Seminarvortrag: Strukturbildung im Universum 18.01.2012 Matthias Drüppel Seminar zur Theorie der Teilchen und Felder Münster, Wintersemester 2011/12 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Was gibt es für Strukturen im Universum? 4 2.1 Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.1.1 Die Milchstraße, eine Spiralgalaxie . . . . . . . . . . . . . . 4 2.1.2 Elliptische Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1.3 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Quasare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3 Galaxien-Haufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.4 Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Wie kann ich Aussagen über Strukturen im Universum machen? 9 3.1 Roterschiebungs-Durchmusterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.2 Licht als Masseindikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum entstanden? 4.1 2 11 Das Jeans-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.1.1 Zeitlicher Verlauf der Jeans-Masse . . . . . . . . . . . . . . . 13 4.1.2 Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4.2 Pancake-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.3 Dunkle Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.4 Millenium Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1 Einleitung Die zentrale Frage die in diesem Seminarvortrag geklärt werden soll ist: Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum entstanden? Also der Weg von einem anfangs vergleichsweise homogenen Universum1 zu den Strukturen, wie wir sie heute beobachten. Einzelne Sterne und Planeten, die sich in Sonnensystemen anordnen, die wiederum Teil ganzer Galaxien sind. Die Inhomogenitäten setzten sich auf noch größeren Skalen fort. Galaxien ordnen sich in Haufen, diese wiederum in Superhaufen an. Bevor jedoch näher auf die Entstehung eingegangen wird, ist es entscheidend das Universum zum heutigen Zeitpunkt zu betrachten und sich zu vergegenwärtigen von welchen Strukturen überhaupt die Rede ist. Zum soll die Frage behandelt werden, wie man überhaupt Aussagen über die Verteilung von Galaxien und anderen Strukturen von der Erde aus treffen kann. Abschließend wird die Entstehung und zeitliche Entwicklung von Dichtefluktuationen diskutiert, die zu einem Universum geführt haben, wie wir es heute beobachten. 1 Die Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung (380.000 Jahre nach dem Urknall) lassen direkte Schlussfolgerungen auf die Größenordnung der Inhomogenitäten der Dichteverteilung des frühen Universums zu. 3 2 Was gibt es für Strukturen im Universum? Die Friedman-Robertson-Walker-Metrik geht von einem homogenen, isotropen Universum aus, doch allein schon ein Blick in den Nachthimmel scheint diese Annahme zu widerlegen. Es lassen sich einzelne Sterne und Planeten erkennen, aber ebenfalls größere Strukturen, wie unsere Milchstraße, die als helles Band am Himmel erscheint, da sie aus so vielen Sternen besteht, dass unser Auge diese nicht mehr einzeln auflösen kann. Um von Isotropie sprechen zu können, müssen die betrachteten Skalen entsprechend groß gewählt werden. 2.1 Galaxien 2.1.1 Die Milchstraße, eine Spiralgalaxie Unser Sonnensystem ist Teil der Milchstraße, einer vergleichsweise großen Galaxie mit 100 bis 300 Milliarden Sternen. Diese Zahl ist so groß, dass man sie sich nicht einmal mehr ansatzweise vorstellen kann. Ein anschaulichen Vergleich liefert ein Schneetreiben von zehn km Durchmesser und einer Höhe von einem km, in der jeder Kubikzentimeter im Schnitt drei Schneeflocken enthält, die jeweils einen Stern repräsentieren. Die Sonne selbst wäre gerade einmal zehn nm groß, kleiner als ein Virus, und die Pluto-Bahn 0,1 mm. Spiralgalaxien (vgl. Abb. 2.1) sind durch ihre Spiralarme charakterisiert, in denen noch aktive Sternentstehung stattfindet. Hierzu muss viel Gas und Staub vorhanden sein, was das Wachstum von kleineren Masseansammlungen ermöglicht. Wenn Druck und Temperatur im inneren Groß genug geworden sind, setzt die Kernfusion ein. 4 2.1 Galaxien Abbildung 2.1: Die Milchstraße. 100-300 Milliarden Sterne, angeordnet in Spiralarmen die um ein schwarzes Loch in der Mitte kreisen. Im Zentrum der Milchstraße befindet sich ein super massives schwarzes Loch mit einer geschätzten Masse von vier Millionen Sonnenmassen um das die anderen Sterne kreisen. Linsengalaxien Linsen und Spiralgalaxien werden zusammengefasst unter dem Begriff der Scheibengalaxien. Aufgrund ihres Drehimpulses bewegen sich alle Sterne in einer Scheibe um das Zentrum der Galaxie. Im Gegensatz zu Spiralgalaxien weisen Linsengalaxien kaum innere Struktur auf, jedoch die gleiche Scheibenform. 2.1.2 Elliptische Galaxien Die zweite wichtige Klasse von Galaxien sind die elliptische Galaxien (Abb. 2.2). Sie besitzen wenig innere Struktur und keine Drehimpuls. Der Großteil des Gases und Staubes wurde bereits zur Bildung von Sternen aufgebraucht, weshalb sie 5 2 Was gibt es für Strukturen im Universum? größtenteils aus alten Sternen und entsprechend wenig Gas und Staub bestehen. Abbildung 2.2: NGC 1316 im Sternbild Fornax (Ofen), Südhimmel. Im Gegensatz zu Spiralgalaxien haben Elliptische Galaxien keinen Drehimpuls und kaum innere Struktur. Sie bestehen hauptsächlich aus alten Sternen und dementsprechend aus wenig Gas und Staub. 2.1.3 Klassifizierung In Abb. 2.3 ist die Klassifizierung von Galaxien zusammengefasst. Links befinden sich die elliptischen, welche nach Exzentrizität geordnet werden. Die Spiralgalaxien werden ihrerseits noch in zwei Untergruppen eingeordnet: Die Normalen und die Balken-Spiralgalaxien, unter denen auch die Milchstraße als SBc-Galaxie einzuordnen ist. Diese Einordnung wurde erstmals von Edwin Hubble vorgeschlagen der zu dieser Zeit allerdings der Ansicht war, dass sich Galaxien von links nach rechts entwickeln. Dies kann nicht sein, da elliptische Galaxien keinen Drehimpuls besitzen und auch keinen aus sich selbst heraus generieren können. 6 2.2 Quasare Abbildung 2.3: Klassifizierung von Galaxien nach Edwin Hubble. Der Gehalt an Gas und Staub sinkt von rechts nach links. 2.2 Quasare Quasar steht für Quasi Stellar Radio Source, also nur quasi sternartig. Dies liegt daran, dass das Spektrum einen Quasars nichts mit dem eines normalen Sterns zu tun hat. Außerdem ist die Energiefreisetzung eines Quasares um Größenordnungen höher als die eines einfachen Sterns. Auf Größenordnungen von dem des Sonnensystems werden Energien freigesetzt, die sonst nur in ganzen Galaxien entstehen. Was ist die Ursache für diese ungeheure Energiefreisetzung? Quasare könnte man auch als aktive schwarze Löcher bezeichnen. Ein Quasar besteht aus einem super massiven schwarzen Loch (100 Millionen bis eine Milliarden Sonnenmassen), in den beständig Materie hineingezogen wird. Durch die Beschleunigung des Gases wird dies zum Glühen gebracht, aber um die Energiefreisetzung zu erklären muss Materie direkt in Energie umgewandelt werden (E = mc2 ). Bei einem sich nicht drehenden schwarzen Loch kann etwa fünf Prozent der Materie direkt in Energie umgewandelt werden. Bei Quasaren dreht sich das schwarze Loch, wodurch diese Prozentzahl auf bis zu vierzig erhöht wird. Zudem entstehen sogenannte ”Jets”, Teilchenströme, die mit annähernd Lichtgeschwindikteit senkrecht von der Rotationsscheibe in das Universum geschossen 7 2 Was gibt es für Strukturen im Universum? werden. Diese entstehen aufgrund der Bewegung geladener Teilchen in Kreisbahnen um das schwarze Loch. Diese erzeugen sehr große Magnetfelder die wiederum einen Strom in Form der ”Jets” induzieren. Wichtig für die Strukturbildung sind Quasare, weil sie aufgrund ihrer hohen Leuchtkraft noch zu hohen Rotverschiebungen, d.h. zu lange vergangenen Zeiten, beobachtete werden können. 2.3 Galaxien-Haufen Das Universum weist noch weit größere Strukturen als Quasare und Galaxien auf. Letztere selbst ordnen sich ihrereseits wieder in Galaxien-Haufen an. Die Anzahl der Mitglieder dieser Haufen (auch Reichtum genannt) schwankt von einigen wenigen bis hin zu mehreren tausend. Die Milchstraße ist mit der Andromedar-Galaxie die größte Galaxie der ”lokalen Gruppe”, ein Haufen mit dreißig Mitgliedern. Galaxien-Haufen sind meist sphärisch angeordnet mit einer Konzentration von elliptischen Galaxien in der Mitte und Spiralgalaxien außen. 2.4 Superhaufen Die Haufen selbst ordnen sich in den größten im Universum aufzufindenden Strukturen, den Superhaufen an. Hierbei handelt es sich um unrelaxierte Gebilde. Dies lässt sich schnell aus der Beobachtung ableiten, dass eine Galaxienhaufen sich etwa mit 1000 km/s in einem Superhaufen bewegt und dementsprechend grob 300 Milliarden Jahre für eine Durchquerung brauchen würde, was das Alter des Universums weit überschreitet. Schätzungen gehen von einem Gewicht dieser Superhaufen von 1015 − 1016 M aus. Die Galaxien ordnen sich in Wabenartigen Strukturen an, wodurch riesige Leerräume (Voids) entstehen (40 − 100 Mpc) in denen kaum Galaxien zu finden sind. 8 3 Wie kann ich Aussagen über Strukturen im Universum machen? 3.1 Roterschiebungs-Durchmusterung Um die Verteilungen von Galaxien und Galaxienhaufen im Universum zu untersuchen werden möglichst viele Positionen von Galaxien bestimmt. Breiten und Längengrad lassen sich trivial bestimmen. Die Entfernung von der Erde wird hierbei über die Messung der Rotverschiebung bestimmt: cz = H0 r + vpec . (3.1) Dabei wird sowohl die Rotverschiebung aufgrund des Hubble-Flusses, als auch die Pekuliargeschwindikeit gemessen, d.h. die Geschwindigkeit des Objektes auf seiner elliptischen Bewegung senkrecht zur Beobachtungsrichtung. Aus den bestimmten Positionen von Galaxien werden Kataloge erstellt, man spricht auch von Rotverschiebungs-Durchmusterungen. Um nun direkt von der gemessenen Lichtverteilung auf Dichteverteilungen schließen zu können, muss man die umstrittene Annahme machen, dass Licht ein guter Masseindikator ist. 3.2 Licht als Masseindikator Um Masse oder die Verteilungen von anderen Objekten zu beschreiben wird eine Korrelationsfunktion ξ(r) eingeführt. Über diese wird die Wahrscheinlichkeit 9 3 Wie kann ich Aussagen über Strukturen im Universum machen? angegeben ein Objekt im Abstand r eines anderen zu finden. Für die GalaxienGalaxien-Korrelaionsfunktion ist Wahrscheinlichkeit eine Galaxie im Abstand r einer weiteren zu finden gegeben durch: Pgg (r) = hn(r)iδV [1 + ξgg (r)]. (3.2) Dabei ist n(r) Anzahldichte von Galaxien am Ort r und δV das betrachtete Volumen. Bei einer Zufallsverteilung wäre ξgg = 0. Man beobachtete allerdings: ξgg (r) ≈ r 5 Mpc −1,8 . (3.3) Ebenfalls von Interesse ist die Massekorrelationsfunktion. Nimmt man an, dass Licht ein guter Masseindikator ist, dann könnte man diese entweder über die Verteilung von Galaxien, oder über die Verteilung von Galaxien-Haufen bestimmen, vorausgesetzt es werden genug Galaxien-Haufen einbezogen. Es sollte also ξ = ξhh = ξgg (3.4) gelten. Jedoch findet man: ξhh (r) ≈ r 25 Mpc −1.8 ≈ 20ξgg (r). (3.5) Die Haufen-Korrelationsfunktion ist 20 mal so groß wie die Galaxien-Korrelationsfunktion. Dies allein lässt schon schlussfolgern, dass Licht kein guter Masseindikator ist. Eine genauere Methode ist Dichteverteilung und Massen einzelner Objekte über Pekuliargeschwindigkeiten zu bestimmen. Die Masse ist Ursache der Gravitationskraft und diese sorgt wiederum für die Pekuliargeschwindigkeit. Um die Pekuliargeschwindigkeit aus der Rotverschiebung zu isolieren, ist eine weitere Abstandsmessung nötig die unabhängig von z ist. Beispiele hierfür sind Abstandsmessungen über Cephaid-Sterne oder Supernovae, die Objekte in ihrer Umgebung erleuchten. 10 4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum entstanden? Dichtefluktuationen werden über den Dichtekontrast, d.h. die Abweichung zur mittleren Dichte im Universum beschrieben: δ(~x) = δρ(~x) ρ(~x) − hρi = . hρi hρi (4.1) Kompakte Strukturen können sich erst ab einem Dichtekontrast δ(~x) > 1 bilden. Von hieran wachsen sie nicht linear. Über Beobachtungen von Rotverschiebungen lässt sich feststellen, dass sich solche Strukturen erst in der Materie dominierte Phase des Universums gebildet haben. 4.1 Das Jeans-Modell Das Jeans-Modell beschreibt das Wachstum kleiner Störungen unter Einfluss der Gravitation (1902). Zuerst wird ein statisches Modell Ṙ = 0 betrachtet, dies ist jedoch leicht auf ein expandierendes Universum übertragbar. Das Modell, was Jeans verwendet hat, ist eine ideale Flüssigkeit der Dichte ρ, Geschwindigkeit ~v und Druck p. In diesem Fall gelten drei Gleichungen: Die Kontinuitätsgleichung (Massenerhaltung): ∂ρ + ∇(ρ~v ) = 0, ∂t (4.2) die Euler-Gleichung (Impulserhaltung unter Vernachlässigung von Reibung und Wärmeleitung): 11 4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum entstanden? ∂~v 1 + (~v · ∇)~v + ∇ρ + ∇Φ = 0 ∂t ρ (4.3) und die Poisson-Gleichung für das Gravitationspotential: ∇2 Φ = 4πGρ. (4.4) Es soll nun die Entwicklung kleiner Störungen ρ = ρ0 + ρ1 (4.5) betrachtet werden. Fasst man alle q drei Gleichungen zusammen, ergibt sich ∂p folgende Differentialgleichung (vs = ∂ρ ) ∂ 2 ρ1 − vs2 ∇2 ρ1 = 4πGρ0 ρ1 . ∂t2 (4.6) Hierbei handelt es sich um eine inhomogene Wellengleichung deren Lösungen ebene Wellen sind ~ ρ1 ∝ ei(k~r−ωt) . (4.7) Hieraus ergibt sich die Dispersionsrelation gemäß ω 2 = vs2 k 2 − 4πGρ0 . (4.8) Über die Bedingung ω = 0 wird die Jeans-Wellenzahl kJ definiert: kJ = 4πGρ0 vs2 21 . (4.9) Solange k > kJ ist ω reell, d.h. die Dichteänderungen beschreiben Schallwellen, der Druckgradient ist groß genug um der Gravitation Stand zu halten. Ist jedoch k < kJ , so wird ω imaginär und die Störung wächst oder fällt exponentiell. Zudem wird eine Jeans-Masse MJ definiert als Masse innerhalb einer Kugel mit Radius λJ /2 = π/kJ : 12 4.1 Das Jeans-Modell 3 5 4π π π 2 vs3 . MJ = ρ0 = 3 kj 6 G 23 ρ 12 0 (4.10) Massen größer als die Jeans-Masse sind instabil gegen Gravitationskollaps. Der interner Druckgradient ist nicht groß genug um die Instabilität aufgrund der Eigengravitations zu verhindern. Unter Einbeziehung der Ausdehnung des Universums (Annahme flaches Universum Ω ≈ 1) ergibt sich der zeitliche Verlauf von Dichtestörungen ρ1 zu: 2 ρ1 ∝ t 3 . (4.11) Die Expansion des Universums verlangsamt also das Wachstum von Störungen von einem exponentiellem Verhalten zu einem Potenzgesetz. Die Jeans-Masse an sich bleib exakt die gleiche. 4.1.1 Zeitlicher Verlauf der Jeans-Masse Zur Vereinfachung wird die Annahme gemacht, dass das Universum nur aus Baryonen und Photonen besteht ρ = ρB + ργ . In der Strahlungs dominierte Phase ist der Druck gegeben durch die Photonen: vs = p (1/3)c. (4.12) Dies führt dazu, dass die Jeans-Masse dreißig mal so groß ist wie die gesamte Masse im Horizont (Hubble-Volumen) MJ = 30·MHOR . Zur Zeit der Rekombination, d.h. der Bildung der ersten Wasserstoffatome aus Elektronen und Protonen, änderte sich MJ drastisch. Dies liegt an der Abnahme der Schallgeschwindigkeit, die in der Materie dominierten Phase gegeben ist durch vs = 5 kT . 3 mH (4.13) Hier wird der Druck durch die Wasserstoffatome aufrecht gehalten. Die mittlere freie Weglänge der Photonen vergrößert sich rapide. Mit der Schallgeschwindigkeit 13 4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum entstanden? fällt ebenfalls die Jeans-Masse um mehrere Größenordnungen 1016 M → 106 M (MJ ∝ vs3 ). Dies entspricht der Masse von Klustersternhaufen, eine der ältesten Objekte im Universum. In der Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Rekombination und heute lässt sich abschätzen, dass Dichtestörungen etwa um einen Faktor 103 wachsen konnten. Abbildung 4.1: Zeitlicher Verlauf der Jeans-Masse. Nach der Rekombination fällt diese um mehrere Größenordnungen ab, seit diesem Zeitpunkt können Dichtestörungen wachsen. In Abb. 4.1 ist der zeitliche Verlauf der Jeans-Masse abgebildet. In der Strahlugsdominierten Phase ist sie immer größer als die baryonische Masse im gesamten Horizont. Erst nach Abfall der Schallgeschwindikeit zur Zeit der Rekombination verkleinert sie sich um fast zehn Größenordnungen. 4.1.2 Erweiterung Eine wichtige Erweiterung zum Jeans-Modell ist der Vorgang des Auswaschens. Hierbei treten schwach wechselwirkende Teilchen aus Bereichen hoher Dichte aus und führen so zu einem ”Verschmieren” dieser Störungen. Hierbei spricht man von Silk-Dämpfung (MS ebenfalls in Abb. 4.1 abgebildet, bis zu dieser Masse werden 14 4.2 Pancake-Theorie alle kleineren Störungen ausgewaschen). Nach der Rekombination können Photonen ebenfalls aus Gebieten erhöhter Dichte austreten. Dieser Vorgang wird aufgrund der vielen Wechselwirkungen der Photonen, Kollisions-Dämpfung genannt. Dabei handelt es sich eher um eine Diffusion als um einen gezielten Teilchenstrom, wie bei der Silk-Dämpfung. 4.2 Pancake-Theorie Zum Zeitpunkt der Rekombination sind alle kleineren Störungen ausgewaschen (Abb. 4.1 bis MS ). Die einzigen Störungen sind von der Größenordnung von 1015 M , der Masse von Superhaufen. Man geht von elliptischen Formen aus, daher der Name Pancake-Theorie. Aus diesen großen Störungen entstehen kleinere Strukturen, wie Galaxien Haufen und Galaxien, durch Kollaps einzelner Bereiche. Aufgrund der Reihenfolge der Strukturbildung wird hier von einer ”Top-Down-Theorie” gesprochen. Das große Problem ist allerdings, dass ein Faktor 103 nicht ausreicht, um aus den Dichtefluktuationen gemäß der hochgradig isotropen Hintergrundstrahlung die heutigen Strukturen zu bilden. Die Lösung dieses Problems bietet die Einbeziehung dunkler Materie. 4.3 Dunkle Materie Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Arten von dunkler Materie: Heiße und kalte. Heiße dunkle Materie sind relativistische Teilchen, die aufgrund ihrer hohen Beweglichkeit sehr lange für ein effektives Auswaschen kleinerer Störungen sorgen und damit eher für eine ”Top-down-Theorie” sprechen würde. Kalte dunkle Materie besteht aus sehr schweren Teilchen mit Massen mind. im GeV Bereich. Da diese nicht über die elektromagnetische Kraft wechselwirken können sich schon in der Strahlungs dominierten Phase Gravitationszentren aus dunkler Materie bilden die für ein Potential sorgen, in das die baryonische Materie nach der Rekombinationszeit hinein fällt. Kalte dunkle Materie ermöglicht somit die Bildung kleinerer Masseansammlungen, aus denen danach größere Strukturen 15 4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum entstanden? entstehen, also ein ”Bottom-up-Modell”. Hierdurch könnte schon die Frühzeitige Entstehung von Sternen erklärt werden. Dies ist notwendig, da Kohlenstoff schon in einigen primordialen (zur Zeit der Bildung der ersten Atomkerne) Wolken nachgewiesen wurde. Diese Modelle werden in N -Körper-Simulationen getestet. Mit der Verwendung von nur kalter dunklen Materie scheinen die großen Strukturen nicht schnell genug zu entstehen (SuperHaufen), wohingegen mit nur heißer dunkler Materie die Galaxienbildung nicht schnell genug stattfindet. Die besten Ergebnisse wurden mit 70% kalter und 30% heißer gemacht. 4.4 Millenium Simulation Die größte bis jetzt durchgeführte N -Teilchen-Symulation ist die Millenium Simulation unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching bei München. Das Ziel war die Entwicklung einer Computersimulation für die Entwicklung der heutigen Strukturen aus einem nur leicht inhomogenen Universum (Hintergrundstrahlung). Hierbei wurde dunkle Materie einbezogen. Insgesamt wurden über 10 Milliarden Teilchen simuliert, von denen jedes eine Masse von ungefähr einer Millionen Sonnenmassen repräsentierte. Die Simulation fand auf einem Würfel von Kantenlänge von über zwei Milliarden Lichtjahren statt. Die Entwicklung der einzelnen Teilchen aufgrund der Gravitation wurde mit einer Schrittweite von einer Millionen Jahre berechnet. Die Simulation der 14 Milliarden Jahre unseres Universums dauerte insgesamt 28 Tage. Die heute beobachteten Strukturen stehen in guter Übereinstimmung mit der simulierten Verteilung und Massenansammlungen von der Größe von Galaxien entstanden auf einer netzartigen Struktur. Zudem konnte mit den verwendeten Theorien und Parametern die frühe Entstehung von Quasaren nachvollzogen werden, was bis dahin noch als strittig galt. 16