unter Halbmond und Kreuz

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Gerd Propach
Medizin
unter Halbmond und Kreuz
Ärztliche Mission im Kontext der islamischen Medizin
E-Ausgabe 2009
© Medizinische Missionshilfe - Medical Mission Support
Christian Intercultural Health Ministries
www.mmh-mms.com
Inhalt
Mit dem Untertitel „Kulturelle Grundlagen medizinischen Handelns“
1993 als Porta-Studie 19 erschienen.
ISSN 0177-8056
Herausgeber:
Studentenmission in Deutschland,
Postfach 554,
D -35017 Marburg
I.
Medizin und Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Traditionelle Heilungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Westliche Heilungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Transfer und Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Medizin und Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Überarbeitet und mit Bildern versehen für die E-Ausgabe 2009
Gestaltung, Prepress: H. Pfindel
© Medizinische Missionshilfe - Medical Mission Support
Christian Intercultural Health Ministries
Berliner Straße 57
35435 Wettenberg
www.mmh-mms.com
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Die Religion des Islam, ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Die wissenschaftliche Medizin im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Die Blütezeit der arabischen Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Rhazes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Avicenna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Die medizinischen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Die Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Das Krankenhauswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Der Verfall der Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Die Prophetenmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Die Volksmedizin im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Die Reislamisierung der Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Die drei Pfeiler der islamischen Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Die Kuwaiter Deklaration (1981) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Der Weg zwischen gestern und morgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Ursachen der Reislamisierung der Medizin –
ein Versuch der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Geburtenregelung und Familienplanung im Islam . . . . . . . . . . . . . . . 33
Menschenbild im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Leiden aus islamischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Die Ursache des Leidens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Der Sinn des Leidens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Die Überwindung des Leidens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Missionsmedizin im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Abbildung Titelseite:
Buch der Medizin von Rhazes (865 - 925)
III. Medizin unter dem Zeichen des Kreuzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Über die Fragwürdigkeit der missionsärztlichen Arbeit . . . . . . . . . . 38
„Jesus ist Sieger“ – Begründung des heilenden Handelns . . . . . . . . 41
Der heilende Auftrag der christlichen Gemeinde im Islam . . . . . . . . 42
Diakonie der leeren Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Unser Ziel reicht weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
IV. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Bildnachweise und -erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
I. Medizin und Kultur
Dem Andenken von
Dr. Ursula Schmitz (1952 - 2009)
Missionsärztin in Pakistan 1988 - 2009
„Allah ist groß, Khomeini ist unser Führer, nieder mit den USA, nieder mit Israel.“
Es waren keine jungen Revolutionäre, die dies aus vollen Kehlen intonierten,
sondern gesetzte Männer aller Altersstufen. Es war das Bekenntnis der Teilnehmer
eines medizinischen Kongresses, der 1983 in Teheran stattfand. Die Tagung stand
unter dem Zeichen des großen arabischen Medizingelehrten AVICENNA, der im
zehnten Jahrhundert in Persien lebte.
Was den Beobachter dabei verwundern mag, sind nicht die lautstarken Parolen
aus Teheran – daran hat man sich gewöhnt –, sondern die Tatsache, daß eine
Medizin im Mittelpunkt steht, die ihre Begründung und Kraft aus der Religion
des Islams bezieht. Es geht um die islamische Medizin.
I. Medizin und Kultur
Diesem Beitrag liegt ein Vortrag mit dem Thema „Medizin im Islam“ aus dem Jahr 1987
zugrunde. Er wurde für diese Veröffentlichung überarbeitet und an einigen Stellen erweitert.
Wegen der ursprünglich mündlichen Form des Beitrags wurde weitgehend
auf Literaturhinweise im Text verzichtet. Am Schluss des Heftes
findet sich ein Verzeichnis der benutzten Schriften.
Herrn Pfr. Eberhard Troeger danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Gerd Propach
Wettenberg 1993 / 2009
Manche Menschen vertreten die Ansicht, Kulturen früherer Zeiten hätten nichts
von Liebe und Barmherzigkeit gewusst. Erst die Liebeswerke der Christenheit hätten Licht in diese finstere Welt gebracht. ERICH BEYREUTHER weist in seinem
Standardwerk Geschichte der Diakonie und Inneren Mission in der Neuzeit darauf
hin, dass die Welt vor und außer Christus so dunkel nicht war und nicht ist. Schon
im alten Ägypten gab es sieben Werke leiblicher Barmherzigkeit, nämlich Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, Gefangene
befreien, Kranke pflegen und Tote begraben. Die Berichte und Zeugnisse über den
Kampf gegen Leiden und Schmerzen aus den frühen Hochkulturen in Indien, China und Südamerika sind mannigfaltig und beeindruckend. Wir denken an die Lebensgeschichte des historischen Buddha SAKYAMUNI (6. Jh. a. Chr.). Der Überlieferung nach war es gerade der Anblick eines Kranken, der dem jungen Prinzen
das Problem der Leiderfahrung der menschlichen Existenz vor Augen stellte und
ihn zu seiner geistigen Suche veranlasste. Der zentrale Punkt der buddhistischen
Heilslehre ist der Prozess der Gesundung des Menschen als eines ganzheitlichen
- Seele und Leib umfassenden - Geschehens. Reichhaltig sind die vorgeschlagenen
geistig-meditativen Heilsweisen ebenso wie aktive medizinische und chirurgische
Hilfen. Zahlreich auch die Hospitäler und Ambulanzen für Menschen und Tiere,
die besonders unter dem buddhistischen Kaiser ASO KA (304 - 232 a. Chr.) im
asiatischen Raum errichtet wurden.
Im alten Indien entwickelte sich die Ayurveda-Medizin als Teil eines umfassenden
religiösen Systems. Die Neuauflagen alter ayurveda-medizinischer Handbücher
in Indien zeigen die zunehmende Bedeutung der Ayurveda-Medizin als ganzheitlichem Heilsystem gerade auch im Rahmen der so genannten alternativen Heilkunde.
5
I. Medizin und Kultur
Heilungskonzepte
Wir denken an die traditionelle chinesische Medizin, mit der auch heute noch mehr
als ein Drittel der Bevölkerung Chinas behandelt wird. Physiologie, Patho-physiologie,
Diagnose und Therapie stellen ein eigenes, von der westlichen Medizin völlig unabhängiges System dar. Die einzelnen Teilbereiche dieses chinesischen Heilsystems sind
untereinander folgerichtig miteinander verbunden. Gesundheit im taoistisch-chinesischen Sinne bedeutet ein harmonisches Gleichgewicht aller Kräfte und Beziehungen;
ein Ungleichgewicht führt zu Krankheit.
wie Gesundheit bedeutet. Allerdings umfasst dieses Wort viel mehr als unser Wort
Gesundheit. Ukuzilungisa bedeutet, dass ein Mensch und ein Volk in Harmonie mit
seiner Umwelt lebt. Der Mensch ist nur dann gesund, wenn nicht nur der Körper
regelrecht funktioniert, sondern auch der menschliche Lebensraum und die sozialen
Kontakte und Verbindungen in Ordnung sind.
Auch bei uns in Deutschland gewinnt die traditionelle chinesische Medizin an Bedeutung. Hingewiesen sei auf die Akupunktur, die besonders im Zusammenhang mit
chronischen Schmerzzuständen aller Art - aber auch für andere Bereiche – sich einen
festen Platz im therapeutischen Konzept westlich geschulter Mediziner erobert hat. In
jüngster Zeit wurde in Deutschland die erste Klinik eröffnet, in der die traditionelle
chinesische Medizin angewendet wird.
Traditionelle Heilungskonzepte
Die Sorgen um Kranke und Verwundete, um die leiblichen Nöte und Bedürfnisse
der Menschen gab und gibt es in allen Kulturen und Religionen, wobei auf unterschiedliche Weisen auf die Leiden und Krankheiten eingegangen wird. Viele dieser
alten Heilungskonzepte nehmen als Ursache für eine Krankheit nicht eine bloße körperliche Störung des Organismus an. Vielmehr werden auch übernatürliche Mächte, Dämonen, Ahnen, aber auch das soziale Umfeld, gestörte zwischenmenschliche
Beziehungen und auch unheilsames Tun für die Entstehung mancher Erkrankungen
verantwortlich gemacht. So interessieren sich zum Beispiel Heilkundige von Naturreligionen bei ihrer Diagnosestellung weniger für irgendwelche sichtbaren krankhaften
Veränderungen des Organismus, sondern wichtiger ist das Verhalten oder Fehlverhalten des Kranken gegenüber Naturgeistern, Göttern, Dämonen und auch der Sippe und
dem Stamm. In Ostafrika kommt zum Beispiel in den ländlichen Regionen noch heute
auf fünfzehn bis zwanzig Haushalte ein traditioneller Heilkundiger (= Mganga), der
bevorzugt bei allen möglichen Erkrankungen in Anspruch genommen wird. Zunächst
ist es seine Aufgabe, die Ursachen der Krankheit zu erforschen. Dabei bedient er sich
oft eines in Trance geratenen „Mediums“, um den Willen der Ahnen und Geister zu
erfahren. Auch wendet er seine naturheilkundlichen Erfahrungen und Kenntnisse
an. In den therapeutischen Systemen spielen bestimmte Kräuter, Wurzeln, Insekten,
Mineralien und auch psychologische Aspekte eine große Rolle. Der Kranke wird als
Mensch in seinem sozialen Umfeld behandelt. Der Heilkundige ist Priester, Psychiater
und Arzt der traditionellen Gesellschaft.
Sprache ist im weitesten Sinne sowohl das Produkt als auch der Ausdruck einer Kultur (MAX-NEEF). In der Zulu-Sprache gibt es den Begriff Ukuzilungisa, was soviel
6
Gesundheit und Wohlbefinden werden als harmonisches Gleichgewicht zwischen Individualismus, Gesellschaft und Umwelt beschrieben. Krankheit ist nicht einfach ein
Defekt der „Maschine Mensch“, sondern eine Störung des umfassenden „UkuzilungisaGleichgewichts“. Ähnliches ließe sich aus anderen Ethnien und Sprachen berichten.
Die Ursachen dieser Beziehungsstörungen gilt es
herauszufinden und zu benennen und dann durch
besondere Rituale und spezifische Heilmaßnahmen zu beseitigen. Dabei beschränken sich die
Heilungsangebote nicht nur auf den Körper des
Menschen, sondern sie regeln darüber hinaus
das Verhältnis des Kranken zu übernatürlichen
Mächten und Gottheiten, aber auch das soziale
Gefüge von Familie und Sippe.
Die Heilungsangebote sind immer auch umfassende Heilsangebote, und der Heilkundige ist
immer auch eine Art Heilsvermittler. Die Heilungs- und Heilsangebote treffen den ganzen
Menschen in seiner seelisch-körperlichen-geistigen Einheit, und zwar nicht nur als ein isoliertes
Individuum, sondern als Glied eines Sozial- und
Gemeinwesens. Krankheit und Heilung weisen
gleichermaßen einen persönlichen und einen gemeinschaftlichen Charakter auf. Die Heils- und
Heilungsmaßnahmen sollen zu einer Harmonisierung des Menschen mit sich und der Umgebung führen.
Abb. 1: Afrikanischer Heiler
Die Inhalte der Heilsysteme sind in den einzelnen Kulturen unterschiedlich, wie besonders ERWIN ACKERKNECHT nachgewiesen hat. Sie entsprechen dem jeweiligen Weltbild, den Vorstellungen von Kosmos und Mikrokosmos. Gesundheit und
Krankheit unterliegen kulturspezifischen Grundlagenvorstellungen. Abenteuerlich
anmutende Spekulationen sind verbunden mit erstaunlichen medizinischen Beobachtungen und Erfahrungen.
7
I. Medizin und Kultur
Westliche Heilungskonzepte
Einer kulturbedingten Auffassung von Krankheit und Gesundheit ganz anderer Art wie
der oben kurz skizzierten begegnen wir in unserem westlichen, naturwissenschaftlich
ausgerichteten Gesundheitssystem. Wie wir oben schon gesehen haben, drückt sich
die Vorstellung von Krankheit und Gesundheit in dem Gebrauch unserer Sprache aus.
Denn unsere Sprache spiegelt unser Bewusstsein wider, und unser Bewusstsein prägt
unsere Sprache. Fast täglich kommen zum Beispiel Patienten in einer allgemeinmedizinischen Praxis in Deutschland zu ihrem „check up“, oder es heißt: „Herr Doktor, ich
möchte mich durchchecken lassen“, oder es erfolgt „die jährliche medizinische TÜVAbnahme“, wie man formuliert. Eine der größten Krankenkassen Deutschlands wirbt
bei ihren Mitgliedern für einen „Gesundheits-Check up“ mit dem direkten Vergleich:
„Für Autofahrer ist die regelmäßige Inspektion ihres Fahrzeugs zur selbstverständlichen Routine geworden. Mit unserem Angebot, Gesundheits-check-up bekommen
Sie die Chance, sich auf ,Herz und Nieren‘ untersuchen zu lassen.“
Unsere Worte entlarven mehr, als wir wissen und wahrhaben wollen, nämlich genau
die technisierte, entpersonalisierte und materialistische Sicht und Einstellungsweise
unseres Lebens. Patienten und Ärzte sprechen von Gesundheit, wenn einzelne medizinisch-technische Parameter in Ordnung, im „Normalbereich“ sind. Der Mensch wird
so zur Maschine, die funktionieren muß, der Arzt zum Reparateur und Mechaniker,
der die Schäden ausbessert. Das Bild des Arztes wird degradiert zum bloßen Befundverwalter, der seine medizinische Apparatur virtuos beherrscht, der aber nicht mehr
in der Lage ist, dem Menschen in seiner Einheit von Leib, Seele, Geist und sozialem
Wesen zu begegnen. Erst langsam scheinen wir in unserem westlichen Gesundheitssystem zu erkennen, dass unsere bisherige Begrifflichkeit von Gesundheit und Krankheit unsere gesamte Wirklichkeit nicht ganz erschließt.
Transfer und Konflikt
Treffen zwei so unterschiedliche Heil- und Wertsysteme, wie wir sie zuvor gegenübergestellt haben, aufeinander, bleiben Konflikte nicht aus. P. UNSCHULD hat auf die
konzeptionellen und strukturellen Differenzen und Probleme hingewiesen, die sich
beim Transfer westlich medizinischer Gesundheitsvorstellungen und Heilsysteme auf
andere Kulturen ergeben.
Welche praktischen Auswirkungen die medizinische Transfersituation für die Menschen haben kann, berichtet PAUL-GERHARD KALTHOFF, der viele Jahre als Leprologe in einem Leprakontrollprogramm in Nepal gearbeitet hat. Schwerkranke Nepalis,
die tagelang auf schwierigen und langen Gebirgspfaden zum Hospital westlicher Prägung unterwegs waren, blieben sterbend vor den Toren des Krankenhauses liegen. Sie
8
Konflikt und Kritik
hatten Angst vor dem Weg in das andere, ihnen unbekannte und fremde medizinische
System. Die Patienten und deren Angehörige sahen sich in eine für sie unlösbare Konfliktsituation gestellt. Auf der einen Seite hatten sie das Versagen der traditionellen
Stammes- und Volksmedizin erfahren, auf der anderen Seite standen sie der westlichen Schulmedizin zwar erwartungsvoll, aber doch hilflos gegenüber. Selbst unter
dem Leidensdruck des nahen Todes vermochten sie
keine Entscheidung zu treffen. Sie lösten den Konflikt im schicksalsergebenen Erleiden und Erdulden
von Krankheit und Tod, so wie sie es eben von ihrer
Kultur her zu tun gewohnt waren. Die Schwellenängste vor der ihnen unbekannten Kultur waren
größer als die Angst vor dem Tod. Mittlerweile hat
sich in den Entwicklungsländern neben den traditionellen, religiös bedingten und geprägten Heilsystemen die westliche Schulmedizin als Erbe der
Kolonialmedizin und der missionsärztlichen Arbeit
des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts
etabliert und die Gesundheitspolitik entscheidend
beeinflusst und verändert. Wider Erwarten konnte
die westliche Medizin jedoch die traditionelle Heilkunde nicht verdrängen, geschweige denn ablösen.
Es zeigte sich, dass die Menschen den traditionellen Abb. 2: Anatomische Tafel in
Heilmethoden und Heilsystemen ihrer eigenen Re- Sanskrit, Ayurveda-Heilkunde
ligion und Kultur viel näher standen und stehen
und ihr mehr Vertrauen schenken als der aus Europa und Amerika eingeführten Medizin. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nahmen Mitte der
siebziger Jahre achtzig Prozent der Bevölkerung Afrikas traditionelle Heilsysteme in
Anspruch.
IMPERATO unterscheidet Spezialisten für natürliche und für übernatürlich verursachte Krankheiten. Zu der ersten Gruppierung zählt er Herbalisten, traditionelle Hebammen, Knochenrichter; zur zweiten: Divinatoren, Orakelsteller, Geistheiler, Gegenzauberer. Daneben gibt es noch die Gruppe der islamischen Heiler und die moderne
westliche Schulmedizin.
Beide medizinischen Systeme, die westlich orientierte Schulmedizin und die traditionelle, in die jeweilige Kultur eingebettete Heilkunde, bleiben nebeneinander bestehen
und werden je nach Bedarf beide von der Bevölkerung in Anspruch genommen. Für
die akuten Erkrankungen bevorzugt man die westliche Medizin, den einheimischen
traditionellen Heiler sucht man dagegen bei chronisch verlaufenden Krankheiten
auf. Dabei machen sich der westlich geschulte und orientierte Arzt und die Krankenschwester zu wenig bewusst, wie sehr ihr Handeln die jeweilige einheimische Kultur
9
I. Medizin und Kultur
Konflikt und Kritik
verändert oder sogar zerstört. Denn wegen der engen Verbindung von einheimischer
Heilkunde und Religion greift der Arzt mit seiner naturwissenschaftlichen Medizin
direkt in den Bereich des traditionellen Religionsgefüges ein und bringt es aus dem
Gleichgewicht. Die Einheimischen trifft dieses Vorgehen in der Regel vollkommen
unvorbereitet. LOTHAR KÄSER hat auf die Folgen hingewiesen, die sich dann ergeben, wenn wissenschaftliche Medizin ohne Rücksicht auf den Zusammenhang
zwischen Heilkunde und Religion angewendet wird. Man nimmt, so KÄSER, einer
Kultur früher oder später eine ihrer tragenden Säulen. Das Verhältnis zwischen traditioneller Heilkunde auf der einen Seite, westlicher Kolonial- und Missions-Medizin
auf der anderen Seite ist historisch gesehen immer problematisch und schwierig gewesen. Der Fortschrittsglaube und der wissenschaftliche Optimismus des neunzehnten
und zwanzigsten Jahrhunderts gingen Hand in Hand mit einer Ablehnung und Bekämpfung der nicht-naturwissenschaftlich begründeten
Medizin, wie man sie auf dem Missionsfeld vorfand. So
begnügten sich Ärzte und Krankenschwestern oftmals
damit, im Namen der Mission die Bemühungen der einheimischen Heilkonzepte und Krankheitsvorstellungen
vorschnell als rückständig, schädlich und okkult belastet
gänzlich abzulehnen und zu bekämpfen.
heute Extrakte aus Blättern der Uruti-Pflanze als Wehenbeschleuniger benutzt. Der
Erfolg ist dem Syntocin der westlichen Medizin vergleichbar. Die Masai behandeln
wirkungsvoll den raschen Gewichtsverlust von konsumierenden Erkrankungen, zum
Beispiel Krebs, mit Extrakten aus der Knolle der Ngilingai-Pflanze. Andere äußerst
wirksame Mittel aus der traditionellen Medizin werden bei hohem Blutdruck oder
auch bei bakteriellen Infektionen angewendet. Das Institut für traditionelle Medizin an
der Universität Daressalam hat eine naturheilkundliche Substanz analysiert, die wie
ein Antibiotikum wirkt. Dies sind nur einige wenige Beispiele aus dem reichen Schatz
der afrikanischen traditionellen Heilkunde. Gerade in unseren Tagen beginnt sich die
Pharmaindustrie, die mit neuen Entwicklungen zunehmend an ihre Grenzen stößt,
für die Bergung der naturheilkundlichen Schätze auf allen Kontinenten zu interessieren.* Die medizinhistorischen Kenntnisse der Heilkunde in Asien, Südamerika und
vor allem in Afrika sind zwar nur sehr bruchstückhaft, doch soviel kann gesagt werden: Erst der Beginn der Kolonialepoche, die Erschließung ganzer Länder und ihre
Inbesitznahme durch die Europäer brachte besonders in Afrika große Krankheitsnot
über die Menschen, so dass JANZEN die Zeit von 1890 bis 1930 als die „schlimmste
Krankheitsära in der großen Geschichte Afrikas“ bezeichnet. Ob die Krankheitsnöte
der damaligen Zeit nicht noch von denen unserer Tage übertroffen werden, bleibt abzuwarten. Die Schreckensmeldungen über die Zunahme von Malaria, Aids, Bilharziose und so weiter zeigen, daß wir uns auf dem besten Wege dorthin befinden.
Abb. 3: Trad. Chinesische Heilkunde Akupunktur-Tafel
Nach R. E. DODGE, der als Missionar in Südwestafrika (heute: Namibia) tätig war, führte dieses Verhalten
schließlich zu einer fast völligen Ausrottung der afrikanischen Naturheilkunde. „Es ist tragisch“, so formulierte
er schon 1965, „daß ihr Wissen [der Herbalisten] weitgehend mißachtet oder vergessen wurde.“ Man habe
versäumt, die großen Schätze der naturheilkundlichen
Erfahrungen zu erforschen.
Durch den anfänglichen Siegeszug der westlichen Medizin, durch die Vorstellung,
die Gesundheitsprobleme in unserer Welt seien allein mit den Methoden des wissenschaftlichen Fortschrittes in den Griff zu bekommen, wurde der Blick auf einige wesentliche Punkte verstellt; es wurden die Erfolge der nichtabendländischen Heilkunde
übersehen. Denn schließlich hatte die traditionelle Medizin und Hygiene jahrhundertelang ganzen Stämmen und Volksgruppen zu einer gewissen Stabilität verholfen und
das Überleben gesichert, zu einer Zeit, als verheerende Seuchenzüge ganze Landstriche Europas zu entvölkern drohten.
So kannte man zum Beispiel in Afrika auch schon vor der Ankunft der Europäer die
Pockenimpfung. Die sich in einer Pockenpustel sammelnde Flüssigkeit wurde gesunden Männern und Frauen in einem kleinen Schnitt am Oberarm, an der Nasenwurzel oder auch am Handgelenk eingerieben. In Kenia und Tansania werden noch
10
Kritik
Auf Seiten der Mission war sicher die Angst vor dem Einfluss magischer Mächte - das
Verwobensein von erstaunlichen medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen mit
handfesten okkulten Praktiken - die Triebfeder, die traditionelle Heilkunde als Ganzes
abzulehnen und zu verwerfen. Man sah oftmals als selbstverständlich an, dass mit
der Bekehrung zum christlichen Glauben auch eine Bekehrung zur westlichen Medizin des Missionars verbunden war, wobei übersehen wurde, dass unsere westliche
Medizin ebenso wenig christlich ist wie die der traditionellen Heilkunde der Asiaten,
Afrikaner und Südamerikaner. Beklagen wir dort magische und okkulte Reflektionen
und Vorstellungen, die Einbeziehungen von Ahnen und Gottheiten, so müssen wir
hier die zum Götzen erhobenen medizinischen Apparate und Arzneien erkennen, die
einen wesentlichen Teil unseres Gesundheitssystems ausmachen. Oft genug wird so
afrikanischer medizinischer Götzendienst durch einen neuheidnischen Glauben an
die westliche Medizin und an die Allmacht westlicher Missionskrankenhäuser und
Ärzte gefördert und ersetzt. Der „alte Glaube wird lediglich durch neues Wissen ersetzt“ (UNSCHULD), und Missionshospitäler westlicher Prägung werden zum Hoffnungsträger neuer und vollkommener Gesundheit.
* Vgl. „Größte Apotheke der Welt“. Der Spiegel, 29/1991
11
I. Medizin und Kultur
Auseinandersetzung und Begegnung
Der Glaube an die moderne Medizin, an die medizinische Machbarkeit weicht gerade
in unseren Tagen der zunehmenden Ernüchterung: Nicht alles, was machbar ist, ist
finanzierbar; nicht alles, was möglich ist, ist auch gut und heilsam für uns. Trotz aller
Bemühungen und Erfolge sind wir an ethische, finanzielle und technische Grenzen gestoßen. Wir beginnen, uns damit vertraut zu machen, auch im nichtchristlichen und
säkularen Bereich, dass Krankheit und Leiden sehr wohl Bestandteil unserer menschlichen Existenz sind. Gesundheit und Krankheit sind nicht allein abhängig von naturwissenschaftlich fassbaren Kriterien und Meßgrößen, sondern vielmehr Folge von
Verhaltensnormen, von überlieferten oder neuerworbenen Lebensstilen, die nur im
Kontext der jeweiligen Kultur zu verstehen, zu deuten und zu beeinflussen sind. Das
so genannte „moderne“ naturwissenschaftliche Weltbild und seine Medizin ist e i n e
Sichtweise, die vielleicht im Rahmen der abendländischen Denk- und Erfahrenswelt
und unter den Voraussetzungen des Wohlstands eine gewisse Berechtigung haben mag.
Problematisch ist der kulturübergreifende Wirkungsanspruch der abendländischen
Heilkunde, denn für Menschen in der „Dritten“ Welt „resultieren hieraus oft Schwierigkeiten [...]; da sie nicht in der, westlichen’ Gedankenwelt sozialisiert wurden.“ *
text erfassen, verstehen und auszulegen lernen. Hierzu bedarf es umfassender Analysen, Forschungen und Studien. Erst dann können wir die Botschaft von Christus
glaubwürdig vermitteln und den Moslems das christliche Verständnis von Heil und
Heilung aufschließen und nahe bringen.
Medizin und Islam
Ein Schwerpunkt der christlichen Islammission ist die medizinische Missionsarbeit.
In manchen islamischen Ländern erhält man nur als Arzt oder als Krankenschwester eine Arbeitserlaubnis, geistlichen Berufen wird diese verwehrt, so zum Beispiel
in Nordafrika, den arabischen Ölstaaten, Nordsudan, Afghanistan. In anderen islamischen Staaten wie Ägypten und Pakistan sind die Voraussetzungen für eine offizielle medizinische Missionsarbeit günstiger, doch auch hier muss immer wieder mit
Einschränkungen gerechnet werden. Ärztliche Mission trifft auch im Islam nicht auf
ein medizinisches Vakuum. Es gibt, wie der eingangs erwähnte medizinische Kongress
in Teheran zeigt, eine religionsbezogene „islamische Medizin“. Der Islam reguliert das
ganze Leben seiner Gläubigen. Alle Lebensbereiche sind von Anweisungen, Regeln,
Ge- und Verboten begleitet.
„Der Islam hat für alles, was den Menschen und die Gesellschaft betrifft, Lehren. Diese
kommen vom Allmächtigen und sind den Menschen durch seinen Propheten und
Boten überliefert. Man ist überrascht von der Größe dieser Gebote, die alle Aspekte
des Lebens abdecken, von der Empfängnis bis zur Bestattung. Es gibt nichts, worüber der Islam nicht sein Urteil gefällt hat“, proklamierte Ajatollah Khomeini*. So
sind auch Aussagen und Regulierungen zu Gesundheitsvorsorge und -fürsorge, zu
Krankenbehandlungen und zum Ärztestand zu erwarten. Gerade in den islamischen
Ländern beobachten wir ein Erstarken der traditionellen Kultur, einschließlich der islamischen Medizin. Die Auseinandersetzung mit beiden ist notwendig, damit wir die
tiefen menschlichen Vorstellungsschichten und Erlebnisweisen im islamischen Kon12
* SICH / DIESFELD, S.5
Wir sind Botschafter Christi und nicht Abgesandte irgendeines zweifelhaften medizinischtechnischen Fortschrittes. Das macht uns frei,
nach dem zu fragen, was für die Menschen
wirklich wichtig und lebensnotwendig ist.
Dabei mögen wir vor Überheblichkeit bewahrt bleiben. Wir setzen oft genug voraus,
unsere westliche wissenschaftliche Medizin
sei anderen Heilsystemen und Auffassungen
überlegen. Dies mag auch auf viele Bereiche
zutreffen. Doch dürfen wir die Verwurzelung
der Menschen in ihre traditionellen Heilsysteme nicht unterschätzen. Es gibt die islamische
Medizin ebenso wie die Ayurveda-Medizin
im hinduistischen Indien und die Heilkunde
der Medizinmänner in Afrika. Diese traditionellen Heilsysteme gewinnen an Einfluss und
Bedeutung. Es ist wohl an der Zeit, dass traditionelle Heilkunde und westliche Medizin
voneinander lernen.
Abb. 4: Ausreitender Buddha, der einem
Leichnam, einem Fieberkranken, einem
Greis und einem Mönch begegnet.
Möglicherweise liegt in der Zusammenarbeit eine Möglichkeit, die dringendsten Gesundheitsprobleme der ländlichen Bevölkerung in Afrika anzugehen. Gute Erfolge
gibt es zum Beispiel, indem man traditionelle Hebammen mit Grundbegriffen der
Hygiene vertraut macht und sie dann im öffentlichen Gesundheitsdienst einsetzt. Die
Mütter- und Kindersterblichkeit ließe sich dadurch vielerorts beträchtlich senken.
Der westlich ausgebildete christliche Arzt kann anderen Heilsystemen gelassen und
ohne Vorurteile begegnen. Das Gute und Nutzbringende darf er getrost übernehmen:
„Alles prüfet, das Gute behaltet“ (l. Thess 5,21) in dem Wissen: „Alles ist euer, ihr aber
seid Christi“ (l. Kor 3,22f). Darauf kommt es entscheidend an.
* Khomeini, S.19
13
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Die Periode, mit der wir uns in diesem geschichtlichen Abschnitt über die Medizin im
Islam zu beschäftigen haben, ist die Zeit von 500 bis 1400 nach Christi Geburt. Bei dieser Darstellung von neunhundert Jahren Medizingeschichte des islamisch-arabischen
Kulturraums kann es sich nur um eine grobe Einführung handeln.
In diesen Jahrhunderten befand sich das christliche Abendland kulturell gesehen auf
keinem hohen Entwicklungsstand. Besonders auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der Philosophie, der Malerei, der Musik und der Architektur glänzte es kaum
durch eigene Entwicklungen und Entdeckungen. Das kontinentale Europa jener Zeit
war nach den Worten von LlCHTENTHAELER ein „Entwicklungsland“, das den Zugang zu den geistigen Quellen Griechenlands und Roms entweder nie besessen hat
oder dort, wo er wirklich bestand, verloren hat.
In der medizinischen Wissenschaft befand sich manches im Argen. Die Heilkunst lag
in den Händen der Mönche, die in ihren Klöstern, dem christlichen Liebesgebot folgend, Kranke betreuten. Diese Mönchs-Ärzte hatten sich ihr medizinisches Wissen
aus Büchern erarbeitet und praktizierten oft gegen den Willen ihrer Kirche (Ecdesia
abhorret a sanguine, Die Kirche verabscheut Blut hinter ihren Klostermauern). Im
eigenen Kräutergarten wurden Heilkräuter angepflanzt und zur Therapie verwendet.
Während die Zivilisation in Westeuropa sich wenig weiterentwickelte, erreichten die
Wissenschaften und besonders die Heilkünste im islamischen Orient eine vorher
kaum gekannte Größe.
Die Religion des Islam, ein Überblick
Islam heißt Ergebung, Unterwerfung, Hingabe (an Allah). Der Mensch, der sich dem
Willen Allahs unterwirft, ist Muslim. Charakteristisch für die Glaubenshaltung des
Muslims ist seine völlige Ergebenheit und Ohnmacht dem unnahbaren und allumfassenden und allmächtigen Willen Allahs gegenüber. Nur in tiefster Ergebung wagt der
gläubige Muslim, Allah gegenüberzutreten. Diese Ergebenheit kommt deutlich in der
Gebetshaltung des Muslims zum Ausdruck: Der Gläubige wirft sich wie ein Sklave vor
seinem Herrn zu Boden.
Seinem Selbstverständnis nach ist der Islam eine geoffenbarte Religion und gründet
sich nicht auf einen Religionsstifter. MOHAMMED (* um 570 in Mekka; + 632 in
Medina) gilt als der Prophet Allahs. Der Muslim beruft sich auf den Koran, das heilige Buch. Er wird als die irdische Ausgabe des himmlischen Urbuchs angesehen. Der
Islam bekennt sich zum Monotheismus. Die christliche Lehre der Dreieinigkeit wird
als Polytheismus entschieden abgelehnt und bekämpft. Das Christenzeugnis wird geleugnet (Sure 9,20).
14
Religion des Islams
Die wichtigsten Stücke der kultischen Pflichten sind die so genannten Fünf Säulen des
Islams.
Das Glaubensbekenntnis, die shahada, ist der erste Pfeiler: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt, und ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist.“
Dieser kurze und einfache Satz ist auch die Übertrittsformel zum Islam. Die weiteren
Säulen sind das tägliche fünfmalige Pflichtgebet zu bestimmten Tageszeiten (salat),
die Almosensteuer (zakat), das Fasten (saum) im Monat Ramadan und die Wallfahrt
(hadj) nach Mekka.
Im Jahre 622 siedelte MOHAMMED nach Medina über; die Übersiedlung ist der Beginn der islamischen Zeitrechnung. 630 besetzten seine Truppen Mekka; er starb 630
in Medina.
MOHAMMED`S Nachfolger besetzten Syrien, Persien, Nordafrika und Spanien, fast
den gesamten arabischen Kulturraum. Diese Zeit der Eroberung (bis etwa 800) bezeichnet man in der Geschichte des Islams als die heroische oder kämpferische Phase.
Es folgte die Blütezeit, das goldene Zeitalter (800 - 1000).
Drei Kalifate teilten sich die Macht in dem gewaltigen islamischen Reich: die Dynastie
der Omayaden in Spanien/Cordoba (756 - 1031), die Abbasiden in Persien/Bagdad
(750 - 1258) und die Fatimiden in Ägypten/Kairo (909 - 1171). Alle drei Kalifate waren
Zentren des geistigen und kulturellen Lebens der damaligen Welt, in denen Bildung
und Wissenschaft gefördert wurden.
Im 13. Jahrhundert signalisierte der Mongoleneinfall in Bagdad den politischen und
kulturellen Verfall des islamischen Großreiches. Die arabischen Staaten versanken in
Tiefschlaf und wurden für die Weltgeschichte bedeutungslos. Erst im neunzehnten
Jahrhundert nach Christus kam es zu einem Erwachen der arabischen Welt.
Die wissenschaftliche Medizin im Islam
Die verstreuten Beduinenstämme in den Wüstengebieten der arabischen Halbinsel
vorislamischer Zeit praktizierten eine Volksmedizin. Einen ausgebildeten Ärztestand
oder eine Zunft der Heilkundigen gab es nicht. Ebenso wenig kannte man ein wissenschaftliches medizinisches System. Es waren besonders die Frauen, die Kranke und
Verletzte mit ihrem von den Müttern und Schwiegermüttern vermittelten Wissen
pflegten und behandelten. Magische Praktiken waren üblich, auch das Besprechen
von Krankheiten.
MOHAMMED war diese Volksmedizin geläufig, ja er wandte sie auch an. Das erfahren wir aus den sogenannten Hadithen (Überlieferungen). Diese Überlieferungen sind
echte und erfundene Aussprüche und Handlungen des Propheten zu den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Sie dienten und dienen dem Moslem als Orientierungshilfe
neben dem Koran.
Auch über Krankheit, Medizin und Heilung äußerte sich MOHAMMED. So finden
15
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Wissenschaftliche Medizin
sich in den Hadithen Anweisungen zu einer gesunden Lebensführung, Therapieempfehlungen und anderes. Diese Richtlinien und Empfehlungen basieren auf den damaligen Praktiken und Kenntnissen der altarabischen Volksmedizin und gehen über
diese nicht hinaus.
die islamischen Krankenhäuser. Die Abbasidenkalifen bezogen von Gondishapur ihre
Leibärzte.
Vorwiegend diese Kalifen waren es auch, die die Übersetzungsarbeit syrischer Christen förderten. Namentlich muss die Übersetzungsschule des Nestorianers HUNAIN
IBN ISHAQ genannt werden (809 - 873), der Hunderte von medizinischen Schriften
übertragen hat. So lernten die Muslime die Schriften GALENs, die gesamte hippokratische Literatur, die Schriften des RUFUS VON EPHESOS, die Chirurgie des
ANTYLLOS und die Pathologie des PHILAGRIOS kennen. Bis 900 ist die wesentliche
Übersetzungsarbeit abgeschlossen.
Diese erste Phase der islamischen Medizin hat CHEHADE das „Übersetzungsfieber“
genannt. Es war die Zeit der Rezeption und der Assimilation, besonders des Griechentums und der griechischen Heilkunde ins Arabische.
Wie wir noch sehen werden (S. 24), spielen die medizinischen Hadithe von MOHAMMED in der so genannten Prophetenmedizin eine große Rolle. Der Islam breitete sich
aus. Die Truppen MOHAMMEDS standen 630 vor den Toren Mekkas. Im Todesjahr
des Propheten war fast die gesamte arabische Halbinsel erobert. Wie ein entfesselter
Sturm brach die neue Religion aus der Wüste über die damaligen Länder hinweg. Bald
waren Syrien und Persien erobert. Die Heere drangen nach Osten vor, über Afghanistan bis tief hinein nach Indien; im Westen erreichen sie Marokko. 711 überquerten
sie Gibraltar und betraten in Spanien das christliche Abendland.
In den eroberten Gebieten trafen die Araber, die bisher mehr am Rande der Zivilisation lebten, auf die Kulturgüter der antiken Welt des Mittelmeerraums. Der klassischen griechischen Bildung hatte der Islam nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.
Und auch auf dem Gebiet der Medizin trafen zwei Welten aufeinander: auf der einen
Seite die arabische primitive Volksmedizin, auf der anderen Seite wissenschaftlich
ausgebildete Ärzte, meist syrische und ägyptische Christen, die der hoch stehenden
griechischen Heilkunde verpflichtet waren. In großer Aufgeschlossenheit und in tiefer
Ehrfurcht vor den Gedanken des antiken Griechentums bemächtigten sich die Araber
der für sie neuen und hoch stehenden Kultur, indem sie die antiken Texte übersetzten
beziehungsweise übersetzen ließen. Besonders taten sich so als Vermittler des griechischen Wissens an die Araber nestorianische Christen (Ostsyrer), aber auch Juden
hervor. (Hingewiesen werden muss auch darauf, dass im Laufe der Jahrhunderte ständig Christen im Orient zum Islam übertraten und dadurch eine arabischsprachige
Mischbevölkerung entstand. Der völkische Anteil der Araber an der Bevölkerung des
Orients ist relativ klein, und viele Gelehrte, die die Araber für sich beanspruchen, sind
eigentlich Konvertiten.)
In Damaskus, Bagdad und Antiochia entstanden Übersetzungszentren und Schulen,
die nur damit beschäftigt waren, die antiken Werke ins Arabische zu übersetzen.
Arabisch entwickelte sich zur Gelehrtensprache. Mittelpunkt dieser Übersetzungsschulen und Zentren der geistigen Auseinandersetzung waren die Schulen der Nestorianer von Edessa, Nisibis, Selenkia und Gondishapur. Schon in vorislamischer Zeit
übersetzten sie hier griechische Texte ins Syrische. Nach der Eroberung durch den Islam erfolgte zum Teil die Übertragung vom Syrischen ins Arabische. Die griechischen
Originaltexte gingen bald verloren. (Wir haben heute die Texte griechischer Literatur
weitgehend aus dem Arabischen). Die persische Stadt Gondishapur muß besonders
erwähnt werden. Unter den Nestorianern war hier eine medizinische Hochschule entstanden, die die Verbindung von Praxis und Theorie pflegte. Der klinische Unterricht
und die theoretische Ausbildung an diesem Krankenhaus wurden zum Vorbild für
16
Die Blütezeit der arabischen Medizin
Ihre Blüte erreichte die arabische Medizin bis etwa 1150 nach Christi Geburt. Die
Sprache der Wissenschaft war das Arabische. Aber die großen Ärzte dieser Epoche
waren nicht Araber, sondern Perser, oder sie kamen aus Ägypten, Syrien oder Spanien.
Die Zeit der Übersetzung war vorüber. Alle Werke von HIPPOKRATES, von GALEN und die der byzantinischen Medizin lagen in arabischer Sprache vor. Man kannte
HIPPOKRATES und GALEN in- und auswendig. Es war die Zeit der Verarbeitung,
des kritischen Sichtens, des Annehmens und Abwehrens, des eigenen schöpferischen
Forschens und Beobachtens. Es erscheinen wichtige medizinische Originalwerke, so
das Firdaws al-Hikmah (Paradies der Weisheit) des AL IBN SAHL AL-TABARI (833
- 923), welches neben griechischen auch indische Quellen berücksichtigt.
Rhazes
Bedeutsamer als AL-TABARI war AL-RAZI (865 - 925;
latinisiert RHAZES), der als einer der größten und eigen-ständigsten islamischen Ärzte gilt. RHAZES war
Alchimist, Philosoph und Arzt. Seine Schriften fanden in lateinischer Sprache im Europa des Mittelalters weite Verbreitung und hohes Ansehen. Studenten
und Ärzte drängten in seine Vorlesungen. Wegen seiner Gelehrsamkeit und seines umfangreichen medizinischen Wissens wurde er verehrt.
Der Ruhm RHAZES‘ gründete sich auf seine geniale
Beobachtungsgabe und Beschreibungen von Krankheitsbildern.
Abb 5: Rhazes (865-925)
17
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Wissenschaftliche Medizin
Berühmt wurden seine Abhandlungen über die Pocken und Masern. Ihm gelang eine
Zusammenfassung des gesamten medizinischen Wissens seiner Zeit. Seine Exzerptensammlung wurde das Standardwerk der lateinischen Medizin des Mittelalters (Continenz des RHAZES).
Herzklappen, beschäftigte sich mit Krankheiten wie Windpocken und Masern. Auch
entwickelte er neue Methoden der Diagnostik. So wird zum Beispiel die Methode der
Perkussion (Beklopfen einer Körperwand zur Identifizierung innerer Organstrukturen) auf ihn zurückgeführt, lange bevor sie von LEOPOLD AUENBRUGGER (1722
- 1809) wiederentdeckt wurde. Befasst sich AVICENNAs Al-Quanun mit der Heilung
im körperlichen Bereich, so behandelt sein zweites enzyklopädisches Werk, das Kitab
al-Schita, die Heilung der Seele. In ihm wird beschrieben, wie der Mensch stark und
edel werden kann.
AVICENNA unterscheidet eine theoretische Medizin von einer praktischen. Die praktische Medizin wird nochmals unterteilt in eine vorbeugende und eine heilende.
Avicenna
Den größten Einfluß auf die arabisch-islamische Medizin hatte AVICENNA (ABU
ALI AL-HUSAIN IBN SINA; 980 - 1038), der als Sohn eines Beamten in Balkh in
der Nähe von Buchara (im nördlichen Teil des heutigen Afghanistan) geboren wurde.
Im Alter von zehn Jahren beherrschte er den Koran auswendig, studierte als Knabe ARISTOTELES, widmete sich der Philosophie, der Mathematik, Geometrie und
Astronomie, der Musik und der Jurisprudenz, ehe er im Alter von sechzehn Jahren
das Studium der Heilkunde begann. Insbesondere galt sein Interesse der Anatomie,
Physiologie, Chirurgie und der Krankheitslehre. – Er soll die gesamte damalige Wissenschaft überblickt haben.
Mit einundzwanzig Jahren schrieb er seine erste wissenschaftliche Enzyklopädie. Das Hauptwerk der über
hundert von ihm verfassten Bücher war der Al-Quanun
(Kanon) oder canon medicinae, eine Kanonisierung der
Medizin - ein Werk, das jahrhundertelang vielen Ärzten
und Medizinstudenten als Grundlage diente. Es war der
Höhepunkt der scholastischen Medizin und gleichsam
die Pflichtlektüre aller Mediziner. Nach der Erfindung
des Buchdrucks war es nächst der Bibel das am häufigsten gedruckte Buch; es erlebte dreizehn Auflagen; die
letzte lateinische Gesamtausgabe erschien 1688.
Abb 6: Avicenna als Princeps
Abinsceni mit Krone und Zepter.
Bis in die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts beruhten die Lehrpläne christlicher
Universitäten, selbst im britischen Inselreich, auf den Schriften AVICENNAs. Sein
Name übertraf den der alten griechischen Urväter der Medizin, HlPPOKRATES und
GALEN: Eine mittelalterliche Darstellung zeigt AVICENNA auf einem Thron sitzend,
mit einem Lorbeerkranz geschmückt. Links und rechts von ihm erkennt man GALEN
und HlPPOKRATES, doch als Held und Fürst übertrifft er sie beide.
Im Mittelalter waren Avicenna und Medizin gleichbedeutend. Neben seiner gedanklichen Schärfe und Logik, dem umfangreichen Wissen und seinem medizinischen
Weitblick trug er durch eigene Beobachtungen und Erfahrungen wesentlich zu einer Weiterentwicklung der Medizin bei. So beschrieb er als erster die Anatomie der
menschlichen Augenmuskeln richtig, erklärte das System der Herzkammern und
18
Die medizinischen Leistungen
Der oben erwähnte RHAZES beschrieb als erster zwei neue Krankheitsbilder, die Masern und die Pocken. Augenkrankheiten waren wegen der mangelhaften Hygiene weit
verbreitet. So war gerade das Gebiet der Ophthalmologie der Bereich, auf dem man
neue physiologische, diagnostische und therapeutische Erkenntnisse erlangte. Wieder
war es RHAZES, der als erster die Lichtreaktion der Pupille beobachtete, und IBN ALHAITAN erfasste das Sehen als einen mit der Lichtbrechung zusammenhängenden
Vorgang. Er begründete damit die physiologische Optik. - Im Jahre 1000 wurde bei der
Staroperation erstmals die getrübte Linse herausgezogen, ein revolutionärer Fortschritt
gegenüber dem Starstich, bei dem die trübe Masse nur nach hinten gedrückt wird.
Auch die Pharmakologie erlebte ihren Aufschwung. Kampfer und Mutterkorn sind arabische Heilmittel. Es wurden Verfahren der Destillation, Sublimation und Kristallisation entwickelt. Das Gummi
Arabicum hat aus dieser Zeit
seinen Namen.
Die Geisteskranken werden
in besonderen Abteilungen
der Krankenhäuser gut
versorgt; sie wurden nicht
mehr als Verbrecher eingestuft. Es gab sogar Ansätze
von psychotherapeutischen
Maßnahmen. Die psychisch
Kranken versuchte man
durch Tanz, Musik und
Theater abzulenken.
Abb 7: Besuch des Arztes am
Krankenbett, Avicenna canon
medicinae. bpk / Scala
19
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Wissenschaftliche Medizin
Allein die Chirurgie war und blieb rückständig. Das Schneiden, Bandagieren, Aderlassen und Schröpfen wurde von nicht ausgebildeten Heilern aus dem Volk, von Laien
und Bruchschneidern ausgeübt. Das einzige chirurgische Werk stammt von dem Arzt
ABULKASIM, ein Werk, das nach 1300 in Europa mehr gelesen wurde als bei den
Arabern. Die am meisten geübte chirurgische Tätigkeit der wissenschaftlich ausgebildeten Ärzte war das Kauterisieren (= Brennen) sowohl für innere als auch für äußere
Erkrankungen. Man führte eine Narkose durch, indem man einen mit dem Narkotikum getränkten Schwamm über Mund und Nase hielt.
der guten Krankenhausküche zu gelangen. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes
war unbegrenzt. Das wohl größte und hervorragendste Hospital war das MansurHospital in Kairo. In separaten Stationen lagen die Patienten mit den verschiedenen
Krankheiten. Es gab Säle für Fieberkranke, für Augenleiden, eine besondere Frauenstation, eine Abteilung für Durchfall-Kranke und auch für chirurgische Patienten. Bei
der Entlassung erhielt jeder Patient fünf Goldstücke, um seinen Lebensunterhalt bis
zum Wiedereintritt in den Arbeitsprozess zu bestreiten.
Die Ärzte
Der Verfall der Medizin
Die medizinische Ausbildung geschah in einem Lehrzentrum oder in einem Krankenhaus, auch in privaten Räumen der Lehrer. Überall in der Welt des Islams gab es
Akademien, Schulen, Bibliotheken als selbständige Einrichtungen oder angegliedert
an Moscheen und Krankenhäuser. Am Anfang stand ein grundlegendes Literaturstudium. Dann erfolgte die klinische Ausbildung. Nach erfolgreich beendetem Studium
erhielt man ein Zertifikat.
Die arabischen Ärzte scheuten sich, in die Intimsphäre der Frau einzudringen. Die
Hauptarbeit der Gynäkologie und der geburtshilflichen Praxis geschah deshalb durch
Hebammen.
Ein Ereignis zeigte den langsamen Verfall
der islamischen Macht an – die Eroberung
Bagdads durch die Mongolen 1258. Der
politische und kulturelle Niedergang des
islamisch-arabischen Weltreichs führte
auch zum Verfall der vormals blühenden
islamischen Medizin. Die medizinische
Wissenschaft verlor mit den Jahrzehnten
und Jahrhunderten ihren Schwung. Den
bewährten Werken der Alten fügte man
nichts Neues mehr hinzu. Wissenschaft- Abb 8: Averroes (1126 - 1198)
liche Neugier, Entdeckung und Eroberungsdrang standen still. Autoritäten wie AVICENNA werden unverändert immer
wieder abgeschrieben. Im Gegenteil, man bemühte sich sogar, die medizinische Wissenschaft immer handlicher werden zu lassen. Ganze Kapitel und Abschnitte der medizinischen Lehre wurden weggelassen. Zwar gab es noch große Namen wie AVERROES
aus der Kalifenstadt Cordoba (1126 - 1198), Philosoph, Theologe und Arzt, berühmt
geworden durch seine ARlSTOTELES-Kommentare. Auch sein jüdischer Schüler
MAIMONIDES (1139 -1204) wurde als Mediziner bekannt und berühmt. Er verfasste
Schriften über Diät, Hygiene, Erste Hilfe und übersetzte den Kanon AVICENNAS ins
Hebräische. Sein populäres Buch der Verordnungen ist eine Sammlung von Briefen an
SALADIN, dessen Leibarzt er war. Auch das Morgengebet des Arztes wird MAIMONIDES zugeschrieben, ein Zeugnis einer hohen medizinischen Ethik:
Das Krankenhauswesen
Vorbildlich war die Entwicklung des Krankenhauswesens im Islam dieser Zeit. Es
übertraf den Standard der christlichen Hospitäler des Mittelalters bei weitem. Das
Vorbild des medizinischen Zentrums der Stadt Gondishapur beschrieb ich bereits
(S. 16). Zur wahren Größe ist Gondishapur erst in islamischer Zeit herangewachsen.
Bekannte Hospitäler befanden sich auch in Bagdad, Damaskus und Kairo. Der Arzt
war nicht Nebenfigur wie in den Krankenhäusern des Mittelalters in Europa, sondern
mitverantwortlicher Leiter. Wir hören von Chefärzten. Es fanden regelmäßige Untersuchungen und Visiten der Patienten statt. In Spezialabteilungen wurden die Geisteskranken behandelt.
Lange bevor im achtzehnten Jahrhundert BOERHAAVE (1668 - 1738) seinen klinischen Unterricht in Leyden begann, wurden die Studenten in den Krankenhäusern
unterrichtet. In manchen islamischen Hospitälern waren sogar besondere Räume für
die Vorlesungen eingerichtet. Den Spitälern waren umfangreiche Apotheken und hervorragende Bibliotheken angegliedert. Nach den Grundsätzen RHAZES‘ wurde eine
ausgiebige Kasuistik für Forschungszwecke betrieben. Die äußere Versorgung muss
hervorragend gewesen sein. In Damaskus sollen die Zimmer elegant ausgestattet gewesen sein. Es wird überliefert, dass Gesunde sich krank stellten, nur um in den Genuss
20
„O Gott, lass meinen Geist immer klar und erleuchtet sein. Lass keinen fremden
Gedanken am Krankenbett mich ablenken. Was Ausbildung und Erfahrung
gelehrt haben, soll stets im Denken präsent sein und nicht bei der gelassenen Arbeit
stören. Denn groß und edel sind die wissenschaftlichen Erwägungen, die der Erhaltung
der Gesundheit und des Lebens deiner Geschöpfe dienen.
Halte den Gedanken fern, dass ich derjenige bin, der all dieses vollbringt. Gib mir die
21
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Kraft, den Willen und die Gelegenheit, mein Wissen immer mehr zu erweitern.
Heute entdecke ich Dinge, von denen ich gestern noch nicht geträumt hatte, denn
die Kunst ist groß, aber der menschliche Geist strebt unermüdlich weiter.
Lass mich im Patienten stets nur den Menschen sehen. In deiner Großmut hast du
mich erwählt, über Leben und Tod deiner Geschöpfe zu wachen. Ich bereite mich
auf diese Berufung vor. Steh du mir bei in dieser großen Aufgabe, so dass sie gelingen
möge. Denn ohne deine Hilfe gelingt dem Menschen auch nicht das kleinste Ding.“
Genannt werden muss auch noch IBN AN-NAFIS (1210
- 1288), in Damaskus geboren, der als erster den Lungenkreislauf beschrieb. Er stellte fest, dass die Herzscheidewand undurchlässig ist und widerlegte damit die Theorie
GALENs, der behauptete, ein Teil des Blutes gelange von
der rechten in die linke Herzkammer. Weiter überlegte
IBN AN-NAFIS, dass das Blut aus der rechten Herzkammer in die Lunge gelange, dort mit Luft vermischt werde
und dann wieder in die linke Kammer geleitet werde. Er
beschrieb damit den Lungenkreislauf rund dreihundert
Jahre, bevor WLLIAM HARVEY (1578 - 1657) seine
Theorie des Blutkreislaufs verfasste.
Trotz dieser Höhepunkte kam es zum Stillstand in der
islamisch-arabischen Medizin, ja, zum Rückschritt.
Abb 9: Maimonides (1139 -1204)
Woher rührte dieser langsame und doch unaufhaltsame Verfall der Medizin? Der Eindruck einer blühenden medizinischen Wissenschaft, die souverän das Feld behauptet,
täuscht. Folgende Ereignisse zeigen anschaulich den Konflikt: Da wird berichtet, der
Übersetzer und Gelehrte HUNAIN IBN ISHAQ sei vom Volksmob belästigt und geprügelt worden. Man hört, der große Gelehrte RHAZES sei in seinen letzten Lebensjahren erblindet als Folge der Schläge, die der Kalif in Bagdad ihm verordnete. Und
AVERROES musste auf Befehl des Kalifen von Cordoba im Exil leben. Vom Pöbel
wurde AVERROES fortgejagt, seine Studenten ächteten ihn.
Was war hier geschehen? Der einfache Islam prägte vorwiegend die Volksmassen.
Durch die Begegnung mit dem Gedankengut der antiken Philosophie flossen zwar
liberale Ideen in das Denken, ja, man kann sogar von einer gewissen Aufklärung
sprechen, doch die Orthodoxie ließ sich nicht aufhalten. Sie wuchs zu einer mächtigen selbstbewussten und eigenständigen Kraft. Besonders ab dem elften Jahrhundert triumphierte sie mit dem Erstarken der Turkvölker des Mittleren Ostens, die zum
Bannerträger der Orthodoxie heranwuchsen. Der Konflikt mit der wissenschaftlichen
Medizin trat nun offen zutage.
Sie hatte nicht mehr eine Sonderstellung, sie wurde suspekt. Orthodoxe muslimische
Kreise erwuchsen zu einer stabilen religiösen Opposition gegen die ursprünglich heidnische Medizin. Denn die Quellen dieser arabischen Medizin lagen im heidnischen
22
Wissenschaftliche Medizin
Griechenland. Für die islamische Orthodoxie war die Beschäftigung mit der säkularen
Wissenschaft, die Medizin eingeschlossen, besonders wenn sie am Koran vorbei oder
gar unabhängig von ihm betrieben wurde, unmöglich und trieb sie zum Widerstand.
Hier lag die Spannung: Auf der einen Seite die arabische Medizin mit ihrer Orientierung an der rationalen griechischen Philosophie, auf der
anderen Seite die islamische Religion. Man erwartete von
den arabischen Ärzten, den Islam in ihr medizinisches
Denken und in ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse einzubeziehen. Nicht umsonst beginnt die große Schrift des
IBN AN-NAFIS Über den Lungenkreislauf mit der Anrufung Allahs und MOHAMMEDS. Wurde die Religion
nicht beachtet, erging es den Ärzten wie RHAZES und
AVERROES. Selbst liberale Fürsten ließen gelegentlich
ihre wissenschaftlich orientierten Ärzte und Philosophen
zum Schein züchtigen, um nicht Opfer der religiösen Eiferer zu werden. Für das Volk und für die gläubigen Moslems aber waren die philosophisch gebildeten Ärzte, bei
denen es sich zum Teil ja auch um Christen und Juden Abb 10: Anrufung Allahs in einer
Abschrift des canon medicinae,
handelte, Ketzer, die es zu bekämpfen galt.
1597/98
LICHTENTHAELER führt den Grund dieser Spannungen an: „Dem islamischen Osten fehlte ein THOMAS VON AQUIN (1225 [1226?] - 1274), der die aristotelischneuplatonische Wissenschaft mit der religiösen Orthodoxie hätte versöhnen können.“
Wissenschaft und Glauben standen einander unversöhnlich gegenüber. Der Islam hatte zwar die griechische Medizin und Wissenschaft übersetzt und in sich aufgenommen,
nicht aber die griechische Philosophie. Die religiösen Gegenkräfte der einflussreichen
muslimischen Orthodoxie führten schließlich zu einem anderen medizinischen System, welches uns im nächsten Abschnitt beschäftigen soll. Dieses medizinische System entstand als Gegenpol zur wissenschaftlich orientierten Heilkunde. Es ist die so
genannte Prophetenmedizin.
Zusammenfassung
Schon vor MOHAMMED übersetzten Christen und Juden, besonders Nestorianer, die
griechische antike medizinische Literatur ins Syrische und auch ins Hebräische. Der
sich ausbreitende Islam bemächtigte sich der jeweiligen Gebiete und Länder und auch
der Kulturen. In Übersetzungszentren wurden die antiken Texte des Griechentums
in die arabische Sprache übertragen. Die sprachliche Reise der antiken Texte ist: griechisch-syrisch-hebräisch-arabisch, dann später in Europa lateinisch. Wir haben die
antiken Texte auf diesem Weg erhalten. Nach diesem „Übersetzungsfieber“ (CHEHA23
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Propheten- und Volksmedizin
DE) folgte die Zeit der islamischen Herrschaft, die Zeit der eigenen produktiven Forschung. Es war die arabische Phase, die Blütezeit der Medizin mit dem hohen Standard
im Krankenhauswesen. Der Arzt besaß eine besondere Stellung in der Gesellschaft. Es
war die Zeit von RHAZES und AVICENNA.
Die dritte Phase war der Niedergang der wissenschaftlichen Medizin, zeitgleich mit
dem politischen Verfall. Ein Grund war das Erstarken der islamischen Orthodoxie mit
der Prophetenmedizin im Gefolge.
einem Prinzip verpflichtet: Der Prophet hat in jedem Fall die Wahrheit gesprochen.
Entscheidend für eine Behandlung oder ein medizinisches Problem war, ob man ein
entsprechendes Hadith des Propheten anführen konnte. Die Richtigkeit der wissenschaftlichen Medizin sollte und musste mit Hilfe der Hadithe bewiesen werden und
nicht umgekehrt. In seiner Verteidigung der Prophetenmedizin formuliert MOHAMMED AS-SURRAMARRI charakteristisch: „Ich bin bei der Abfassung dieses Werkes
wie die Rechtsgelehrten (fuqaha) verfahren, indem ich eine Frage aufgeworfen und
anhand des Textes (hadith) Beweise aufgeführt habe. So nenne ich etwa ein Heilmittel
und gebe zunächst an, was die Ärzte darüber gesagt haben, dann gebe ich Beweise
anhand von Aussprüchen und Handlungen des Propheten. Ebenso erwähne ich eine
Krankheit und was über ihre Behandlung bei den Ärzten gesagt ist, danach, was im
Hadith darüber vorkommt“ (DIETRICH).
Im Koran selbst ist wenig von Medizin die Rede. Nicht enthalten sind Wörter wie
Arzt oder Medizin. Im Arabischen unterscheidet man zwischen dem Arzt im engeren
Sinne, dem tabib, und dem hakim, dem Weisen, Arzt, Philosophen und Lebensberater.
Das Wort Krankheit findet man häufig im Koran, allerdings im übertragenen Sinne,
als Metapher. Krankheit ist Bezeichnung für Unglaube, Heidentum und Misstrauen
dem Islam gegenüber (Sure 2,10/9; 5,52/47). Begriffe der Kranke, die Kranken, krank
kommen achtmal im Koran vor, immer im Zusammenhang mit rituellen Vorschriften:
Ein Kranker braucht dies oder jenes nicht zu tun (z. B. Sure 2,184/180 und 196/192).
Das Wort heilen finden wir einmal, den Begriff Heilung dreimal (17,82/84), auch hier
als Metapher: „Wenn ich krank bin, so heilt er mich.“ Von Heilung im medizinischtherapeutischen Sinne lesen wir einmal in Sure 16,69/71.
Daneben führten andere, bisher noch nicht erwähnte Umstände zum Niedergang: So
die zunehmende Verquickung von Astrologie und Magie mit der Medizin. Ein äußerer
Grund bestand in der Zerstörung der medizinischen Zentren durch die Mongolen.
Auch begnügte man sich, das Erreichte zu bewahren und meinte, in den Enzyklopädien sei schon alles medizinische Wissen enthalten.
Schöpferisches Handeln und Denken fehlten. So wurde es zum erklärten Ziel, die medizinische Literatur immer handlicher und bequemer zu gestalten: je weniger, desto
besser. Als Gegenbewegung zu dieser erstarrten wissenschaftlichen Medizin prägte die
Prophetenmedizin die folgenden Jahrhunderte.
Die Prophetenmedizin
Aus verstreuten, MOHAMMED zugeschriebenen Bemerkungen über Krankheitsursachen und Heilmethoden entwickelte sich die so genannte Prophetenmedizin, die
auch heute noch, besonders in den ländlichen Gebieten der islamischen Länder, angewendet wird. Grundlage dieser Medizin ist die Volksmedizin der Beduinen, die um
die medizinischen Aussprüche und Kommentare des Propheten (die sogenannten Hadithe) erweitert wurde. Die Zahl der medizinischen Hadithe war begrenzt. Deshalb
fanden zahlreiche gefälschte Hadithe Eingang in die Traditionssammlungen. ULLMANN bemerkt hierzu: „Auf diese Weise wurden alter medizinischer Volksbrauch,
Aberglaube und Amulettzauber religiös geweiht und übertüncht und mühsam in den
Rang einer `Wissenschaft` erhoben.“
Gefördert wurde die Prophetenmedizin von der islamischen Orthodoxie als Abwehr
gegen das heidnisch-griechische Medizinsystem GALENs. Noch ein weiterer Grund
muss genannt werden. Viele führende Ärzte an den Kalifenhöfen und manche herausragenden Gelehrten und Vertreter dieser wissenschaftlich-hellenistischen Medizin
waren Christen oder Juden, ein Grund mehr, ihnen mit Ablehnung und Feindschaft
zu begegnen. Die Prophetenmedizin sollte diese nicht-islamische, heidnische und
fremde Heilkunst abwehren. Medizinisches Handeln musste nun nicht mehr begründet werden. Der Heilende, ein Laie, ein Rechtsgelehrter oder Theologe, orientierte
sich an keinem medizinischen System, sondern war, wie BÜRGEL formuliert, nur
24
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Heilungswunder Jesu besondere Bedeutung finden, obwohl sonst Wunder kaum eine Bedeutung haben. Berichtet wird über
die Heilung der Blinden und Aussätzigen und über die Auferweckung von Toten
(5,109/110). Über Wunder MOHAMMED´S hören wir im Koran nichts. Für sich
selbst hat er Wunder abgelehnt. Damit wird Jesus eine Schöpferkraft und eine Macht
beigemessen, wie sie sonst niemandem - auch nicht MOHAMMED -, außer Allah
selbst zugesprochen wird, urteilt BOUMAN.
Sucht man nach einem Grund für die Krankheiten, so findet man in der berühmten
Hadith-Sammlung des BUCHARI hierzu: „Mit jeder kleinsten Verletzung, sei es auch
nur durch einen Splitter, sühnt der Gläubige eine seiner Sünden.“ Krankheit wird
durchaus positiv gesehen, gleichsam als Verdienst. Krankheit und Leiden sind göttliche Auszeichnung. Die Ursache der Krankheit kommt von Allah selbst. Dies hat
in der islamischen Mystik (Sufismus) dazu geführt, dass man auf Heilbehandlungen
verzichtete. Nach dem berühmten Mystiker und Philosophen AL-GHAZALI (1058
- 1111) ist die Krankheit eine Erfahrung, „durch die den Menschen das Wissen um
Allah zuteil wird, denn Er sagte: „Krankheiten sind meine Diener, die ich auserwählten Freunden schenke.“
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II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Propheten- und Volksmedizin
Im Schrifttum des Sufismus werden Empfehlungen zur rechten Ernährung und zum
Fasten als Konzept der Gesundheitsvorsorge weitergegeben. Danach gibt es Traditionsrichtungen, die die Schöpfung in verschiedene Entwicklungsstufen einteilen, beginnend mit der untersten Entwicklungsstufe, dem menschlichen Egoismus, bis hin
zur höchsten, der Vereinigung mit Allah. Der Mensch soll sich vom Zeitpunkt der
Geburt an bemühen, die Seele fortzuentwickeln, wobei nicht der Körper als solcher
es sei, der diese Stationen durchlaufe, sondern die Seele. Allerdings durchläuft nicht
jeder Mensch alle Stufen; mancher bleibt wie ein kleines Kind auf der ersten Stufe
der Eigenliebe, des Eigendünkels stehen. Den einzelnen Stationen werden bestimmte
Krankheiten zugeordnet. Furcht, Angst, Selbstzweifel, Eigensucht, Depression, aber
auch Alkoholismus, Fettleibigkeit, Blindheit, erhöhter Blutzuckerspiegel, Krebs und
so weiter werden nach diesen Vorstellungen darauf zurückgeführt, dass die Menschen
noch auf der ersten Stufe der Entwicklung der Seele stehen geblieben seien.
Alle Erkrankungen werden auf eine falsche Ernährung zurückgeführt. Folglich spielt
die Diät eine entscheidende Rolle. Durch Beachtung dieses Gebotes erübrige sich die
ganze wissenschaftliche Medizin. Auch andere volkstümliche Ratschläge sind bezeichnend: „Reiset, und ihr bleibt gesund.“
Wenn man sich auf der zweiten Stufe, der Station des Herzens, befindet, äußert sich
dies an anderen Erkrankungen, zum Beispiel in so genannten geistigen Leiden wie
Depression, starkem Ärger, Arroganz, Vergesslichkeit. Als körperliche Krankheiten
können auftreten: Kopfschmerzen (besonders Migräne), Durchfall, Erbrechen, Fieber
und so weiter.
Sobald man die sechste Stufe erreicht hat, die Stufe der Vereinigung mit Allah, gibt es
keine physischen Leiden mehr. Es geht in diesem Zustand nur noch um die Bestimmung der Todesart. Diese wahren Sufis sterben, ihrer Überzeugung nach, an keiner
Krankheit, sondern werden vom Todesengel über den genauen Todeszeitpunkt informiert und können sich entsprechend vorbereiten. MOHAMMED selbst ist diese passive Haltung wohl nicht zuzuschreiben. Ein Hadith lautet: „Gott schickt keine Krankheit, ohne auch die Arznei dafür herbeizusenden.“ Um auch ganz sicherzustellen, dass
man nicht abwarten muss, bis Allah nun auch die Medizin schickt, sondern aktiv den
Heilungsprozess fördern kann, wurde das Hadith später erweitert: „Ein Gefährte des
Propheten erkrankte während der Schlacht von Uhud. Da ließ der Prophet zwei in
Medina anwesende Ärzte zu ihm kommen und bat sie, ihn zu behandeln. Sie sagten:
,O Gesandter Gottes, in der Djahiliya [Zeit vor dem Islam] pflegten wir zu behandeln und allerlei Praktiken anzuwenden. Seit aber der Islam kam, gibt es doch nur
noch Gottvertrauen.‘ Er aber sprach: ,Behandelt ihn; denn Er, der die Krankheiten
herschickt, schickt auch die Arznei herab und legt dann die Heilung herein!‘ So behandelten sie ihn, und er genas.“
Die Volksmedizin im Islam
Jede Religion hat kultur- und ortsspezifische Lebensäußerungen in sich verarbeitet.
Dabei handelt es sich um die vom Volk gelebte Religion; denken wir etwa an die Heiligenkulte im Raum der römisch-katholischen Kirche. Ebenso lassen sich solche Äußerungen des religiösen Lebens im protestantischen, orthodoxen oder koptischen Bereich finden. Besonders stark finden sich Elemente der Volksfrömmigkeit im Islam.
Die Beduinen der vorislamischen Zeit glaubten an die Nymphen und Satyrn, jene
Geister der Wüste. Das Ägypten des Altertums, der Pyramiden und Pharaonen war das
Land der Amulette. Im Babylonien und Assyrien der Vorzeit spielten Beschwörungsformeln und -rituale, Zauber- und Segenssprüche eine besondere Rolle. Ein Volk, in
dem seit Jahrtausenden solche Praktiken und Lebensäußerungen fest verankern sind,
wird diese nicht ohne weiteres ablegen und preisgeben können und wollen.
Die Anhänger des Islams übernahmen die vorgefundenen Beschwörungsformeln,
die Amulette unterschiedlichster Art, den Glauben an die vielen Geister. Kurz, das
magische Weltbild jener Zeit fand ungehinderten Eingang in die offiziellen Lehren
des Islams. Das erleichterte auch vielen Menschen den Übertritt von ihrer alten Religion in die neue Glaubensgemeinschaft des Propheten. So ist der islamische Volksglaube geprägt von babylonischen, assyrischen, altsemitischen, hellenistischen, auch
indischen und christlichen Einflüssen. Wallfahrtswesen, Heiligenverehrungen, heilige
Bäume und Wälder, Höhlen und Gräber, kunstvolle Amulette und so weiter sind als
religiöse Ausdrucksformen des Volkes stark entwickelt und auch heute, gerade in den
ländlichen Gegenden aller islamischer Staaten und Ethnien, weit verbreitet.
Kranke zu besuchen ist eine Pflicht. „Speist den Hungrigen, besucht den Kranken,
steht dem Geplagten bei.“ Auch Heiden können besucht werden. Man fordert sie dann
aber auf, den Islam anzunehmen. MOHAMMED vollzog bei Kranken häufig rituelle
Waschungen und gab dann das Waschwasser als Heilzauber zu trinken. Der Kernsatz
der Prophetenmedizin findet sich in Sure 7,31: „Esst und trinkt und schweift nicht aus.“
Manchmal ist dieser Volksglaube auch ein verbindendes Element bei Angehörigen
der verschiedenen Religionen. KRISS weist darauf hin, dass das Amulettwesen über
die koptische Kirche in den Islam geflossen sei, und von BLISS erfahren wir, dass auch
heute noch muslimische Würdenträger Amulette für Christen und koptische Priester
solche für Muslime schreiben. Beide Gruppen ließen sich auch kaum unterscheiden,
wenn es um die Anwendung magischer Praktiken bei der Bestellung der Äcker gehe.
Es sollen hier nur ganz kurz einige Gebräuche erwähnt werden*: Heilzauber und
Magie sind in der medizinischen Gedankenwelt MOHAMMEDS von einer gewissen
Bedeutung, wenngleich der Prophet eine schwankende Meinung vertrat. Seine Äußerungen und Ansichten waren wechselweise von den vorislamischen verschiedenen
Vorstellungen geprägt. Amulette und Zauberformeln dienen als Schutzmittel gegen
26
* Eine unerschöpfliche Quelle ist immer noch die Darstellung von KRISS / KRISS-HEINRICH.
27
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Reislamisierung der Medizin
den bösen Blick, gegen Schlangen, Skorpione, als Abwehr von Krankheiten und Dämonen. Die Amulette haben die unterschiedlichsten Formen. Es gibt Exemplare, die
handwerklich kunstvoll aus Edelmetall verarbeitet sind, verziert mit Gravuren; andere sind aus Holz, Stoff, Knochen oder Leder. Auch Steine, Speckstein, Hämatit oder
Alaun werden verwendet, ebenso wie Getreidekörner, Goldmünzen und Glasperlen.
Der Beschreibung von KRISS entnehme ich ein Beispiel für ein Amulett, das kleine
Kinder vor der Qarina, einer im gesamten islamischen Bereich gefürchteten Dämonin, die für den Tod von kleinen Kindern und für die Unfruchtbarkeit ihrer Mutter
verantwortlich gemacht wird, schützen soll.**
ist ebenso eine Form zur Sicherung der Gesundheit wie die medizinische Therapie.“
Es muss aber auch hervorgehoben werden, dass der Anspruch der Prophetenmedizin
kritisiert und bezweifelt wurde, so durch IBN CHALDUN (+ 1406) und auch IBN ALCHATIB. Aber den Einfluss der Prophetenmedizin konnten sie nicht aufhalten.
Es ist nicht verwunderlich: Wenn eine solche Volksmedizin Einfluss auf die wissenschaftliche Medizin gewinnen kann, ist deren Verfall eine Frage der Zeit.
Die Islamisierung der Medizin hatte begonnen – Aufbruch in die Vergangenheit?
Auch viele Krankheiten der Kinder wie Brechdurchfall, Keuchhusten, Krämpfe, Hirnhautentzündung, unaufhörliches Schreien schreibt man der Dämonin zu, die für die
Kinder bis zum siebenten Lebensjahr gefährlich bleiben kann. Das Amulett, das man
dem neugeborenen Säugling zum Schutz umhängt, befindet sich in einem kleinen
Säckchen und enthält zum Beispiel Anis, Koriander, Nigella, Bohnen, Erbsen und Getreide sowie die getrocknete Nabelschnur des Kindes, ein Stück arabisches Brot und
einige Körner Salz. Auch können ein Stück der Kerze, die bei der Feier der Namensgebung verwendet wurde, und eine kleine Münze enthalten sein. Der Heilzauber wird
zum Beispiel im Aufsagen von Schutzgebeten (Suren 113 und 114), eventuell verbunden mit magischen Praktiken, etwa dem Blasen in die vier Himmelsrichtungen, bestehen.
Die Reislamisierung der Medizin
Handfeste magische Rituale sind auch in den Hadithen und im Fiqh (religiöses Recht)
verankert. Der böse Blick und der Neid spielen eine ganz besondere Rolle. Nach allgemeinem Volksglauben - nicht nur im Vorderen Orient, sondern in Afrika überhaupt sterben zwei Drittel der Menschen an den Folgen des bösen Blicks (KRISS). Der Mensch
stirbt nicht etwa an den Folgen irgendeiner naturwissenschaftlich erklärbaren Erkrankung, wie zum Beispiel Malaria oder Mangelernährung, sondern am bösen Blick. Man
kann sich vorstellen, wie schwierig präventive und promotive Gesundheitsarbeit vor
diesem Hintergrund werden kann.
Der allgemeine Aufbruch des Islams unserer Tage hat auch die Medizin erfasst. Im
Januar 1981 fand in Kuwait die Erste internationale Konferenz für islamische Medizin
statt. Bereits ein Jahr später, im März 1982, wurde ein zweiter Kongress abgehalten,
ebenfalls in Kuwait. Die Ergebnisse der ersten Tagung schlagen sich in dem Islamic
Code of Medical Ethics nieder. Diese so genannte Kuwaiter Deklaration ist eine zwanzigseitige Erläuterung der Prinzipien und Inhalte einer islamischen Medizin. Veröffentlicht wurde die Deklaration weltweit, unter anderem im World Medical Journal
und in Auszügen auch im Deutschen Ärzteblatt, dem Standesorgan aller bundesrepublikanischen Humanmediziner (s. S. 30). Die Konferenz zur islamischen Medizin,
1983 in Teheran unter dem Zeichen AVICENNAS abgehalten, wurde bereits erwähnt
(s. S. 5; 12).
Hinter den Verlautbarungen, Konferenzen und Tagungen steht die erklärte Absicht,
das eigene medizinische Erbe wiederzubeleben. Koran und Moschee, Imam und Mullah sollen wieder mit in das Gesundheitskonzept und in die Heilmethoden einbezogen
werden. Man wird an die Zeit erinnert, als eine misstrauische orthodoxe Geistlichkeit
die wissenschaftliche Medizin der griechischen Heilkunde mit Erfolg zurückdrängte.
War es damals die heidnische Medizin GALENs, auf die man Einfluss nahm, so ist es
heute die westliche Schulmedizin, deren Quellen und Grundlagen im so genannten
christlichen Abendland liegen.
Wir müssen auch den Schriftzauber erwähnen. Koranverse oder Prophetenworte wurden auf ein abwaschbares Material geschrieben, eventuell einen Teller. Die Schrift wird
abgespült und das Spülwasser als Heiltrank verabreicht. Diese Praktiken haben sich im
Laufe der Jahrhunderte nahezu unverändert gehalten. Magie und Aberglaube geschehen nicht im Verborgenen, sondern werden religiös gerechtfertigt und sind fester Bestandteil der offiziellen volksmedizinischen Praxis im Islam oder der Prophetenmedizin.
Der eben zitierte Brauch, die mit Tinte niedergeschriebenen Koranverse abzuwaschen
und das Waschwasser als Heiltrank zu sich zu nehmen, wurde von AHMAD IBN HANBAL, dem Begründer der strengsten der vier islamischen Rechtsschulen, ausdrücklich
gebilligt. Die Medizin wurde so auf die Ebene der Magie herabgezogen. SUYUTI formulierte: „Das Rezitieren von Beschwörungsformeln und das Tragen von Amuletten
Die drei Pfeiler der islamischen Medizin
Ansatzpunkt der islamischen Medizin der Neuzeit ist die bewußte Einbeziehung
des Glaubens in die Heilkunde. Man kann dies als den ersten Pfeiler der islamischen
Medizin bezeichnen. So erklärte 1982 Dr. ABDUL RAHMAN AL-AWADI, kuwaitischer Gesundheitsminister, die islamische Medizin sei der modernen Medizin gegenüber im Vorteil, „als sie geistliche und religiöse Aspekte mit einbezieht.“ Durch
den Koran werde die Seele des Menschen bereichert, der Mensch erhalte eine geistige Führung.
Der zweite Pfeiler der heutigen islamischen Heilkunde orientiert sich an der Ganzheit
des Menschen. Der Mensch soll als ein Ganzes, als eine Einheit angesehen werden;
28
** KRISS/ KRISS-HEINRICH, Bd. 2, S. 22f
29
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Reislamisierung der Medizin
es soll nicht nur das erkrankte Herz oder die erkrankte Lunge behandelt werden.
Der westlichen Medizin wird vorgeworfen, sie befasse sich nur mit den einzelnen
Symptomen und lasse die geistig-seelisch-körperliche Ganzheit des Menschen außer Acht.
Die dritte Säule ist die Verwendung von Heilkräutern. Man will an die lange Tradition der Erforschung von Heilpflanzen anknüpfen. Überall in der islamischen Welt
werden Forschungsinstitute geplant und gebaut, in denen einheimische Pflanzen auf
ihre pharmakologische Wirksamkeit hin untersucht werden sollen. Die führenden
Forschungseinrichtungen stehen heute im indisch-pakistanischen Raum. So ist das
Research Institute of Chemistry in Karachi unter der Leitung von SALIMUZZAMAN
SIDDIQUI, dem Entdecker der Rauwolfia-Alkaloide, zu nennen.
Über den medizinischen Fortschritt
Es gilt das Prinzip, dass eine Maßnahme, die dem Wohl des Menschen dient, auch
die Zustimmung Allahs finden wird. Wissenschaftliche Forschung, Bluttransfusion,
Organverpflanzung sind erlaubt, nicht jedoch grausame Tierversuche.
Die Kuwaiter Deklaration (1981)*
Einige Schwerpunkte der Erklärung von Kuwait sollen erwähnt werden.
Definition des ärztlichen Berufs
Das medizinische Wissen kommt von Allah. Das Studium der Medizin offenbart die
Zeichen Allahs in seiner Schöpfung, und die Ausübung der Medizin, welche die Gnade
Allahs über seine Geschöpfe bringt, ist ein Akt der Anbetung und der Nächstenliebe.
Die Beschäftigung mit medizinischen Fragen ist Dienst für Allah. Der Arztberuf stellt
so hohe ethische Anforderungen, dass er sich nicht persönlichen, sozialen, politischen
und militärischen Verhältnissen unterordnen darf. Der Arzt darf sich über bestehende Einschränkungen des islamischen Rechtes hinwegsetzen. Es ist keine Sünde, den
menschlichen Körper, ob tot oder lebendig, anzusehen und zu untersuchen, sofern
dabei der ihm gebührende Respekt gewahrt bleibt. Auch darf sich der Arzt über das
Verbot hinwegsetzen, den Intimbereich des menschlichen Körpers zu untersuchen.
Wenn kein muslimischer Arzt zu erreichen ist und wenn es der Zustand des Patienten
verlangt, kann auch ein nicht-muslimischer Arzt konsultiert werden. In der Rechtsprechung gibt es eine Regel, nach der Notwendigkeit über Verbot geht.
Die Eigenschaft des Arztes
Allah hält durch den Arzt Leben und Gesundheit aufrecht. Der Arzt muss deshalb
an Allah glauben und seine Gebote einhalten. Er soll keinen Unterschied zwischen
Armen und Reichen machen. Eine kostenlose Krankenbehandlung kann als Pflichtabgabe verstanden werden. Der Arzt soll ein Instrument der Gnade Allahs sein. Um
sich wissenschaftlich auf dem Laufenden zu halten, besteht für ihn die Verpflichtung,
fortwährend sein Wissen und seine Fähigkeiten zu verbessern.
Die Heiligkeit des menschlichen Lebens
Der Islam untersagt Abtreibung (S. 33) und Sterbehilfe aus Mitleid. Der Arzt soll jedoch
seine Grenzen kennen und keine heroischen Maßnahmen zur künstlichen Verlängerung des Lebens unternehmen, wenn der Mensch nicht mehr gerettet werden kann.
30
*s. I.it.-Verz.
Arzt und Gesellschaft
Der Arzt besitzt eine erzieherische Aufgabe zum Wohle des Volkes.
Erneuerung der Prophetenmedizin
Doch auch die Prophetenmedizin soll wiederbelebt werden.
Diese Bestrebungen treten heute besonders in der islamischen Mystik [Sufismus] zutage, ebenso im Fundamentalismus. Wenn man die Literatur zum Thema Islamische
Medizin durchsieht, gewinnt man den Eindruck, dass die praktische Ausübung der religiösen Erneuerung der Medizin erst in Ansätzen vorhanden ist, vieles ist noch bloße
Theorie. Im Iran KHOMEINIs scheint sich die Wiederbelebung der Prophetenheilkunde und die Abkehr von der westlichen Schulmedizin am deutlichsten zu vollziehen.
„Diese verdammten Ärzte sollen zur Hölle gehen. Wir haben begabte Theologiestudenten in Feysi Yeh [eine theologische Schule in Ghom]. In vier Monaten werden sie
zu guten Ärzten erzogen sein“, sagte KHOMEINI in einer im Jahre 1979 gehaltenen
Rede. Den Gläubigen wurde von KHOMEINI eine Reihe von Büchern als Lektüre
dringend empfohlen. Die dort enthaltenen Praktiken seien Richtschnur für das medizinische Handeln. Unter anderem ist dort zu lesen: „Das Schneiden der Fingernägel
an Feiertagen beugt Lepra und Blindheit vor“, oder „Trage keine schwarzen Schuhe, sie
schwächen Sehkraft und Potenz, gelbe Schuhe fördern Sehkraft und Potenz.“ Der Rat
bei Hämorrhoidenbeschwerden: „Schreibe Ya-sin sura [ein Teil aus dem Koran] auf
ein Blatt Papier, wasche dieses Papier und trinke anschließend das Wasser.“
Der Weg zwischen gestern und morgen
Die gemäßigten und liberalen Kräfte der Reislamisierung suchen eine Synthese zwischen der Schulmedizin des Westens und den islamischen Werten. Negative Auswirkungen unseres westlichen medizinischen Systems will man nicht übernehmen. Die
islamischen Staaten haben sehr genau erkannt, dass mit der zunehmenden technischwirtschaftlichen Entwicklung ihrer Länder auch alle Nachteile der westlichen Gesellschaft und vor allem auch der westlichen Medizin eingeschleppt werden, einschließlich der so genannten Zivilisationserkrankungen. Deshalb gilt für die studentische
Jugend das Motto: „Lernt vom Westen, lernt Sprachen, Wissenschaft, Technik, aber
achtet auf eure islamische Identität.“ Westliches Know how soll den Standard der islamischen Medizin heben. Mit Hilfe führender Fachleute aus Europa und Amerika sollen hochqualifizierte Forschungsstätten eingerichtet werden, in denen die islamische
traditionelle Medizin und Arzneikunde durch islamische Wissenschaftler erforscht
31
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Reislamisierung der Medizin
werden soll. Wo möglich und nötig sollen modernste Kliniken entstehen und die neuesten Techniken angewandt werden, so zum Beispiel in Saudi-Arabien und Kuwait.
Aber überall wird Wert auf den sichtbaren Bezug zum Koran gelegt. Mittelpunkt der
Laboratorien und Kliniken sind die Moschee und der islamische Tagesablauf mit den
Gebetszeiten. Stütze aller therapeutischen Bemühungen ist das Gebet. Denn „Medizin
ist Anbetung“, so heißt es in der Kuwaiter Deklaration. Die neuere islamische Medizin
legt ihr Hauptgewicht auf die präventive Medizin. Eigentliche Aufgabe des Arztes sei
es, Menschen durch vorbeugende Maßnahmen gesund zu erhalten. Der Arzt müsse
Lebensführer und -berater sein. Hier versage die westliche Heilkunde, indem sie ausschließlich kurativ orientiert sei.
nigsten entwickelten Staaten).* In der von der UN-Vollversammlung 1978 festgesetzten Liste der achtundzwanzig ärmsten Länder dieser Erde befinden sich immerhin
ein Drittel islamische Staaten, zum Beispiel Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad, Sudan,
Bangladesh, VR Jemen, die Malediven. Andere islamische Staaten mit nicht minder
großen wirtschaftlichen Problemen sind nicht aufgeführt, wie Mauretanien, Ägypten,
Pakistan. In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit von den Kolonialstaaten war
das Gesundheitssystem dieser Länder nach westlichen Maßstäben ausgerichtet: eine
arzt-orientierte, kurative Medizin, die besonders die Städte versorgte. Dieses System
war von den jungen Nationalstaaten übernommen worden. Die westliche Schulmedizin konnte wegen der immer höher werdenden Verschuldung der Länder der „Dritten“ Welt und wegen der Bevölkerungsexplosion die medizinischen Grundbedürfnisse
der Menschen nicht sichern. Als Ausweg hat die WHO besonders auf der Konferenz
von Alma Ata 1978 empfohlen, in der Gesundheitsversorgung das Schwergewicht auf
präventive Maßnahmen und auf Förderung und Erforschung der traditionellen Heilkunde zu legen. Aufgrund dieser Beschlüsse dürfte die islamische Heilkunde kräftigen Aufwind und Rückendeckung erhalten haben, die präventive Medizin zu fördern,
ebenso für die Einbeziehung der Hakims, der traditionellen islamischen Heiler. Es gibt
wohl kaum ein islamisches Dorf, das nicht seinen Hakim hat. Was liegt näher, als diese
in die Konzepte der neuen Entwicklungsmedizin hineinzunehmen. Eine breite Einführung des westlichen medizinischen Systems kommt in den islamischen „Drittweltländern“ - von den religiösen Fragen einmal abgesehen -allein schon aus finanziellen
Gründen nicht in Frage. Man hat auf islamischer Seite errechnet, dass man für das
Konzept der traditionellen Heilkunde nur zehn Prozent der Kosten aufbringen muss,
die ein Gesundheitssystem nach westlichen Vorstellungen erfordern würde. So hofft
man durch die Einführung der traditionellen islamischen Heilkunde und durch die
offizielle Beteiligung der Hakims, die Gesundheitsprobleme dieser Länder besser lösen zu können. Saudi-Arabien unterstützt mit großem finanziellem Aufwand solche
Basisgesundheitsprogramme.
Praktische Auswirkungen dieser modernen Richtung der islamischen Medizin bekommen wir gelegentlich in unseren medizinisch-wissenschaftlichen Zeitschriften
zu sehen. So erschien ein Artikel über das Fasten als vorbeugende Gesundheitsmaßnahme im Deutschen Ärzteblatt von einem im Westen ausgebildeten pakistanischen
Psychiater. Es war ein Versuch, mit modernen schulmedizinischen Methoden die alten Erfahrungsregeln und Gesundheitsvorschriften des Propheten zu belegen, immer
mit Bezug auf den Koran.
Ursachen der Reislamisierung der Medizin – ein Versuch der Erklärung
Die Bemühungen der Reislamisierung der Medizin haben mehrere Ursachen. Zum
einen mag die Sehnsucht nach einer erneuten großen arabischen Epoche in den Wissenschaften, und besonders in der Heilkunde, eine Rolle spielen. Man möchte an die
glorreichen Zeiten eines RHAZES und eines AVICENNA anknüpfen. Auch sind in
den letzten Jahren die Grenzen der westlichen Medizin zunehmend deutlich hervorgetreten. Die immer rasanter sich entwickelnde Technisierung und Spezialisierung
der medizinischen Wissenschaften bringt nicht nur Segen, sondern stellt die Gesellschaft vor neue ethische Probleme und finanzielle Belastungen. Dabei droht der kranke Mensch das Opfer einer fragwürdigen Apparatemedizin und Hochleistungspharmazie zu werden. Für den Islam stammt diese Medizin des Abendlandes aber aus dem
„christlichen“ Europa und Amerika: eine Medizin, die Abtreibung nicht nur toleriert,
sondern aktiv betreibt, die den Bezug zur Religion verloren hat und die den Kranken
nicht mehr als eine funktionale Einheit sieht. So ist es nicht verwunderlich, wenn es zu
einer Umorientierung und Rückbesinnung auf eigene islamische Werte kommt. Der
Dreiklang der islamischen Medizin Glaube, Ganzheit und Naturheilkunde ist die islamische Antwort auf die Schwachstellen unserer westlichen Hochleistungsmedizin.
Die Abkehr von der westlichen Medizin mag auch in der Erkenntnis begründet sein,
dass die abendländische Heilkunde nicht in der Lage ist, die dringendsten Probleme
der Gesundheitsversorgung in den Entwicklungsländern zu lösen. Viele islamische
Staaten zählen zu den so genannten LLDC (least developed countries = die am we32
Geburtenregelung und Familienplanung im Islam
Auch in den islamischen Ländern Afrikas und Asiens spielt die Bevölkerungszuwachsrate (durchschnittlich 2,3 - 2,8% im Jahr) eine immer wichtigere Rolle. Die
Einwohnerzahl Ägyptens zum Beispiel steigt alle zehn Monate um eine Million Menschen. Das enorme Anwachsen der Bevölkerung stellt die Staaten vor wirtschaftlich,
gesundheits- und bevölkerungspolitisch bedeutsame Fragen und Probleme, bei denen
Lösungen nicht in Sicht sind.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme zur Geburtenkontrolle und Abtreibung im Islam.** Einheitliche Verlautbarungen gibt es nicht, wohl aber
eine offizielle Forderung der Islamic Conference Organization (ICO). Man fordert die
* Als Schwellenwerte für die Einordnung in ein LLDC-Land gelten ein Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 100 US-Dollar, 10% BIP-Anteil der industriellen Produktion und 20% Alphabetisierungsquote der Altersgruppe über 15 Jahre.
**Vgl. KHOURY, Abtreibung, S. 241, und Gräf, S. 209-232
33
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Menschenbild und Medizin
Rückkehr zu den strengen islamischen Lehren, die eine Abtreibung verbieten, und
die Änderung bestehender liberaler Gesetze, die die Abtreibung tolerieren. Bemerkenswert ist die Stellungnahme der modernen Rechtsgelehrten, die sich gegenüber
den klassischen Rechtsschulen konservativer gibt. Die Angehörigen der klassischen
Rechtsschulen lassen durchaus eine Abtreibung vor dem vierten Monat zu. Dagegen
wird heute gefordert, die Abtreibung auch schon vorher grundsätzlich zu verbieten.
Man argumentiert, der Mensch sei von Beginn der Zeugung ein Geschöpf Allahs und
als solches vom Zeitpunkt der Zeugung schutzwürdig und schutzbedürftig. In keinem
Stadium seiner Entwicklung, auch nicht unmittelbar nach der Zeugung, könne über
das menschliche Leben verfügt werden. Zu jeder Zeit sei der Mensch Sklave, Diener
und Eigentum Allahs. Daher habe niemand das Recht, auch die Eltern nicht, menschliches Leben zu töten.
Bösen. Wenn es ihm gut geht, vergisst er die Wohltaten Allahs und Allah selbst. Er
wird ungeduldig, undankbar, streitsüchtig und verfällt in ein sündhaftes Leben. Zwischen diesen beiden Polen verläuft das menschliche Leben. Trotz der hohen Würde,
die der Islam dem Menschen zugesteht, besteht eine nicht zu überbrückende Distanz
zwischen Allah und seinem Geschöpf. „Gott ist Gott, und Theologie ist die Lehre von
Gott allein. Der Mensch ist daher kein Thema für islamische Theologie. [...] Die islamische Anthropologie gehört vielmehr in den Bereich des islamischen Rechts (fiqh).
Gut und Böse ist inhaltlich durch göttliche Setzung in der Offenbarung festgelegt, und
es liegt am Menschen, an seinem guten Willen, sich daran zu halten.“*
Die Entwicklung geht immer mehr dahin, diese Position als rechtsverbindlich anzunehmen. Eine Schwangerschaftsunterbrechung ist nur dann zulässig, wenn mit Sicherheit feststeht, dass Leib und Leben der Mutter in Gefahr sind und wenn das Leben der
Mutter nicht anders als durch Abtötung des Kindes gerettet werden kann. Nach dem
Prinzip, dass man von zwei Übeln (Tod des Kindes oder Tod der Mutter) das geringere
zu wählen hat, muss auch der Arzt vom Erfolg des Eingriffs überzeugt sein.
Man findet nur wenige Äußerungen zum Thema Leiden im Islam.** Das erscheint
erklärlich angesichts des Menschenbildes im Koran. Denn das Leiden des Menschen
ist keine Angelegenheit Allahs. Es berührt ihn in keiner Weise, ob ein Mensch leidet. Es gibt somit keinen Grund für die islamische Theologie, sich mit den Leiden
der Menschen zu beschäftigen. Die Distanz zwischen Allah und den Menschen ist
zu groß, als dass Allah mit irgendeinem Menschen mitfühlen und mitleiden könnte.
Zwar gibt es Interpretationsversuche, Leiden und Krankheit irgendwie erklärbar und
tragbar werden zu lassen. Doch ist der Mensch in seinem Fragen und Suchen auf sich
allein gestellt. Der Gläubige bleibt einsam (s. a. S. 43 f).
Der Grund für die liberalere Position der klassischen Rechtsschulen mit ihrer differenzierten Haltung zum Thema Abtreibung liegt an dem so genannten Einhauchungsprinzip der Seele. Eine Abtreibung ist demnach nur bis zur Einhauchung der Seele
(nach islamischer Vorstellung gewöhnlich im vierten Monat nach der Empfängnis)
erlaubt. Tunesien und Marokko haben eine weniger streng ausgelegte Gesetzgebung
bei der Abtreibungspraxis, verglichen mit den übrigen islamischen Staaten. Durch besondere Verfügungen wird aber die unkontrollierte und willkürliche Abtreibung verhindert. Tunesien sieht seine Abtreibungspraxis als ein Mittel der Bevölkerungspolitik
und zur Eindämmung der Bevölkerungsexplosion.
Menschenbild im Islam
Das Menschenbild im Islam, wie es uns im Koran entgegentritt, ist einfach strukturiert. Der Mensch ist weder ganz gut, noch ist er ganz schlecht. Er hat die Freiheit, das
Gute oder das Böse zu wählen. Auf der einen Seite ist der Mensch das hervorragendste
und beste Wesen der Schöpfung. Er gilt als Statthalter des Schöpfers auf der Erde und
steht im Rang über den Engeln. Diese hohe Stellung innerhalb der Schöpfung wurde auch durch den Sündenfall im Paradies nicht getrübt. Der Islam anerkennt zwar
den Verlust des Paradieses, kennt aber keine Grundsünde, nach der das Verhältnis
zwischen Allah und Mensch zutiefst zerbrochen und gestört ist. Insgesamt wird der
Mensch durchaus positiv gesehen. Der Mensch hat gute Seiten, er neigt aber auch zum
34
Leiden aus islamischer Sicht
Die Ursache des Leidens
Die Ursache vom Leiden wird unterschiedlich gedeutet:
• Leiden ist die Folge des Bösen in der Welt. Das Böse kommt vom Teufel, der als
Feind der Menschen auftritt. Er widerspricht den göttlichen Befehlen. Von Gott
aus dem Paradies vertrieben, will der Teufel den Menschen fortwährend zu Fall
bringen. Der Mensch wird ins Unglück und ins Leiden gestürzt.
• Aber auch der Mensch selbst ist mit seinen schlechten Eigenschaften Ursprung
und Ursache des Leidens. Die Menschen sind unbeständig, unzuverlässig,
schwanken zwischen Freude und Hoffnungslosigkeit, sie sind ungerecht und
rechthaberisch, streitsüchtig, sie betrügen und sind unehrlich. Das alles führt zu
Leiden und stört den Frieden einer Gemeinschaft.
• Über dem Satan steht Allah, ohne dessen Willen nichts geschieht. Allah bestimmt
alles im Leben der Menschen, das Gute und Schöne, aber ebenso das Leiden, die
Krankheiten, Unglücke und schwere Schicksalsschläge. Die Antwort des
Gläubigen ist dann stille Ergebung in den absoluten unwandelbaren Entschluss
und Willen Allahs.
*ANTES, S. 37
**Vgl. KHOURY, Der Islam, S. 8-11, und ders.: Einführung, S. 226-236
35
II. Medizin unter dem Zeichen des Halbmonds
Der Sinn des Leidens
Der gläubige Muslim sieht in seinem Leiden einen doppelten Sinn:
• Das Leiden kann eine verdiente Strafe für das sündige Vergehen eines
Menschen sein.
• Leiden, Krankheit und Unglück haben den Sinn der Prüfung.
Allah stellt Glauben, Frömmigkeit und Treue ihm gegenüber auf die Probe.
Die Überwindung des Leidens
• Wird das Leiden als eine Strafe für sündhaftes Verhalten gewertet, dann wird
der Muslim zur Umkehr zu Allah angehalten. Er strebt ein tugendhaftes und
sündloses Leben an, um der verdienten Strafe zu entrinnen.
• Wird das Leiden als eine Bewährungsprobe gedeutet, so führt dieses den
Gläubigen zur Geduld, der Haupttugend im Islam. „Übt Geduld und bemüht
euch, standhaft und fest zu bleiben! Und fürchtet Allah! Vielleicht wird es euch
wohl ergehen“ (Sure 2,200). Vielleicht! Der Gläubige bleibt bei all seinen
Bemühungen im Ungewissen.
Menschenbild und Medizin
Die eingangs zitierte Haltung, als ob nur wir Christen uns um Not und Krankheit
kümmerten, als ob nur durch uns eine gute Medizin gewährleistet wäre, steht uns
gewiss nicht zu. Die Leistungen der islamischen Medizin sind beachtlich. Zu Recht
legt der Islam den Finger auf die Schwachstellen unserer abendländischen Medizin.
Als Christen teilen wir manches Anliegen, wie die Ganzheit der Person, die hohe medizinische Ethik, das Gespräch zwischen Theologie und Medizin, wenn wir auch inhaltlich diese Anliegen anders füllen. Wir müssen demütig bekennen, dass auch wir
Christen in unserem medizinischen Alltag, im Gewirr der Infusionsschläuche und der
Daten aus den Laborcomputern oft den Patienten nicht als leidendes Geschöpf Gottes sehen, sondern als einen medizinischen Fall. Vielleicht wären manche Auswüchse
unserer Hochleistungsmedizin verhindert worden, wenn wir frühzeitig und entschiedener unsere Stimmen erhoben hätten.
Missionsmedizin im Islam
Fast ist man geneigt, ein Fragezeichen zu setzen: Missionsmedizin im Islam? Denn
was können wir dem Islam als christliche Ärzte oder Schwestern noch bringen oder
beibringen? Bei dieser reichen Tradition! Bei den neuen präventiv ausgerichteten
Konzepten der Medizin! Bei diesen hohen ethischen Anforderungen! Dass im Alltag
vieles anders aussieht - wer will das bestreiten!
Eins ist aber vielleicht deutlich geworden: Wir haben keinen Grund, die Bemühungen
der islamischen Medizin in all ihren Bereichen herablassend abzutun.
Abb 12: Apotheke in einer
Missionseinrichtung
So aber müssen wir uns sagen lassen, dass wir oft lieblos, weil gedankenlos, unsere
westlichen Vorstellungen von Medizin ohne kulturelle Anpassung in die Länder der
„Dritten“ Welt gebracht haben und noch bringen, ohne zu fragen, wo denn die wirklichen Probleme und Nöte der Menschen liegen.
Abb 11: Apotheke im staatlichen
Krankenhaus Kigoma, Tanzania
36
Wir müssen uns eingestehen, dass wir oft überheblich meinten und auch noch meinen, nur die Medizin, die wir als Missionare in die „Dritte“ Welt bringen, sei gut. Wir
haben uns zu wenig bewusst gemacht, dass unsere Medizin nicht deshalb gut ist, weil
wir Christen sind, sondern weil wir materiell reich sind. Und schließlich müssen wir
bekennen, dass wir oft auf dem Rücken einer fortschrittlich westlichen Medizin das
Zeugnis von der Liebe Christi transportiert haben, so als gehörte beides unbedingt
zusammen.
37
III. Mission unter dem Zeichen des Kreuzes
Fragwürdigkeit der missionsärztlichen Arbeit
Man mag nun einwenden: Wird nicht aber gerade durch die missionsärztliche Arbeit
die hingebende Liebe und Fürsorge Jesu handgreiflich und ganz praktisch vor Augen
geführt? Ein Beamter im Gesundheitswesen eines afrikanischen Staates – ein Muslim
– sagte mir einmal sinngemäß: „Eigentlich ist es ungerecht. Ihr habt immer alles, Medikamente, Instrumente. Unsere afrikanischen Ärzte haben nichts. Kein Wunder, dass
ihr immer besser seid und alle Leute in eure Missionshospitäler kommen. Es wäre
doch nur gerecht, wenn ihr auch mit so wenig Mitteln auskommen müsstet wie wir.
So aber könnt ihr leicht von der Liebe reden“
reiche Gesundheit und Heilung an den Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen
vorbeigegangen seien. „Diese Völker pflegten ihre Gesundheit, heilten ihre Krankheiten und erhielten sich am Leben auch vor der Ankunft der Missionare. Was haben
wir aus ihren Heilpraktiken gemacht?“
III. Medizin unter dem Zeichen des Kreuzes
Über die Fragwürdigkeit der missionsärztlichen Arbeit
Unsere medizinische Missionsarbeit, die Missionskrankenhäuser, die vollen Apothekenregale und der gut funktionierende Nachschub aus Europa und Amerika sind zunächst einmal Ausdruck unseres materiellen Reichtums und nicht so sehr ein Zeugnis
der Liebe Christi. Wir leben - gerade in der ärztlichen Mission – vom Haben und vom
Geben. Und wer gibt, bestimmt. Geben macht den Empfänger abhängig und demütigt
ihn, macht ihn unselbständig und weckt Bedürfnisse und Ansprüche, die langfristig nicht gestillt werden können. Wie weit wir durch vorschnelles und übermäßiges
Geben die Entwicklung eines eigenen, der Kultur und der Situation angemessenen
biblisch-diakonischen Bewusstseins bei den christlichen Gemeinden in Übersee verhindert haben und verhindern, ist eine weitere Frage, der wir uns stellen müssen.
Jedenfalls fällt angesichts der beträchtlichen Nöte und Probleme in den Ländern der
„Dritten“ Welt die zum Teil nur gering entwickelte eigene diakonische Verantwortung
und Bewusstseinsbildung ins Auge. „Warum sollen wir uns um Gesundheitsfragen
Gedanken machen? Das machen doch die Europäer. Dafür ist die Mission zuständig.
Die können das viel besser als wir“, sind die nahe liegenden Gedanken einheimischer
Gemeinden und Kirchenführer. Einen Hinweis mag vielleicht GOTTFRIED OSEIMENSAH, ein gewiss unverdächtiger Zeuge, geben, der den Teilnehmern auf dem
Kongreß für christliche Führungskräfte (PACLA) in Nairobi zurief: „Wir drücken
den größten Teil unseres Glaubens und unserer Anbetung in einer geliehenen ausländischen Kultur aus.“* Dies schließt auch die Diakonie als eine der Lebensäußerungen
der christlichen Gemeinden in der „Dritten“ Welt ein. Deshalb fragt ANSELME T.
SALOM SANON, Bischof von Bobo-Dioulasso/Burkina Faso, im afrikanisch-islamischen Kontext wohl zu Recht, ob im Rahmen der christlichen Mission nicht die Be38
* OSEI-MENSAH, S.21
Wir haben als christliche Mission zu wenig auf eine eigenständige Entwicklung einer
Diakonie der neuentstandenen Kirchen und Gemeinden geachtet. Was an christlicher
Sozialhilfe und diakonischer Verantwortung im Rahmen der Gemeinden geschah,
wurde seit Jahrzehnten weithin von außen bestimmt und von Christen aus dem Westen finanziert.
Die Gründe sind vielschichtig. Einmal erliegen wir in unserem falschen Überlegenheitsgefühl nur allzu leicht einem gewissen Technik- und Machbarkeitsglauben. Wir
sind fasziniert von den Fortschritten unserer westlichen Medizin, und wir meinen,
was für uns in Europa gut und nützlich sei, müsse auch dem Rest der Welt helfen. In
dieser Haltung wurden und werden die alten Traditionen und heilkundlichen Systeme
ignoriert oder gar bekämpft (S.10). Fälschlicherweise wird gerade die moderne Medizin in ihrer einseitig kurativen Ausrichtung oft als heilendes Handeln der Gemeinde
schlechthin missverstanden. Auch beschränken sich Diakonie und christliche Sozialarbeit bisweilen auf bestimmte projekt- und programmbezogene Aktivitäten, die
durch ausländische Organisationen an den Basisgemeinden vorbei initiiert werden.
Hinzu kommt der Druck des Helfenwollens und Helfenmüssens westlicher Christen
angesichts ihres wachsenden Reichtums und angesichts der zunehmenden Armut
auch der christlichen Gemeinden in der „Dritten“ Welt. Die Christen und Gemeinden
aus dem Westen sehen dann die „Dritte“ Welt als ihr diakonisches Arbeitsfeld an, auf
dem man sich frei betätigen kann.
ELA bemerkt deshalb, die Versuchung in der Gesundheitsarbeit der Missionen und der
Kirchen sei groß, „sich in der Pflege der abstoßendsten Krankheiten zu gefallen und in
Werken des Mitleids und der Barmherzigkeit ihre ganzen Kräfte der Selbsthingabe zu
erschöpfen, [...] man kümmert sich um sie [= die Kranken] als Pflege-Objekte‘.“
Die Menschen werden zu Objekten unserer Hilfen und unserer Diakonie degradiert.
Wir machen sie zu Almosenempfängern. Sie werden aber nicht als Subjekte akzeptiert,
denen wir eine selbständige diakonische Verantwortung entsprechend ihrer Kultur,
ihrer Geschichte, ihrer Frömmigkeit und ihrem Menschenbild zutrauen.
Ein Blick in unsere Diakoniegeschichte zeigt, dass sich in Deutschland sehr wohl eine
eigenständige Diakonie entwickeln konnte, gerade unter schwierigen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen und ohne Einfluss und Unterstützung von außen. Die Christen
anderer Länder und Kulturen sind nicht weniger phantasiebegabt und nicht weniger
vom Heiligen Geist geleitet als wir im Westen. Von außen veranlasste und von oben
geleitete Gesundheitsarbeit lähmt jegliche Eigeninitiative; die Annahme fremder Hilfe
ist eben bequemer. Je mehr wir westliche Christen uns mit unseren Diakonieprogrammen und -projekten, mit unseren Vorstellungen und Finanzen entfalten, desto mehr
39
III. Mission unter dem Zeichen des Kreuzes
Begründung der missionsärztlichen Arbeit
decken wir eigenständiges und eigenverantwortliches Handeln in Afrika zu, und desto
mehr verkümmert die Identität der Gemeinden. Hilfeleistungen jeder Art, ob Geld,
Nahrungsmittel oder Geräte, mindern den Zwang zur Eigeninitiative und ver ringern
die Chance von eigenen schöpferischen Ideen und Gedanken zur Problemlösung.
Man spricht nicht ohne Grund von einem „Samariter-Dilemma“, weil oft die gewährte
Unterstützung die Hilfsbedürftigkeit nicht verringert, sondern vergrößert. Die Geber
stehen dann vor der Alternative, die Gelder einzustellen oder wenigstens keine neuen
Verpflichtungen mehr zu übernehmen oder aber die Hilfe endlos weiter zu gewähren.*
Unsere missionsärztliche Arbeit ist durchaus fragwürdig, ja, sie stößt bisweilen auf
Unverständnis oder sogar auf Ablehnung. Wir sind überrascht, wenn Menschen nicht
immer nur positiv über unsere Handlungen urteilen, wo wir doch meinen, man solle
schließlich froh über die gewährte Hilfe sein. Aber vielfach geben uns kritische Fragen
auch Hinweise auf Fehler in unserem Verhalten und Denken. Es werden Stellen aufgedeckt, an denen wir die Realitäten vielleicht zu einseitig oder gar falsch wahrnehmen.
ELA kritisiert zum Beispiel am sozialen und diakonischen „Eifer“ der Missionen eine
gewisse Ignoranz. Bei allem Engagement, die „Unglücklichen, über die man sich wie
ein guter Samariter beugt, zu pflegen“, sei auffallend, dass so häufig die wirtschaftlichen
und sozialen Gegebenheiten, die nun gerade die Ursache der Krankheiten seien, nicht
zur Sprache kämen. Sie würden schlichtweg ignoriert oder verschwiegen. Damit aber
drohe die christliche Gesundheitsarbeit an Glaubwürdigkeit zu verlieren. So vermuten
denn auch manche Kreise in Afrika und Europa, dass etliche westliche Missionen mit
Unrechtsstrukturen wenn nicht paktieren, sie zumindest akzeptieren, weil von ihrer
Seite Stellungnahmen und Verlautbarungen zu den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen fehlen. EBERHARD TROEGER nennt eine Kritik ganz anderer Art. Besonders aus dem Bereich des Islams meinen „Kritiker der Christen [...], der Dienst an
den schwachen [= kranken] Muslimen [sei] nur ein Mittel zum Zweck [...], nämlich
sie dem Islam zu entfremden.“ Ebenfalls aus dem Umfeld des Islams zitiert wiederum ELA eine weitere Stimme aus dem kritischen Chor: Die christliche Mission wolle
durch die hohe Qualität ihres medizinischen Standards dem Islam imponieren, um so
die Überlegenheit des christlichen Glaubens unter Beweis zu stellen.
Kritik, Fehlurteile, Missverständnisse, Unterstellungen sind gewiß nicht leicht zu ertragen. Sie verletzen, demütigen und schmerzen. Aber es ergibt sich auch die Chance,
das eigene Handeln zu überprüfen und zu korrigieren. Wenn wir uns mit solchen Reaktionen auseinandersetzen müssen, bleiben wir eventuell auch bewahrt vor Selbstüberschätzung, Überheblichkeit und Blindheit und werden gezwungen, unseren Standpunkt zu überprüfen und uns fortwährend neu zu orientieren, um in den dringendsten
Gegebenheiten dieser Welt das Evangelium glaubhaft bezeugen zu können.
40
* KROMKA/KREUL, S.125
„Jesus ist Sieger“ - Begründung des heilenden Handelns
Aber Orientierung worauf?
Auf den Kern der biblischen Botschaft vom heilenden Handeln Jesu. Die neutestamentliche Schau stellt Jesu heilendes Wirken dar als seine siegreiche Auseinandersetzung
im Kampf mit den bösen Mächten und Gewalten, die diese Welt beherrschen wollen.
Auch in Krankheit und Tod zeigt sich die Macht dieser widernatürlichen Mächte. In
Krankheit und Tod konkretisieren sich die ganze Verlorenheit, die Sündhaftigkeit des
Menschen als ein tiefes, seine ganze Existenz durchschneidendes Zeichen seines Unheils und seiner Zielverfehlung.
Aber nicht in einem Kausalzusammenhang, Krankheit als Strafe einer Einzelverfehlung wie im Islam (s. S. 35 ff) dies weist Jesus ja ausdrücklich zurück (Joh 9,l ff). Krankheit ist Unnatur; sie widerspricht dem guten Willen Gottes für den Menschen und für
die Welt. Die Heilungen Jesu bedeuten den zeichenhaften Erweis seiner Messianität,
seiner Souveränität und seiner Herrschaft auch über die
Dämonien, die bösen Gewalten und Mächte. Er hat
nicht nur Symptome kuriert,
er hat sich nicht damit begnügt, einzelne Kranke von
ihren körperlichen Gebrechen zu befreien. Bisweilen
hat man den Eindruck, als
ob die Heilungen als therapeutische Aktion überhaupt
keine Rolle spielen.*
Vielmehr zielt alles darauf
ab, die Autorität Jesu und
seinen Herrschaftsanspruch
unter Beweis zu stellen und
die Lösung des betroffenen Abb. 13: „Christus heilt die Kanken“ – Ausschnitt aus dem HundertKranken aus dem Herr- guldenblatt von Rembrandt.
schaftsbereich des Bösen
aufzuzeigen. Das Heilwerden wird von Jesus als ein ganzheitliches Geschehen gesehen.
Er trifft immer den Kern der Person, er legt den Finger auf die wunde Stelle. Er spricht
im Kranksein des Menschen dessen Verlorenheit an, sein Getrenntsein von Gott, der
der Ursprung des Lebens ist. Deshalb verbindet Jesus mit dem äußeren Behandeln den
Ruf zu Umkehr und Sinnesänderung, daher gehört zur christlichen Krankenarbeit
immer auch der Ruf zur Umkehr, die Einladung zur Versöhnung mit Gott und den
*Z. B. Luk 5,17ff; Joh 5,ff; dagegen Joh 9,6; vgl. auch MAYER-SCHEU, S. 140
41
III. Mission unter dem Zeichen des Kreuzes
Der heilende Auftrag der christlichen Gemeinde
Menschen; sie ist Einladung zu einem Leben in Einklang mit dem Schöpfer und der
Schöpfung. Das Geschehen von Krankheit und Heilung ereignet sich auf der individuellen Ebene des einzelnen. Aber es hieße wohl, dieses Geschehen verkürzt darzustellen und damit auch die Autorität Jesu zu beschneiden, würden wir nicht auch auf
die gesellschaftliche Dimension von Gesundheit und Krankheit hinweisen. Gesundheit
und Krankheit tragen auch gesellschaftlichen Charakter. Die gottfeindlichen Mächte
und Gewalten drücken sich auch in der zunehmenden Verelendung und Verarmung
der Menschen aus und in der Dämonie der Ungerechtigkeit, der Unterdrückung und
der Abhängigkeiten. Wir sprechen ja nicht umsonst vom „Teufelskreis“ der Armut und
Krankheit. Kein Zweifel, Krankheit ist auch Ausdruck, ja, Sprache der Armut; es gibt
krankmachende Faktoren der Gesellschaft: wachsende Hoffnungslosigkeiten der Staaten der „Dritten“ Welt, Ausbeutung von Natur und Menschen, Resignation, Hunger,
Dürre, Korruption, Hass der Armen auf die Reichen, umgekehrt die Ängste der Reichen vor den Armen - hier verdichten sich auf einer ganz anderen Ebene das Böse im
Menschen und die Dämonien dieser Welt.
Aber nicht nur der „Dritten“ Welt, sondern auch uns drücken diese Mächte ihren
Stempel auf, so in der Dämonie des Materialismus mit dem Konsumdenken und der
Gewinnmaximierung, dem auch wir Christen im Westen uns so schwer entziehen
können. Es sind Mächte, die bewirken, dass Gott an den Rand gedrängt wird, weil
vieles andere wichtiger wird als er. „Der Reichtum, der heute zum so genannten Lebensstandard gehört, und äußerlich gesicherte Lebensverhältnisse [stellen deshalb]
eine geistliche Gefährdung dar“ (MANFRED SEITZ). Dies geschieht weitgehend
unbemerkt, schleichend. Wir können uns diesen Zwängen kaum entziehen. Darin
liegt das Dämonische. Es sind dieselben Mächte, die am Werk sind, hier wie dort, im
Großen wie im Kleinen, im persönlichen wie im gesellschaftlichen Rahmen, in Europa
wie in Afrika. Diesen Mächten hat sich Jesus entgegengestellt, ihnen hat er Einhalt
geboten, sie hat er besiegt. Die Gemeinde Jesu ist gerufen, sich durch ihr Zeugnis von
Heil und Heilung diesen Gewalten entgegenzustellen - in aller Vorläufigkeit, in aller
Bruchstückhaftigkeit -, um Zeichen der Hoffnung, des Lebens und der Gewissheit des
Sieges Christi aufzurichten.
macht des Leidens; Sieg ja, aber nicht die Schwäche der Krankheit; All-Erhabenheit ja,
aber nicht die Niederlage des Todes.
Der heilende Auftrag der christlichen Gemeinde im Islam
BOUMAN stellt zur Charakterisierung des Islams und des christlichen Glaubens zwei
geographische Namen gegenüber: Badr und Golgatha. In der Schlacht von Badr siegt
MOHAMMED mit einer kleinen Schar von Gläubigen über die große Armee der Mekka-Bewohner. Hier wird die Grundlage für das islamische Imperium gelegt. Badr als
Zeichen des allmächtigen Allahs! Der Islam lebt vom Sieg. Allah lebt vom Sieg, von der
Macht. Darum wäre es eine Gotteslästerung ohnegleichen, Allah in Verbindung mit Leiden, mit Krankheit, mit Tod zu bringen. Erst recht ist es für den Muslim unvorstellbar,
dass Allah selbst Leiden und Krankheit erdulden müsste: Macht ja, aber nicht die Ohn42
Anders Golgatha, der zweite Ort, der Tiefpunkt im Leben Jesu. Er steht für die Niederlage, für die Niederlage Gottes am Kreuz. Auf Golgatha begegnet uns in dem gekreuzigten Christus der Gott der Bibel. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit“, er starb unseren
Tod mit seinem Leib, in unserer Körperlichkeit, nicht nur geistig. „Die Ohnmacht der
gekreuzigten Liebe ist die Rettung der Welt“ (JOHANNES BOUS): für einen Muslim
ein unfassbarer Tatbestand. Heil bedeutet im Islam Einordnung in das von Allah geordnete, von seiner Allmacht durchwaltete All, „letztlich Teilhabe an der Allmacht Gottes“
(BÜRGEL).
Diese Teilhabe am Heil geschieht durch Unterwerfung (Islam) der Gläubigen unter die
Macht eines Gottes, der dem Leiden und Sterben seiner Geschöpfe verständnislos und
ohne Anteilnahme gegenübersteht.
„Über allem Nachsinnen gräbt sich das Bewusstsein ein, dass etwas wirklich fehlt“
(HAUSER). Der Koran ist sprach- und hilflos, wenn es um die tiefsten und letzten existentiellen Nöte und Probleme des Menschen geht. Man spürt in der ganzen Literatur
zum Thema Medizin, Krankheit, Leiden im Islam und bei Gesprächen mit kranken
Moslems: Der Mensch, auch wenn er ein noch so gläubiges Leben führt, ist allein. Er
bleibt in den tiefsten Nöten der Krankheit und in der Einsamkeit des Todes sich selbst
überlassen. Praktisch äußert sich dies zum Beispiel in der Haltung Aids-Kranken gegenüber. So hat der Vorsitzende des Rates der AI Azhar-Universität in Kairo, Shaikh
ABDALLAH AL-MASCHAD, vorgeschlagen, die Aids-Problematik in der islamischen
Welt im Wege der Euthanasie zu lösen. Man solle die Aids-Opfer „ohne medizinische
Fürsorge sterben lassen“. Der Großmufti von Ägypten, Shaikh TANTAWI, weigerte sich
allerdings, ein entsprechendes religiöses Dekret zu unterschreiben. Er befürwortete seinerseits eine Isolierung der Aids-Kranken in einem „Lager in der Wüste“.*
Der christliche Heilsbegriff hat eine andere Qualität. Heil bedeutet für den Christen
die Erlösung von seiner Schuld durch das Selbstopfer Gottes in Christus. Gott selbst
tritt in die Gebrochenheit des Menschen ein. Er ist in Christus der Gebrochenheit,
auch der körperlichen, näher als der Vollkommenheit (MARTIN SCHEEL).
*Orientdienst-Informationen, S. 20.
Gegenüber diesen radikalen Lösungen schlug der Generalsekretär des Islamischen Weltkongresses, Dr. Inamullah Khan, eine humanitäre Lösung vor. Er befürwortete eine Zusammenarbeit aller Religionen, um der katastrophalen Entwicklung wirkungsvoll zu begegnen. Er forderte
eine bessere Einbeziehung der „Dritt-Welt-Länder“ in die für die Aidsbekämpfung zuständigen
Organisationen. Ein völlig anderes Menschenbild drückt sich dagegen in der Erklärung der
Kirchen in Sambia zum Thema Aids aus: Wähle das Leben - Überlegungen der Christlichen
Kirchen in Sambia zur AIDS-Krise, abgedruckt in: Nachrichten aus der ärztlichen Mission,
Aug./Sept. 1988 (Gelbe Beilage), und in: Neue Perspektiven der „Ärztlichen Mission“,
PORTA-STUDIEN 20.
43
III. Mission unter dem Zeichen des Kreuzes
Diakonie der leeren Hände
Das ist das einmalige und besondere Ereignis in der gesamten Religionsgeschichte:
Eine Person tritt uns zur Seite und hilft uns, unsere Lasten zu tragen. Auf Golgatha
begegnet uns Gott, der Schmerzen erlitten hatte, der gedemütigt wurde, der unsere
Angst vor Krankheit, Leiden, Sterben und Tod nicht nur kannte, sondern selbst erduldet und erlitten hatte. Da sind wir nicht allein, sondern da ist jemand, der mit uns in
alle Tiefen geht. Gott verlässt uns selbst im Tode nicht, wenn Menschen uns verlassen
müssen: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, du bist bei mir, dein Stecken
und Stab trösten mich.“ Hier ist Trost, der trägt, weil er abgedeckt ist durch letzte
Autorität.
wenig Wegweiser zu einem menschenwürdigen Dasein zu sein. Dabei vermitteln sie
ihren Glauben, der ihnen Grund aller Hoffnung ist.
Davon gibt die Diakonie Zeugnis. Deshalb geht es im heilenden Handeln der Gemeinde Jesu nicht primär um eine perfekte moderne Medizin oder um materielle Dinge,
die wir den Menschen bringen müssten, sondern um Anteilnahme, Mittragen und
Mitleiden in den Nöten, Ängsten und Ungerechtigkeiten des Lebens und der Welt.
Diakonie der leeren Hände
Der mitgehende, der mitleidende, der mittragende Gott! Das ist das Zeugnis, das wir
Christen in die Situation der Krankheit hinein verkündigen und leben. Die Krankheit
als ein Ort der Krise, als Zeit der Bedrohung, aber auch als Chance zur Umkehr im
Leben bedarf in besonderer Weise des Zuspruchs und der Nähe Gottes.
Missionsärztliche Arbeit erliegt leicht der Gefahr, materielle Hilfe jedweder Art überzubetonen. Von den möglichen Folgen war zuvor schon die Rede (S. 37ff). Vielfach
wäre weniger mehr. Unsere materielle Hilfe ist oft ein Spiegel unseres äußeren Reichtums und unserer inneren geistlichen Armut. Aber es sind eben die Dinge, die wir
leicht zu geben in der Lage sind und die dann so nachhaltigen Eindruck hinterlassen,
sowohl in Deutschland als auch in der „Dritten“ Welt. Ich erinnere mich noch gut an
den Vorsteher eines muslimischen Dorfes, der uns am Ende einer Dorfversammlung,
bei der es um Fragen und Probleme von Hygiene, richtiger Ernährung und Selbstverantwortung ging, entgegenhielt: „Wir wollen eure Medikamente, euer Reden interessiert uns nicht.“ Er wusste, dass wir über die bestgefüllte Krankenhausapotheke in
der Umgebung verfügten. Bisweilen denke ich an die deutschen Schwestern, die im
Nordsudan seit Jahren in jenen armseligen und dürftigen Regierungshospitälern als
ganz normale Krankenschwestern ihren Dienst tun. Sie leben und arbeiten mit ihren
sudanesischen Kolleginnen zusammen, oft unter demütigenden Umständen, und teilen auch deren medizinische Armut. Oder die drei, vier christlichen Familien fallen
mir ein, ein Landwirt, ein Arzt, ein Krankenpfleger, ein Pastor, die ganz im Osten
Kenias, hart am Indischen Ozean, im islamischen Umfeld in den Dörfern Tür an Tür
mit muslimischen Familien leben, deren Mütter zehn oder zwölf Kinder großziehen
müssen und die nicht wissen, wie sie überleben sollen. Als Christen versuchen sie, ein
44
Es mag allen ähnlich ergehen wie MONIKA SCHUTZKA, die ihre eigenen Erfahrungen so zusammenfasste: „Wir fangen an zu lernen, wie man ohne Geräte auskommen kann. Wir versuchen, mit den Leuten zusammenzuleben und bei ihnen zu sein.
Wir brauchen viel Zeit, Geduld und Hoffnung. Wie viel gibt es da über das Leben in
einem Dorf zu lernen, in einem Haus zu erkennen, was, wie und warum die Menschen
bestimmte Dinge tun. Wir müssen herausfinden, welche Mittel und Möglichkeiten
vorhanden sind. Und wir sehnen uns und warten auf die Zeit, wenn die Menschen uns
so kennen und vertrauen werden, dass sie bereit sind, mit uns zu reden und vielleicht
später einmal auf uns zu hören. Wir möchten miteinander teilen und arbeiten, dass
die Menschen in ihrem eigenen Zuhause mit ihren eigenen Mitteln versorgt werden.
Wir werden noch viel von unserer früheren Ausbildung gebrauchen, aber wir müssen
unser Wissen neu durchdenken und neu erlernen, damit wir es so gebrauchen können, dass es nicht verletzt, sondern zum Heilen hilft, indem wir versuchen, nicht zu
geben, sondern mit den Menschen in unserer Gemeinde zu leben, zu teilen, Anteil zu
nehmen.“
Es ist eine Medizin, die ohne Instrumente und Apparate auskommt, eine „Medizin der
leeren Hände“ (SCHUTZKA), die nicht viel mehr bringen kann als sich selbst, aber
auch nicht weniger, die dabei aber der Sendung Jesu in diese Welt mehr entspricht als
manche beeindruckende Hospitäler, Projekte und Stationen. Da steht nichts zwischen
dem Helfenden und Betroffenen, nichts verwehrt den Zugang, keine materiellen Güter,
keine Verpflichtungen, keine Besserwisserei. So ist Freiheit zur Entscheidung möglich,
auch zum Glauben an Jesus. Christliche Gesundheitsarbeit geschieht im Horizont des
Glaubens. Sie ist begründet im Glauben an Christus und zielt auf die Verkündigung
der Christusbotschaft. Deshalb gilt es immer wieder, den tieferen Zusammenhang
zwischen der Verlorenheit des Menschen und den äußeren Unheilszeichen transparent zu machen und gleichzeitig einzuladen zum Heil in Christus. So verstanden trägt
jede Form der Diakonie missionarischen Charakter.
Unser Ziel reicht weiter
In der islamischen Kultur spielt neben der Theologie gerade die Medizin eine wichtige Rolle. Beide Wissenschaften verhalten sich im Denken der Muslime wie Pol und
Gegenpol. Sie symbolisieren die Welt der Religion und die der Körperlichkeit, es sind
„die beiden großen Begriffe, auf die alle Betrachtungen im Islam gerichtet sind: Diesseits und Jenseits.“* Aber Transzendenz und Immanenz berühren einander nicht; beide Bereiche kommen einander nicht nahe. Durch den Tod Christi am Kreuz reicht
die Liebe Gottes in die Gegenwart und wird greifbar. Hier berührt das Ewige unsere
*Klein-Franke, S. 2 44
45
III. Mission unter dem Zeichen des Kreuzes
Gegenwart und damit unsere Existenz. FRIEDRICH VON BODELSCHWINGH hat
einmal ausgerufen: „Medizin kann man überall nehmen; Bethels Ziel reicht weiter, es
reicht in die Ewigkeit.“ Eine gute medizinische Versorgung kann sicher auch die islamische Medizin gewährleisten. Aber das Ziel des Islams reicht dabei nicht über diese
Welt hinaus. Der Islam ist eine Religion des Diesseits, der menschliche Paradiesträume träumt. Die Medizin will dem Menschen ein gutes und glückliches Leben in dieser
Welt vermitteln. Medizin, Entwicklungs- und Sozialhilfe, Hunger- und Katastrophenhilfe, Gesundheitsprogramme, dies alles und noch viel mehr können die Menschen in
der „Dritten“ Welt auch von anderen Stellen erhalten, nicht aber das Evangelium.
Das Evangelium der Welt weiterzugeben ist Pflicht und Aufgabe der Gemeinde, eine
Aufgabe, die sonst niemand erfüllen kann. Das Ziel unserer Arbeit reicht über unsere Wirklichkeit hinaus in die Ewigkeit. Mit dieser weiten Perspektive tritt die Gemeinde in der Diakonie unter die Leidenden und Sterbenden, unter die Kranken und
Hungernden. Nicht die Not dieser Welt bestimmt unser Programm, sondern der wiederkommende Herr. „Diakonie ist Herberge des Heilandes, dem die Gemeinde entgegeneilt“, formulierte THEODOR SCHOBER einmal das Wesen des diakonischen
Auftrages, den die Bibel uns gibt. Missionsärztliches Handeln, das heilende Handeln
der Gemeinde überhaupt, ist „das Zeichen der Morgenröte“ (SCHOBER) des hereinbrechenden Reiches Christi in diese oft so finstere Welt. Es ist ein Zeichen dafür, ein
Hinweis darauf, dass einmal wahr werden wird, was in der Offenbarung an Johannes
steht: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht
mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“ (Offb 21,4).
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Bildnachweis und -erläuterungen
Titelseite: Titelblatt: Buch der Medizin von Rhazes
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Abb.1: Afrikanischer Heiler, Tuschezeichnung Philippe de Youmsi, Kamerun Sammlung
Regina und Gerd Riepe
Abb. 2: Anatomische Tafel in Sanskrit , Nepal, seit Jahrtausenden wird in Nepal die Ayurveda
praktiziert. Entnommen: Anne Woodham, Dr. David Pefers, Enzyklopädie der Naturweisheiten,
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Abb. 3: Trad. Chinesische Heilkunde, Akupunktur-Tafel mit Darstellung eines Meridians und
ihm zugehöriger Punkte
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:ChineseMedecine.JPG&filetimestamp=
20060115132636 (25.05.2009)
Abb. 4: Ausreitender Buddha. Siddhartha begegnet einem Greis, einem Fieberkranken,
einem Leichnam und einem Mönch.
http://de.wikipedia.org/wiki/Buddha (25.05.2009)
Dr. Gerd Propach
Hat als Arzt eine Gesundheitseinrichtung der anglikanischen Kirche in
Tanzania im Kigoma-Distrikt geleitet. Z.Zt. beratender Arzt im Bereich
Sozialmedizin beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen Hessen (MDK). 2.Vorsitzender der MMH/MMS.
Abb 5: Europäische mittelalterliche Darstellung Al-Razis aus dem „Receuil des traites de medecine“ (1250-1260),
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Al-RaziInGerardusCremonensis1250.JPG
Abb 6: Avicenna als Princeps Abinsceni mit Krone und Zepter, Holzschnitt einer Ausgabe des
Canon aus Venedig, 1520
http://de.wikipedia.org/wiki/Avicenna
Abb 7: Besuch des Arztes am Krankenbett, Avicenna canon medicinae,
Bild: bpk / Scala
Abb 8: Averroës (Ausschnitt eines Gemäldes von Andrea Bonaiuto; 14. Jhd.)
http://de.wikipedia.org/wiki/Averro%C3%ABs
M
M
edizinische
issionshilfe
Community
Health
Development
Abb 9: Invokation Allahs in einer Abschrift des Kanon von 1597/98
http://de.wikipedia.org/wiki/Avicenna
Abb. 10: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Maimonides-2.jpg&filetimestamp=
20080505210959
Idealporträt Maimonides’ aus dem 19. Jahrhundert
Abb.11: Apothekenregal eines staatlichen Regierungskrankenhauses / Tanzania
Foto: mmh/mms
Abb.12: Apothekenregal in einer Ambulanz einer Missionseinrichtung / Tanzania
Foto: mmh/mms
Abb.13: Ausschnitt aus dem Hundertguldenblatt mit Darstellung „Christus heilt die Kanken“.
Rembrandt, um 1648. Foto: Jörg P. Anders.
bpk Berlin, Kupferstichkabinett Staatliche Musseen / 302-1898
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Zu wegen:
was be
ÉMedizinische Missionshilfe e.V.
ÉMedical Mission Support
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