Therapie des akuten Tinnitus mit

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Therapie des akuten Tinnitus mit
niedermolekularen Heparinen (NMH)?
PHILIPP A. FEDERSPIL UND PETER K. PLINKERT, UNIV.-HALS-NASEN-OHRENKLINIK HEIDELBERG (DIREKTOR: UNIV.-PROF. DR. PETER K. PLINKERT)
Abbildung: Feingeweblicher Schnitt durch die
Hörschnecke. In einer knöchernen Kapsel (blau) winden
Das Hörorgan kann auf eine Schädigung
überhaupt nur auf zwei Arten reagieren:
sich die flüssigkeitsgefüllten Schneckengänge um den
Hörnerv (rot).
1. mit einem Hörverlust und
2. mit Tinnitus.
Beides ist häufig miteinander verknüpft. Die
Ursache einer Hörstörung und eines Tinnitus
kann an verschiedenen Punkten lokalisiert sein:
• Im Schallaufnehmer, dem Mittelohr,
• im eigentlichen Sinnesorgan, dem Innenohr,
und
• in der neuronalen Datenverarbeitung,
der Hörbahn.
Betrachten wir zunächst das Hörorgan im Innenohr, die Schnecke, Cochlea (Abb.). Die eigentlichen Hörsinneszellen, die Haarzellen, sind auf
der so genannten Basilarmembran lokalisiert.
Sie bilden mit einer Reihe innerer Haarzellen und
drei Reihen äußerer Haarzellen das Cortische
Organ, das erst vor rund 150 Jahren von dem
MARQUIS ALFONSO CORTI im anatomischen
Institut in Würzburg entdeckt wurde.
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Lange Zeit ging man davon aus, dass die Hörwahrnehmung durch eine rein passive Auslenkung der Basilarmembran, der so genannten
Wanderwelle, zustande kommt. Tatsächlich entstehen jedoch wesentlich höhere Auslenkungen
als durch rein passive Mechanismen zu erklären
wäre.
Heute wissen wir, dass es einen aktiven Verstärker im Innenohr gibt: die äußeren Haarzellen.
Sie sind kontraktil. In einem berühmten Experiment, bei dem die Haarzellen über eine „patch
clamp“ elektrisch gereizt wurden, konnten diese
Kontraktionen an isolierten äußeren Haarzellen
nachgewiesen werden. Die Kontraktionsfähigkeit
erklärt die aktive Verstärkung der Amplitude der
Wanderwelle und damit die ausgezeichnete
Tonotopie der Cochlea.
Typen der Innenohrschwerhörigkeit
Nach ZENNER können wir die Innenohrschwerhörigkeit in vier Typen einteilen:
• Typ I, bei der eine Störung der Motorfunktion
der äußeren Haarzelle zugrunde liegt
• Typ II mit Störung der Signaltransduktion
im Bereich der inneren Haarzelle
• Typ III mit Störung der Signaltransformation
im Bereich des Hörnervs, und
• Typ IV mit Störung der extrasensorischen
Systeme, also z.B der Durchblutung oder der
Stria vascularis, welche Energie benötigt, um
die Ionenhomöostase aufrecht zu erhalten.
Und diese kann wiederum rückwirkend Einfluss auf die ersten drei Typen der Störung
haben.
Heute wissen wir, dass es
einen aktiven Verstärker im
Innenohr gibt: die äußeren Haarzellen. Sie sind
kontraktil.
Beispiel für eine Innenohrschwerhörigkeit von
Typ I ist die Lärmschädigung, entweder in der
chronischen Form, z. B. als berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit, oder auch als akutes Lärmtrauma, das sich die Geschädigten nicht selten
in der Freizeit zugezogen haben.
Dabei kann man tatsächlich mechanische
Schädigungen elektronenmikroskopisch nachweisen: ein Verlust der so genannten „Tipp
links“, welche normalerweise die Stereocilien
verbinden und eine Rolle bei der Öffnung von
Ionenkanälen spielen, bis hin zur regelrechten
Zerstörung der Cilien.
Beispiel für einen Typ-IV-Innenohrschwerhörigkeit ist die Schädigung der Stria vascularis durch
Furosemid oder eine Ischämie.
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Der Hörsturz
Leider bleibt die
Pathophysiologie einer
Leider bleibt die Pathophysiologie einer Innenohrschwerhörigkeit oft unklar; das gilt auch für
den Hörsturz. Ein Hörsturz ist definiert als eine
Innenohrschwerhörigkeit
oft unklar; das gilt auch
für den Hörsturz.
Der Altersgipfel liegt bei
50 Jahren. Männer sind
ebenso häufig betroffen
wie Frauen.
•
•
•
•
•
•
ohne erkennbare Ursache
plötzlich auftretende,
in der Regel einseitige
Schallempfindungsschwerhörigkeit
cochleärer Genese
von unterschiedlichem Schweregrad
bis hin zur Ertaubung.
• Schwindel und/oder Ohrgeräusche
sind zusätzlich möglich [4].
Man geht in Deutschland etwa von 20 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr
aus [4]. Der Altersgipfel liegt bei 50 Jahren.
Männer sind ebenso häufig betroffen wie
Frauen. Bei Kindern kommt er dagegen selten
vor. Dem Hörsturz wird eine relativ hohe Spontanheilungsrate von etwa 50 % zugeschrieben.
Es gibt allerdings nur sehr wenige Studien, die
überhaupt Daten zur Spontanheilung angeben,
zudem verfügen diese nur über geringe Fallzahlen.
CHEN et al. ermittelten bei 52 Patienten eine
Spontanheilungsrate von 31 % [2]. WILSON et
al. fanden Spontanheilungen bei 58 % ihrer
Patienten (n = 52) [11]. In der viel zitierten
Studie von WEINAUG wurde sogar eine Spontanheilungsrate von 89 % bei insgesamt 63
Patienten erreicht [10].
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Therapie des Hörsturzes
Diese relativ hohe, aber ungenaue Spontanheilungsrate und die vergleichsweise niedrige Inzidenz des Hörsturzes führen zu Problemen bei
der Durchführung und Interpretation von randomisierten und plazebokontrollierten Therapiestudien. So erfüllten lediglich zwei Studien die
strengen Kriterien der „Cochrane Collaboration“
zur Bewertung der Wirksamkeit von Steroiden
bei Patienten mit Hörsturz [9]. Doch die Studienauswertungen ergaben widersprüchliche Ergebnisse, so dass die Wirksamkeit von Steroiden
wissenschaftlich letztlich nicht erwiesen ist.
Andererseits ist damit keinesfalls die Unwirksamkeit von Steroiden beim Hörsturz erwiesen. Faktoren wie die Steroiddosis und das Intervall zwischen Erkrankungs- und Therapiebeginn spielen
eine nicht unwesentliche Rolle.
Nach der Leitlinie „Hörsturz“ der Deutschen
Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie wird für Patienten mit
Hörsturz eine dreitägige Behandlung mit einem
hochdosierten Kortikosteroid (z. B. 250 mg
Prednisolon) empfohlen [4]. Kommt es zu keiner
Besserung, können rheologische Maßnahmen
angeschlossen werden. Differenzialtherapeutisch
kommt bei Tieftonhörstürzen eine entwässernde
Behandlung in Betracht, da hier ein endolymphatischer Hydrops als Ursache angenommen
wird.
Tinnitus
Bei Tinnitus wird ein akuter Tinnitus von einem
chronischen Tinnitus, der bereits länger als drei
Monate besteht, unterschieden. Der akute Tinnitus kann mit oder auch ohne Hörminderung vorkommen. Auslöser kann eine akute Lärmeinwirkung sein. Häufig tritt Tinnitus aber auch ohne
erkennbare Ursache auf; dementsprechend wird
er als Hörsturzäquivalent betrachtet. In der Akutphase wird üblicherweise ein medikamentöser
Therapieversuch durchgeführt.
Fragt man einmal genauer nach, wird der
chronische Tinnitus von sehr vielen Menschen
angegeben. Glücklicherweise leiden die meisten
nicht sehr stark darunter. Man spricht daher von
einem kompensierten Tinnitus. Es gibt jedoch
auch Patienten, denen ihr Tinnitus extrem zu
schaffen macht, so dass psychovegetative Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen auftreten.
Man spricht dann von einem dekompensierten
Tinnitus.
Nicht pharmakologische Therapie
des chronischen Tinnitus
Anders als bei der reinen Hörminderung muss
bei Tinnitus mit einem Plazeboeffekt gerechnet werden. Ähnlich wie der Schmerz ist Tinnitus eng mit emotionalen Empfindungen im
Limbischen System vernetzt. Dieses neuronale
Netzwerk der Hörbahn, in dem bereits vor der
Bewusstwerdung eine erhebliche Signalverarbeitung erfolgt, spielt auch in dem neurophysiologischen Tinnitusmodell nach JASTREBOFF und HAZELL eine entscheidende Rolle [5].
Vereinfacht kann gesagt werden, dass sich der
chronifizierte Tinnitus (> 3 Monate) „in die Hörbahn eingegraben“ hat. In diesem Stadium ist
er einer medikamentösen Therapie wahrscheinlich nur bedingt oder gar nicht mehr zugänglich.
In den letzten Jahren ist der chronische Tinnitus
deshalb die Domäne psychologischer Ansätze
wie der Retraining-Therapie [5] oder der kognitiven Verhaltenstherapie [3] bzw. der kognitiven
Tinnitusdesensitivierung [13].
Bei Tinnitus wird ein akuter
Tinnitus von einem chronischen Tinnitus, der bereits
länger als drei Monate
besteht, unterschieden.
Ähnlich wie der Schmerz
ist Tinnitus eng mit emotionalen Empfindungen im
Limbischen System vernetzt.
Ein ganz neues Behandlungskonzept stellt die
Musiktherapie dar, die in Kooperation mit dem
Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung
(Prof. Bolay) in Heidelberg angeboten wird.
Neben musikalischen Entspannungsübungen
wird der Tinnitus durch geeignete Musikinstrumente „ausgelöscht“. Voraussetzung dafür ist
allerdings, dass es sich um einen tonalen Tinnitus und nicht um ein Rauschen handelt. Erste
Studienergebnisse scheinen sehr Erfolg versprechend zu sein.
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Tinnitusbehandlung mit
unfraktionierten Heparinen
Unfraktionierte Heparine
(UFH) wurden bereits in den
50er Jahren zur Behandlung
des Tinnitus (und Hörsturzes)
eingesetzt.
Eine neue Hoffnung ergab
sich mit der Entwicklung der
niedermolekularen Heparine
(NMH).
Unfraktionierte Heparine (UFH) wurden bereits
in den 50er Jahren zur Behandlung des Tinnitus (und Hörsturzes) eingesetzt. MAYOUX et al.
analysierten die Wirksamkeit einer UFH-Behandlung (250-300 mg/Tag) über sieben Tage bei
100 Patienten [6]: Im Audiogramm ergab sich
bei 16 % eine „leichte Besserung“ und bei 17 %
eine „deutliche Besserung“. Bezogen auf das
Symptom Tinnitus war in 75 % der Fälle ein
deutlicher Benefit für die Patienten zu verzeichnen. Leider genügt diese Studie wie auch andere
Studien aus dieser Zeit nicht mehr den heutigen
Anforderungen hinsichtlich Randomisierung und
Plazebokontrolle. Die Daten sind damit letztlich
nicht verwertbar.
BOCKMÜHL konnte keinen positiven Effekt
der unfraktionierten Heparine auf Tinntius oder
Hörsturz nachweisen [1]. Er behandelte 20
Patienten über drei bis vier Wochen stationär
und verabreichte jeden zweiten Tag 5.000 I.E.
UFH bis zu einer Gesamtdosis von 75.000 I.E.
Lediglich drei Patienten (15 %) gaben eine Besserung an, bei einem Patient verschlechterten
sich die Symptome. Bezüglich des Hörverlusts
war keine Veränderung zu beobachten. Nicht
zuletzt auf Grund der unerwünschten Arzneimittelwirkungen der unfraktionierten Heparine
wurden sie daher für diese Indikation nicht eingesetzt.
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Niedermolekulare Heparine
Eine neue Hoffnung ergab sich mit der Entwicklung der niedermolekularen Heparine
(NMH). Allerdings finden sich zu dieser Indikation bisher nur drei Studien:
1. YUE et al. berichteten über die Behandlung
von 100 Patienten über einen Zeitraum von elf
Monaten in einer retrospektiven Studie [12].
Einschlusskriterium war ein Hörsturz von mindestens 30 dB Hörverlust bei 3 Frequenzen
gegenüber dem gesunden Ohr. Die Behandlung setzte im Mittel nach zehn Tagen (1– 21
Tage) ein. Gruppe 1 erhielt „Standard“ + NMH
(Livaracine 2 x 2.500 I.E.; Livaracine wird in
China produziert) . Die Vergleichsgruppe erhielt den „Standard“ bestehend aus Carbogen-Inhalation, Dexamethason 10 mg, Adenosintriphosphat 40 mg, Coenzym A 200 mg
plus Salviae-Miltiorrhizae-Infusionen (i.v.) über
zehn Tage (Gruppe 2).
In Gruppe 1 wurde eine Besserung von 86 %
unmittelbar nach dem Therapieende (p < 0,01)
und von 84 % im Anschluss an die Nachbeobachtungszeit festgestellt (Vergleichsgruppe
70 % bzw. 66 %; p < 0,05).
Beurteilung: Leider gibt es in der Publikation
einige Unstimmigkeiten:
• Die Zahlenangaben sind nicht konsistent.
• Es wird keine Randomisierung durchgeführt,
dennoch wird angegeben, die Gruppen
seien gematched.
• Der Zeitpunkt „Follow-Up“ wird nicht
spezifiziert.
• Eine Aussage zum Tinnitus wird in der
gesamten Arbeit vermisst.
In der Kontrollgruppe blieb die Hörminderung bestehen und der subjektive Tinnitusscore änderte sich von prätherapeutisch 3,7
auf lediglich 3,1. Die Autoren vermuten, dass
die hohe antithrombotische Aktivität von Enoxaparin und der Effekt dieser Substanz auf die
kapilläre Blutviskosität, die Erythrozyten-Deformierbarkeit und Thrombozytenaggregation
sowie die Antiphospholipidantikörper-Aktivität
eine Rolle bei der hier beobachteten Arzneimittelwirkung spielen.
Die Autoren vermuten,
dass die hohe antithrombotische Aktivität von
Enoxaparin und der Effekt
dieser Substanz auf die
kapilläre Blutviskosität, die
Erythrozyten-Deformierbarkeit und Thrombozytenaggregation sowie die AntiphospholipidantikörperAktivität eine Rolle bei der
2. In einer randomisierten Studie behandelten
MORA et al. 40 Patienten mit Enoxaparin
2 x 2.000 I.E. s.c. über zehn Tage stationär
und verglichen den Therapieeffekt mit der
Standardtherapie [8]. Die Standardtherapie
bestand aus „Kortikosteroiden, vasoaktiven
Substanzen, Multivitaminen und Antikoagulanzien“, ohne dass genaue Angaben über
die eingesetzten Präparate und ihre Dosierungen gemacht wurden. Einschlusskriterien
waren Tinnitus und Hörminderung > 30 dB
über mindestens zwei Monate. In der Enoxaparin-Gruppe gaben alle Patienten eine Linderung der Symptome an! Ein subjektiv beurteilter Tinnitusscore (Spanne 0-4) verbesserte
sich von prätherapeutisch 3,8 auf 1,5. Darüber hinaus konnte die Hörleistung bei 80 %
der Patienten um 19,5 bis 23,6 dB (SEM 4,52)
erhöht werden.
Beurteilung: Es handelt sich um eine Therapievergleichsstudie ohne Kontrollgruppe. Der
Beobachtungszeitraum wird nicht spezifiziert.
Der Effekt auf die Hörleistung ist gering. In der
gesamten Arbeit werden Angaben zu statistischen Tests und Signifikanzen vermisst.
hier beobachteten Arzneimittelwirkung spielen.
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3. In einer randomisierten Multicenter-Studie
berichtete die gleiche Arbeitsgruppe um
MORA et al. über die Behandlung von 30
stationär aufgenommenen Patienten, die auf
Grund einer (vermuteten) immunmediierten
sensorineuralen Hörminderung zehn Tage
lang Enoxaparin (2 x 2.000 I.E. s.c.) erhielten
(vs. Plazebo) [7]. Einschlusskriterien waren
eine bilaterale, langsam (über Jahre) progrediente Hörminderung mit einem Hörverlust
von mindestens 30 dB bei 2 bis 4 kHz innerhalb eines Jahres sowie eine Abnormität bei
sechs von zwölf Immunparametern im Blut
(BSG, CRP, Rheumafaktor, ANA, Anti-dsDNA,
Anti-TG-AK, IgG, IgM, IgA, CH50, C3, C4.
Der Stellenwert der NMH in
der Behandlung des Tinnitus
bleibt derzeit letztlich noch
ungeklärt.
In der Enoxaparin-Gruppe erhöhte sich die
Hörleistung bei elf von 15 Patienten (73 %)
um 18,6 bis 23,6 dB (SEM 4,79). Der subjektiver Tinnitusscore (Spanne 0-4) konnte von
prätherapeutisch 3,8 auf 1,1 verbessert
werden. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit
BSG fiel von 64,8 (SEM 2,26) auf 13,8 (SEM
3,24). In der Plazebogruppe dagegen veränderte sich die Hörminderung praktisch nicht.
Der subjektive Tinnitusscore bewegte sich von
prätherapeutisch 3,7 auf lediglich 3,2.
Beurteilung: Obwohl es sich um ein gänzlich
anderes Krankheitsbild handelt, besteht eine
verblüffende Übereinstimmung der Zahlenwerte des Tinnitusscores mit der zwei Jahre
zuvor von dieser Arbeitsgruppe publizierten
Studie [8], die Zweifel an der Korrektheit der
Datenerhebung aufkommen lassen. Auch in
dieser Arbeit werden Angaben zu statistischen
Tests und Signifikanzen vermisst.
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Schlussfolgerungen
Alle drei Studien, die zu dieser Indikation
identifiziert wurden, weisen methodische
Mängel auf. In der Studie von YUE et al.
wird der Tinnitus überhaupt nicht besprochen [12]. Die zweite Studie von MORA et
al. behandelt das spezielle Gebiet der
immunmediierten Innenohrstörungen, für
die bis heute keine akzeptierten Diagnosekriterien, geschweige denn Nachweismethoden etabliert sind [7]. Einzig die Studie
von MORA et al. [8] aus dem Jahre 2003
behandelt den Tinnitus, allerdings erst im
subakuten Stadium nach zwei Monaten. Es
bleibt abzuwarten, ob die hier gezeigten
überwältigenden Ergebnisse von anderen
Arbeitsgruppen in plazebokontrollierten
Studien reproduziert werden können. Ein
Unterschied wäre auch hinsichtlich akutem
und chronischem Tinnitus zu erwarten. In
Anbetracht der neurophysiologischen
Mechanismen der Chronifizierung des Tinnitus ist ein beständiger Behandlungserfolg
bei chronischen Formen eher psychologischen Methoden vorbehalten. Der Stellenwert der NMH in der Behandlung des
Tinnitus bleibt derzeit letztlich noch ungeklärt.
Literaturverzeichnis
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Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400
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VASCULAR CARE 2/2007 VOL. 13
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