Die orthopädische Behandlung von muskulo

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M E D I Z I N
Die orthopädische Behandlung
von muskulo-skelettalen Komplikationen
der Hämophilie
Andreas A. Kurth1 , Wolfhart Kreuz2, Inge Scharrer3
Zusammenfassung
Die Gelenkprobleme von Blutern beginnen
schon im Säuglings- und Krabbelalter, wenn
kleine Verletzungen zu Gelenkeinblutungen
führen. Der frühe Beginn einer regelmäßigen
Prophylaxe ist von größter Bedeutung, da das
wachsende Skelett sehr anfällig für Blutungen
und deren Komplikationen ist. Schwerwiegende strukturelle Defizite können sich schnell
entwickeln. Wenn eine regelmäßige Prophylaxe nicht durchgeführt werden kann, muss eine
konsequente Therapie bei akuten Gelenkeinblutungen erfolgen, um wiederkehrende Einblutungen, ein Fortschreiten der Synovitis, und
eine hämophile Arthropathie zu verhindern.
Beim Auftreten einer Synovitis muss diese so
früh und konsequent wie möglich behandelt
werden. Dafür stehen zurzeit konservative und
operative Verfahren zur Verfügung. Zwischen
der zweiten und vierten Lebensdekade ent-
D
urch die Entwicklung der Substitutionstherapie für die Hämophilie konnte vor 30 Jahren, am 4. Juli 1972, an der Universitätsklinik in
Frankfurt am Main, zum ersten Mal in
Europa, elektiv eine fortgeschrittene
hämophile Arthropathie des Hüftgelenks erfolgreich mit einer Totalendoprothese versorgt werden. Dies stellte
einen Durchbruch in der Behandlung
dieser sekundären Veränderung von
Gelenken bei Blutern dar. Die Möglichkeit des endoprothetischen Ersatzes eines zerstörten Gelenkes erweiterte damit das Therapieschema, welches zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich konservativer Art war und
im Laufe der Leidensgeschichte von
Blutern zu ausgeprägten Behinderungen und Schmerzen führte. Nach der
erfolgreichen elektiven Operation unter Substitution eines Faktor-VIIIPräparates ist die Palette der therapeutischen Möglichkeiten sukzessive erweitert worden. Dies ermöglicht orthopädischen Chirurgen muskulo-skelettale Operationen bei Hämophilen
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wickeln sich bei vielen Blutern ausgeprägte
Gelenkzerstörungen. In dieser Situation beinhaltet die Therapie Korrekturosteotomien,
Gelenkdebridement, Gelenkversteifung und
Gelenkersatz. Diese sind heute durch eine konsequente Substitutionstherapie des fehlenden
Gerinnungsfaktors mit einer großen Sicherheit
erfolgreich durchführbar.
Schlüsselwörter: Hämophile Arthropathie,
Synovitis, Muskeleinblutungen, Hemmkörper,
orthopädische Behandlung
Summary
Orthopaedic Interventions of Musculoskeletal Complications in Hemophilia
Joint problems of hemophilic patients begin in
infancy and toddler age when minor injuries
lead to hemarthrosis. The early start of continuous factor prophylaxis is of high importance,
mit der gleichen Sicherheit durchzuführen, wie bei Patienten ohne Blutgerinnungsstörung. Damit stehen heute
für jedes Stadium der hämophilen
Arthropathie differenzierte Therapieformen zur Verfügung.
Die Hämophilie A, mit kongenitalem Faktor-VIII-Mangel ist die häufigste Form der angeborenen plasmatischen Gerinnungsstörungen. Der Vererbungsgang ist X-chromosomal rezessiv. Auf 10 000 Einwohner kommt ein
Patient mit einer Hämophilie A. Die
erste Hämophiliefamilie der Welt mit
den typischen Bluterknien (die sich
vom Großvater auf die Enkel vererbt
hatte) wurde 1349 in Frankfurt am
Main von Alexander Süßlin beschrie1
Orthopädische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med. Ludwig
Zichner), Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
2 Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinik
III (Direktor: Prof. Dr. med. Thomas Klingebiel), Klinikum
der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am
Main
3 Zentrum der Inneren Medizin (Direktor: Prof. Dr. med.
Klaus-Henning Usadel), Klinikum der Johann Wolfgang
Goethe-Universität, Frankfurt am Main
since the immature skeleton is very sensitive to
bleedings and the subsequent complications.
Severe structural deficiencies may develop
quickly. If continuous prophylaxis is not an option a strict treatment of acute hemarthrosis is
mandatory to prevent recurrent joint bleeding,
progression of synovitis, and hemophilic arthropathy. Once synovitis has developed the
treatment must be as early and aggressively as
possible. Currently conservative as well as surgical interventions are available. In the second
and third decade in many hemophilic patients
articular destructions develop. In this stage
possible treatments are osteotomy, joint debridement, arthodesis and joint replacement.
These surgical interventions are successful and
safe procedures under factor substitution.
Key words: hemophilic arthropaty, synovitis,
muscle bleeding, inhibitors, orthopaedic interventions
ben (14). Pathogenetisch kommt es
durch den Faktor-VIII-Mangel, aber
auch durch den Mangel an Faktor IX
bei der Hämophilie B, zu einer Störung
der Gerinnung. Faktor VIII wird über
Prothrombin und Xa aktiviert und über
das Protein C abgebaut. Laborchemisch sind der Quick-Wert (INR) und
die Blutungszeit normal, wobei die
PTT bei schweren Formen verlängert
ist. Die Diagnose wird durch die Bestimmung des F VIII : C gestellt. Es
werden vier Schweregrade nach der
Restaktivität des Faktor VIII unterschieden. (15)
Seit den 70er-Jahren sind Faktorenkonzentrate aus humanem Plasma in den hochentwickelten Ländern
verfügbar. 1984 gelang es in den USA
die Aminosäuresequenz des Faktors
VIII zu entschlüsseln. Diese Aufklärung hat wesentlich zum Verständnis der Pathophysiologie des angeborenen Faktor-VIII-Mangels beigetragen und zur Entwicklung gentechnologisch hergestellter Konzentrate
geführt (16).
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Pathophysiologie der
hämophilen Arthropathie
Die hämophile Arthropathie entwickelt
sich aus einer initialen Blutung in der
Gelenkschleimhaut als direkte Folge
des Faktor-VIII-Mangels. Die Blutungen treten zuerst in der Synovia auf und
die rezidivierenden Blutungen resultieren aus einer Entzündung der Synovia.
Aus rein klinischer Sicht beschrieb bereits Franz König 1892 (5) das erste Stadium der Blutung vor dem zweiten Stadium der Entzündung, der so genannten „Panarthritis“. Davon grenzte er
das dritte Stadium der regressiven Veränderungen ab. Klinisch wird die akute
Synovitis von der chronischen Synovitis
unterschieden. Die chronische Synovitis manifestiert sich entweder in
einer villös-hyperplastischen und granulomatösen oder aber in einer hoch
aktiven hämorrhagisch-entzündlichen
Form (13). Im Fall einer Persistenz der
Blutung oder von erneuten Einblutungen kommt es zur Hypertrophie der
Synovia, und es entwickelt sich der Circulus vitiosus aus chronischer Synovitis,
Gelenkzerstörung und hämophiler
Osteoarthropathie.
Die hypertrophe Synovia ist charakterisiert durch eine villöse Formation,
vermehrter Vaskularisierung und dem
Vorhandensein von Entzündungszellen. Bei Kindern führt die Synovitis zu
einer Hypertrophie der Wachstumsfuge. Eine Knochenhypertrophie kann zu
Längenunterschieden der Extremitäten, Deformitäten und Veränderungen
der Kontur im wachsenden Skelett
führen.
Wenn die Synoviablutungen auf
Dauer nicht zu kontrollieren sind,
kommt es zur Zerstörung des Gelenkknorpels. Die Synoviozyten lösen sich
auf und setzen lysosomale Enzyme frei,
welche nicht nur den Gelenkknorpel
zerstören, sondern auch die Synovitis
weiter unterhalten. Blutabbauprodukte
haben ebenfalls einen negativen Einfluss auf Chondrozyten des Gelenkknorpels. Die Hämosiderinablagerung
in der Synovia und dem Knorpel sind
ein Hinweis auf die zerstörerischen Elemente der proteolytischen Enzyme.
Symptome der chronischen hämophilen Arthropathie entwickeln sich typischerweise in der zweiten und dritten
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Lebensdekade. Durch eine progressive
Degeneration des Gelenkknorpels resultiert eine eingeschränkte Gelenkfunktion (13).
Die morphologischen Veränderungen des Blutergelenks wurden von
Mohr zusammengefasst und klassifiziert, wobei er die Veränderungen an
den Knorpelzellen und der Gelenkschleimhaut getrennt betrachtete (8).
Der klinische Schweregrad der Hämophilie ist vom Plasmaspiegel der Gerinnungsfaktoren VIII beziehungsweise
IX abhängig. Patienten mit einer Hämophilie werden in eine milde, moderate und schwere Hämophilieform eingeteilt, abhängig von dem Spiegel des fehlenden Gerinnungsfaktors. Diese sind
für milde Fälle > 5 Prozent und für
schwere Fälle < 1 Prozent des normalen
Plasmaspiegels. Diese Einteilung korreliert in der Regel mit der Frequenz
und dem Auftreten von Blutungen.
Während Patienten mit einer milden
Hämophilie selten, normalerweise nur
nach einem Trauma oder nach chirurgischen Eingriff bluten, können Patienten
mit schwerer Hämophilie mehrere
spontane Einblutungen pro Monat aufweisen. Diese spontanen Blutungen
nach Bagatelltrauma oder sogar nach
normalen Aktivitäten des täglichen Lebens sind die Regel.
Über 90 Prozent der Blutungen bei
einer Hämophilie treten im muskuloskelettalen System, 80 Prozent davon in
den Gelenken auf. Mit 80 Prozent dieser Blutungen haben die Knie, die Ellenbogen und die Sprunggelenke den
größten Anteil daran. Das erste Symptom der Patienten bei einem beginnenden Hämarthros ist die so genannte
„Aura“. Diese ist eine sehr empfindliche subjektive und verlässliche Empfindung des Patienten. Klinisch funktionell manifestiert sich diese an dem
betroffenen Gelenk in einer Flexionsschonhaltung, aktive und passive Beweglichkeit sind schmerzhaft eingeschränkt. Mit einer früh einsetzenden
Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors können Einblutungen
kontrolliert werden. Eine konservative
orthopädische Behandlung (Physiotherapie) kann die Funktionseinschränkungen normalerweise ohne das Auftreten von Langzeitkomplikationen beheben.
Die adäquate Behandlung von orthopädischen Problemen bei Blutern setzen die enge Zusammenarbeit zwischen
Hämostaseologen, einem in der Behandlung von Hämophilen erfahrenen
Orthopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Orthopädietechniker
voraus. Das Ziel der gemeinsamen Bestrebungen muss die Wiederherstellung
der Funktion des muskulo-skelettalen
Systems und die Bewahrung des Patienten vor weiteren Behinderungen sein.
Prävention der Synovitis
Eine regelmäßige früh einsetzende prophylaktische Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors verzögert den
natürlichen Verlauf einer hämophilen
Arthropathie. Eigene Erfahrungen zeigen, dass eine kontinuierliche Prophylaxe bei Kindern zwischen dem zweiten
bis achten Lebensjahr die Entwicklung
einer hämophilen Arthropathie verhindert, wenn der fehlende Gerinnungsfaktor über 1 Prozent gehalten werden
kann. Patienten, die früh mit einer Prophylaxe begonnen und sich über Jahre
einer prophylaktischen Langzeitbehandlung unterzogen haben, zeigen
selbst nach vielen Jahren einen unauffälligen radiologischen und klinischen
Gelenkstatus. Bei Patienten mit einer
spät einsetzenden Prophylaxe (nach
mehreren Gelenkeinblutungen) oder
sogar nur einer ereignisorientierten Bedarfsbehandlung kommt es im zeitlichen Verlauf zu klinischen und radiologischen progredienten osteoarthropathischen Veränderungen. Das Ziel muss
es sein, eine Langzeitprophylaxe frühzeitig, spätestens nach der ersten Gelenkeinblutung, zu beginnen und weitere Gelenkeinblutungen, zu vermeiden.
Dies kann durch die Gabe von 25 bis 40
E/kg des Faktors VIII dreimal wöchentlich bei einer Hämophilie A und 25 bis
40 E/kg Faktor IX zweimal wöchentlich
bei Patienten mit Hämophilie B erreicht werden. (6)
Wenn eine regelmäßige Prophylaxe
nicht durchgeführt werden kann (zum
Beispiel Antikörperbildung), müssen
Gelenkeinblutungen aggressiv behandelt werden. Das Ziel sollte die Verhinderung der Progression der Synovitis,
wiederholter Gelenkeinblutungen und
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ein Fortschreiten der hämophilen Arthropathie sein.
Im Zentrum der Autoren wurden folgende Behandlung bei akuten Einblutungen durchgeführt:
> sofortige Gerinnungsfaktorensubstitution,
> Ruhigstellung des Gelenkes und
eventuell Bettruhe für zwei bis drei
Tage,
> Physiotherapie/Elektrotherapie/ Eis/
NSAR/Entlastung für zwei bis drei
Wochen,
> Faktorensubstitution bis zur völligen Rehabilitation des Gelenkes oder
dem Abklingen der Synovitis. Diese
kann bis zu 30 Tage nach der Einblutung notwendig sein.
> Bei massiven Blutungen, Gelenkpunktion, Aspiration und Spülung.
Synoviorthese und
Synovektomie
Eine Synoviorthese ist eine sehr effektive Behandlung, welche die Frequenz
und die Intensität von Gelenkeinblutungen, ausgelöst durch eine Synovitis,
reduziert. Der Sinn dieser Behandlung
ist es, eine Fibrosierung der synovialen
Membran und anschließende Verschorfung der Synovia zu erreichen. Dies
kann mit sklerosierenden Substanzen
(zum Beispiel Rifampicin 500 mg in
10 ml Lokalanästhetikum) (chemische
Synoviorthese) oder mit Radiokolloiden (zum Beispiel Yttrium-90, Rhenium-196) (Radiosynoviorthese, RSO)
durchgeführt werden. Von vielen Autoren wurde der Wert der Radiosynoviorthese als Behandlung der chronischen
hämophilen Synovitis diskutiert. Trotz
vieler positiver Berichte bleiben Unklarheiten bei der Indikation dieses
Verfahrens (welche Patienten?, welches
Krankheitsstadium?). Rodriguez-Merchan (12) empfiehlt dieses Verfahren so
früh wie möglich, schon bei jungen Patienten und bei Gelenkdestruktionen
von 0 bis 2 Punkten nach Pettersson
anzuwenden. Größer 2 Punkte ist die
RSO nicht mehr angebracht, und eine
arthroskopische Synovektomie ist indiziert (8).
Erfahrungen der offenen Synovektomie haben gezeigt, dass dieses Verfahren zwar effektiv, aber mit einem signifi-
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kanten Verlust der Beweglichkeit einhergehen kann (3). Da auch eine arthroskopische Synovektomie nur als zweite
Wahl der Therapie der chronischen Synovitis angesehen wird, muss die RSO
als Therapieoption immer in Betracht
gezogen werden (12). Ob eine in unserem Zentrum durchgeführte arthroskopische Synovektomie gefolgt von einer
RSO auch bei fortgeschrittener Arthropathie ähnlich gute Ergebnisse wie bei
einer rheumatoiden Arthritis erbringen
kann, bleibt weiteren Untersuchungen
vorbehalten (4). Auf jeden Fall muss eine RSO/Synovektomie interdisziplinär
indiziert und ausgeführt werden. Eine
RSO muss unter Substitution bei einem
apparativ adäquat ausgestatteten Nuklearmediziner durchgeführt werden,
da eine korrekte intraartikuläre Applikation des Radioisotops absolut notwendig ist.
Obere Extremitäten
Komplikationen des muskulo-skelettalen Systems bei Hämophilen sind patientenspezifisch und müssen mit einem
individuellen Behandlungskonzept angegangen werden.
Wachstumsstörungen der proximalen Epiphyse des Humerus infolge von
Einblutungen, können in einem kleinen
atrophierten Humeruskopf und Varusdeformität resultieren. An der Schulter
des Erwachsenen können Osteophyten
entstehen. Die Arthrodese der Schulter
hat sich als gutes und zuverlässiges Verfahren herausgestellt. Bei Hämophilen,
bei denen ebenfalls Ellenbogenzerstörungen und Einschränkungen der
Beweglichkeit nicht selten sind, muss
dieses Verfahren sehr kritisch betrachtet werden. Mit den zunehmend guten
Erfahrungen der Schulterendoprothetik ergibt sich eine erweiterte Therapieoption, welche bisher kontrovers diskutiert wurde. Erfahrungen aus unserem
Zentrum bei vier Schulterendoprothesenoperationen zeigen bisher viel versprechende Ergebnisse.
Am Ellenbogengelenk ist die Indikation der Endoprothetik weiterhin unklar. Da dieses Gelenk als eines der
Problemgelenke („Targetgelenk“) des
hämophilen Patienten angesehen werden muss, bleiben nur wenige chirurgi-
sche Optionen. Die Radiusköpfchenresektion und partielle offene Synovektomie ist eine zuverlässige chirurgische
Intervention, welche die Funktion des
Ellenbogens signifikant verbessert. Bei
richtiger Indikation kann dieses Verfahren die Rotation des Unterarms bis zu
60 Grad sowie den Schmerz verbessern
und die Rate der Einblutungen reduzieren. Dies resultiert in einer deutlich verbesserten Funktion ohne die Gefahr
einer Ellenbogeninstabilität. Da der
Einsatz von Ellenbogenendoprothesen
zurzeit kein akzeptiertes Verfahren ist,
sollten schwerere Gelenkzerstörungen
des Ellenbogens durch eine Orthese
oder Arthrodese versorgt werden.
Untere Extremitäten
Einblutungen in das Hüftgelenk sind
relativ seltene Ereignisse. Trotzdem haben sie das zusätzliche Risiko einer vaskulären Knochennekrose des Hüftkopfes. Veränderungen ähnlich dem
Morbus Perthes wurden beschrieben.
Aus diesem Grund ist bei diesen Patienten eine Gelenkpunktion und Aspiration des Blutes unabdingbar. Im Endstadium der hämophilen Arthropathie an
der Hüfte stellt sich die Indikation zur
totalen Endoprothese dieses Gelenkes.
Da der endoprothetische Ersatz des
Hüftgelenkes ein Routineverfahren mit
einer sehr hohen Patientenzufriedenheit ist, sollte heutzutage dieses Verfahren auch bei Blutern routinemäßig zum
Einsatz kommen. Im eigenen Krankenkollektion zeigte sich nach einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von
neun Jahren keine vermehrten Lockerungen (3, 7). Der erste operierte Patient musste sich nach 14 Jahren aufgrund
einer Pfannenlockerung einer Wechseloperation unterziehen. Wegen der großen Variation an Möglichkeiten der endoprothetischen Versorgung des
Hüftgelenks, ist eine klare Empfehlung
für die Versorgung schwierig. Basierend
auf der Weltliteratur empfehlen die
Autoren eine Versorgung mit einem zementierten Schaft und einer zementfreien sphärischen Pfanne (7).
Die Veränderungen der hämophilen
Arthropathie betreffen bei weitem
häufiger das Kniegelenk (> 50 Prozent), wenngleich Funktionseinschrän-
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kungen besser kompensiert werden
können. Der endoprothetische Ersatz
des zerstörten Gelenkes ist auch hier
ein sicheres Verfahren, um Behinderungen und Schmerzen zu therapieren.
In der Literatur werden insgesamt gute
Ergebnisse dieses Verfahrens berichtet
(3).Auch hier bietet sich eine große Variation an Versorgungsmöglichkeiten
und Modellen an.Wir versorgen unsere
Patienten in der Regel mit einem zementierten bandgeführten Oberflächenersatz. Bei ausgeprägten Fehlstellungen und/oder Beugekontrakturen
ist es notwendig, eine achsgeführte Endoprothese zu implantieren.Aus der eigenen Erfahrung heraus, sollte die Indikation zu dieser Operation nicht erst
bei ausgeprägten Beugekontrakturen
und Atrophie der Streckmuskulatur
und grotesken Achsenfehlstellungen
gestellt werden. Zwar ist es nie zu spät
zu solch einem Vorgehen, aber die beschriebenen klinischen Befunde sind
denkbar ungünstige Voraussetzungen
für ein gutes Langzeitergebnis und eine
zufriedenstellende postoperative Rehabilitation. Aber gerade bei jungen
Patienten besteht die Gefahr von aseptischen Prothesenlockerungen und von
Spätinfekten. Ein Gelenkdebridement
kann bei jungen Hämophilen in Betracht gezogen werden, um den endoprothetischen Ersatz zu verzögern.
Dieses Vorgehen kann für längere Zeit
Schmerzfreiheit bewirken.
Die häufigste Fehlstellung der hämophilen Arthropathie des oberen und unteren Sprunggelenkes sind fixierte
Plantarflexionen, Varusfehlstellungen
des Rückfußes und Valgus des Sprunggelenkes.
Wir folgen bei schmerzhaften hämophilen Arthropathien der Fußgelenke
einem strikten Therapieschema mit:
> konfektionierten Bandagen,
> Absatzerhöhung, Abrollhilfen (zum
Beispiel Schmetterlingsrolle) eingearbeitet in die Sohle der Schuhe,
> Arthrodesenstiefel,
> Arthrodese des oberen Sprunggelenkes.
Die Arthrodese nach vorheriger Ruhigstellung durch einen Arthrodesenstiefel ist ein hervorragendes Verfahren
bei Patienten mit nur noch minimaler
Restbeweglichkeit im zerstörten Gelenk. Diese Restbeweglichkeit führt bei
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allen Patienten zu Schmerzen und synovialitischen Reizerscheinungen bis hin
zu Einblutungen. In der Literatur werden auch von verschiedenen Autoren
supramalleoläre Korrekturosteotomien
bei sekundären Valgusdeformität mit
Erfolg beschrieben (10).
Muskuläre Einblutungen
20 Prozent Einblutungen in das muskulo-skelettale System bei Hämophilen
sind muskuläre Einblutungen. In den
meisten Fällen sind diese intramuskulären Einblutungen durch ein Trauma verursacht. Nach einem direkten
Trauma der Weichteile zeigen sich die
pathologischen Veränderungen durch
Schwellung, Schmerz, lokale Überwärmung und einem charakteristischen
Hämatom. Die meisten Muskeleinblutungen gehen spontan zurück ohne einen größeren Funktionsverlust. Nach
akuten Einblutungen empfehlen wir
das konservative Vorgehen, nachdem
durch eine Gerinnungsfaktorensubstitution eine ausreichende Hämostase erreicht ist. Unter weiterer Faktorensubstitution wird die betroffene Extremität
hochgelagert, geschont, mit Eis behandelt und der Patient mit Analgetika und
oder nichtsteroidalen Antirheumatika
versorgt. Mit zunehmender Abschwellung kommt es zu einer Abnahme des
Schmerzes und einem schrittweisen
Funktionsgewinn. Sollte ein Kompartmentsyndrom vorliegen, muss eine operative Dekompression durchgeführt
werden.
Die häufigste und schwerwiegende
Muskeleinblutung betrifft den M. iliopsoas. Schmerzen im unteren Abdomen
können den Symptomen einer akuten
Appendizitis ähneln. Eine Einengung
des Nervus femoralis kann mit neurologischen Defiziten des anterioren Oberschenkels einhergehen. Bei der klinischen Untersuchung kommt es bei der
Extension im Hüftgelenk zu erheblichen Schmerzen, und der Patient nimmt
eine Schonhaltung mit einer Hyperlordose der LWS ein.
Die klinische Unterscheidung einer
Einblutung in den M. iliopsoas und einer intraartikulären Einblutung in das
Hüftgelenk gestaltet sich schwierig.
Die Ultraschalluntersuchung erlaubt
die Beurteilung einer ausgeprägten
Vergrößerung der Gelenkkapsel bei einer intraartikulären Blutung. Zur genaueren Beurteilung und Differenzierung sollte eine MRT durchgeführt
werden. Bei einer Psoaseinblutung
wird bei Flexion der Hüfte der Schmerz
nachhaltig reduziert und die Funktion
verbessert. Diese benötigt eine lange
Zeit zur Rückbildung. Eine Flexionskontraktur des Hüftgelenkes kann
über Wochen persistieren. Erneute
Einblutungen in die betroffene Region
sind häufig, und aus diesem Grund sollte eine längere Faktorensubstitution
durchgeführt werden. Die Resorption eines Iliopsoas-Hämatoms kann
mehrere Wochen benötigen, hingegen
eine Hüftgelenkseinblutung nur einige
Tage.
Pseudotumor
Der muskuläre Pseudotumor bei Hämophilen stellt nichts anderes als ein
altes abgekapseltes Hämatom dar.
Eine dicke fibröse Kapsel umschließt
das Hämatom verschiedener Organisationsstufen. Kalzifikationen und
Ossifikationen werden häufig in diesen Pseudotumoren gefunden. Pseudotumoren sind häufig im proximalen
Skelett lokalisiert. Sie scheinen ihren
Ursprung im Weichteilgewebe zu haben und erodieren den Knochen sekundär periostal. Sie entwickeln sich
langsam über viele Jahre. Pseudotumoren treten hauptsächlich beim Erwachsenen auf und lassen sich durch eine
konservative Therapie schlecht behandeln. Große proximale Pseudotumoren
beim Erwachsenen müssen nach der
Diagnose chirurgisch entfernt werden.
Distale Pseudotumoren treten distal
des Hand- und Sprunggelenkes auf und
scheinen sekundär nach intraossären
Blutungen zu entstehen. Diese treten
hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen auf und entwickeln sich schnell.
Distale Pseudotumoren sollten primär
durch eine Langzeitsubstitution und
Immobilisation der Extremität behandelt werden. Bei dem Versagen
der konservativen Therapie und einer
Progredienz sollte auch bei Kindern
eine chirurgische Entfernung erwogen
werden.
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Operationen bei
HIV-positiven Patienten
Bluter mit einer HIV-Infektion haben
ein erhöhtes Risiko von bakteriellen
und opportunistischen Infektionen. Bei
diesen Patienten ist das Risiko einer Infektion nach einer chirurgisch-orthopädischen Intervention erhöht. Eine Erhebung von US Hämophiliezentren von
Ragni et al.(11) untersuchte das Auftreten einer postoperativen Infektion bei
HIV-positiven Blutern mit einem CD4Wert von unter 200. Bei 66 Patienten
mit 74 orthopädischen Operationen
kam es in einem Zeitraum von fünf Monaten postoperativ bei 13 Prozent zu einer Infektion. Staph. aureus war mit 60
Prozent der häufigste Keim, und ein
endoprothetischer Gelenkersatz hatte
ein zehnfach erhöhtes Risiko als andere
Operationen. Nach Greene (1) ist das
Risiko einer Infektion bei diesen Patienten zwar erhöht, aber insgesamt immer noch gering. Zwar ist das Risiko einer Spätinfektion nach einer Totalendoprothese (TEP) deutlich höher, aber
der Gewinn an Lebensqualität bei Patienten mit Funktionseinschränkungen
und großen Schmerzen rechtfertigt solche Operationen, insbesondere unter
der heute üblichen HAART (hochaktiven antiretroviralen Therapie). Eine ausführliche Aufklärung über die Risiken ist gerade bei solchen Patienten
unerlässlich.
Orthopädische Operationen
bei Hemmkörperhämophilen
Im Rahmen der Substitutionstherapie
bei der Hämophilie A kann sich die
Entwicklung von Antikörpern gegen
den Faktor VIII : C (so genannte
Hemmkörperhämophilie) als schwerwiegende Komplikation entwickeln.
Sind einmal Hemmkörper gegen Faktor VIII aufgetreten, ist eine weitere
Substitution mit Faktor VIII nicht
mehr möglich und wegen des Hemmkörpertiteranstiegs sogar gefährlich.
Unfälle und notwendige elektive Operationen können fatale Folgen haben.
Für diese Patienten stehen zurzeit verschiedene Therapiemöglichkeiten zur
Verfügung, akute Blutungen zu vermeiden. Neben der Immuntoleranzthera-
pie und der extrakorporalen Entfernung des Faktor-VIII-Hemmkörpers,
stehen aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate, rekombinanter aktivierter Faktor VIIa und porciner Faktor VIII zur Verfügung. An unserem
Zentrum wurden in den vergangenen
beiden Jahren bei fünf Patienten mit
einer Hemmkörperhämophilie sieben
elektive Operationen durchgeführt.
Durch eine extrakorporale Hemmkörperentfernung konnte der Hemmkörper präoperativ bis fast auf Null reduziert werden. Perioperativ und in
den ersten Tagen postoperativ sprach
eine Faktor-VIII-Substitution gut an.
Es kam zu einer ausreichenden Blutgerinnung. Mit einem Anstieg des Hemmkörpers wird die Wirkung dieser Substitution inaktiviert. Zur notwendigen
Blutgerinnung wird an unserem Zentrum anschließend eine Substitution
mit rekombinantem Faktor VIIa durchgeführt. Damit ist trotz hohem Hemmkörper eine adäquate Blutgerinnung zu
Referiert
Manuskript eingereicht: 28. 5. 2002, revidierte Fassung
angenommen: 9. 7. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2928–2935 [Heft 44]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Andreas A. Kurth
Orthopädische Klinik
Klinikum der J. W. Goethe-Universität
Marienburgstraße 2
60528 Frankfurt
E-Mail: [email protected]
Probiotika zur Prävention
Antibiotika-assoziierter Diarrhö
Bei Probiotika handelt es sich um lebende Mikroorganismen wie Streptococcus
thermophilus, Lactobacillus bulgaricus,
Bifidobacterium bifidum, B. longum,
Enterococcus faecium, Saccharomyces
boulardii, L. acidophilus, L. casei und
L. GG, deren Einsatz zur „Regulierung“
der Darmflora in der wissenschaftlichen
Medizin umstritten ist.
Die Autoren führten eine Metaanalyse in Medline und der Cochrane
Library durch und konnten neun randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studien aus den Jahren 1966
bis 2000 auswerten. In zwei Studien
wurde der Einsatz von Probiotika
bei Kindern untersucht, vier Studien
beschäftigten sich mit Hefe (Saccharomyces boulardii), vier mit Lactobacillus und eine mit einem Enterococcus-Stamm, der Milchsäure produzierte. In drei Studien kam eine Kombination von probiotischen Bakterienstämmen zum Einsatz. In allen neun
Versuchsreihen wurden die Probiotika
in Kombination mit Antibiotika ge-
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erreichen. Auch Operationen unter
ausschließlicher Substitution mit rekombinantem Faktor VII a wurden in
den vergangenen beiden Jahren erfolgreich durchgeführt (2). In allen Fällen
kam es zu keiner außergewöhnlichen
Blutungskomplikation, und die Nachbehandlung unterschied sich nicht
von der unserer übrigen Hämophiliepatienten.
geben. Die Kontrollgruppen erhielten
Placebo und Antibiotika.
Die Metaanalyse ergab, dass Probiotika erfolgreich eingesetzt werden
können zur Prävention Antibiotikaassoziierter Durchfälle. Dies betraf in
erster Linie S. boulardii und Lactobacillen. Nicht eindeutig gesichert ist
der Effekt der Probiotika bei der
Therapie der Antibiotika-assoziierten,
durch Clostridium difficile Toxin ausgelösten, Diarrhö.
Die Autoren weisen darauf hin, dass
das praktische Fehlen von unerwünschten Wirkungen der Probiotika bei
der Prävention Antibiotika-assoziierter
Durchfallserkrankungen von besondew
rer Bedeutung sein könnte.
D’Souza AL, Rajkumar C, Cooke J: Probiotics in prevention of antibiotic associated diarrhoea: meta-analysis.
BMJ 2002; 324: 1361–1364.
Dr. A. L. D’Souza, Care of the Elderly Section, Faculty of
Medicine, Imperial College School of Medicine, Hammersmith Hospital, London W12 ONN, Großbritannien,
E-Mail: [email protected]
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