Nischen für die Natur

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eportage.
| Sonntag, 8. Juli 2012 | Seite 27
Nischen für die Natur
Seltene Tiere und Pflanzen:
Die Kulturfolger im Basler Rheinhafen
Bedroht. Noch taucht die
Mauereidechse nicht auf der
roten Liste der vom Aussterben
bedrohten Tierarten auf. Rund
um den Basler Rheinhafen
fühlen sich die Reptilien
wohl. Fotos Stefan Leimer
Von Stefan Leimer
Basel. Die Basler Rheinhäfen entlang
des träge dahin fliessenden Rheins sind
eine bedeutende Drehscheibe für den Inund Export der Schweiz. Beispielsweise
werden in den mächtigen Tanklagern
etwa werden 30 bis 40 Prozent des Imports vom jährlichen Mineralölverbrauchs der Schweiz abgewickelt.
Zudem ist das Drei-Ländereck ein
beliebtes Ausflugsziel für Besucher aus
der Schweiz und dem Ausland. Aber
weder Hafenarbeiter noch Besucher
werden sich für die Pflanzen und die
Tiere interessieren, die es hier zu entdecken gibt. Auf den ersten Blick mag es
auch erstaunlich sein, welche Nische
die Natur in diesem Industrieviertel mit
seinen Hafenbecken, den verschiedenen Containerterminals, Silos und den
Tanklagern gefunden hat, in der sie gedeihen kann. Kaum überraschen dürfte,
dass die Wanderratte hier zu Hause ist.
Durch den Menschen wurde die Wanderratte von Asien vor allem per Schiff
in der ganzen Welt verbreitet und ist
heute ein überaus erfolgreicher Kulturfolger, der gerne in unmittelbare Nähe
von Wasser lebt. Ratten, gelten als ausgezeichnete Schwimmer und Kletterer.
Sie sind Allesfresser und finden hier im
Hafen also einen reich gedeckten Tisch
und ideale Lebensbedingungen.
Wie die Ratten gehören auch die
Mauereidechsen zu den Kulturfolgern.
Das heisst, wenn das Nahrungsangebot
stimmt und genügend Verstecke vorhanden sind, ist eine Besiedlung in der
Stadt durchaus möglich. Beliebt bei den
kleinen Reptilien sind bspw. Bahntrassen, von denen es ja auch im Rheinhafen genügend gibt.
Mauereidechsen können bis zu 20
cm lang werden, wobei der Schwanz ca.
doppelt so lang wie der restliche Körper
ist. Im Durchschnitt werden sie 4-6 Jahre alt. Mit ihrem schlanken Körperbau
und ihren langen Fingern sind sie perfekt an das Leben mit senkrechten Flächen und engen Spalten, die ihnen als
Behausung und Versteckt dienen, angepasst. Erwähnenswert ist dabei, dass die
Mauereidechse die einzige mitteleuropäische Eidechse ist, die senkrechte
Mauern auf- und abwärts klettern kann.
An warmen, sonnigen Tagen verbringen sie viel Zeit beim Sonnenbaden, vorzugsweise an leicht erhöhten Orten, von
wo aus sie die Umgebung beobachten
können. Bei Gefahr verschwinden sie
pfeilschnell in der nächsten Mauerritze.
Aber schon bald überwiegt die Neugier
und das Bedürfnis nach wärmenden Sonnenstrahlen und man kann sie wieder an
ihrem Lieblingsplatz entdecken. Die äusserst flinken Tiere haben hier im Hafengebiet kaum natürliche Feinde. Höchstens Katzen, die den Weg aus den nahen
Wohnvierteln in den Hafen finden, könnten ihnen hier zur Gefahr werden.
Und täglich gehts zur Jagd
Die Mauereidechse kann man bei
schönem, warmem Wetter selbst im Winter beobachten. Ihre aktive Zeit beginnt
jedoch nach der Winterruhe im März.
Rund 3–4 Wochen vor den Weibchen erscheinen die Männchen und tragen ihre
Revierkämpfe aus, bevor es im März bis
Juli dann zur Paarbildung kommt. Die
Partnerwahl trifft dabei das Weibchen,
welches sich vor allem aufgrund optischer Kriterien (Färbung und Grösse)
bzw. Geruchssignale (sog. Pheromone)
mit einem Männchen paart. Ungefähr 4
Wochen nach der Paarung erfolgt die Eiablage. Die Entwicklungszeit der Eier,
Gefrässig. Ist das
wohl essbar? Die
Ratte – auch eine
Kulturfolgerin
– prüft genau, was
sie im
Hafengebiet
gefunden hat.
aber auch die Überlebenschancen der
Jungen sind sehr stark temperaturabhängig. D.h., in kühlen, regenreichen
Sommern verzögert sich der Schlupf.
Und umgekehrt verbessern sich die
Chancen der Jungen bei einer frühen Geburt, da sie mehr Zeit haben, sich für den
Winter genügend Reserven anzulegen.
Mehrmals am Tag machen sich die Eidechsen zu Streifzügen in ihrer Umgebung auf und gehen auf die Jagd. Auf ihrem Speiseplan stehen dabei vor allem Insekten und Spinnentiere aber auch Regenwürmer und Schnecken, die sie an den
Uferböschungen des Rheins erbeuten.
Neben den Mauereidechsen haben
aber auch zahlreiche Pflanzen im Industriegebiet ideale Bedingungen gefunden, um sich hier anzusiedeln.
Zu erwähnen ist beispielsweise der
Wiesen-Salbei, bei dem der sog. Schlagbaum-Mechanismus zur Bestäubung besonders bemerkenswert ist. Beim WiesenSalbei befindet sich der Nektar tief am
Blütengrund. Die Blüten besitzen dabei
zwei Staubblätter, die zu einem effektiven
Hebelapparat umgestaltet sind. Der kürze
hintere Arm ist verbreitet und bildet eine
Platte, gegen die die Insekten drücken
müssen, um an den Nektar zu gelangen.
Durch die Hebelwirkung werden die längeren Enden der Staubblätter hinunter
gebogen und streifen ihren Pollen auf dem
Rücken der Tiere ab. Wenn die so «beladene» Biene dann eine weitere Blüte aufsucht, berührt sie mit ihrem Rücken die
Narbe und überträgt den fremden Pollen
und die nächste Pflanze wird bestäubt.
Im Rheinhafen bei Birsfelden – an
der Böschung gleich neben der Anlagestelle für Lastschiffe – hat sogar ein Knabenkraut, welches zur Familie der Orchideen-Gewächse gehört, seinen Platz
gefunden. Die Pflanze, die bis zu 60cm
hoch werden kann, blüht von Mai bis
August. Es besteht zwar keine besondere Gefährdung für diese Art, aber aufgrund des starken Rückgangs ihrer Biotope gilt die Art als stark schützenswert.
In den vergangen Jahren wurde darum
wohl auch ein kleines Schild aufgestellt,
auf dem zu lesen stand «Bitte nicht ausreissen».
Rückgang der Lebensräume
Europaweit als gefährdet gilt leider
auch Bestand der Mauereidechse. Zwar
repräsentiert die Gattung der Mauereidechsen (Podarcis) In Südeuropa mit
ca. 20 verschiedenen Arten die grösste
Selten. Inmitten eines wilden Grasbords am Dreiländereck blüht das Knabenkraut
– eine rar gewordenen Orchideenart.
Gruppe der Reptilien. Und noch wird
die Mauereidechse nicht auf der roten
Liste der IUCN, der International Union
for Conversation of Nature geführt. Der
starke Rückgang ihrer Lebensräume hat
aber bereits zum lokalen Aussterben
dieser Art in Teilen Europas geführt.
Und so gilt sie in unseren Nachbarländern Deutschland und Österreich bereits als stark gefährdet. In der Schweiz
hingegen wird sie noch nicht als gefährdet eingestuft, aber selbstverständlich
ist sie auch in der Schweiz gemäss er
Verordnung über den Natur- und
­Heimatschutz geschützt.
Um ihre Lebensräume zu erhalten,
müssen wir dafür sorgen, dass sonnenexponierte Flächen von übermässigem
Pflanzenwuchs freigehalten und Trocken- nicht durch Betonmauern ersetzt
werden. Und dass auf Chemie in Rebbergen und Bahndämmen verzichtet
wird. So können wir auch in Zukunft
das lebhafte Treiben der Mauereidechsen beobachten – nicht nur im Basler
Rheinhafen
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