7. Grassmannsche Vektoren und die Drehungen im Raum.

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7. Grassmannsche Vektoren und die Drehungen im Raum.
Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, wie man Gegenstände im Raum vermöge der
Zentralprojektion als Figuren in der Ebene perspektivisch genau darstellen kann. Dies
wird etwa bei CAD/CAM Anwendungen, d.h. bei dem Computer Aided Design verwendet.
Also z.B. beim design von neuen Autokarosserien. Infolge der Schnelligkeit von heutigen
Rechnern kann man aber auch die Gegenstände bewegen und etwa im Raum drehen. Wir
wollen uns hier die mathematischen Hintergründe beim Drehen von räumlichen Gegenständen ansehen. Die Grundidee ist, dass Drehungen von Gegenständen am besten von
Transformationen des ganzen Raumes beschrieben werden die auf Gegenstände. Statt
also einen Gegenstand im Raum zu drehen ist es mathematisch einfacher den Gegenstand
festzuhalten und besser den ganzen Raum zu drehen. Um dies zu beschreiben braucht
man Vektoren und lineare Abbildungen, die auf ihnen operieren.
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§7 Drehungen
97
1. Vektorrechnung.
Ein Vektor hat eine Länge und eine Richtung. Es gibt zwei Typen von Vektoren - den
Ortsvektor und den Richtungsvektor. Beides sind Pfeile in der Ebene oder im Raum
mit dem Unterschied, daß der Anfangspunkt eines Ortsvektors immer im Nullpunkt liegt
und der Konvention, daß zwei Richtungsvektoren gleich sind, wenn sie parallel sind:
Zwei Ortsvektoren
Ein Richtungsvektor
Definition. Ein zwei-dimensionaler Vektor ist ein geordnetes Paar a = [a1 , a2 ] von
reellen Zahlen. Ein drei-dimensionaler Vektor ist ein geordnetes Tripel a = [a1 , a2 , a3 ]
von reellen Zahlen. Die Zahlen a1 , a2 , a3 heißen die Komponenten des Vektors.
Eine Darstellung eines Vektors [a1 , a2 ] ist ein Pfeil (d.h. eine gerichtete Strecke) von
einem Punkt P (x, y) zum Punkt P (x + a1 , y + a2 ). Ist P (x, y) = P (0, 0), dann heißt
t diese Darstellung ein Ortsvektor. Entsprechendes gilt im Raum.
Die Länge eines Vektor v ist die Länge eines seiner Darstellungen und wird mit |v|
bezeichnet. Mit Hilfe der Abstandsformel läßt sich die Länge berechnen:
Tatsache. Die Länge des zwei-dimensionalen Vektors a = [a1 , a2 ] ist gegeben durch die
Formel:
|a| =
q
a21 + a22 .
Die Länge des drei-dimensionalen Vektors a = [a1 , a2 , a3 ] ist gegeben durch die Formel:
q
|a| = a21 + a22 + a23 .
Man kann Vektoren addieren und mit reellen Zahlen (Skalaren) multiplizieren gemäß der
folgenden Regeln:
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
98
. Geometrie (L2)
Vektor Addition. Wenn a = [a1 , a2 ] und b = [b1 , b2 ], dann ist a + b definiert durch
a + b := [a1 + b1 , a2 + b2 ].
Ebenso für drei-dimensionale Vektoren
a + b := [a1 + b1 , a2 + b2 , a3 + b3 ].
Man kann die Vektor Addition geometrisch auf zwei Weisen illustrieren:
b
b
a+b
a+b
a
a
Triangle Gesetz
Parallelogramm Gesetz
Es ist möglich die Länge eines Vektors zu verändern. Dies geschieht durch die Multiplikation mit einem Skalar.
Multiplikation mit einem Skalar. Sei c ein Skalar (d.h. eine reelle Zahl). dann ist
der Vektor ca definiert durch:
ca := c[a1 , a2 ] = [ca1 , ca2 ]
Entsprechend für drei-dimensionale Vektoren
ca := c[a1 , a2 , a3 ] = [ca1 , ca2 , ca3 ]
Man verifiziert leicht, daß dem eine Längenveränderung um den Faktor c entspricht, denn
q
p
2
2
|ca| = |c[a1 , a2 ]| = |[ca1 , ca2 ]| = (ca1 ) + (ca2 ) = c2 a21 + c2 a22
q
√
2
= c · a21 + a22 = c · |bf a|.
Entsprechendes gilt für drei-dimensionale Vektoren.
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§7 Drehungen
99
2. Das Skalarprodukt.
Definition. Das Skalarprodukt zweier Vektoren a, b ist die Zahl
a · b := |a||b| cos(θ)
wobei θ der Winkel zwischen a und b ist (0 ≤ θ ≤ π).
Zwei Vektoren a und b sind senkrecht oder orthogonal, wenn der Winkel zwischen
ihnen θ = π2 ist. Für solche Vektoren gilt:
π
a · b = |a||b| cos( ) = 0.
2
und umgekehrt, denn a · b = 0, dann ist cos(θ) = 0 und so θ =
π
2.
Also haben wir:
Satz. Zwei Vektoren a und b sind orthogonal, wenn das Skalarprodukt a · b = 0.
Das Skalarprodukt in Komponentenform. Seien zwei Vektoren
a = [a1 , a2 , a3 ] und b = [b1 , b2 , b3 ]
gegeben. Nach dem Kosinus Satz gilt
|a − b|2 = |a|2 + |b|2 − 1|a||b| cos(θ)
= |a|2 + |b|2 − 2a · b
Damit gilt für das Skalarprodukt:
1
(|a|2 + |b|2 − |a − b|2 )
2
1
= (a21 + a22 + a23 + b21 + b22 + b23 − (a1 − b1 )2 − (a2 − b2 )2 − (a3 − b3 )2 )
2
= a1 b1 + a2 b2 + a3 b3
a·b=
Also haben wir:
Satz. Das Skalarprodukt von a = [a1 , a2 , a3 ] und [b1 , b2 , b3 ] ist gegeben durch
a · b = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 .
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
100
. Geometrie (L2)
3. Vektoren in Aktion.
• Sätze im Dreieck.
Satz. Sei ∆ABC ein Dreieck. Die Senkrechten von den Ecken, A, B, C, auf die
gegenüberliegenden Seiten, BC, AC, AB, des Dreiecks schneiden sich alle drei in einem
Punkt.
C = [b,c]
k
h
g
B = [a,0]
A = [0,0]
Lote treffen sich in einem Punkt
Beweis. Wir bezeichnen die Eckpunkte mit Koordinatenvektoren wie folgt:
b
a
0
.
, C=
, B=
A=
c
0
0
Dann gelten für die Senkrechten g, h, k die folgenden Formeln:
c
a
x
c
0
x
0
b
x
+γ
=
, k:
+β
=
, h:
+α
=
g:
−b
0
y
a−b
0
y
−a
c
y
Wir berechnen den Schnitt g ∩ h der Senkrechten g und h wie folgt:
c
0
b
⇒
=β
+α
a−b
−a
c
b − βc = 0
c − αa − β(a − b) = 0
⇒ β = b/c
Eingesetzt in h liefert den folgenden Ausdruck für den Schnittpunkt:
b
0
c
0
b
c
+
=
+β
m=
= b2 −ab
0
a−b
0
c a−b
c
Es bleibt zu zeigen, daß m nicht nur auf der Senkrechten g, sondern auch auf den
Senkrechten h und k liegt.
Setze α :=
b2 −ab−c2
,
ac
dann gilt
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§7 Drehungen
101
b2 − ba − c2 0
b
0
b
b
b
+
=
+α
= b2 −ab = m
= c2
b2 −ab−c2
c
a
c
a
ac
c +
c
c
Setze γ :=
b−a
c ,
dann gilt
b−a c
a
b
+
= b2 −ab = m
0
b
c
c
Dies beweist den Satz. ♦
• Strahlensätze.
Satz. Seien g, h zwei Geraden in der Ebene, die sich im Punkt P schneiden. Seien
A, B und C, D die Schnittpunkte eines Parallelenpaars mit g und h.
Dann ist
P A : P C = P B : P D, und P A : P C = AC : BD
C
A
P
B
D
Strahlensätze
Beweis. Die Idee ist Vektorgeometrie zu benutzen. Hierzu schreiben wir
PA := Vektor von P nach A.
|PA| := P A = Länge von PA.
und entsprechen f ”ur die anderen Strecken.
In Vektorschreibweise haben wir dann:
PC = λPA
PC
PC =
· PA
PA
CD = xAB
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
102
. Geometrie (L2)
Also ist
PB = PA + AB
PD = PC + CD = λPA + xAB
PD = yPB = yPA + yAB
Daraus folgt
yPA + yAB = λPA + xAB
Durch Koeffizientenvergleich folgt hieraus
y = λ und y = x
Also ist P D = λP B und CD = λAB, und hieraus folgt sofort der Strahlensatz. ♦
Wir benutzen nun den Strahlensatz für Tangentenkonstruktionen. Hier zunächst eine
geläufige Konstruktionsaufgabe für Tangenten.
1. Aufgabe. Sei k ein Kreis in der Euklidischen Ebene und sei Punkt P ein Punkt
außerhalb von k.
Konstruiere die Gerade die P enthält und tangential zu k ist.
Konstruktion.
m
C
k
P
A
B
Tangente von einem Punkt an einen Kreis
Sei B der Mittelpunkt der Strecke P A.
Sei m der Kreis mit Mittelpunkt B und Radius P B.
Sei C einer der beiden Schnittpunkte der Kreise k und m.
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§7 Drehungen
103
Dann ist die Gerade durch P und C die gesuchte Tangente von P . Denn nach dem
Thales Satz (bzgl. des Kreises m ist die Strecke CA senkrecht auf der Strecke P A.
Somit steht die Gerade durch P und C senkrecht zum Radius CA des Kreises k.
Diese Gerade ist somit die gesuchte Tangente. ♦
2. Aufgabe. Seien k, m zwei Kreise die sich nicht einander enthalten.
Konstruiere eine Gerade die tangential zu beiden Kreisen ist.
Konstruktion.
C
k
D
m
P
B
A
D’
C’
Tangenten an zwei Kreisen
Konstruktion.
Wir sollen die Punkte P, D, C konstruieren.
Die Konstruktion benutzt einen Trick, der darin besteht, einen Strahlensatz zweimal
anzuwenden.
Seien A, C die Mittelpunkte der Kreise k, m.
Seien die Radien AC ′ und BD′ senkrecht auf der Geraden durch die Mittelpunkte A
und B.
Sei P der Schnittpunkt der Geraden durch C ′ , D′ mit der Geraden durch A, B.
Konstruiere nach (Aufgabe 1) die Tangente von P an den Kreis m.
Wir behaupten, dass dann diese Tangente an m auch die Tangente an den Kreis k ist.
Zum Beweis sei C der Aufpunkt des Lots von A auf die Gearde durch P, D.
Wir müssen zeigen, dass AC ein Radius von k ist.
Wir beweisen dies indem wir zeigen, dass AC = AC ′ .
Nach dem Strahlensatz ist:
AC ′ : BD′ = P A : P B
Weiter ist nach dem gleichen Strahlensatz:
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
104
. Geometrie (L2)
AC : BD = P A : P B
Schließlich ist
BD = BD′ ,
da diese Strecken beide Radien des Kreises k sind.
Also folgt insgesamt
AC = AC ′
Damit ist der Beweis beendet. ♦
Bemerkung. Mit der gleichen Methode konstruieren wir auch die folgende gemeinsame
Tangente CD′ .
C
k
D
m
B
P
A
D’
C’
Weitere Tangente an zwei Kreisen
Wir argumentieren dann wie oben, dass die Tangente von P an den Kreis m (die wir
wegen Aufgabe 1 konstruieren können) auch gleichzeitig eine Tangente an den Kreis k
ist. Wir führen dies aber nicht mehr weiter aus.
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§7 Drehungen
105
5. Matrizen.
Definition. Eine (zwei-dimensionale) Matrix ist ein Block
a
G=
c
b
d
von rellen Zahlen a, b, c, d ∈ R.
Die Determinante einer Matrix ist gegeben durch
a b
= ad − bc
det
c d
Das Produkt einer Matrix mit einem Vektor ist gegeben durch
a
c
ax + by
x
b
=
·
cx + dy
y
d
Das Produkt einer Matrix mit einer Matrix ist gegeben durch
a
c
x
b
·
u
d
y
v
ax + bu
=
cx + du
ay + bv
cy + dv
Satz (Determinanten Satz). Seien G, H zwei Matrizen. Dann ist
det(G · H) = det(G) · det(H).
Beweis. Nachrechnen. ♦
Korollar. Seien G, H zwei Matrizen mit det(G) = det(H) = 1. Dann ist
det(G · H) = det(G) · det(H)
Beweis. klar. ♦
x y
a b
Matrizen mit det G = 1. Dann gibt es
und H =
Satz. Seien G =
u v
c d
eine Matrix X mit det(X) = 1, die die Matrix Gleichung
H =G·X
löst
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
106
. Geometrie (L2)
Beweis. Definiere
d
:=
−c
−1
G
−b
a
Dann ist
det G−1 = da − bc = det G = 1
und
−1
G·G
a
=
c
b
d −b
1
·
=
d
−c
a
0
0
1
Weiter setze
X := G−1 · H
Dann ist nach dem Determinanten Satz
det X = det(G−1 · H) = det(G−1 ) · det(H) = 1.
Schließlich rechnet man leicht nach
G · X = G · (G−1 H) = (G · G−1 ) · H = H.
Dies beweist den Satz. ♦
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§7 Drehungen
107
6. Lineare Abbildungen.
Sei G eine Matrix mit det(G) = 1. Dann definiert die Zuordnung
v 7→ Gv̇
eine bijektive Transformation der Ebene. Manche dieser Matrizen erhalten den Abstand.
Beispielsweise alle Matrizen der Form
cos α
− sin α
sin α
cos α
Diese Matrizen modellieren Drehungen.
Welche Bedeutung diese Matrizen für die Geometrie haben sieht man besten an ihrer
geometrischen Dynamik, d.h. daran was die Potenzen Gn mit einem beliebig aber fest
gewählten Vektor machen:
2 1
:
Hyperbolische Matrix G =
1 1
Elliptische Matrix G =
Drehung um 300 .
1
2√
− 21 3
1
2
√ 3
.
1
2
o
30
1 1
:
Parabolische Matrix G =
0 1
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
108
. Geometrie (L2)
Literatur.
Archimedes, Quadratur der Parabel
R. Descartes, Geometrie
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
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