PIA – oft trifft es die Spitzenbetriebe

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TIERGESUNDHEIT
PIA – oft trifft es die
Spitzenbetriebe
Der Erreger der PIA ist weit verbreitet, führt aber
nicht zwangsläufig zu Problemen. Dr. Claudia
Lambrecht, Landwirtschaftskammer NRW,
erläutert, wie man vorbeugt und behandelt.
K
ümmernde Absetzferkel, auseinanderwachsende Läufergruppen bis hin zu
plötzlichen Todesfällen bei Mastschweinen und Jungsauen: Die Darmerkrankung
PIA (Porzine Intestinale Adenomatose)
hat viele Gesichter und kann in allen Altersgruppen auftreten. Der Erreger, das
Bakterium Lawsonia intracellularis, ist
erst seit rund neun Jahren bekannt. Inzwischen gibt es aber vermutlich nur noch wenige Bestände, die nicht infiziert sind.
Die hohe Nachweisrate mag zum Teil
dadurch begründet sein, dass die Diagnostik in den letzten Jahren wesentlich
verbessert wurde. Und vermutlich hat
auch das zunehmende Verbot von Leistungsförderern bewirkt, dass die Erkrankungsfälle sichtbar zugenommen haben.
Dass es in letzter Zeit vor allem die hygienisch gut geführten Betriebe trifft,
liegt sicherlich aber auch daran, dass diese Top-Betriebe ihren Arzneimitteleinsatz deutlich zurückgefahren haben.
Ein Großteil der
Bestände ist infiziert
Wie verbreitet der Erreger inzwischen
in deutschen Schweinebeständen ist, belegen verschiedene Untersuchungen:
■ Im Jahr 2001 wurden von der Tierärztlichen Hochschule Hannover im
Rahmen einer Doktorarbeit 20 Sauenbestände untersucht, die bisher noch keine
Krankheitsprobleme mit PIA hatten. In
allen 20 Herden wurden serologisch positive Tiere gefunden. Diese Tiere hatten
also in der Vergangenheit Kontakt mit
dem Erreger. Von insgesamt 410 unter-
suchten Blutproben wiesen 55,9 % Lawsonien-Antikörper auf. Aber auch der
Erreger selbst konnte in allen 20 Herden
nachgewiesen werden. Von 410 Kotproben fiel der Erregernachweis in 76 Fällen
positiv aus.
■ In einer aktuellen, von einem Pharmaunternehmen in Auftrag gegebenen
Studie wurden über 200 Betriebe in ganz
Deutschland untersucht. Dabei zog man
Blutproben in allen Altersstufen. Ergebnis: 83 % aller Bestände waren serologisch positiv, d. h. mindestens zwei von
elf pro Bestand untersuchten Blutproben
wiesen PIA-Antikörper auf.
■ Und in einer dritten Untersuchung
der Universität Gießen aus dem Jahr
2003 wurden 70 Schweinebestände,
ebenfalls ohne Durchfallprobleme, ausgewertet. Dabei konnte der Erreger in
fast einem Drittel (30 %) aller Bestände
nachgewiesen werden.
Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass der Erreger in bundesdeutschen Schweineställen inzwischen weit
verbreitet ist. Doch allein die Anwesenheit des Erregers muss nicht zwangsläufig zu Problemen führen. So wurde beispielsweise nur bei 2 % aller Schweine,
die dem Untersuchungszentrum der
Landwirtschaftskammer Münster im
Jahr 2002 aufgrund von Darmerkrankungen zur Sektion zugeschickt wurden,
PIA tatsächlich diagnostiziert.
Der Grund für die eher seltene positive Diagnose: PIA ist eine typische Faktorenkrankheit. Zum Ausbruch der Erkrankung kommt es meist erst, wenn ne-
PIA – eine Erkrankung mit vielen Gesichtern
PPE (Porzine Proliferative Enteropathie)
Darmerkrankung mit Wucherungen der Darmschleimhaut
Verlaufsform
chronisch
akut
PHE (Porzine Hämorrhagische Enteropathie)
➔ Mastschweine, Jungsauen
– blutiger bis wässrigschwarzer Kot
– Blutaustritt aus dem After
– Blässe
– plötzliche Todesfälle
PIA (Porzine Intestinale Adenomatose)
➔ Absetzferkel, Läufer
– verminderte Zunahme, Kümmern, Auseinanderwachsen
– dünnbreiiger Durchfall, Wucherungen der Darmschleimhaut
NE (Nekrotisierende Enteritis)
➔ Absetzferkel, Läufer
– starkes Kümmern
– absterbende Darmschleimhaut, entzündliche Beläge im Darm
RI (Regionale Ileitis)
Die PIA ist eines von vier Krankheitsbildern, die man unter dem
Sammelbegriff PPE zusammenfasst.
Grafik: Orb
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➔ Absetzferkel, Läufer
– „Gartenschlauchdarm“, eventuell. Darmverschluss
© top agrar
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ben einem erhöhten Erregerdruck auch
ungünstige Umweltbedingungen oder
andere Stressfaktoren auf die Schweine
einwirken. Zudem werden Krankheitserscheinungen oft auch durch den Arzneimitteleinsatz gegen andere Erkrankungen unterdrückt.
Erreger wird mit dem
Kot übertragen
Das Bakterium Lawsonia intracellularis hält sich innerhalb der Darmzellen auf
und vermehrt sich dort. Die Übertragung
erfolgt in erster Linie über Tierkontakt.
Der Erreger wird von infizierten Tieren
mit dem Kot ausgeschieden und dann
von anderen Schweinen wieder aufgenommen. Die Inkubationszeit beträgt in
der Regel drei bis sechs Wochen.
Meist gelangt der Erreger über latent
infizierte Tiere in den Bestand, denen
man die Erkrankung äußerlich nicht ansieht. Das können Mastläufer sein, die
sich bereits an der Sau infiziert haben.
Die Tiere tragen den Erreger zwar in
sich, erkranken jedoch erst dann, wenn
z. B. Umstall-Stress als auslösender Fak-
Steht die Diagnose, sollten die Tiere zwei bis drei Wochen lang über das Futter oder
die Tränke antibiotisch behandelt werden, um den Erregerdruck zu reduzieren.
tor hinzukommt. Zudem können auch
Jungsauen den Erreger mitbringen.
Der Infektionsweg kann aber auch genau umgekehrt erfolgen. In diesem Fall
beherbergen die bereits im Zukaufbetrieb vorhandenen Schweine den Erreger. Sie haben oftmals sogar schon eine
Immunität aufgebaut und geben die Bakterien an die neuen, noch negativen Tiere weiter. Auf diese Weise können zum
Beispiel zugekaufte, bisher nicht infizierte Jungsauen angesteckt werden.
Darüber hinaus können die Lawsonien aber auch durch Schadnager oder
kontaminierte Kleidung und Gegenstände eingeschleppt oder innerhalb des Betriebes weitergetragen werden.
Ein Erreger, vier
Krankheitsbilder
Der Name PIA ist zwar inzwischen vielen geläufig. Wie aus der Übersicht hervorgeht, ist PIA aber nur eine von vier
verschiedenen Verlaufsformen einer
Krankheit, die man unter dem Sammel-
begriff Porzine Proliferative Enteropathie
(PPE) zusammenfassen kann. Darunter
versteht man eine Darmerkrankung mit
Wucherungen der Darmschleimhaut.
Grundsätzlich muss man zwischen der
akuten und der chronischen Verlaufsform unterscheiden. An der akuten Form
der Erkrankung PHE (Porzine Hämorrhagische Enteropathie), die durch starken Blutverlust gekennzeichnet ist, erkranken meist Mastschweine oder Jungsauen. Es kommt zu plötzlichen Todesfällen. Der Kot der Tiere ist blutig oder
wässrig-schwarz gefärbt, mitunter sogar
teerartig. Oft sind die Schweine auffallend blass.
Die übrigen drei Krankheitsformen
verlaufen dagegen chronisch und kommen vor allem bei Absetzferkeln und
Mastläufern vor. Bei der eigentlichen
PIA (Porzine Intestinale Adenomatose)
fressen die Tiere schlecht. Gewichtszunahmen und Futterverwertung sind herabgesetzt, die Schweine kümmern häufig. Oftmals ist der Kot dünnbreiig. Und
bei der Sektion erkrankter Tiere fällt auf,
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dass die Darmschleimhaut hirnwindungsähnlich verdickt ist.
In einigen Fällen geht die PIA in die
Nekrotisierende Enteritis (NE) über, bei
der es zum Absterben von Darmschleimhaut und Auflagerungen von entzündlichen Belägen kommen kann – möglicherweise durch beteiligte Sekundär-Erreger. Die Schweine kümmern sehr stark.
Diese Verlaufsform kann schließlich
in die so genannte Regionale Ileitis (RI)
übergehen, die auch als „Gartenschlauchdarm“ bezeichnet wird. Denn
bei der Ausheilung abgestorbener
Schleimhautbezirke
kommt es zur Verdickung der Muskelschichten, die zu einer
Darmverengung und
im Extremfall sogar
zum Darmverschluss
führen kann.
Beim Auftreten
der akuten Verlaufsform lässt sich im
Stall häufig schon eine erste Verdachtsdiagnose stellen. Die
Symptome können
aber leicht mit der
Dysenterie verwechselt werden, die eben- Bei der chronischen Form der PIA schwillt die Darmfalls zu blutigem schleimhaut deutlich an.
Durchfall führt.
ren mit Durchfall erfolgen. Wichtig ist jedoch, dass die Proben gekühlt ins Labor
Erst untersuchen,
gelangen und keine Sammelkotproben
dann behandeln!
eingeschickt werden. Doch Achtung:
Selbst wenn das Kotproben-Ergebnis neBei den chronischen Verlaufsformen
gativ ausfällt, kann das Tier dennoch inwird die Abgrenzung zu anderen Darmfiziert sein. Denn der Erreger wird von
erkrankungen wie Coli-Durchfall, Dysden erkrankten Schweinen nicht kontienterie oder Salmonellose dann jedoch
nuierlich ausgeschieden.
schwierig. Denn die chronischen ErkranDarüber hinaus können auch Blutprokungen äußern sich neben dem Auftreben auf Antikörper gegen Lawsonien
ten von dünnbreiigem Kot oftmals nur in
untersucht werden. Ein positives Ergebeiner verminderten Futteraufnahme
nis besagt jedoch nur, dass das Schwein
oder in unspezifischem Kümmern, das
in der Vergangenheit Kontakt mit dem
schnell auch mit einer Circovirus-InfekErreger hatte. Eine definitive Aussage
tion verwechselt werden kann.
darüber, ob das Tier den Erreger auch
Bevor man eine gezielte Therapie einaktuell noch beherbergt und dieser für
leitet, sollte deshalb unbedingt erst eine
die Durchfallerkrankung verantwortlich
Laboruntersuchung durchgeführt wersein könnte, ist jedoch nicht möglich.
den. Am besten eignen sich dazu erBei der Untersuchung auf Antikörper
krankte Tiere, die zur Sektion eingemuss zudem der Behandlungsstatus im
schickt werden. PIA-Erkrankungen erBetrieb berücksichtigt werden. Tiere, bei
kennt man dabei bereits deutlich an den
denen durch eine antibiotische Behandhirnwindungsartigen Wucherungen der
lung bereits die Infektion verhindert
Darmschleimhaut.
wurde, bilden keine Antikörper mehr.
Um den Befund abzusichern, sollte
Der Antikörpernachweis ist daher gut
man immer versuchen, zusätzlich auch
für ein Herden-Screening geeignet. Für
den Erreger zu bestimmen. Zwar lassen
die Diagnostik akuter Krankheitsfälle
sich Lawsonien nicht auf den üblichen
sollte man dagegen besser den ErregerNährböden anzüchten. Für den Nachnachweis heranziehen.
weis stehen aber andere bewährte LaIst der Erreger identifiziert, empfiehlt
bortests zur Verfügung wie beispielssich in jedem Fall eine antibiotische Beweise das PCR-Verfahren.
handlung, um den Erregerdruck zu senDer Nachweis kann auch anhand von
ken und die Verluste zu minimieren. AlKotproben von typisch erkrankten Tie-
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Durch PIA ausgelöster Durchfall ist
dünnbreiig bis wässrig.
le bisherigen Praxiserfahrungen zeigen,
dass die Resistenzlage zurzeit noch gut
ist. Deshalb ist eine Therapie mit Tylosin, Lincospectin, Tetracyclinen, Tiamulin oder Valnemulin über das Futter bzw.
die Tränke zu empfehlen. Speziell für die
Behandlung der PIA sind in Deutschland
jedoch nur zwei Tylosin- und ein Lincospectin-Präparat zugelassen. Die Auswahl des Wirkstoffes sollte gemeinsam
mit dem Hoftierarzt erfolgen.
Entscheidend ist, dass ausreichend
lange behandelt wird, mindestens zwei
bis drei Wochen lang. Sichtbar erkrankte Tiere und solche, die nicht mehr fressen, müssen zusätzlich mehrere Tage per
Injektion behandelt werden.
Tiere sollten Kontakt mit
dem Erreger gehabt haben
Bestände mit nachweislichen PIAProblemen führen häufig mit gutem Erfolg eine Einstall-Metaphylaxe durch,
wenn neue Tiere in den Bestand kommen. Wenn die Tiere jedoch vor der Behandlung keinen ausreichenden Kontakt
mit dem Erreger hatten, können sie auch
keine Immunität aufbauen. Mit anderen
Worten: Diese Schweine können sich
nach Absetzen der Behandlung jederzeit
wieder anstecken und erkranken.
Insbesondere für den Zukauf Lawsonien-negativer Jungsauen ist es deshalb
wichtig, dass die Tiere vor der Behandlung ausreichend Zeit hatten, mit dem
Erreger in Kontakt zu treten. Die Medikation müsste also nach der Infektion,
aber vor Ausbruch der Erkrankung erfolgen. Zur Bestimmung des Infektionsund damit auch des optimalen Behandlungszeitpunktes ist deshalb eine serologische Verlaufsuntersuchung sinnvoll.
Das funktioniert jedoch nur, wenn eine
feste Lieferbeziehung besteht.
Als effektives Mittel zur Bekämpfung
der PIA soll in Deutschland demnächst
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Stark verdickte
Darmschleimhaut
mit hirnwindungsartigen Wucherungen.
Fotos: Heil,
Lambrecht,
Schmidt, Wendt
auch ein Impfstoff zur oralen Verabreichung zur Verfügung stehen. Die Vakzine steht kurz vor der Zulassung. In den
USA wurden mit dem Lebendimpfstoff
bereits gute Erfahrungen gesammelt.
Management optimieren!
Die wichtigste Maßnahme, um einer
PIA-Erkrankung vorzubeugen, besteht
jedoch darin, das Management zu optimieren und Stressfaktoren zu reduzieren.
Denn wie bei anderen Faktorenerkrankungen müssen wir auch bei PIA gegenwärtig mit dem Vorhandensein des Erregers leben. Ist die Umwelt optimal ge-
staltet, werden die Schweine jedoch
leichter mit ihm fertig.
Die wichtigsten Umweltfaktoren, die
es zu optimieren gilt, sind die Belegdichte, das Tier/Fressplatz-Verhältnis, die
Wasserversorgung, das Stallklima und
vor allem die Futter- bzw. Fütterungshygiene. Das betrifft insbesondere die Hygiene bei der Flüssigfütterung und die
Belastung des Futters mit Mykotoxinen.
Denn Mykotoxine können die Immunabwehr der Schweine herabsetzen.
Darüber hinaus sollte man alles daransetzen, den Erregerdruck im Betrieb
durch geeignete Maßnahmen zu senken
und die Infektionsketten im Betrieb wir-
kungsvoll zu unterbrechen. Dazu gehört
ein konsequentes Rein-Raus, verbunden
mit einer sorgfältigen Reinigung und
Desinfektion sowie eine Trennung der
Altersgruppen ohne Kompromisse!
Wir fassen zusammen
Aktuelle Untersuchungen belegen,
dass der Erreger der PPE bzw. PIA in
deutschen Schweinebeständen weit verbreitet ist. Es handelt sich zwar überwiegend um latente Infektionen. Die Anwesenheit des Erregers birgt aber immer die
Gefahr eines erneuten Ausbruchs der
Erkrankung, sobald andere Stressfaktoren hinzukommen.
Da sich die chronische Verlaufsform
bei Absetzferkeln und Läufern sehr unspezifisch in Form einer reduzierten Futteraufnahme und Kümmern zeigt, muss
einer Therapie immer eine Laboruntersuchung vorangehen. Am besten schickt
man dazu Tiere zur Sektion ein.
Ist der Erreger identifiziert, muss eine
ausreichend lange antibiotische Behandlung erfolgen, um die Infektionsketten
im Betrieb zu unterbrechen. Außerdem
gilt es, die Umwelt zu optimieren und
Stressfaktoren zu reduzieren.
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