten in Betracht, deren Lebensqualität durch die
Erkrankung deutlich eingeschränkt ist. Es sind Patienten, die z.B.
mindestens eine Schwellungs-Attacke pro Monat haben oder bei
denen die Schleimhautschwellungen vorwiegend an den
Atemwegen auftreten.
Herkömmlicherweise wird das hereditäre Angioödem in der
Langzeitprophylaxe mit Androgenderivaten, also mit männlichen
Sexualhormonen behandelt. Diese Substanzen sind vielleicht auch
Ihnen durch Berichte über vielfältige Doping-Skandale bekannt.
Androgenderivate erhöhen die Proteinproduktion und damit auch
den C1-Esterase-Inhibitor-Spiegel im Blutplasma. Androgenderivate haben jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen:
Sie fördern die Ausprägung männlicher Geschlechtsmerkmale und
führen zu einer Vermännlichung (Virilisierung) des weiblichen
Organismus. Neben der Ausbildung einer tiefen Stimme fördern sie
Haarwuchs und Muskelaufbau. Sie beeinflussen ebenfalls den
Hormonhaushalt bis hin zum Ausbleiben der Menstruation,
verursachen Stimmungsschwankungen und eine Gewichtszunahme. Auch Nieren- und Leberfunktion können bei einem langfristigen Einsatz der Substanzen geschädigt werden. In Extremfällen kann die Dauer-Hormontherapie zum Leberkarzinom führen.
Aufgrund des breiten Spektrums unerwünschter Nebenwirkungen
ist beim HAE die Langzeitprophylaxe mit Androgenderivaten
umstritten. Besonders für Kinder, Jugendliche und Frauen mit
Kinderwunsch ist der Einsatz der Hormone bedenklich.
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Eine effiziente und verträgliche Alternative stellt der Einsatz des C1Esterase-Inhibitor-Konzentrates dar. Dabei wird das fehlende
Enzym C1-Esterase-Inhibitor per intravenöser Injektion oder
Infusion verabreicht, um im Blutplasma des Patienten normale
Spiegel zu erreichen.
C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat ist gut verträglich. Daher ist diese
Behandlungsform, die bei der Kurzzeitprophylaxe und der
Akutbehandlung ohnehin die Therapie der Wahl darstellt, auch für
die Langzeitprophylaxe von HAE-PatientInnen interessant.
Insbesondere gilt dies für PatientInnen, die besonders unter den
Nebenwirkungen der Hormontherapie mit Androgenderivaten
leiden. Die Therapieentscheidung sollte vom behandelnden Arzt
unter Berücksichtigung der Häufigkeit der Anfälle sowie von Alter
und Geschlecht der PatientInnen abhängig gemacht werden.
Zur Kontrolle des Therapieerfolges ist es wichtig, bestimmte Daten
zu erfassen: einerseits Art, Dauer und Menge der applizierten
Medikamente, andererseits Häufigkeit, Lokalisation und Dauer der
Schwellungen. Anhand dieser Informationen kann der behandelnde
Arzt den Erfolg der Behandlung besser nachvollziehen und
gegebenenfalls Dosiskorrekturen vornehmen.
(Siehe Notfallausweis und Schwellungskalender Seite 12)
Angesichts des geringen Bekanntheitsgrades von HAE und der
mitunter dramatischen Folgen der beschriebenen Schleimhautschwellungen im Kehlkopfbereich, wird HAE- PatientInnen empfohlen, sich sehr intensiv mit ihrem Krankheitsbild und den therapeutischen Möglichkeiten zu beschäftigen.
Betroffene sollten immer und überall einen mehrsprachigen
Ausweis mit einer Notfall-Therapieempfehlung mit sich tragen. Für
einen Patienten kann es lebensrettend sein, wenn der Arzt weiß,
dass es sich um HAE handelt und damit wahrscheinlich um eine
akute HAE-Attacke. Es wird darauf hingewiesen, dass die Standardtherapie für Angioödeme, also Adrenalin, Antihistaminika und
Kortikoide bei HAE unwirksam ist.
11
Notfallausweis und Schwellungskalender
Patienten mit hereditärem Angioödem leben mit der ständigen
Bedrohung eines Larynx-Ödems, also einer Schwellung im
Kehlkopfbereich. Sie sollten ausreichend über ihre Krankheit
informiert sein, vor allem über die Frühsymptome der einzelnen
Attacken und über die Möglichkeit der Behandlung, insbesondere
der Notfallbehandlung.
Wenn Sie selbst ein Betroffener sind, sollten
Sie ständig den mehrsprachigen Ausweis
Notfall-Therapieempfehlung bei sich tragen.
Damit geben Sie Helfern und Ärzten auch
nonverbal einen Hinweis auf Ihre Erkrankung
und die einzuleitende Therapie.
Als besonders nützlich hat sich der Notfallausweis auf Reisen ins Ausland erwiesen,
insbesondere wenn es um Gebiete geht, in
denen HAE und C1-Esterase-InhibitorKonzentrat weniger bekannt sind.
WICHTIG: Als HAE-Patient sollten Sie immer 1 - 2 Packungen
C1-INH-Konzentrat für den Notfall bei sich tragen.
Hilfreich für die Beobachtung der Krankheit und
des Therapieerfolges ist der Schwellungskalender. Er erleichtert es, über die klinischen
Symptome und deren vermutete Auslöser Buch
zu führen. In diesem Kalender kann der Ort der
Schwellung sowie die Dauer der Symptome
und die Art der durchgeführten Behandlung dokumentiert werden.
Die eingetragenen Symptome werden sichtbar
in ihrem zeitlichen Verlauf und ihrer
Ausprägung festgehalten und können als
Grundlage für die Therapieentscheidung des
behandelnden Arztes dienen.
12
Fragen und Antworten zu HAE
Was ist ein hereditäres Angioödem?
Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene, bei nicht
Erkennen mit hohem Risiko behaftete Erkrankung. Sie zeigt sich
meist schon im Kindesalter. Kennzeichnend für das Krankheitsbild
sind Ödeme, also Flüssigkeitsablagerungen, die zu Schwellungen
führen. Betroffen sind Haut und Schleimhäute. Tagelange
Schmerzattacken im Magen-Darm-Trakt sind typisch. Besonders
gefährlich sind Schwellungen im Kopf- und Halsbereich, da sie zu
Erstickungsanfällen führen können.
Auslöser für die Symptome ist ein Mangel an C1-Esterase-Inhibitor
bzw. dessen fehlende Aktivität im Blutplasma. Verantwortlich für
diesen Mangel ist ein genetischer Schaden an jenem Gen, das für die
Bildung dieses C1-Esterase- Inhibitors verantwortlich ist.
Warum wird die Erkrankung hereditär genannt?
Sie ist vererbbar. Die dafür verantwortliche Erbanlage tritt bei
Männern und Frauen gleich häufig auf. Es besteht ein 50%iges
Risiko, dass ein Kind die Erkrankung von einem betroffenen
Elternteil erbt.
In seltenen Fällen kann es jedoch auch zu einer sog. Spontanmutation kommen. Dann wird das für die Krankheit verantwortliche
Gen durch bisher nicht bekannte Einflüsse beschädigt und ist nicht
mehr in der Lage, das benötigte Enzym C1-Esterase-Inhibitor
ausreichend zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall kann die
Krankheit auch erstmalig in einer Familie auftreten.
Warum ist HAE so schwer zu diagnostizieren?
Das Krankheitsbild des hereditären Angioödems kann sehr leicht mit
anderen Formen des Angioödems, z.B. mit dem Quincke-Ödem
verwechselt werden. Auch hier treten Schwellungen auf, die meist
durch Lebensmittel- oder Medikamentenunverträglichkeiten bzw.
Lebensmittel- oder Medikamentenallergien ausgelöst werden. Sie
werden mit Kortikosteroiden und Antihistaminika behandelt. Diese
Behandlung ist jedoch bei HAE wirkungslos.
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Wie kommt es zum Krankeitsbild des HAE?
Die Bezeichnung hereditär zeigt, dass es sich grundsätzlich um
einen Gendefekt handeln muss, weil nur ein solcher weiter vererbt
werden kann.
Durch diesen Defekt ist der Körper außerstande, ein bestimmtes
Enzym in ausreichendem Maße zu produzieren, ein Enzym, das
entzündungshemmende und immunstützende Aktivitäten steuert:
C1-Esterase-Inhibitor.
Bei Patienten mit hereditärem Angioödem ist also der Blutplasmaspiegel dieses Enzyms entweder erniedrigt oder das Enzym fehlt
gänzlich. Manchmal ist dieses Enzym zwar in ausreichender Menge
vorhanden, seine Funktionstauglichkeit jedoch eingeschränkt.
Wie äußert sich das Krankeitsbild?
HAE führt zu akut auftretenden Schwellungen der Haut und
Schleimhäute, die sich nach 2 bis 5 Tagen spontan zurückbilden und
nach tage- bis jahrelangen beschwerdefreien Intervallen wieder
kehren.
Die Ödeme können an jeder Körperstelle auftreten, am häufigsten
sind jedoch Arme, Beine und das Gesicht betroffen. Sehr häufig
werden auch Ödeme der Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes
beobachtet, die zu kolikartigen Bauchschmerzen, Übelkeit,
Erbrechen, Durchfall und im Extremfall zu Darmlähmung bzw.
Darmverschluss führen können.
Bei der Hälfte aller HAE-PatientInnen kommt es zur Bildung von
Schleimhautödemen im Kehlkopf (Larynxödem) und im Luftröhrenbereich.Falsche Behandlung kann zu lebensbedrohlichen Zuständen
führen!
Welche Faktoren können HAE-Attacken auslösen?
Attacken können ohne erkennbare äußere Ursachen auftreten.
Stresssituationen, Angst, kleine Verletzungen oder Operationen und
auch Infektionen können jedoch das Auftreten von HAE-Attacken
provozieren.
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Zu Schwellungen in den Atemwegen und im Mundbereich kommt es
häufig nach vorausgegangenen Zahnbehandlungen. Manchmal sind
stärkere mechanische Belastungen wie Rasenmähen, Hämmern
oder längeres Schreiben Auslöser von Ödemanfällen.
Medikamente wie ACE-Hemmer, das sind blutdrucksenkende
Substanzen, können ebenso Angioödeme verursachen, dies
allerdings auch ohne das Vorhandensein von HAE.
Dürfen HAE-PatientInnen Sport betreiben?
Selbst für HAE-Betroffene, die jede Woche eine oder mehrere
Attacken haben, ist Sport keinesfalls verboten.
Jede anstrengende Tätigkeit, die der Körper gewohnt ist, wird
keinen Schub auslösen. Ein trainierter HAE-Patient kann ohne
Probleme Joggen, Rad fahren oder Berg Steigen. Ein ungeübter
muss jedoch nach sportlicher Betätigung mit Schwellungen
rechnen. Schwellungen an den Oberschenkeln und im Genitalbereich sind nach den Rad fahren, Gliedmaßenschwellungen
nach dem Langlaufen oder nach Schitagen möglich.
Vor allem beim Bergwandern, Bergsteigen oder bei Schitouren
im hochalpinen Gelände ist es unbedingt erforderlich immer ein
Notfallmedikament dabei zu haben.
Welche HAE - Krankheitstypen gibt es?
Zum HAE-Typ I zählen jene Patienten, bei denen der C1-EsteraseInhibitor völlig fehlt oder unzureichend produziert wird. Etwa 85 %
der Betroffenen gehören zu diesem Typ.
Vom HAE-Typ II spricht man bei einer normalen C1-Esterase
Inhibitor - Konzentration mit verminderter Funktionstauglichkeit.
Hinsichtlich der Symptomatik gibt es keinen Unterschied zwischen
HAE-Typ I und HAE-Typ II.
In welchem Alter beginnt die HAE-Symtomatik?
Das Alter bei Beginn von HAE-Symptomen variiert stark, jedoch
findet sich ein Häufigkeitsgipfel im ersten und ein weiterer im
zweiten Lebensjahrzehnt.
15
Bei etwa 75 % der PatientInnen zeigen sich mit Erreichen des 20.
Lebensjahres die ersten Symptome.
Während der Pubertät, nach Einsetzen der ersten Regelblutung und
im frühen Erwachsenenalter scheinen Attacken häufig zu sein.
Trotzdem muss die Krankheit nicht notwendigerweise schon in
jungen Jahren auftreten. Bei einigen wenigen Patienten traten die
Ödemschübe im Alter von 50 bis 70 Jahren erstmals auf.
Wie lange dauern HAE-Attacken?
Die Patienten berichten oft über ein Spannungsgefühl an der Stelle,
an der etwa 30 Minuten bis einige Stunden später das Ödem auftritt.
Die ödematöse Schwellung hält mindestens vier, im Durchschnitt
zwischen 24 und 72 Stunden an, kann jedoch in Einzelfällen auch
länger andauern.
Wie häufig treten HAE-Attacken auf?
Die Häufigkeit der HAE-Attacken variiert enorm. Einige PatientInnen
sind über lange Zeit beschwerdefrei, dann treten Schwellungen in
kurzen Abständen hintereinander auf.
Andere Erkrankte erleiden in kürzeren regelmäßigen Abständen
Attacken. Symptomfreie Intervalle können von wenigen Tagen bis
zu mehreren Jahren andauern, wobei im Mittel ca. zwei bis drei
Schübe im Jahr zu erwarten sind.
Warum sind HAE-Anfälle lebensbedrohlich?
Die Anfälle sind besonders dann gefährlich, wenn sie im Bereich der
Atemwege auftreten. In diesem Fall kann die Schleimhaut die
Atemwege verschließen und das Durchführen eines Luftröhrenschnittes erforderlich machen.
Eine unbehandelte Schleimhautschwellung in der Luftröhre ist eine
der Haupttodesursachen bei HAE-PatientInnen.
Wurde das HAE bei PatientInnen nicht erkannt, sind in der Vergangenheit bis zu 25-30 % der PatientInnen gestorben.
Daher ist im Falle einer Schleimhautschwellung im Kehlkopfbereich,
der Arzt spricht von einem Larynxödem.
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Die sofortige Gabe von C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat durch den
Arzt und eine nach-folgende Beobachtung bis zur Besserung der
Symptome unbedingt erforderlich.
Was kann zu HAE-Attacken speziell bei Frauen und
in der Schwangerschaft führen?
Bei Frauen spielt die Änderung der weiblichen Geschlechtshormone
(Östrogene) eine wichtige Rolle. Einige Frauen berichten über eine
Erhöhung der Anzahl von Attacken während ihrer Menstruation.
Erstattacken treten häufig in der Pubertät auf und viele HAE
Patientinnen berichten von gehäuften Attacken durch die Einnahme
östrogenhaltiger Pillen oder die Verwendung mancher Hormonspiralen.
Deshalb sind diese Mittel zur Verhütung ungeeignet und es sollten
daher gestagenhaltige Anti-Baby-Pillen oder gestagenhaltige
Spiralen verwendet werden.
Während der Schwangerschaft, in der Stillzeit und auch in der
Menopause können Attacken häufiger auftreten.
Bei einer Geburt wird das Gewebe sehr strapaziert und kann daher
mit einer Schwellungsattacke im Bereich der Geschlechtsorgane
reagieren. Daher sollte bei schwangeren HAE Patientinnen das
Vorgehen für die Entbindung mit dem Behandlungszentrum
abgestimmt werden und das C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat für
den Notfall bereitliegen oder zur Kurzzeitprophylaxe vor der Geburt
des Kindes verabreicht werden.
Wie wird HAE diagnostiziert?
Die typischen Symptome für eine HAE-Erkrankung sind das
vorübergehende Auftreten, nicht juckenden Schwellungen. Sie sind
farblos und liegen im Unterhautbindegewebe. Bauchschmerzen
ohne erkennbare andere Ursache sind typisch.
Diese Zeichen begründen den Verdacht auf das Vorliegen einer
solchen Erkrankung.
Wenn mehrere Familienmitglieder betroffen sind, kann auch der
erbliche Charakter erkannt werden.
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Der durch die Beobachtung der Symptome entstandene Verdacht
wird durch das Messen der C1-Esterase-Inhibitor-Aktivität bzw. des
C1-Esterase-Inhibitor-Antigens im Blutplasma bestätigt (mittels
Antikörper gegen C1-Esterase-Inhibitor, das als Antigen dient, kann
der Nachweis dieses Stoffes im Blut erfolgen).
Wie wird HAE behandelt?
Es gibt drei Arten der Therapie für Patienten mit HAE:
! Eine langfristige Prophylaxe
! Eine kurzfristige Prophylaxe
! Die Behandlung akuter Attacken
Was versteht man unter langfristiger Prophylaxe
bei Vorliegen von HAE?
Nicht alle Patienten mit hereditären Angioödem benötigen eine
langfristige Prophylaxe. Die Attacken sind bei vielen Patienten
relativ mild oder selten, und deshalb benötigen diese Patienten
keine Langzeittherapie.
In der Regel werden allerdings Patienten dann langfristig behandelt,
wenn die Schleimhautschwellungen die Atemwege betreffen. Auch
dann, wenn ein Patient mehr als eine Attacke pro Monat hat und
diese Attacken, bzw. die Erkrankung so schwerwiegend ist, dass er
im normalen Alltagsleben massiv behindert ist.
Mit anderen Worten: Die Langzeitprophylaxe wird dann begonnen,
wenn die Erkrankung eine deutliche Reduktion der Lebensqualität
des Betroffenen bedeutet.
Welche Substanzen werden für die
Langzeitprophylaxe von HAE eingesetzt?
Früher wurden für die Langzeittherapie häufig Aminocapronsäure
und Tranexamsäure verordnet. Unter ihrer Anwendung konnte zwar
eine positive Beeinflussung sowohl der Frequenz als auch der
Schwere der Ödeme erzielt werden, aber meist keine völlige
Ödemfreiheit.
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Zudem mussten diese Substanzen in hohen Dosen verabreicht
werden. Aus diesen Gründen und wegen ihrer zahlreichen dosisabhängigen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle,
Thrombosen und Muskelnekrosen konnten sie sich in der
Langzeittherapie nicht durchsetzen.
Gegenwärtig wird überwiegend Danazol, ein Androgen, also ein
männliches Sexualhormon eingesetzt. Dieses bewirkt ein Ansteigen
des Blutplasmaspiegels des C1-Esterase-Inhibitors. Aber auch bei
dieser Substanz kommt es dosisabhängig zu mehr oder weniger
schwerwiegenden Nebenwirkungen, die besonders für Frauen,
Jugendliche und Kinder problematisch sind.
Andere Androgene wie Stanozolol, die auch in der HAE-Therapie
eingesetzt werden, haben sich auf Grund ihrer Nebenwirkungen als
noch ungeeigneter gezeigt. Seit kurzem wird alternativ bei einigen
Patienten eine Langzeitprophylaxe mit C1-Esterase-InhibitorKonzentrat durch-geführt, besonders bei Patienten die unter
Nebenwirkungen von Androgenen leiden. Durch die intravenöse
Gabe wird das dem Patienten fehlende Enzym direkt zugeführt.
Unerwünschte schwere Nebenwirkungen sind unbekannt.
Was sind Androgene?
Androgene sind männliche Geschlechtshormone und besitzen im
wesentlichen zwei Eigenschaften:
Sie erhöhen die Eiweißproduktion im menschlichen Organismus und
beeinflussen die Ausprägung der männlichen Geschlechtsmerkmale, z.B. vermehrter Haarwuchs, kräftiger Muskelaufbau, tiefe
Stimme.
Mit welchen Nebenwirkungen ist bei einer
Langzeit-Androgen-Behandlung zu rechnen?
Neben Sehstörungen und einer Gewichtszunahme können bei
Frauen Vermännlichungserscheinungen auftreten:
Bartwuchs, tiefe und raue Stimme, Ausbleiben der Menstruation,
männliches Aussehen, Libidoverlust, psychische Veränderungen.
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Wird über Jahre hinweg regelmäßig Danazol verabreicht, muss mit
Leberschäden, erhöhten Cholesterinwerten und einer Vermehrung
der roten Blutkörperchen im Blut (Polyglobulie) gerechnet werden.
Diese hat eine Erhöhung der Blutviskosität zur Folge, das Blut wird
also dickflüssiger, was wiederum zu einer gesteigerten Thrombosegefahr führt.
Daher sollten bei diesen PatientInnen in regelmäßigen Abständen
Leber- und Nierenfunktion sowie das Blutbild untersucht werden.
Was versteht man bei HAE unter Kurzzeitprophylaxe?
Die Kurzzeitprophylaxe ist besonders dann von Bedeutung, wenn
Patienten mit HAE operiert werden müssen oder eine Zahnbehandlung erforderlich wird.
In diesem Fall kann das fehlende Enzym C1-Esterase-Inhibitor in
Form einer intravenösen Injektion oder Infusion verabreicht
werden. Die benötigte Dosis beträgt meist 500 - 1000 Einheiten C1Esterase-Inhibitor-Konzentrat.
Können akute Attacken erfolgreich behandelt werden?
Ja, in diesem Fall wird die Substanz C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat sofort intravenös verabreicht. Dies bewirkt eine rasche
Beendigung der Attacke und eine Rückbildung des Schleimhautödems.
Es ist sehr wichtig zu wissen, dass die Standardtherapie für
Angioödeme (Adrenalin, Antihistaminika, Korticosteroide) bei einer
akuten HAE-Attacke unwirksam ist !
Wie soll sich ein(e) PatientIn verhalten, die/der ein
Ödem im Halsbereich verspürt?
In diesem Fall ist eine sofortige intravenöse Gabe von C1-EsteraseInhibitor-Konzentrat erforderlich. HAE-PatientInnen sollten deshalb
immer den HAE - Notfallausweis bei sich tragen, damit der
behandelnde Arzt sofort die richtige Entscheidung treffen kann. Falls
das Präparat nicht zur Verfügung steht, muss im Notfall ein
Luftröhrenschnitt durchgeführt werden.
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Mein Kind hat HAE
Oberste Regel:
Verheimlichen Sie die Krankheit Ihres Kindes nicht gehen Sie offensiv damit um!
Ihr Kind soll unbeschwert leben können - auch mit HAE.
Entscheidend ist die möglichst frühe Diagnose und Therapie.
Was sichert die Diagnose?
Der behandelnde Arzt sollte bei Verdacht auf HAE so früh wie
möglich eine Blutuntersuchung durchführen. Deren Ergebnis sollte
mit einem erfahrenen HAE-Zentrum besprochen werden.
In der Regel wird die Diagnose durch zweimalige Messung einer
erniedrigten C1- INH-Aktivität (die Funktion des C1-INH) bestätigt.
Was löst HAE-Attacken bei Kindern aus?
Die Auslöser sind häufig nicht bekannt. Auslösend wirkt jedoch
Stress aller Art, auch positiver. Ihr Kind kommt in den Kindergarten?
Einschulung? Ein Umzug steht an? Neue Lebensphasen erfordern
höchste Wachsamkeit.
Ebenso Infektionen, Verletzungen, Insektenstiche, Medikamente
und bestimmte Nahrungsmittel können Attacken auslösen.
Die hormonelle Umstellung in der Pubertät macht besonders den
Mädchen zu schaffen durch Östrogen können sich HAE-Symptome
verschlimmern oder erst richtig entfalten.
Wie wird HAE bei Kindern derzeit therapiert?
In der Akutbehandlung der Schwellung ist der Ersatz des fehlenden
C1-Esterase Inhibitors eine wirksame Behandlungsmöglichkeit:
Eine Besserung tritt meist rasch ein.
Was ist zu beachten in Kinderkrippe, Kindergarten,
Schule?
Klar ist:
Ihrem Kind muss jederzeit schnell geholfen werden können.
Deshalb macht es keinen Sinn, die Krankheit zu
verheimlichen.
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Das bedeutet:
! Alle Menschen, die an der Betreuung Ihres Kindes teilhaben,
müssen über die Krankheit informiert sein - das Kindergartenpersonal, die Lehrer, Erzieher.
! All diese Menschen brauchen Ansprechpartner - Sie, den Arzt,
das HAE-Zentrum, Verwandte. Damit sie im Ernstfall die
notwendigen Kontakte herstellen können.
! Auch der Notfallausweis sollte stets hinterlegt sein.
Tagesausflüge, Klassenfahrten, etc., auch hier gilt:
! Informieren Sie Lehrer und Betreuer über HAE. Geben Sie ihnen
die Telefonnummern der wichtigsten Ansprechpartner (Eltern,
Arzt, HAE-Zentrum, Verwandte).
! Hinterlegen Sie den Notfallausweis.
Und weil Ihr Kind unterwegs ist, sollten Sie zusätzliche Vorkehrungen treffen:
! Händigen Sie den Betreuern ein entsprechendes Notfallpräparat
und ggf. den Arztbrief aus.
! Informieren Sie im Vorfeld eine Klinik oder einem Arzt vor Ort.
Wichtig: Die derzeit verfügbaren Notfallpräparate können bei
Zimmertemperatur aufbewahrt werden (max. +25 ºC).
Kontrolluntersuchungen
Mindestens zweimal pro Jahr sollten Sie sich mit Ihrem Kind im HAE
Zentrum vorstellen. Den Schwellungskalender sollten Sie dem
behandelnden Arzt vorlegen.
Was ist bei Impfungen zu beachten?
Sie können Ihr Kind impfen lassen. Es spricht nichts dagegen, dass
es alle Impfungen bekommt, die notwendig sind.
Informieren Sie sich über den aktuellen Impfplan für Österreich auf
der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit
http://www.bmgfj.gv.at und sprechen Sie die Impfung gegebenenfalls mit Ihrem behandelnden Arzt ab.
Für Patienten, die regelmäßig aus menschlichem Blut gewonnene
Präparate erhalten, wird grundsätzlich eine Impfung gegen
Hepatitis A und Hepatitis B empfohlen.
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HAE und Reisen
Warum nicht?
HAE und Reisen, das schließt sich nicht aus. Wer die Dinge selbst in
die Hand nimmt, die richtigen Vorkehrungen trifft und ein paar
grundsätzliche Regeln beachtet, kann auch als HAE-Patient jeden
Auslandsaufenthalt genießen.
Führen Sie Ihr Notfall-Medikament nicht im Koffer, sondern stets im
Handgepäck mit - dann kann Ihnen Ihr wichtigstes Reiseutensil
kaum abhanden kommen.
Was können Sie als HAE-PatientIn für sich selbst tun
wenn Sie verreisen?
Ein geeignetes Reiseland aussuchen
... damit Sie das Klima gut vertragen und extremen Wetterbedinungen aus dem Weg gehen.
Die entscheidenden Telefonnummern dabeihaben
... damit Sie im Notfall Ihren behandelnden Arzt oder ein HAEZentrum erreichen können.
Stets genug Notfall-Medikament mit sich führen
... damit Sie unliebsame Überraschungen vermeiden. Ihr Medikament ist eventuell nicht in jeder Apotheke verfügbar.
Bei Diebstahl, Unfall oder wenn Ihr Reisevorrat nicht ausreicht.
Rufen Sie Ihren behandelnden Arzt oder ein HAE-Zentrum an. Ein
Arzt vor Ort wird Ihnen im Notfall in der Regel nicht weiterhelfen
können. Welche Kosten Sie bei einer Lieferung aus Österreich ins
Reiseland möglicherweise selbst übernehmen müssen, ist nur
schwer absehbar. Bedenken Sie, dass sich eine solche Lieferung
aufgrund von Zoll und Einfuhrbestimmungen schwierig gestalten
kann.
Wie vermeiden Sie Ärger mit Behörden und Probleme
vor Ort?
Nehmen Sie Atteste, wenn möglich in der Landessprache oder in
Englisch mit und denken Sie an die Zollbescheinigung.
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Falls Sie mit einem Konzentrat zur Injektion behandelt werden,
führen Sie ein weißes Pulver und Injektionsnadeln mit sich - das
kann in einigen Ländern zu Missverständnissen führen. Die richtige
Bescheinigung beim Check-in lässt keinen Zweifel aufkommen.
Erkundigen Sie sich gleich nach Notarzt und Krankenhaus. Wer sich
sofort am ersten Tag über Ärzte, Krankenhäuser und deren
Erreichbarkeit vor Ort informiert, muss im Notfall nicht suchen und
spart wertvolle Zeit.
Wie ist die Regelung für Handgepäck bei Flugreisen?
Weltweit gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Da jedoch eine
weltweit gültige oder länderspezifische Verordnung über erlaubte
bzw. nicht erlaubte Medikationen nicht existiert, sollten Sie unbedingt vor der Abreise klären, ob Ihre Medikamente im Handgepäck
mitgeführt werden dürfen.
Die Bestimmungen richten sich nach Land, Behörden, aktueller
Situation und Fluglinie. Fluggästen wird empfohlen, alle mitgeführten Flüssigkeiten möglichst mit dem Reisegepäck, also dem
Koffer, aufzugeben. Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten Ihres Abflughafens und bei Ihrer Fluglinie.
Ihr Notfall-Medikament gehört jedoch ins Handgepäck. Das
Lösungsmittel können Sie ggf. mit dem Koffer aufgeben. Falls mit
dem Koffer etwas schief geht: Wasser für Injektionszwecke erhalten
Sie in jeder Apotheke!
Checkliste für Reisende mit HAE
! geeignetes Reiseland ausgesucht
! Notfall-Medikament in ausreichender Menge eingepackt
! Notfall-Medikament im Handgepäck deponiert
! Attest in der Landessprache griffbereit
! Zollbescheinigung griffbereit
! HAE-Notfallausweis griffbereit
! Telefonnummer Ihres Arztes/HAE Zentrums griffbereit
! Schwellungskalender eingepackt
! nach Notarzt/Krankenhaus am Reiseort erkundigt (spätestens am
ersten Tag nach der Ankunft!)
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Kontaktadressen - HAE Ärztenetz
HAE-Zentren
Ansprechpartner in den Bundesländern
Wien/Bgld.:
Universitätsklinikum Wien / AKH
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
Klin. Abt. für Allgemeine Dermatologie
Name: Univ.-Prof. Dr. G. Tappeiner
Tel: 01/40400-7700
email: [email protected]
Klin. Abt. für Immundermatologie u.
infektiöse Hautkrankheiten
Name: OA Dr. T. Kinaciyan
Tel: 01/40400-7704
email: [email protected]
Steiermark:
Universitätsklinikum Graz
Klin. Abt. für Umweltdermatologie u. Venerologie
Auenbruggerplatz 5
8036 Graz
Name: Univ.-Prof. Dr. W. Aberer
Vorsitzender der Initiative
Tel: 0316/385-3926
email: [email protected]
Kärnten:
A.ö. Landeskrankenhaus
Abt. für Dermatologie und Venerologie
St. Veiterstraße 46
9026 Klagenfurt
Name: Prim. Dr. W. Pachinger
Tel: 0463/538-22612
email: [email protected]
Oberösterreich:
A.ö. Krankenhaus der Stadt Linz
Dermatologische Abteilung
Krankenhausstraße 9
4020 Linz
OA Dr. Angela Öllinger
Telefon: 0732/7806-3780
email:[email protected]
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Niederösterreich:
A.ö. Krankenhaus
Abt. für Haut- und Geschlechtskrankheiten
Propst-Führerstraße 4
3100 St. Pölten
OA Dr. P. Schmidt
Tel: 02742/300-2815
email: [email protected]
Salzburg:
A.ö. Landeskrankenanstalten
Landesklinik für Dermatologie
Müllner Hauptstr. 48
5020 Salzburg
OA Dr. T. Hawranek
Telefon: 0662/4482-3003
email: [email protected]
Tirol:
Universitätsklinikum Innsbruck
Univ. Klinik für Dermatologie u. Venerologie
Anichstr. 35
6020 Innsbruck
Univ.-Prof. Dr. R. Höpfl
Telefon: 0512/504-3026
email: [email protected]
Vorarlberg:
Landeskrankenhaus Feldkirch
Abteilung für Dermatologie
Carinagasse 47
6807 Feldkirch-Tisis
Primarius Dr. Robert Strohal
Telefon: 05522/303-1230
email:[email protected]
HAE - Selbsthilfegruppe
Österreichische Selbsthilfegruppe für Hereditäres Angioödem
(HAE - Austria)
c/o Adelheid Huemer
Schallenbergstraße 10
4174 Niederwaldkirchen
0681 / 10511377
[email protected]
www.hae-austria.at
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Herausgeber:
BeriNet
Initiative zur Diagnose und Therapie des
hereditären Angioödems
Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer
Universitätsklinikum Graz
Abt. f. Umweltdermatologie u. Venerologie
Notizen:
Mit freundlicher Unterstützung
von CSL Behring
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