1.13 Reibung

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1.13
1.13.1
Reibung
Haftreibung und Gleitreibung
⃗ auf einer
Wir betrachten einen Quader mit Gewicht G
rauhen Unterlage, an dem eine waagerechte Kraft
angreift.
g
G
Aus dem Freischnitt wird klar, dass die Unterlage
eine Normalkraft und eine Tangentialkraft aufbringen
muss, damit der Körper im Geichgewicht bleiben
kann.
Lageplan mit Freischnittkontur
Freischnitt
Kraftplan
R
G
G
S
S
F
S
F
G
F
A
ϕ
N
R
F
N
ϕ
Die Normalkraft hält dem Gewicht das Gleichgewicht (Resultierende einer Druckverteilung auf
die Grundfläche des Körpers).
Kein Rutschen des Körpers: Tangentialkraft von der Größe der Kraft F⃗ in entgegengesetzter
Richtung notwendig.
Die Tangentialkraft wird durch Reibung zwischen Körper und Unterlage möglich.
⇒
⃗
Resultierende Kraft A.
Winkel φ zur Senkrechten wächst mit höherer Belastung F⃗ . Bei gegebenem F⃗ liegt φ fest.
Es gilt:
Der Winkel hängt nicht davon ab, aus welcher Richtung die Kraft F⃗ gegen den Körper drückt.
⃗ passt sich jeweils an. Deshalb lässt sich der Winkel auch als Öffnungswinkel
Die Stellung von A
eines Reibkegels“ ansehen.
”
⃗ muss für Gleichgewicht mit Gewichtskraft und belastender
Die resultierende Auflagerkraft A
Kraft ein zentrales Kraftsystem bilden (Drei-Kräfte-Satz). Damit liegt auch der Angriffspunkt
⃗ fest (Momentengleichgewicht am Quader!).
der Auflagerkraft A
53
Erfahrung: Für Gleichgewicht kann die Kraft F⃗ und damit der Winkel φ nicht beliebig anwachsen
Grenzwinkel φmax
Diese Grenze hängt von den Adhäsions- und Kohäsionskräfte zwischen den Materialien, der
Oberflächenbeschaffenheit des Quader und der Unterlage und anderen Faktoren ab.
Die theoretischen Zusammenhänge zur Bestimmung von φmax sind äußerst kompliziert, und auch
die Messung im Experiment ist hinreichend komplex; Fachgebiet Tribologie.
Für eine erste Betrachtung kann jedoch der Ansatz von Coulomb hereangezogen werden, nachdem bei trockenen Oberflächen mit wachsender Normalkraft auch die übertragbare Reibkraft
proportional wächst:
Coulombsches Reibungsgesetz für Haftreibung:
Der Proportionalitätsfaktor µH wird Haftreibungskoeffizient genannt.
Bestehen die Kontaktflächen aus Stahl mit üblicher Oberflächenbeschaffenheit so variiert µH in
den Grenzen 0, 1 bis 0, 2.
Der Winkel des Reibkegels φ ist für Gleichgewicht stets kleiner oder gleich dem maximalen
Reibwinkel:
Coulomb hat auch für gleitende Bewegung trockener Oberflächen ein Reibgesetz formuliert.
⃗ bei gleitender Bewegung trockener Oberflächen unabhängig von
Demnach ist die Reibkraft R
der Gleitgeschwindigkeit und unabhängig von der Kraft F⃗ immer proportional zum Betrag der
Normalkraft und vom Richtungssinn her entgegengesetzt zum Richtungssinn der Kraft F⃗ . Im
Allgemeinen ändert der Körper beim Gleiten seinen Bewegungszustand (kein Gleichgewicht(, so
dass uns Gleitreibung neben Haftreibung erst wieder bei dynamischen Problemen begegnet.
Coulombsches Reibunggesetz für Gleitreibung:
Der Parameter µG wird Gleitreibungskoeffizient genannt. Es zeigt sich in Experimenten, dass
µG < µH ist.
54
⇒
Übung
⃗ als Funktion der Höhe des
- Berechnen Sie den Kraftangriffspunkt der Auflagerkraft A
⃗
Kraftangriffspunktes der Kraft F über der Auflagefläche!
Erstes Beispiel zur Reibung
g
G
Körper auf einer rauhen schiefen Ebene mit Haftreibungskoeffizient µH , belastet durch sein Eigengewicht
⃗
G.
S
Wie gross ist der maximale Winkel, so dass gerade
noch kein Rutschen eintritt?
α
Lösung
Lageplan mit Freischnittkontur
Freischnitt
Kraftplan
G
G
N
S
A
S
G
α
R
R
N
⃗+G
⃗ = ⃗0 und A
⃗=N
⃗ +R
⃗ Folgendes
Aus der grafischen Lösung sieht man sofort, dass wegen A
gilt:
Da Rmax = µH N folgt unmittelbar:
Experimente an schiefen Ebenen können demnach zur Messung des Haftreibungskoeffizienten
herangezogen werden, indem der Neigungswinkel α der Ebene so lange erhöht wird, bis Rutschen
eintritt.
55
Zweites Beispiel zur Reibung
Eine Leiter lehnt an einer senkrechten Wand. Die Heiftreibkoeffizienten µA und µB an den Auflagepunkten sind
bekannt.
A
α
Bis zu welcher Höhe hmax darf die Leiter bestiegen werden
bevor Rutschen eintritt?
G
Lösung
Da bei A und B je zwei unbekannte Kraftkomponenten
auftreten (zweiwertige Lager) ist das vorliegende ebene
Problem einfach statisch unbestimmt. Trotzdem können
interessante Aussagen getroffen werden, ohne die Lagerkräfte im Detail zu bestimmen.
B
Wir wissen einerseits, dass die beiden Auflagerkräfte
⃗ B
⃗ und die Gewichtskraft G
⃗ nur dann Gleichgewicht
A,
herstellen können, falls sich ihre Wirkungslinien in einem
Punkt schneiden (Drei-Kräfte-Satz).
ϕmax,A
K
A
Wir wissen ferner, welchen Spielraum die Wirkungslinien
⃗ und B
⃗ haben (Reibkegel).
der Kräfte A
Tragen wir die Reibkegel an den Lagerstellen bei A und
B ein, so können wir das hellgrün dargestellte Bebiet
abgrenzen, in dem sich die drei Wirkungslinien schneiden
müssen. Liegt der Schnittpunkt außerhalb des hellgrünen
Gebietes, so kann kein Gleichgewicht hergestellt werden.
α
G
ϕmax,B
hmax
Dies geschieht sobald die Wirkungslinie der Gewichtskraft
⃗ beim Hochsteigen den kritischen Punkt K überschreitet.
G
B
Aus der grafischen Konstruktion lässt sich hmax ablesen bzw. eine Formel für die gesuchte Höhe
als Funktion der Reibkoeffizienten ableiten.
Man erkennt ferner, dass der kritische Punkt K bei verkleinertem Anstellwinkel α nach links
wandert. Sobald α < φmax,B kann die Leiter bis zum höchsten Punkt beschritten werden, ohne
dass bei B Rutschen auftritt. Die Leiter ist zur Sicherheit so anzustellen, dass sie sich klar innerhalb des Reibkegels von B befindet.
Die getroffenen Aussagen sind unabhängig von der Größe der Gewichtskraft. Dies liegt daran,
dass die Normalkräfte und damit die Reibkräfte proportional zur Gewichtskraft anwachsen. Darin drückt sich ein Selbsthemmmechanismus aus, der in vielen Fällen bei der Anwendung von
Reibung in der Technik genutzt wird. Beispiele sind Unterlegkeile, Schrauben (Steigungswinkelbegrenzung der Gewindeflanke), Hebevorrichtungen, Extensionshülsen und vieles mehr.
56
Drittes Beispiel zur Reibung
Bodenhaftung beim Rad eines Kraftfahrzeuges bei bekannter
⃗
Achslast G.
⃗ | in Abhängigkeit vom HaftreiWelches Antriebsmoment |M
bungskoeffizient µH ist für quietschende Reifen“ nötig?
”
Lageplan mit Freischnittkontur
G
Lösung
M
Momentengleichgewicht um den Radmittelpunkt liefert:
Rutschbeginn:
Haftung auf der Straße wird erhöht durch größeres Gewicht
und größeren Raddurchmesser.
Freischnitt
G
Das negative Vorzeichen weist darauf hin, dass die Reibkraft
in die entgegengesetzte Richtung wirkt. Anfahren nach links
erfordert eine schiebende“ Reibkraft von der Straße auf das
”
Fahrzeug.
Hinweis an Machos: Motorkraftreserve einkalkulieren, damit Quietschen auch noch dann eintritt, falls die Girls“
”
zugestiegen sind. Evt. abgefahrene Reifen verwenden (selbstverstärkend!).
M
R
N
Übung
- Warum ist diese Betrachtung nur eine Abschätzung der wahren Verhältnisse, welcher Sachverhalt wurde gar nicht berücksichtigt?
Wie stellt sich das Problem beim Anfahren am Berg dar?
57
1.13.2
Seilreibung
Wir betrachten eine Umlenkrolle, über die ein Seil gespannt ist, das die Rolle mit einem Winkel
φ umschlingt. Zwischen Seil und Rolle sollen Tangentialkräfte übertragen werden, due durch
Reibung entstehen. Die Normal- und Reibkräfte zwischen Seil und Rolle werden in den Freischnittpläne für Seil und Rolle sichtbar.
’
Durch die Reibkräfte entsteht ein Moment, das für
ϕ
dϕ
Gleichgewicht an der Achse der Rolle von einem GeS1
genmoment ausgeglichen wird. Entsprechend werden sich
A
⃗0 und S
⃗1 in ihrem Betrag unterscheiden.
auch die Seilkräfte S
S0
Da die Normalkräfte und Reibkräfte an jeder Position
unterscheiden, müssen wir das Gleichgewicht eines kleinen
Seilstückes betrachten.
Lageplan mit Freischnittkonturen
Freischnitt Umlenkrolle
S1
S1
MA
A
Freischnitt Seil
∆ϕ
A
S0
S0
Freischnitt Seilelement mit Winkel ∆ϕ
Kraftplan
∆N
S(ϕ)
S(ϕ + ∆ϕ)
S(ϕ) + ∆S
∆R
∆ϕ
S(ϕ)
y
x
Gleichgewicht in tangentiale und normale Richtung:
∑
∑
Ft = 0 :
+S(φ) cos(
Fn = 0 : −S(φ) sin(
∆φ
∆φ
) + ∆R − (S(φ) + ∆S) cos(
)=0
2
2
∆φ
∆φ
) + ∆N − (S(φ) + ∆S) sin(
)=0
2
2
58
∆N
∆ϕ
∆R
Linearisierung für kleine Winkel mit
sin ∆φ = ∆φ −
cos ∆φ = 1 −
1
∆φ3 + . . .
3!
1
∆φ2 + . . .
2!
≈ ∆φ für ∆φ << 1,
≈ 1
für ∆φ << 1
d•
ƥ
=
:
∆φ→0 ∆φ
dφ
und Grenzübergang lim
∑
∑
Ft = 0 :
dR − dS = 0
Fn = 0 : dN − Sdφ = 0



⇒ 4)
dS = dR
dN = S(φ) sin dφ
Maximale Reibkraft am Seilelement dφ:
Differentialgleichungen diesen Typs werden durch Trennung der Variablen gelöst:
Unbestimmte Integration liefert:
wobei C eine freie Kontante ist.
Bestimmung der Konstanten aus Randbedingungen:
Es gilt:
Damit bestimmt sich die freie Konstante zu:
Wir erhalten für die maximale Zunahme der Seilkraft ohne das Rutschen auftritt:
Mit anwachsendem Umschlingungswinkel nimmt die Seilkraft exponentiell zu! Dazu ist eine Vorspannung des Seiles mit S0 erforderlich
Zahlenbeispiele für µH = 0, 5 bei verschiedenen Umschlingungswinkeln:
Seilantrieb:
φ=π
Vertäuen von Schiffen:
φ = 4π S/S0 = 535, 5
4)
S/S0 = 4, 81
Zum Vergleich siehe Krafteck
59
Beispiel Riementriebtrieb
Mit dem Riementrieb nach Skizze soll mit einem Antriebsmoment Ma ein Moment M übertragen
werden.
R
Ma
M
r
A
B
Lösung
Freischnitt Antriebsrolle
Freischnitt mitgenommene Rolle
S1
Ay
S1
Ma
M
Ax
Bx
By
S2
y
S2
x
Momentengleichgewicht an der mitgenommenen Scheibe:
Maximale Seilkraft:
Maximal übertragbares Moment:
Die Seilkräfte ergeben sich zu
S1 =
M
1
,
µ
H
r e φ −1
60
S2 =
M e µH φ
r e µH φ −1
Übung
- Bestimmen Sie das Verhältnis
Ma
!
M
- Zeigen Sie, dass die Arbeit beider Momente gleich groß ist5) !
S
Im Stand muss eine Mindestvorspannung S des Riementriebs eingestellt werden, damit ein Moment übertragen
werden kann.
S
S1 + S2
M e µH φ +1
M
µH φ
S=
=
=
coth(
)
µ
φ
2
2r e H −1
2r
2
stehend
S - ∆S
Ma
M
Zahlenbeispiel:
µH = 0, 5 ,
R=r
⇔
φ=π:
S = 0, 76
M
r
laufend
S + ∆S
Übung
- Weisen Sie mit Hilfe der Lagerkräfte bei A und B nach, dass sich die Riemenkraft S im
2
Stand aus der gemittelten Riemenkraft S1 +S
im laufenden Zustand ergibt!
2
- Bei Stillstand und unter Belastung ändert sich die elastische Verformung der oberen und
unteren Riemenstränge. Nehmen Sie ein lineares Belastungs-Dehnungs-Gesetz an und leiS1 + S2
her!
ten Sie daraus wiederum den Zusammenhang S =
2
5)
Zur Beantwortung dieser Frage können Sie die Momente durch Kräftepaare ersetzen und Ausnutzen,
∫ dass die
⃗ · d⃗s
Arbeit W F einer Kraft durch das Skalarprodukt aus Kraft und Verschiebung berechnet wird: W F = F
61
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