10. Grassmannsche Vektoren und die Drehungen im Raum. Wir haben in der vorigen Vorlesung gesehen wie man Gegenstände im Raum vermöge der Zentralprojektion als Figuren in der Ebene perspektivisch genau darstellen kann. Dies wird etwa bei CAD/CAM Anwendungen, d.h. bei dem Computer Aided Design verwendet. Also z.B. beim design von neuen Autokarosserien. Infolge der Schnelligkeit von heutigen Rechnern kann man aber auch die Gegenstände bewegen und etwa im Raum drehen. Wir wollen uns hier die mathematischen Hintergründe beim Drehen von räumlichen Gegenständen ansehen. Die Grundidee ist, dass DrehKlaus Johannson, Geometrie (L2) 2 . Geometrie (L2) ungen von Gegenständen am besten von Transformationen des ganzen Raumes beschrieben werden die auf Gegenstände. Statt also einen Gegenstand im Raum zu drehen ist es mathematisch einfacher den Gegenstand festzuhalten und besser den ganzen Raum zu drehen. Um dies zu beschreiben braucht man Vektoren und lineare Abbildungen, die auf ihnen operieren. Vektorrechnung. Ein Vektor hat eine Länge und eine Richtung. Es gibt zwei Typen von Vektoren - den Ortsvektor und den Richtungsvektor. Beides sind Pfeile in der Ebene oder im Raum mit dem Unterschied, daß der Anfangspunkt eines Ortsvektors immer im Nullpunkt liegt und der Konvention, daß zwei Richtungsvektoren gleich sind, wenn sie parallel sind: Zwei Ortsvektoren Ein Richtungsvektor Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 3 Definition. Ein zwei-dimensionaler Vektor ist ein geordnetes Paar a = [a1 , a2 ] von reellen Zahlen. Ein drei-dimensionaler Vektor ist ein geordnetes Tripel a = [a1 , a2 , a3 ] von reellen Zahlen. Die Zahlen a1 , a2 , a3 heißen die Komponenten des Vektors. Eine Darstellung eines Vektors [a1 , a2 ] ist ein Pfeil (d.h. eine gerichtete Strecke) von einem Punkt P (x, y) zum Punkt P (x + a1 , y + a2 ). Ist P (x, y) = P (0, 0), dann heißt t diese Darstellung ein Ortsvektor. Entsprechendes gilt im Raum. Die Länge eines Vektor v ist die Länge eines seiner Darstellungen und wird mit |v| bezeichnet. Mit Hilfe der Abstandsformel läßt sich die Länge berechnen: Tatsache. Die Länge des zwei-dimensionalen Vektors a = [a1 , a2 ] ist gegeben durch die Formel: |a| = q a21 + a22 . Die Länge des drei-dimensionalen Vektors [a1 , a2 , a3 ] ist gegeben durch die Formel: |a| = q a = a21 + a22 + a23 . Klaus Johannson, Geometrie (L2) 4 . Geometrie (L2) Man kann Vektoren addieren und mit reellen Zahlen (Skalaren) multiplizieren gemäß der folgenden Regeln: Vektor Addition. Wenn a = [a1 , a2 ] und b = [b1 , b2 ], dann ist a + b definiert durch a + b := [a1 + b1 , a2 + b2 ]. Ebenso für drei-dimensionale Vektoren a + b := [a1 + b1 , a2 + b2 , a3 + b3 ]. Man kann die Vektor Addition geometrisch auf zwei Weisen illustrieren: b a+b b a+b a Triangle Gesetz a Parallelogramm Gesetz Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 5 Es ist möglich die Länge eines Vektors zu verändern. Dies geschieht durch die Multiplikation mit einem Skalar. Multiplikation mit einem Skalar. Sei c ein Skalar (d.h. eine reelle Zahl). dann ist der Vektor ca definiert durch: ca := c[a1 , a2 ] = [ca1 , ca2 ] Entsprechend für drei-dimensionale Vektoren ca := c[a1 , a2 , a3 ] = [ca1 , ca2 , ca3 ] Man verifiziert leicht, daß dem eine Längenveränderung um den Faktor c entspricht, denn p |ca| = |c[a1 , a2 ]| = |[ca1 , ca2 ]| = (ca1 )2 + (ca2 )2 q q √ = c2 a21 + c2 a22 = c2 · a21 + a22 = c · |a|. Entsprechendes gilt für drei-dimensionale Vektoren. Das Skalarprodukt. Klaus Johannson, Geometrie (L2) 6 . Geometrie (L2) Definition. Das Skalarprodukt zweier Vektoren a, b ist die Zahl a · b := |a||b| cos(θ) wobei θ der Winkel zwischen a und b ist (0 ≤ θ ≤ π). Zwei Vektoren a und b sind senkrecht oder orthogonal, wenn der Winkel zwischen ihnen θ = π2 ist. Für solche Vektoren gilt: π a · b = |a||b| cos( ) = 0. 2 und umgekehrt, denn a · b = 0, dann ist cos(θ) = 0 und so θ = π2 . Also haben wir: Satz. Zwei Vektoren a und b sind orthogonal, wenn das Skalarprodukt a · b = 0. Das Skalarprodukt in Komponentenform. Seien zwei Vektoren a = [a1 , a2 , a3 ] und b = [b1 , b2 , b3 ] Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 7 gegeben. Nach dem Kosinus Satz gilt |a − b|2 = |a|2 + |b|2 − 1|a||b| cos(θ) = |a|2 + |b|2 − 2a · b Damit gilt für das Skalarprodukt: 1 (|a|2 + |b|2 − |a − b|2 ) 2 1 = (a21 + a22 + a23 + b21 + b22 + b23 2 − (a1 − b1 )2 − (a2 − b2 )2 − (a3 − b3 )2 ) a·b= = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 Also haben wir: Satz. Das Skalarprodukt von a = [a1 , a2 , a3 ] und [b1 , b2 , b3 ] ist gegeben durch a · b = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 . Vektoren in Aktion. Satz. Sei ∆ABC ein Dreieck. Die Senkrechten von den Ecken, A, B, C, auf die gegenüberliegenden Klaus Johannson, Geometrie (L2) 8 . Geometrie (L2) Seiten, BC, AC, AB, des Dreiecks schneiden sich alle drei in einem Punkt. C = [b,c] k h g B = [a,0] A = [0,0] Lote treffen sich in einem Punkt Beweis. Wir bezeichnen die Eckpunkte mit Koordinatenvektoren wie folgt: 0 a b A= , B= , C= . 0 0 c Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 9 Dann gelten für die Senkrechten g, h, k die folgenden Formeln: x b 0 g: = +α , y c −a x 0 c h: = +β , y 0 a−b x a c k: = +γ y 0 −b Wir berechnen den Schnitt g ∩ h der Senkrechten g und h wie folgt: b − βc = 0 b 0 c +α =β ⇒ c −a a−b c − αa − β(a − b) = 0 ⇒ β = b/c Eingesetzt in h liefert den folgenden Ausdruck für den Schnittpunkt: b 0 c b c 0 m= +β = b2 −ab = + 0 a−b 0 c a−b c Es bleibt zu zeigen, daß m nicht nur auf der Senkrechten g, sondern auch auf den Senkrechten h und k liegt. Klaus Johannson, Geometrie (L2) 10 . Geometrie (L2) Setze α := b2 −ab−c2 , ac dann gilt 2 2 b − ba − c 0 b 0 b +α = + a c a c ac b 2 = c2 b −ab−c2 + c c b = b2 −ab = m c Setze γ := b−a c , dann gilt b−a c b a = b2 −ab = m + b 0 c c Dies beweist den Satz. ♦ Matrizen. Definition. Eine (zwei-dimensionale) Matrix ist ein Block a b G= c d von rellen Zahlen a, b, c, d ∈ R. Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 11 Die Determinante einer Matrix ist gegeben durch a b det = ad − bc c d Das Produkt einer Matrix mit einem Vektor ist gegeben durch a b x ax + by · = c d y cx + dy Das Produkt einer Matrix mit einer Matrix ist gegeben durch a b x y ax + bu ay + bv · = c d u v cx + du cy + dv Satz (Determinanten Satz). Matrizen. Dann ist Seien G, H zwei det(G · H) = det(G) · det(H). Beweis. Nachrechnen. ♦ Korollar. Seien G, H zwei Matrizen mit det(G) = det(H) = 1. Dann ist det(G · H) = det(G) · det(H) Klaus Johannson, Geometrie (L2) 12 . Geometrie (L2) Beweis. klar. ♦ a b x y und H = Mac d u v trizen mit det G = 1. Dann gibt es eine Matrix X mit det(X) = 1, die die Matrix Gleichung Satz. Seien G = H =G·X löst Beweis. Definiere G−1 := d −b −c a Dann ist det G−1 = da − bc = det G = 1 und G · G−1 a b d −b 1 = · = c d −c a 0 0 1 Weiter setze X := G−1 · H Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 13 Dann ist nach dem Determinanten Satz det X = det(G−1 · H) = det(G−1 ) · det(H) = 1. Schließlich rechnet man leicht nach G · X = G · (G−1 H) = (G · G−1 ) · H = H. Dies beweist den Satz. ♦ Lineare Abbildungen. Sei G eine Matrix mit det(G) = 1. Dann definiert die Zuordnung v 7→ G · v eine bijektive Transformation der Ebene. Manche dieser Matrizen erhalten den Abstand. Beispielsweise alle Matrizen der Form cos α sin α − sin α cos α Diese Matrizen modellieren Drehungen. Welche Bedeutung diese Matrizen für die Geometrie haben sieht man besten an ihrer geometrischen Dynamik, d.h. daran was die Potenzen Gn mit einem beliebig aber fest gewählten Vektor machen: Klaus Johannson, Geometrie (L2) 14 . Geometrie (L2) 2 1 Hyperbolische Matrix G = : 1 1 Elliptische Matrix G = Drehung um 300 . 1 2√ − 12 3 1 2 √ 3 . 1 2 o 30 Klaus Johannson, Geometrie (L2) §10 Drehungen 1 1 Parabolische Matrix G = : 0 1 15 Drehungen. Drehungen in der Ebene (um den Winkel α) sind gegeben durch Matrizen der Form cos α sin α − sin α cos α und für Drehungen im Raum um die Koordinatenachsen (mit Winkel α) gibt es die folgenden Drehmatrizen: Dx := 1 0 0 cos α 0 − sin α Dy := cos α 0 sin α , 0 − sin α cos α 0 1 0 sin α 0 , cos α Klaus Johannson, Geometrie (L2) 16 . Geometrie (L2) Dz := cos α − sin α 0 sin α cos α 0 0 0 1 Der nächste Satz zeigt, dass diese Drehungen genügen um alle Drehungen im Raum zu bechreiben. Definition. Eine allgemeine Drehung des Raumes ist eine lineare Abbildung (Matrix) des Raumes, die die Einheitssphäre auf sich abbildet. Satz. Jede Drehung im Raum ist Produkt der Drehmatrizen Dx , Dy , Dz . Beweis. Übung. ♦ Drehungen und Perspektive. Man kann nun Drehungen und Zentralprojektion kombinieren um ein rechnergestütztes Design Programm zu entwerfen. Literatur. Archimedes, Quadratur der Parabel R. Descartes, Geometrie Klaus Johannson, Geometrie (L2)