Folgen für Betroffene von sexuellem Missbrauch 27. März 2014 Prävention von sexualisierter Gewalt in der Vereinsarbeit Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Überblick 1. Sexualisierte Gewalt – Mythen – Definitionen und Formen – Täterstrategien 2. Auswirkungen auf Betroffene – Gefühle und Besonderheiten betroffener Kinder – Folgen und Anzeichen – Bewältigungs- und Überlebensstrategien 3. Grundlegenden Handlungskonzepte – Formen der Hilfe – Umgang im Gespräch – Anlaufstellen Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Sexuelle Gewalt – Mythen „Geh mit niemand Fremden mit.“ Mythos: Täter sind meist Fremde „Zieh nicht so einen kurzen Rock an.“ Mythos: Täter, haben einen Sexualtrieb, der durch freizügige Kleidung verstärkt wird; Opfer tragen somit durch ihr Auftreten einen Teil der Schuld „Geh nachts nicht allein durch den Park.“ Mythos: Übergriffe erfolgen vor allem überfallsartig, nachts an unbewohnten Plätzen Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Sexuelle Gewalt – Mythen Funktionen allgemein Aufrechterhaltung des „Glaubens an eine gerechte Welt“ für Frauen Illusion der Unverwundbarkeit für Männer Rechtfertigung eigener Gewalttendenzen Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Sexuelle Gewalt – Definitionen...? synonym verwendete Begriffe: – – – – – sexuelle Gewalt sexueller Übergriff sexualisierte Gewalt sexuelle Ausbeutung ... viele Definitionen... zentral (bes. für sex. Missbrauch): – sexuelle Handlungen an Kindern oder Schutzbefohlenen (Kinder können aufgrund ihrer körperlichen, psychischen, kognitiven und sprachlichen Unterlegenheit einer Handlung nicht „zustimmen“) – Unterlegenheit durch ein Gefälle in Alter, Macht, Autorität – sehr oft: Vertrauensmissbrauch und Verpflichtung zur Geheimhaltung – Scham/ Schuld/ Tabu Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Sexuelle Gewalt – Formen Hands-on-Delikte (Verhaltensweisen mit Körperkontakt): – sexuelle Nötigung – Frotteurismus – oraler, analer, vaginaler Geschlechtsverkehr mit Penetration Hands-off-Delikte (Verhaltensweisen ohne Körperkontakt): – Voyeurismus – Exhibitionismus – obszöne Telefonanrufe – abwertend-beleidigend-sexualisiertes Verhalten – Verbreiten einer ungewollten sexualisierten Atmosphäre – Stalking Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Sexuelle Gewalt – Differenzierung Grenzverletzung Übergriff Strafbare sexuelle Gewalthandlung Quelle: Renate Fiedler, AllerleiRauh Stadt Karlsruhe, 2010 Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Täterinnen und Täter Familie: Onkel, Väter, Stiefväter Großväter, ältere Brüder, Tanten, Cousins Bekannte: Nachbarn, Freunde der Eltern, Sporttrainer, Erzieher, Lehrer etc. Tatpersonen: 80% Männer 20% Frauen 25-30% Jugendlich Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Täterstrategien Täter... ... sind meist unauffällig, angepasst, engagiert ... erliegen weder den „Reizen“ der Jungen und Mädchen, noch sind sie Opfer ihrer „Triebe“ Initiierung/ Planung – besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung – Reaktionstestung und Entscheidung (oft gezielt für widerstandsunfähige Kinder) Übergriff – vielfältige Formen – extreme körperliche Gewalt ist selten Bindung des Opfers – „Tricks“ Gefühle der Mitschuld erzeugen – Macht durch Geheimnisse und Verträge Druck ausüben/ erpressen Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Gefühle betroffener Kinder 1. Kinder denken anders als Erwachsene (Ereignisse werden ursächlich auf die eigene Person bezogen) 2. Kinder erleben Erwachsene als übermächtig (Fähigkeiten und Möglichkeiten Erwachsener können nicht realitätsgerecht eingeschätzt werden) 3. Kinder sind auf Erwachsene angewiesen (Kinder brauchen Aufmerksamkeit und Zuwendung, um ein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein aufbauen zu können) Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Gefühle betroffener Kinder • Zweifel an der eigenen Wahrnehmung • Scham- und Schuldgefühle (negatives Selbstbild) • Wut, Gefühl von Betrug und Verrat • Gefühl der Macht- und Hilfslosigkeit • Loyalitätskonflikte • Gefühle des Ausgeliefertseins, der Isolation und dem Glaube, die einzigen zu sein, denen so etwas passiert Widerstreitende Gefühle (Ekel, Angst, Verzweiflung, Hass, Trauer, Ohnmacht) Störung von Selbstwertgefühl, Sexualität und der eigenen Körperwahrnehmung Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Folgen und Anzeichen •Verletzung und Krankheiten (v.a. Geschlechtsorgane, Unterleib) •psychosomatische Krankheiten (z.B. Bettnässen, Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen, Sprach- und Konzentrationsstörungen) •emotionale Reaktionen (z.B. Selbstzweifel, Angstzustände, Kontakt- und Beziehungsschwierigkeiten) •selbstzerstörerisches Verhalten (z.B. Selbstverletzung, Suchtverhalten, Bulimie/ Magersucht) •Sozialverhalten (z.B. aggressives oder distanzloses Verhalten, Isolation oder „Klammern“, Weglaufen) •Sexualverhalten (z.B. sexualisiertes, altersunangemessenes Verhalten, Distanzlosigkeit, Angst vor körperlicher Nähe) es gibt keine eindeutigen Symptome! (ca. 40% der Betroffenen zeigen gar keine nach außen sichtbaren Auffälligkeiten) häufig signalisieren betroffene Kinder und Jugendliche ihre Erlebnisse eher verschlüsselt oder „nebenbei“ („Der ist so komisch“ ) Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Bewältigungs- und Überlebensstrategien •Verdrängung •überkontrolliertes, gefasstes Verhalten •aggressives, sich abgrenzendes Verhalten Auch augenscheinlich negatives Verhalten hat eine Funktion Wunsch, zu vergessen und Sicherheit und Kontrolle zurückzugewinnen Es gibt nicht das „typische“ Verhalten! jedes Kind sucht andere Bewältigungsmöglichkeiten, um Erlebtes zu kompensieren Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Formen der Hilfe •emotionale Unterstützung/ Ermutigung der Opfer •Unterbrechung der Missbrauchshandlungen •Verarbeitungshilfen für Opfer •Sanktionen gegen und Hilfe für TäterInnen •Unterstützung für das Umfeld Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Umgang im Gespräch • Oberstes Gebot: Ruhe bewahren! • Nehmen Sie sich Zeit! • Signalisieren Sie Gesprächsbereitschaft (auch bei schwierigen Problemen) • Glauben Sie dem Kind und zeigen Sie ihm, dass Sie mit dem Gesagten gut umgehen können (eigene Gefühle möglichst nicht thematisieren) • Holen Sie sich Unterstützung (ggf. vorschlagen, das Gespräch an einem konkreten Termin fortzusetzen) • Ermutigen Sie das Kind, über Probleme und Gefühle zu sprechen (alle Gefühle sollen erlaubt ein) • Loben Sie das Kind für seinen Mut, darüber zu sprechen und erklären Sie, dass es Stärke zeigt, sich Hilfe zu holen • Machen Sie KEINE vorschnellen Versprechungen (z.B. dass alles wieder gut wird, oder dass Sie keinem etwas von dem Gespräch erzählen werden) Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Merksätze Du bist nicht allein! Das passiert vielen Mädchen und Jungen! Du bist nicht schuld! Verantwortlich ist immer der Erwachsene! Ich weiß Bescheid und nehme Mädchen und Jungen ernst! Du darfst darüber reden, was dir passiert ist, wenn du es willst! Wir suchen gemeinsam einen Weg, damit der Missbrauch aufhört! Ich werde nichts ohne dein Wissen tun. Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Anlaufstellen Beratungsstelle Wildwasser & FrauenNotruf Verein gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen e.V. Hirschstr. 53 b | 76133 Karlsruhe Tel E-Mail Internet 0721 – 85 91 73 [email protected] www.wildwasser-frauennotruf.de Sprechzeiten Mo, Di, Fr Mi Do 10-12 Uhr 16-18 Uhr 14-16 Uhr Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Anlaufstellen – Psychologische Beratungsstellen Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Wildwasser & FrauenNotruf e.V. Karlsruhe