Untersuchung atomarer Strukturen mittels eines

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Untersuchung atomarer Strukturen
mittels eines
Rastertunnelmikroskopes
Johannes{Kepler{Universitat Linz
Institut fur Experimentalphysik
Abteilung fur Atom{ und Oberachenphysik
Altenbergerstr. 69, A{4040 Linz
http://www.exphys.uni-linz.ac.at
Ansprechpartner:
Michael Hohage
Tel: (+43)-732-2468-519
e-mail: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
1 Allgemeine Vorbemerkungen
1
2 Einfuhrung in die Memethode
2
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2.2 Rastersondenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.2.1 Piezo-Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2.2 Rastertunnelmikroskop (STM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3 Beschreibung der Versuche
24
3.1 Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
3.2 Proben{ und Spitzenpraparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.3 Annaherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.4 Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4 Weiterfuhrende Literatur
28
5 Bedienungsanleitung des STM's
30
2
Kapitel 1
Allgemeine Vorbemerkungen
Mit dem Praktikumsbeispiel Untersuchung atomarer Strukturen mittels eines Rastertunnelmikroskopes
wird Ihnen die Moglichkeit gegeben eine relativ neue und in sehr vielen Bereichen der Forschung eingesetzte Analysemethode kennenzulernen. U ber die Verwendung dieser modernen, sehr spannenden Methode in der klassischen Experimentalphysik hinaus, werden die mit ihr verwandten Rastersondenverfahren
heutzutage in beinahe allen naturwissenschaftlichen Forschungsbereichen eingesetzt.
Der Ursprung dieser Methode liegt in der Oberachenphysik, wo der Wunsch nach einer immer genaueren Abbildung der Strukturen und der Ablaufe auf atomarer Skala die Entwicklung neuer Methoden
bestimmt. Gerade hierfur sind die Rastersondenverfahren, und allen voran die Rastertunnelmikroskopie,
hervorragend geeignet. Die Rastertunnelmikroskopie ist eine direkte oder Realraum- Methode - im Unterschied zu Beugungsmethoden die Aussagen uber den reziproken Raum liefern. Das Prinzip basiert
auf dem quantenmechanischen Tunneleekt. Elektronen konnen klassisch nicht uberwindbare Potentialbarrieren mit einer Wahrscheinlichkeit 'durchtunneln' die sowohl von der Breite wie auch der Hohe des
Potentialwalls abhangt. Sind zwei elektrisch leitende Substanzen (die Tunnelspitze und die Probe) nur
voneinander entfernt, so werden Elektronen zwischen den beiden ausgetauscht. Ein Nettostrom
wenige A
, der sogenannte Tunnelstrom It iet aber erst, wenn eine Spannung Ut zwischen Spitze und Probe
angelegt wird.
Ziel des Praktikumsversuches ist es Ihnen sowohl einen ersten Einblick in einige grundlegende Begrie der
Oberachenphysik zu geben als auch die Faszination der der direkten Abbildung von Atomen mittels eines Rastertunnelmikroskopes nahezubringen. Dabei steht die eigentliche Durchfuhrung, Auswertung und
Analyse der Experimente gleichbedeutend neben der verantwortungsvollen Einhaltung und Anwendung
der Arbeitsprinzipien der modernen Oberachenanalytik.
1
Kapitel 2
Einfuhrung in die Memethode
2.1 Einleitung
Wie sieht unsere Umwelt mikroskopisch aus und warum bilden sich die Strukturen so wie wir sie sehen,
wie ist die Materie aufgebaut? Fragen die die Menschheit schon immer bewegten haben. Angetrieben
durch diesen Wissensdurst wurden immer neue Methoden entwickelt mit deren Hilfe man seine Umwelt
immer praziser analysieren kann. Die Erndung des Mikroskops hat z. B. der Biologie im letzten Jahrhundert mit der Entdeckung der Zellen zu einem Durchbruch verholfen. Das Lichtmikroskop hat jedoch
eine entscheidende Einschrankung: Die Auosung ist durch die Lichtwellenlange begrenzt. So kann man
hochstens Strukturen bis etwa 300 nm abbilden.
In der Folge wurde das Rasterelektronenmikroskop entwickelt, das zur Abbildung Elektronen anstatt
Licht verwendet. Beschleunigt man sie auf genugend hohe Energien (ab einigen 10 keV), so kann man
die Wellenlange klein genug machen um eine deutlich bessere Auosung zu erreichen. Molekule oder
gar Atome kann man damit aber immer noch nicht sehen (fur eine U bersicht des Vergroerungsbereiche
unterschiedlicher Mikroskope siehe Abb. 2.1).
Die Rastertunnelmikroskopie hat schlielich den Durchbruch zur Abbildung einzelner Atome geschat.
Die Frage wie eine Abbildung von Atomen mit dieser Methode zustande kommt lat sich mit Hilfe
der Quantenmechanik, derzufolge sich die Elektronen, die den Atomkern umkreisen, uber Wellenfunktionen darstellen lassen, beantworten. Das Absolutquadrat der Wellenfunktion gibt die Wahrscheinlichkeit(sdichte) an, ein Elektron an einem bestimmten Ort zu nden. Stellt man die Aufenthaltswahrscheinlichkeit als Grauwert dar folgt die bekannte Darstellung von Atomen als nebelartige Gebilde.
Warum ist es uberhaupt interessant, Oberachen in atomarer Auosung betrachten zu konnen?
Die Oberache pragt im wesentlichen das auere Erscheinungsbild eines Objektes.
2
1 cm 1 mm
1 µm
1 nm 1 Å
10-2 10-3 10-4 10-5 10-6 10-7 10-8 10-9 10-1 0m
Menschl. Auge
Lichtmikroskop
Rasterelektronenmikroskop
Feldionenmikroskop
Rastertunnelmikroskop
Abbildung 2.1: Vergroerungsbereiche der gebrauchlichsten Mikroskope
Die Eigenschaften von Materialien werden zum Teil erheblich durch ihre Oberachen und deren
atomaren Aufbau bestimmt.
In der Informationstechnologie (z. B. Mikroelektronik) werden immer kleinere Bauteile benotigt.
Durch Quanteneekte (z.B. bei Drahten, die nur aus wenigen oder sogar nur einer Atomkette
bestehen) sind vollkommen neue elektronische Bauteile denkbar.
Chemie und Katalyse spielen sich prinzipiell auf atomarer Ebene auf der Oberache ab.
Die Ersten denen es gelang ein Rastertunnelmikroskop zu konstruieren waren G. Binnig, H. Rohrer, Ch.
Gerber und E. Weibler vom IBM Forschungslabor Ruschlikon/Zurich. Sie prasentierten mit dem von
Ihnen entwickelten Rastertunnelmikroskop am am 5 juli 1982 in den Physical Review Letters der Welt
die ersten Bilder von atomaren Strukturen (siehe Abb. 2.2)
Fur diese Leistung wurden Binnig und Roher 1986 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
In der Folge wurde diese Technik rasant weiterentwickelt. Heute gibt es eine Unzahl an "Abarten\dieses
Rastertunnelmikroskops, wovon einige in den folgenden Abschnitten kurz beschrieben werden sollen.
2.2 Rastersondenverfahren
Eigentlich ist das Prinzip das hinter allen Rastersondenverfahren steht ganz einfach.
3
Abbildung 2.2: Erstes STM-Bild mit atomarer Auosung von Binnig et al.
Abbildung 2.3: Einteilen der Oberache in ein Punktegitter und abtasten.
Eine zu untersuchenden Probe wird mit einer Sonde abgetastet. Dies kann man sich analog zum Abtasten
eines Gegenstandes (Probe) mit einem Finger (Sonde) vorstellen. Man teilt die Oberache in ein Raster,
also ein Punktegitter ein und ermittelt mit einer geeigneten Sonde eine physikalische Eigenschaft, wie
z.B. die Hohe des Punktes. Durch eine geeignete Auswertung und Darstellung kann man sich dann ein
Bild gleich einer Landkarte von der Probe machen (siehe Abb. 2.3)
Dabei stellen sich aber im wesentlichen zwei Probleme:
Was verwendet man als Sonde? Um Atome abtasten zu konnen, sollte sie in Atomgroe sein!
Wie bewegt man diese Sonde und positioniert sie an die gewunschte Stelle | auf Bruchteile von
einem Atomdurchmesser genau?1
Die eigentliche Schwierigkeit bei der Aufnahme von STM{Bildern besteht darin, eine Metallspitze mit subatomarer
Prazision vor der Probenoberache zu positionieren.
Dies macht folgender Vergleich deutlich: Die Prazision, einen makroskopischen Tunneldraht (Lange: 1 cm) auf ein A genau vor der Oberache zu halten entspricht { auf einen Stock der Lange 1000 km ubertragen { einer Genauigkeit der
Positionierung von nur 1 mm . . .
1
4
p1
p1
p2
p2
Abbildung 2.4:
links : Kristall ohne auere Kraft | kein gesamtes Dipolmoment.
Ladungen gegeneinander | ein Dipol entsteht.
rechts : Eine auere Kraft verschiebt die
Wir wollen uns zuerst der zweiten Frage annehmen.
2.2.1 Piezo-Aktoren
Physikalische Grundlagen: Der Piezoeekt
Da ihre Entdeckung einmal Atome sichtbar machen konnte, haben sich die Gebruder Pierre und Jacques Curie sicherlich nicht gedacht, als sie 1880 "aus Steinen Elektronen quetschten\. Sie erkannten die
Moglichkeit, bei gewissen Kristallen durch auere Krafte elektrische Spannungen an den Oberachen zu
erzeugen. Dieser Eekt wurde als Piezoeekt bekannt. Das Wort Piezo selbst stammt vom griechischen
piezein und bedeutet so viel wie drucken.
Die Gebruder Curie konnten auch den inversen Piezoeekt nachweisen: Unter Anlegen einer elektrischen Spannung an dieselben Kristalle dehnen sie sich aus oder ziehen sich zusammen.
Der Piezoeekt tritt nur bei bestimmten Kristallen (wie z. B. Quarz oder Turmalin) auf. Bei genauerer
Analyse stellt sich heraus, da bei allen eine sehr niedrige Symmetrie in der Kristallstruktur vorliegt.
Wirkt auf den Kristall keine auere Kraft ein, so heben sich alle zwischen den Ionen auftretenden Dipolmomente gegenseitig auf und das gesamte Dipolmoment verschwindet (wenn der Kristall unendlich
ausgedehnt gedacht wird, siehe Abb. 2.4 links)
U bt man nun aber eine Kraft auf den Kristall aus, so kann es aufgrund seiner inneren Struktur sein,
da dabei die Ionen gegeneinander verschoben werden. Nun heben sich die einzelnen Dipolmomente
nicht mehr vollstandig auf | insgesamt entsteht ein Dipol (siehe Abb. 2.4 rechts). Damit entsteht aber
auch ein elektrisches Feld und eine entsprechende elektrische Spannung zwischen zwei gegenuberliegenden
Oberachen des Kristalls.
Der inverse Piezoeekt basiert auf denselben Eekten: Legt man eine elektrische Spannung an den Kristall, so wird die Kristallstruktur verandert und er verformt sich.
5
E
Abbildung 2.5:
links : Keramik mit zufallig ausgerichteten Dipolen.
Curie{Temperatur parallel zum aueren Feld aus.
Mitte : Die Dipole richten sich bei Erwarmung uber die
rechts Nach der Abkuhlung bleiben die Dipole ausgerichtet.
Die wohl bekannteste Anwendung ndet der Piezoeekt im Quarz{Oszillator. Wird an einen Kristall eine
Wechselspannung angelegt, so wird der Kristall mitschwingen. Die Amplitude wird am groten, wenn die
anregende Frequenz mit der Eigenfrequenz des Kristalls ubereinstimmt. Man kann somit einen Quarz{
Oszillator zur Erzeugung von Schwingungen mit genau denierter Frequenz verwenden, z. B. um ein
genaues Zeitsignal fur Digitaluhren zu erhalten.
Man kann schon erahnen, da man uber den inversen Piezoeekt einen Mechanismus zur feinen Positionierung konstruieren kann. Durch Anlegen von elektrischen Spannungen lassen sich kleine Ausdehnungen
erzielen, mit denen man eine Sonde verschieben konnte. Bis es so weit ist, mussen wir aber noch mehr
uber die praktische Verwendung des Piezoeekts wissen.
Man verwendet heute anstatt von Kristallen keramische Materialien, die allerdings entsprechend vorbehandelt werden mussen. Zum Einsatz kommt vor allem Blei{Zirkonat{Titanat (PZT) oder auch Blei{
Magnesium{Niobat (PMN). Sie sind den Kristallen vor allem wegen der viel einfacheren Verarbeitung
uberlegen.
Diese Keramiken weisen in sich zwar Dipole auf, diese sind aber im Normalfall zufallig ausgerichtet (siehe
Abb. 2.5 links), soda kein Piezoeekt beobachtet werden kann. Ab einer bestimmten Temperatur, der
Curie{Temperatur (fur PZT etwa 350 C), werden sie jedoch frei beweglich. Erhitzt man so eine
Keramik nun deutlich uber die Curie{Temperatur und legt ein starkes elektrisches Feld an, so richten
sich die Dipole parallel zum Feld aus (siehe Abb. 2.5 mitte). Kuhlt man die Keramik nun bei weiterhin
bestehendem elektrischen Feld wieder ab, friert man die ausgerichtete Dipolstruktur ein (siehe Abb. 2.5
rechts). Im Fachjargon nennt man diesen Vorgang auch Poling. Damit weisen die Keramiken dieselben
piezoelektrischen Eekte wie ihre verwandten Kristalle auf. Mit einer Einschrankung: Wird die Keramik
ein einziges Mal uber die Curie{Temperatur erhitzt, verschwindet die Ausrichtung der Dipole wieder und
das Material wird wieder zur schlichten Keramik!
Durch Anlegen einer Spannung an zwei gegenuberliegenden Oberachen dehnt sich die Keramik in diese
Richtung aus. Das nennt man auch den Langseekt. Dazu gibt es noch den Quereekt | bei der
6
Dl
V
l
E
Abbildung 2.6:Ausdehnung der Piezokeramik bei Anlegen einer Spannung V.
Ausdehnung zieht sich das Material normal zur Langsrichtung zusammen. (Beim Umpolen der Spannung
passiert genau das Gegenteil: Die Keramik zieht sich in Langsrichtung zusammen und dehnt sich in
Querrichtung aus.) Der Quereekt ist im allgemeinen etwa halb so gro wie der Langseekt. Typische
Ausdehnungen fur PZT sind in der Groenordnung von 3 A/V bei 297 K.
Interessanterweise ist die absolute Ausdehnung proportional der Spannung, aber unabhangig von
der Groe der Keramik!
Dies kommt daher, da die relative Ausdehnung =DeltaI=I zur aueren Feldstarke proportional ist (die
Konstante d beinhaltet damit auch die relative Dielektrizitatskonstante der Keramik; siehe Abb. 2.6)
I = dE
I
Setzt man fur das elektrische Feld E noch die Beziehung
E = VI
mit der angelegten Spannung V ein, erhalt man
I = dE = d V
I
I
und damit tatsachlich
I = dV
also eine absolute Langenanderung, unabhangig von der Groe der Keramik.
Dieser (lineare) Zusammenhang ist theoretischer Natur. Bei der genaueren Untersuchung realer PZT{
Keramiken stot man auf drei wesentliche Eekte:
teilweise Nichtlinearitat
Hysterese
Kriechen
Eine mogliche Ausdehnungs{/Spannungs{Kurve ist exemplarisch in Abb. 2.7 dargestellt. Die strichlierte
Kurve stellt dabei einen perfekt linearen Verlauf dar, die rote Kurve die tatsachliche Ausdehnung. Diese
7
Ausdehnung
Spannung
Ausdehnung
Abbildung 2.7:Nichtlinearitat der Ausdehnung
Spannung
Abbildung 2.8:Hysterese | unterschiedliche Ausdehnung beim Hin{ und Ruckweg
Nichtlinearitat wird in Prozent der Abweichung gegenuber der Soll{Geraden angegeben. Fur PZT{
Keramiken ist die Nichtlinearitat typischerweise kleiner als 1%, hochstens 2%.
Ausdehnung
Ein weiterer, in der Praxis sehr lastiger Eekt ist die Hysterese. Sie macht sich bemerkbar, wenn
die an der Piezokeramik angelegte Spannung zuerst erhoht und dann wieder auf Null erniedrigt wird.
Die Ausdehnung der Piezokeramik folgt dabei beim Hin{ und Ruckweg unterschiedlichen Kurven, wie
in Abb. 2.8 dargestellt. Die die Hysterese wird ebenfalls in Prozent angegeben indem die maximale
Dierenz der beiden Kurven durch die maximale Auslenkung dividiert wird. Sie liegt fur PZT{Keramiken
typischerweise bei etwa 2%.
Spannung
Zeit
Zeit
Abbildung 2.9:
Kriechen | die Keramik folgt in der Ausdehnung einem Spannungssprung nicht sofort komplett.
8
Abbildung 2.10:Piezo in Rohrchenform mit Innen{ und Auenelektroden.
Abbildung 2.11:Unterteilung der Auenelektrode in vier Segmente.
Der dritte Eekt ist das Kriechen. Er hat zur Folge, da die Piezokeramik einem Spannungssprung mit
einer gewissen Ausdehnung sofort folgt. Erst nach einiger Zeit erreicht die Ausdehnung dann ihren Maximalwert (siehe Abb. 2.9). Zur Beschreibung sind zwei Groen erforderlich: Die zusatzliche Ausdehnung
gemessen an der ursprunglichen Ausdehnung, wieder in Prozent. Typische Werte liegen dafur bei 1%. Im
ungunstigen Fall sind aber auch 20% moglich. Die zweite Groe ist eine Zeitkonstante. Sie gibt an, wie
lange das Kriechen dauert. Moglich sind hier Zeiten zwischen 10 und 100 Sekunden.
Praktische Anwendung
Mit diesen Piezokeramiken (im folgenden kurz Piezos genannt kann man nun tatsachlich Ausdehnungen
bzw. Auslenkungen im A{Bereich, also auf atomarer Skala, erreichen.
In der Praxis werden Piezos zumeist in Zylinder{ oder Rohrchenform hergestellt. Im zweiten Fall benden
sich die elektrischen Kontakte an der Innen- bzw. Auenseite in Form von aufgebrachtem Metall (siehe
Abb. 2.10). Eine Moglichkeit, einen sogenannten Piezo{Aktor daraus zu fertigen, besteht darin, drei solche Piezo{Rohrchen jeweils 90 zueinander anzuordnen. Damit hat man eine Moglichkeit zur Verfugung,
sich kontrolliert in den drei Dimensionen des Raums auf atomarer Skala zu bewegen. Diese Moglichkeit
haben auch Binnig et al. bei ihrem ersten Rastertunnelmikroskop gewahlt.
Eine andere, modernere Moglichkeit ist es, die auere Elektrode des Piezos nicht durchgangig zu machen,
sondern in drei oder vier Segmente zu unterteilen (siehe Abb. 2.11).
Damit hat man mit einem einzigen Piezo die Moglichkeit, sich in allen Raumrichtungen zu bewegen.
9
Abbildung 2.12:Verbiegung des Piezos
Abbildung 2.13:Piezo mit zusatzlicher Unterteilung der Elektroden.
Denn legt man die innere Elektrode auf 0 V, so kann man einerseits an alle vier aueren Elektroden eine
bestimmte gemeinsame Spannung legen | damit dehnt sich der Piezo in Langsrichtung aus.
Legt man an zwei gegenuberliegende Elektroden noch zusatzlich zwei Spannungen mit gleichem Betrag
aber entgegengesetzten Vorzeichen an, so zieht sich eine Seite des Piezos etwas zusammen, die andere
dehnt sich im selben Ma aus | der Piezo verbiegt sich (siehe Abb. 2.12). Damit hat man wiederum
einen Mechanismus zur Verfugung, denierte Auslenkungen in x ? =y? und z ?Richtung zu machen. In
der Praxis stellt sich jedoch heraus, da die Langenanderung nicht unabhangig von der Verbiegung ist.
Dem kann aber leicht abgeholfen werden, indem die Segmentierung noch etwas verfeinert wird: Die aueren Elektroden werden nicht nur in Langsrichtung geteilt sondern auch auf halber Hohe in Querrichtung
(siehe Abb. 2.13). Damit kann man z.B. den oberen, durchgehenden Elektrodenring zur Langs{ bzw.
z -Ausdehnung verwenden, den unteren, viergeteilten zur Positionierung in x-/y-Richtung.
Damit ware einmal das Problem geklart, wie man eine Sonde auf atomaren Langenskalen bewegen kann.
Nur, wie bringt man diesen Aktor mit der Sonde uberhaupt so nahe an die Probe heran? Die Piezos sind
zwar in der Lage, sehr feine Bewegungen auszufuhren, die maximale Ausdehnung beschrankt sich aber
ebenfalls auf sehr kleine Bereiche. Die Benutzung von Mikrometerschrauben ist schwierig, da sie eine nur
sehr grobe Positionierung ermoglichen.
In der Praxis ndet man zwei geeignetere Losungsansatze: Der erste ist der sogenannte Inchworm. Der
schematische Aufbau ist in Abb. 2.14 als Gesamtansicht (0) und als Schnitt parallel zur Papierebene (1)
dargestellt.
10
B
A
C
0
D
B
A
1
C
D
2
3
4
5
6
7
8
Abbildung 2.14:Schematischer Aufbau und Bewegung eines Inchworm.
Er besteht im wesentlichen aus drei Piezo{Rohrchen A, B und C und einer Fuhrungsstange D. Die Piezos
werden dabei elektrisch so angesteuert, da sich die Rohrchen A und C im Durchmesser zusammenziehen
konnen, soda sie die Fuhrungsstange fest umschlieen. Der Piezo B hingegen kann sich in seiner Lange
ausdehnen. Die Bewegung dieses Inchworm erfolgt nun nach folgendem Schema (siehe Abb. 2.14):
(2) Zuerst klammert sich Piezo C an der Fuhrungsstange fest. (3) Dann dehnt sich Piezo B aus, (4) und
Piezo A klammert sich ebenfalls fest. (5) Nachdem Piezo C wieder losgelassen hat, (6) zieht sich Piezo B
wieder zusammen. (7, 8) Piezos A und C andern noch ihre Umklammerung und der Inchworm bendet
sich wieder in Ausgangsposition (2). Insgesamt hat sich der Inchworm dabei um ein kleines Stuck relativ
zur Fuhrungsstange bewegt.
Was sich theoretisch recht einfach anhort, erfordert in der Praxis aber eine erhebliche Prazision. Da
die Ausdehnung der Piezos sehr klein ist, mussen Fuhrungsstange und die Piezos sehr genau ineinander
passen!
11
Abbildung 2.15:Annaherung uber Laufring
Abbildung 2.16:Ansicht der Positionier{Einheit von unten mit rot angedeutetem Laufring
Ein anderer Ansatz ist in Abb. 2.15 dargestellt. Das Prinzip basiert auf einem Aluminium-Trager, in
den vier Piezos eingesetzt sind. Einer in der Mitte, der wie weiter oben beschrieben (siehe Abb. 2.13)
segmentiert ist und die x=y=z -Positionierung ubernimmt und unten die Sonde tragt. Auerdem sind drei
dreifach segmentierte Piezos jeweils um 120 versetzt auen angebracht (siehe auch Abb. 2.16). Diese
tragen zusatzlich am Ende je eine kleine Stahlkugel, die auf einem plasmageatzten Laufring mit 0,3
Steigung aufsitzen. Die Annaherung an die Probe, die sich in der Mitte des Laufringes bendet erfolgt nach
folgendem Schema: Zuerst werden alle drei aueren Piezos tangential zum Laufring langsam ausgelenkt.
Dabei wird der Alu{Trager etwas verdreht. Dann lat man die Piezos in die Ruhelage zuruckschnellen,
wobei die Stahlkugeln wegen der Tragheit des Tragers uber den Laufring rutschen. Damit hat die gesamte
Einheit eine kleine Drehung vollzogen und die Sonde wurde der Probe ein kleines Stuck nahergebracht.
Probleme in der Praxis . . .
Bei der praktischen Konstruktion solcher Positionier-Einheit stot man aber wegen der extrem kleinen
Abstande, die es konstant zu halten gilt, noch auf zwei Probleme:
mechanische Schwingungen und
thermische Bewegungen aufgrund von thermischer Ausdehnung
12
Abbildung 2.17:
Eine mogliche Anordnung zur Schall- und Schwingungsdampfung der empndlichen Mevorrichtung.
Binnig und seine Kollegen versuchten bei ihrem ersten Mikroskop eine sehr aufwendige Losung fur die
Schwingungsdampfung: Das eigentliche Mikroskop war auf einer Magnetplatte befestigt, die (aufgrund
des Meiner{Eekts) uber einer supraleitenden Bleischale schwebte. Dieser groe Aufwand ware nicht
notig gewesen. Heutige Mikroskope funktionieren auch, indem sie z.B. auf schweren Massen stehen, die
federnd gelagert sind. Ganz ohne Schwingungsdampfung kommt man aber nicht aus.
Die U berlegungen fur die Schwingungsdampfung basieren im wesentlichen auf der vom Federpendel bekannten Formel fur die Eigenfrequenz:
f = 21 mk
r
wobei die Konstanten k und m fur die Federkonstante bzw. die daranhangende Masse stehen.
Wird die Masse mit einer Frequenz groer als die Eigenfrequenz angeregt, so stellt man eine (mit steigender Frequenz immer groer werdende) Dampfung fest. Man mu also versuchen, die Eigenfrequenz f
moglichst niedrig zu halten. Dies gelingt durch Verwenden von moglichst groen Massen, die auf Federn
mit moglichst kleiner Federkonstanten gelagert sind.
Zusatzlich zur Schwingungsdampfung mu man fur eine Abschirmung von Schallwellen und Luftbewegungen sorgen, die die Bildaufnahme ebenfalls storen.
Eine Variante, die beides erfullt, ist in Abb. 2.17 dargestellt: Die Schwingungsdampfung ubernimmt
eine schwere Steinplatte, die auf Gummischlauchen steht. Luftbewegungen halt die darubergestulpte
Glasglocke ab.
Auch eine Materialausdehnung aufgrund einer Temperaturanderung, die thermische Drift, kann zum
Problem werden: Ein 1 cm langes Stahlstuck dehnt sich z.B. bei einer Temperaturanderung von 1/1000
Grad um 1 A aus! Dem kann man durch eine geschickte Konstruktion der Meeinheit entgegenwirken. Die
in Abb. 2.15 dargestellte Meeinheit verwendet z.B. auen und innen dieselben Piezos. Bei einer temperaturbedingten Langenanderung dehnen sich aber beide gleich weit aus, soda die A nderung weitgehend
13
kompensiert werden kann.
2.2.2 Rastertunnelmikroskop (STM)
Zu Beginn dieses Abschnittes haben wir uns das Prinzip der Rastersondenverfahren uberlegt und sind
dabei auf zwei wichtige Fragen gestoen:
Was verwendet man als Sonde?
Wie bewegt man sie auf einer atomaren Skala?
Die zweite Frage konnten wir im letzten Abschnitt losen: Mit Piezo{Aktoren steht uns ein gutes Werkzeug
zur Verfugung.
Bleibt noch die erste Frage zu klaren.
Die erste Idee stammt, wie bereits eingangs erwahnt, von Binnig, Rohrer, Gerber und Weibel aus dem
Jahr 1981. Sie erkannten, da als Sonde eine sehr spitze Metallnadel dienen konnte. So spitz, da am
vordersten Ende nur mehr ein Atom zu liegen kommt. Zur Bestimmung des Abstandes der Spitze zur
Probe machten sie sich den Tunneleekt zunutze. Daher stammt auch der Name fur ihr Gerat: Raster{
Tunnel{Mikroskop.
Wir werden im folgenden dafur die Abkurzung STM entsprechend der englischen Bezeichnung Scanning
Tunneling Microscope verwenden, wie es in der aktuellen Fachliteratur ublich ist. Gelegentlich ndet
man auch die Abkurzung RTM aus dem Deutschen.
Um das Prinzip verstehen zu konnen, mussen wir uns zuerst mit dem Tunneleekt befassen.
Physikalische Grundlagen: Der Tunneleekt
Aus der klassischen Mechanik und unserer Erfahrung wissen wir, da sich ein Teilchen, das sich in einem
bestimmten Potential bendet, in dem Bereich bewegen kann, in dem die potentielle Energie kleiner als
seine Gesamtenergie ist. Die Dierenz stellt dann die kinetische Energie dar. In Abb. 2.18 sehen wir
ein Teilchen, das sich aufgrund seiner Gesamtenergie Eges im Potential V in den Bereichen I und II
jeweils frei bewegen kann, je nachdem, ob man es in den linken oder rechten Bereich hineinsetzt. Niemals
aber | so lehrt unsere Erfahrung | kann es vom Bereich I in den Bereich II wechseln und umgekehrt.
Wir wissen ja auch, da ein in einen kraftigen Kag eingesperrter Lowe nicht einfach durch das Gitter
hindurchtunneln kann, ohne das Gitter dabei zu zerstoren.
Mit der Einfuhrung der Quantenmechanik und damit durch die Beschreibung von Teilchen durch eine
Wellenfunktion hat sich aber in der Physik einiges geandert. Ein Teilchen kann nicht mehr exakt durch
14
E
V
I
II
x
Abbildung 2.18:Klassisches Teilchen in einem Potential.
Abbildung 2.19:Zwischen einer Metallspitze und einer metallischen Probe iet ein Tunnelstrom.
seinen Ort und seine Geschwindigkeit beschrieben werden. Die Heisenberg'sche Unscharferelation lehrt,
da man beides zur selben Zeit gar nicht beliebig genau kennen kann. Es gilt
xp h
Das Absolut{Quadrat der Wellenfunktion gibt nun die Wahrscheinlichkeitsdichte an, ein Teilchen an
einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu nden. Und plotzlich ist es nicht mehr unmoglich,
da dieses Teilchen durch den verbotenen Bereich hindurchtunnelt und auf der anderen Seite wieder
auftaucht. Vielleicht mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, aber dennoch groer als null.
Fowler und Nordheim konnten z.B. in den zwanziger Jahren zeigen, da bei Anlegen eines elektrischen
Feldes an ein Metall Elektronen den Potentialwall, der durch die Austrittsarbeit vorgegeben wird, durchtunneln konnen und das Metall so verlassen konnen. Sie konnten den das nach ihnen benannte Fowler{
Nordheim{Tunneln theoretisch wie experimentell bestatigen.
Die Beschreibung des Tunneleekts benotigt die Quantenmechanik in vollem Umfang. So ist es z.B. notwendig, die Schrodingergleichung (also die Gleichung, die als Losung die obengenannte Wellenfunktion
liefert) zu losen, um exakte Aussagen uber die Tunnelwahrscheinlichkeit zu machen.
15
E
FA
EFE
x
Abbildung 2.20:Einfaches Modell fur die Elektronen in einem Metall.
E
E
f(E)
1
FA
FA
T=0K
T>0K
EFE
s
s
0
eUT
EFE
x
E
x
Abbildung 2.21:Fermifunktion fur verschiedene Temperaturen.
Wir werden nur kurz diskutieren, wie man exakt vorzugehen hatte und uns dann einer sehr einfachen
Naherung bedienen, die dennoch Einblicke in den Tunneleekt erlaubt.
Ausgehend von der Situation (siehe Abb. 2.19), da sich eine atomar spitze Nadel und eine metallische
Probe gegenuberstehen, konnen wir aufgrund der obigen Tatsachen vermuten, da bei einer angelegten
Spannung ein Tunnelstrom (von Elektronen) ieen wird, obwohl die Metalle nicht in Kontakt sind. Wir
werden nun versuchen, die Groe dieses Tunnelstroms abzuleiten.
In einem sehr einfachen Modell kann man sich ein Metall im Orts{ Energiediagramm als einen Behalter
vorstellen, in den die Elektronen gleich einer Flussigkeit eingefullt werden (siehe Abb. 2.20). Fur geringe
Temperaturen ist die Oberache glatt und gut deniert. Ihre Hohe wird durch die Fermienergie EFE
beschrieben. Die Austrittsarbeit A hindert die Elektronen daran, das Metall zu verlassen.
Bei hoherer Temperatur bekommen einige Elektronen nahe der Fermienergie noch einen kleinen Energiebetrag dazu, die Oberache weicht auf. Die Wahrscheinlichkeit, da bei einer bestimmten Energie E ein
Elektron anzutreen ist, wird durch die Fermifunktion f (E ) beschrieben. Der qualitative Verlauf ist in
Abb. 2.21 dargestellt.
16
x
E
E
FA
FA
EFE
s
s
eUT
x
x
Abbildung 2.22:links : Zwei identische Metalle im Abstand s. rechts : Anlegen einer Spannung U.
Zwei Metalle mit (der Einfachheit halber) identischer Austrittsarbeit im Abstand s wurden sich dann
wie in Abb. 2.22 links, ersichtlich darstellen.
Legt man nun eine Spannung UT an das linke Metall (gegenuber dem rechten) an, so auert sich das im
Energiediagramm als ein Anheben des linken Metalls um eUT (siehe Abb. 2.22 rechts). Damit wird auch
Tunneln moglich.
Der ieende Tunnelstrom setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Aus Elektronen, die vom linken
in das rechte Metall tunneln, was den Hauptanteil ausmacht, aber auch aus einigen Elektronen, die vom
rechten in das linke Metall tunneln konnen. Wir konnen so fur den eektiven Tunnelstrom schreiben:
IT = IT+ ? IT?
Die Groe der einzelnen Teilstrome wird von zwei Wahrscheinlichkeiten bestimmt:
der Wahrscheinlichkeit We (E ), da ein Elektron der Energie E vorhanden ist und im anderen Metall
einen freien Zustand ndet und
der Wahrscheinlichkeit We (E ), da uberhaupt ein Tunneln stattndet.
Mit Hilfe der Fermifunktion kann man we fur das Tunneln vom linken ins rechte Metall darstellen als
we+ (E ) = f (E ? eUT )[1 ? f (E )]
Analog fur das Tunneln vom rechten ins linke Metall
we? (E ) = f (E )[1 ? f (E ? eUt )]
Damit ergibt sich durch Summieren uber alle moglichen Energiezustande
IT+ X wT (E)we+(E) = X wt(E)f (E ? eUT )[1 ? f (E)]
E
E
17
E
d
F
K
a
b
x
Abbildung 2.23:Tunneln eines Teilchens durch eine Potentialbarriere und
IT? und damit schlielich
IT X wT (E)we?(E) = X wt(E)f (E)[1 ? f (E ? eUT )]
E
E
X wT (E)ff (E ? eUT )[1 ? f (E)] ? f (E)[1 ? f (ReUT )]g
E
X
IT wT (E )ff (E ? eUT ) ? f (E )g
durch entsprechendes vereinfachen.
;
E
Die Funktion f (E ? eUT ) ? f (E ) ist grasch veranschaulicht in Abb. ?? dargestellt.
Wird nun die Temperatur immer weiter erniedrigt, so nahert sich die Fermifunktion immer mehr einer
Stufenfunktion. Damit wird die Funktion f (E ? eUT ) ? (f (E ) zu einer Rechtecksfunktion, die im Bereich
[EFE ; EFE + eUT ] gleich eins ist und sonst uberall null.
Fur den Tunnelstrom bedeutet das, da nur Elektronen in diesem Energiebereich tunneln konnen.
Nimmt man nun zusatzlich an, da die Tunnelspannung UT sehr klein ist und damit die elektronische
Zustandsdichte im Intervall [EFE ; EFE + eUT ] im wesentlichen konstant ist, so kann man die obige Summe
noch annahern als
IT wT (E )ff (E ? eUT ) ? f (E )g eUt wt (E ) :
X
E
Das einzige, was noch fehlt, ist ein Ausdruck fur die Tunnelwahrscheinlichkeit wT . Dieser ist auch im allgemeinen sehr schwierig zu berechnen, denn es steckt die gesamte Quantenmechanik darin. Wir versuchen
dennoch, eine sehr einfache Naherung:
Wenn die Funktion w(d) die Wahrscheinlichkeit angibt, da ein Elektron mit Energie K eine Potentialbarriere der Hohe und Lange d durchtunnelt, so kann man unter der Vernachlassigung von Interferenzerscheinungen (die Elektronen werden in der Quantenmechanik als Wellen beschrieben und konnen
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Abbildung 2.24:Durch A tzen erhaltene Tunnelspitze.
somit auch wie Licht interferieren) die Barriere in zwei Teile der Langen a und b zerteilen. Nachdem das
Elektron beide Teile hintereinander durchdringen mu, kann man schreiben
w(d) = w(a + b) = w(a) + w(b) :
Diese Funktionalgleichung erfullt (wenn Stetigkeit gefordert wird) nur die Exponentialfunktion. In unserer
Naherung erhalten wir also
d
w(d) e? d0
d0 stellt dabei noch eine Konstante dar, die man als charakteristische Lange interpretieren kann. In einer
Langeneinheit d0 fallt die Tunnelwahrscheinlichkeit auf 1/e ab. Das Minus{Zeichen im Exponenten kann
man einfugen, da die Tunnelwahrscheinlichkeit mit zunehmendem d abnehmen wird. Damit ist d0 eine
positive Groe. Sie wird im allgemeinen noch von der Energie E des Elektrons und der Hohe der
Potentialbarriere abhangen.
Zusammenfassend erhalten wir als grobe Naherung fur den Tunnelstrom
IT UT e? d0
d
Bezuglich der Spannung verhalt sich ein Tunnelkontakt also wie ein Ohm'scher Widerstand, dessen Wert
im wesentlichen durch den Abstand von Spitze zu Probe bestimmt ist.
Bezuglich des Abstandes d von Spitze zu Probe ergibt sich ein exponentielles Verhalten. In der Praxis
sinkt der Tunnelstrom auf etwa 1/10 ab, wenn der Abstand um 1-2 A vergroert wird
Man sieht, da damit ein sehr empndlicher Mechanismus zum Messen von Abstanden auf atomarer
Skala vorhanden ist und der noch dazu beruhrungsfrei arbeitet. Und genau das wird im STM ausgenutzt.
Es gibt nur eine Einschrankung: Die Probe mu elektrisch leitfahig sein.
Aufbau und Funktionsweise des STM
Um mit unserem bisherigen Wissen ein STM aufbauen zu konnen, mussen wir noch eine geeignete Tunnelspitze erzeugen. Dafur gibt es unzahlige Ansatze, kompliziertere und einfachere.
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Abbildung 2.25:Durch Sputtering verfeinerte Tunnelspitze.
Ein weit verbreitetes Verfahren ist die A tztechnik. Dabei wird ein Drahtstuck an einer Stelle durchgeatzt
oder zumindest sehr dunn gemacht und dann auseinandergezogen. Eine so erhaltene Spitze zeigt die
rasterelektronenmikroskopische Aufnahme in Abb. 2.24.
Solche Spitzen konnen nun durch Beschu mit hochenergetischen Ionen (etwa 20 keV) durch sogenanntes
Sputtering2 noch verfeinert werden. Abb. 2.25 zeigt das Ergebnis.
Diese Techniken sind aber alle recht aufwendig und kostspielig. Da es auch einfacher geht, zeigen praktische Ergebnisse. So kann man z.B. einen dunnen aber harten Iridium{Draht mit einer feinen Schleifscheibe behutsam spitz schleifen. Frei nach der Devise: "Ein Atom mu ja das letzte sein. Dies bestatigt
sich dadurch, da mit etwa neun von zehn so hergestellten Spitzen atomare Auosung erreicht werden
kann.
Eine andere neue Idee ist es, dunne Bleistiftminen aus Graphit einfach in der Mitte durchzubrechen. Die
Bruchkanten sind dabei so schro, da viele kleine Spitzen entstehen. Eine mu ja wieder die vorderste
sein!
Zur Ansteuerung des Piezo{Aktors und zur Auswertung der Mewerte benotigt man naturlich auch
eine Elektronik. Diese wird bei modernen Geraten im allgemeinen mit einem Computer verbunden sein,
der eine ansprechende optische Darstellung der Bilder und eine komfortable Bedienung ermoglicht. Ein
Blockschaltbild ist in Abb. 2.26 dargestellt.
Die eigentliche Meeinheit ist in diesem Beispiel aus einem Piezo{Aktor (wie in Abb. 2.13) aufgebaut, in den durch eine Isolation die Tunnelspitze gesteckt wird. Tunnelspitze und Probe werden vom
Vorverstarker mit der Tunnelspannung versorgt.
Dieser Vorverstarker ist als empndlicher Strom{/Spannungswandler aufgebaut, der die kleinen Tunnelstrome (einige nA) in eine dazu proportionale Spannung umwandelt, die dann von der Elektronik
weiterverarbeitet werden kann.
Die Steuer{Elektronik mu eine Menge an Aufgaben erledigen: Sie mu den Piezo{Aktor entsprechend
2
Ein einfallender Ionenstrahl trit auf das Material auf und schlagt Atom fur Atom heraus
20
Piezo-Signale
PiezoAktor
Vorverstärker
(I/U-Wandler)
Steuer-Elektronik
Isolation
Tunnelspitze
Probe
Abbildung 2.26:Funktionsprinzip eines STM.
einem vorgegebenen Raster uber die Oberache fuhren, die Messungen vornehmen und die Kommunikation zum Computer herstellen.
Prinzipiell gibt es mehrere Moglichkeiten, wie die Spitze dabei bewegt wird. Die beiden wichtigsten und
am weitesten verbreiteten sollen nun vorgestellt werden:
Betriebsart konstanten Tunnelstroms (CCM)
Die Betriebsart konstanten Tunnelstroms (oder auf Englisch Constant Current Mode) ist die alteste
Variante, ein STM anzusteuern.
Dabei wird neben der Tunnelspannung auch ein Sollwert fur den Tunnelstrom vorgegeben. Ein in die
Steuer{Elektronik eingebauter Regelkreis regelt nun die z -Auslenkung des Piezo{Aktors so, da der Tunnelstrom gleich dem vorgegebenen Sollwert wird (siehe Abb. 2.27). Als Megroe kann man dann die
Spannung verwenden, mit der der z -Piezo ausgelenkt wird. Sie ist direkt proportional der Auslenkung
und damit der Probenhohe. Man erhalt damit zu jedem Rasterpunkt (x; y) den entsprechenden z -Wert
und kann ein Hohenprol der Probe darstellen. Das Ergebnis wird in der Fachsprache auch als Oberachen-Topographie bezeichnet.
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Abbildung 2.27:Mode konstanten Tunnelstroms (blau: Atome, orange: Elektronenwolke).
Abbildung 2.28:Mode konstanter Hohe (blau: Atome, orange: Elektronenwolke)
Betriebsart konstanter Hohe (CHM)
Eine andere Moglichkeit stellt die Betriebsart konstanter Hohe (auf Englisch Constant Height Mode)
dar.
Sie beruht darauf, wahrend des Abrasterns die z -Position der Tunnelspitze unverandert zu lassen und den
Tunnelstrom selbst als Megroe zu verwenden (siehe Abb. 2.28). Auch damit kann man sich ein Abbild
der Oberache der Probe machen. Dieser Betriebsmode eignet sich vor allem auch fur sehr schnelle
Bilddarstellungen, da die Spitze dem Oberachenprol nicht folgen mu. Problematisch wird es nur,
wenn die Probe schief liegt. Bei unvorsichtigem Abrastern konnte die Spitze an der Probe anstoen und
beschadigt werden!
Spektroskopie (STS)
Neben den beiden oben beschriebenen Methoden, mit denen man ein dreidimensionales Oberachenprol
der Probe erhalten kann, gibt es noch eine Vielzahl anderer Moglichkeiten, physikalische Messungen mit
dem STM durchzufuhren.
22
Abbildung 2.29:Rastertunnelspektroskopische Untersuchung von Li{Atomen auf Si.
Wichtig sind hier vor allem die Moglichkeiten der Rastertunnelspektroskopie (auf Englisch Scanning
Tunneling Spectroscopy). Man kann z.B. auf einem bestimmten Atom mit der Tunnelspitze stehenbleiben,
die Hohe der Spitze konstant halten und dann eine Kennlinie U (I ) aufnehmen.
Dazu stellt man mehrere verschiedene Tunnelspannungen ein und mit den dazugehorigen Tunnelstrom.
Die so erhaltene Kurve enthalt eine Vielzahl an physikalisch interessanten Groen, wie z.B. Informationen
uber das Potential, das durchtunnelt werden mu, die elektronischen Zustande von Spitze und Probe,
besetzte und unbesetzte Energiezustande der Probe und vieles andere mehr. Und diese Messungen konnen
gezielt fur ein bestimmtes Atom durchgefuhrt werden! Ein Beispiel ist in Abb. 2.29 dargestellt (auf der
y{Achse ist dI /dU aufgetragen, da diese Groe ein ungefahres Prol der elektronischen Zustandsdichte
der Probe wiederspiegelt).
23
Kapitel 3
Beschreibung der Versuche
Bei dem eingesetzten STM{System handelt es sich um ein hochmodernes, sehr empndliches Gerat.
Obwohl es sehr kompakt und robust wirkt, ist es sehr empndlich, deshalb: bevor sie etwas tun, egal,
ob am STM selbst, an der Elektronik, oder mit der Software, bedenken sie immer | am
besten zweimal | was durch diese Handlung beschadigt oder zerstort werden konnten.
Hantieren sie NIEMALS zu zweit gleichzeitig an dem System | viele Koche verderben
den Brei, oder zerstoren sogar den Ofen. Wenn Sie die Vorsichtsmanahmen beherzigen ersparen
Sie sich und auch uns viel Zeit bei der Reparatur.
Bevor Sie die Einzelteile des Mikroskop mit den Handen anfassen machen Sie sich klar welche Auswirkungen Temperaturunterschiede und die damit verbundene Temperaturdrift auf das System haben.
Um wieviel A verandert sich die Lange des ca. 1 cm langen Probenhalters bei einer Temperaturanderung
von 1 K?
Um lokale Temperaturgradienten zu verhindern fassen Sie den Probenhalter nie mit den Fingern
anfassen. Er soll ausschlielich mit einer Pinzette an dem schwarzen Kunststoteil gegrien werden.
Dies verhindert auch Verunreinigungen des Metallzylinders durch Fett die zu einer Einschrankung der
Beweglichkeit bei der Annaherung fuhren konnen. Um andere Verunreinigungen des Systems zu vermeiden legen Sie die Komponenten niemals direkt auf den Tisch. Benutzen Sie immer ein frisches Papiertuch
als Unterlage
3.1 Orientierung
Machen Sie sich als erstes mit dem Meprogramm easyScan und der Aufnahme von Tunnelbildern sowie
den unterschiedlichen Parametern vertraut indem Sie das Meprogramm im Simulationsmodus betreiben:
Sie konnen das Meprogramm auch an jedem PC mit Windows installieren und im Simulationsmodus
betreiben um erste Erfahrungen zu sammeln.
24
Vergewissern Sie sich, da die STM{Elektronik nicht mit dem Rechner verbunden ist.
Starten Sie das Programm easyScan. Es erscheint eine Warnmeldung, die sie darauf aufmerksam
macht, da die Verbindung zwischen Rechner und System unterbrochen ist. Klicken sie nun auf
Abbrechen. Das Programm kommt in einen Simulationsmodus (in der Kopfzeile ersichtlich). In
dem Simulationsmodus sind samtliche Funktionen der Software voll einsetzbar (naturlich mit Ausnahme der Annaherung). Im Simulationsmodus wird eine komplexe Oberachenstruktur mittels
eines mathematischen Algorithmus simuliert.
O nen Sie alle Panels und machen Sie sich mit deren einzelnen Komponenten und den dargestellten
Informationen vertraut.
Starten Sie eine Messung im Simulationsmodus und versuchen sie die simulierte Oberache atomar
aufzulosen. Um was fur eine atomare Struktur handelt es sich?
Wie hoch sind die Atome, also wie gro ist die Korrugation (Welligkeit)die man beobachtet?
Fuhren Sie die Messung bei unterschiedlichen Tunnelparametren (Tunnelspannung und Tunnelstrom) durch. Was verandert sich dabei und warum? Welche Parameter sind die besten fur diese
simulierte Flache.
Losen sie eine Stufenkante schon auf.
Wie hoch ist die Stufe? Welche Eekte beobachten Sie an der Stufenkante die nicht physikalisch
sind?
Fahren Sie die Stufenkante aus unterschiedlichen Winkeln an.
Was verandert sich?
Wie sollte man Stufenkanten optimal anfahren?
Ist es moglich auf beiden Ebenen atomare Auosung zu erzielen, wenn ja: welche Phasenverschiebung der Atompositionen beobachtet man auf den beiden Ebenen?
3.2 Proben{ und Spitzenpraparation
Die Messungen werden an einer Graphitprobe (HOPG) durchgefuhrt. Die Vorteil von dieser Probe sind
die einfache Reinigung und die ihre relativ starke Inertheit gegenuber Verunreinigungen.
Aufgrund der Kristallinen Struktur: Starke Bindungen innerhalb einer Kristallebene; leichte Bindungen
zwischen den einzelnen Kristallebenen, ist die Erzeugung von reinen, gut geordneten Oberachen durch
einfaches Abziehen der oberen Atomlagen moglich. Dies geschieht mit Hilfe eines Klebestreifens, der auf
das Graphit aufgebracht und anschlieen vorsichtig wieder abgezogen wird.
Ziehen die Oberache bitte immer nur in Anwesenheit des Betreuers ab, da es leicht zu
einer kompletten Zerstorung der Probe kommen kann!
Als Tunnelspitze wird ein Pt/Ir{Draht verwendet. Zur Praparation den Draht mit einen Seitenschnei25
der schrag abschneiden. Man erhalt das beste Ergebnis, wenn man den Draht nicht gleich vollstandig
durchschneidet, sondern ihn nur anschneidet und zum Schlu mit dem Fingernagel abschlagt.
Wieso kann man mit dieser recht groben Praparation der Spitze atomare Auosung erzielen?
Die so praparierte Spitze wird vorsichtig mit einer Pinzette unter die beiden Goldfedern geschoben. Dabei
ist unbedingt darauf zu achten, da der fordere Teil der Spitze nicht beruhrt wird, da diese dadurch
beschadigt wird!
3.3 Annaherung
Die Annaherung der Spitze (bzw. der Probe) erfolgt in drei Schritten:
Vorannaherung, bei der man versucht die Probe so nahe wie moglich an Spitze zu bringen. Tip:
beobachten Sie das Spiegelbild der Spite auf der Probe!
Grobannaherung, dabei bewegt man die Probe mittels des automatischen Annaherung kontinuierlich
an die Spitze heran. ACHTUNG: es gibt in diesem Modus keinen automatischen Stop der Bewegung
wenn die die Spitze in die Probe rammt. BEOBACHTEN SIE DAS SPIEGELBILD DER SPITZE
AUF DER PROBENOBERFLA CHE UND DIE LED-ANZEIGE DES STMs!
Feinannaherung, dabei wird nach jedem Annaherungsschritt die Tunnelspitze so weit wie moglich
ausgefahren um zu testen ob zwischen Probe und Spitze ein Tunnelstrom iet. Wird keiner gemessen, so wird sie Spite wieder zuruckgefahren und die Probe einen Schritt weiter nach vorn
befordert. Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis ein Tunnelstrom gemessen wird, dann wird
die Annaherung automatisch abgebrochen und eine entsprechende Nachricht erscheint am Monitor.
Stellen Sie das Becherglas vorsichtig uber die das STM um es etwas vor Luftstromungen und Schallschwingungen zu schutzen.
3.4 Messungen
Nun kann es losgehen!
Fuhren Sie Messungen analog zu denen im Simulationsmodus durch:
Wie sieht die globale Morphologie der Oberache aus? Wie sehen die maximalen Hohenunterschiede
auf der Oberache aus?
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Suchen Sie sich ein Gebiet, das sehr ach erscheint und in dem man atomare Auosung beob-
achten konnte. Wie gro mute das zu betrachtende Gebiet sein, damit man atomare Strukturen
beobachten kann? Welcher Z-range sollte dabei ungefahr eingestellt sein?
Wenn Sie atomare Auosung Auosung haben beobachten sie die Veranderung der Bilder mit der
Zeit. Sieht man eine Temperaturdrift? (z.B. dadurch sichtbar, da die Aufwartsscans eine andere
Struktur zeigen als die Abwarts) Welche Symmetrie bzw. lokale Struktur hat die Oberache?
Versuchen Sie mit Hilfe der Hilfswerkzeuge des easyscan Programms die Oberache so gut wie
moglich auszumessen: Atomabstand, Korrugation, Winkel etc.
27
Kapitel 4
Weiterfuhrende Literatur
Im folgendem sind einige U bersichtsartikel die sich mit STM und anderen Rastersondenverfahren beschaftigen abgedruckt. Ihr vollstandiges Verstandnis ist naturlich nicht notwendig um den Praktikumsversuch
erfolgreich abzuschlieen. Diese Artikel sollen Ihnen die Moglichkeit geben etwas uber den Versuch hinausblicken zu konnen und sollen helfen Ihren Wissensdurst im Bereich der Rastersondenverfahren und
deren Einsatz in den modernen Naturwissenschaften zu stillen.
G. Binnig et al., Surface Studies by Scanning Tunneling Microscopy, Phys. Rev. Let. 49 (1982) 57.
R.J. Colton, Imaging Graphite in Air by Scanning Tunneling microscopy: Role of the Tip J. Vac. Sci.
technol. A 6 (1988) 349.
H. Roher, Scanning Tunneling Microscopy: a Surface Science Tool and Beyond, Surf. Sci. 299/300 (1994)
956.
C.F. Quate, The AFM as a Tool for Surface Imaging, Surf. Sci. 299/300 (1994) 980.
28
.
Kapitel 5
Bedienungsanleitung des STM's
30
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