Gui del i nes Akut erHar nwegsi nf ekt( Er wachsene) Erstellt von: Simone Erni, Felix Huber Erstellt/zuletzt revidiert: Oktober 2006 Epi demi ol ogi e Im Gegensatz zu Männern sind Frauen doppelt so häufig von HWI betroffen. Die Prävalenz einer Bakteriurie steigt mit zunehmendem Alter: bei jungen Frauen beträgt sie 2-4%, bei 60jährigen 6-8%. Mit Aufnahme der sexuellen Aktivität steigt die Inzidenz auf ca. 0,5 Episoden pro Jahr („honeymoon cystitis“). Er r eger spekt r um undPr ädi sposi t i on Faktoren, welche die bakterielle Besiedlung der Vagina und periurethralen Region begünstigen sind genetische Prädisposition, Gebrauch von Spermiziden und Diaphragmen als Kontrazeptiva und der Östrogenmangel. Das Aufsteigen der Bakterien durch die Urethra in die Harnblase wird begünstigt durch mechanische Faktoren, insbesondere sexuelle Aktivität, und bakterielle Faktoren. >90% der HWI sind durch einen isolierten Erreger, meist E.coli, verursacht. Weniger häufig sind Staphylococcus saprophyticus (2.häufigster Keim), Enterokokken oder andere Streptokokken. Andere gram-negative Keime wie Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Enterobacter sp. findet man v.a. bei älteren Frauen. Eine polymikrobielle Bakteriurie weist primär auf eine Kontamination hin! Bei Frauen mit Dysurie und Leukozyturie, aber negativer Standardurinkultur, muss auch an Chlamydien gedacht werden. Kl i ni k Dysur i e,Pol l aki sur i eund Unt er bauchschmer zensind die typischen Symptome des HWIs. Die Wahrscheinlichkeit einer Zystitis bei einer Frau mit Dysurie, Pollakisurie oder Hämaturie beträgt ca. 50%. Zusätzliche Symptome wie vaginale Irritationen oder Ausfluss reduzieren die Wahrscheinlichkeit um 20%. Liegt nur die typische Konstellation Dysurie plus Pollakisurie vor, liegt die Wahrscheinlichkeit bei über 90%. Fieber, Schüttelfrost, Flanken-/Rückenschmerzen oder Nausea/Erbrechen gehören nicht zum einfachen HWI und lenken den Verdacht auf einen aufsteigenden Infekt. Bei älteren Patienten, insbesondere Kranke im Pflegheim oder Spital, muss man auch bei isolierten, unspezifischen Beschwerden wie Veränderungen des AZ, unklarem Fieber, Kontinenzproblemen, diffusen Bauchschmerzen, Erbrechen oder Übelkeit, an einen HWI denken! Von einem komplizierten HWI spricht man bei Vorliegen folgender Risikofaktoren, welche den Verlauf erschweren können oder zu Folgeschäden führen: Anomalien der Harnwege (z.B. Reflux), neurologische Miktionsstörungen, Urolithiasis, Dauerkatheter, Niereninsuffizienz, Zystennieren, Immunsuppression oder Diabetes mellitus. Bei Männern gilt jeder Harnwegsinfekt als kompliziert!! 1 von 6 Di agnost i k St r ei f ent est : Nachweis von Leukozytenesterase und/oder Nitrit (Nitritbildung durch Enterobakterien), Sensitivität 75%, Spezifität 82%. Ein positiver Streifentest zeigt an, dass die Infektionswahrscheinlichkeit um 25% höher liegt als die Vortestwahrscheinlichkeit! Liegen die typischen Symptome und ein positiver Streifentest vor, so kann auf weitere Diagnostik verzichtet werden, ausser bei Hinweise für einen komplizierten oder aufsteigenden HWI! Ur i nkul t ur Bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit d.h. bei typischen Symptomen kann ein negativer Streifentest eine Infektion nicht ausschliessen. In diesem Fall wird das Anlegen einer Urinkultur empfohlen. Ursprünglich wurde eine Mindestanzahl von 100'000 Keimen/ml als signifikant bezeichnet. Die Spezifität der Urinkultur ist dabei hoch, jedoch ist die Sensitivität nur bei 50%. Neuere Untersuchungen ergaben, dass viele symptomatische Frauen nur eine Keimzahl von 100-1000/ml aufweisen!! Bei komplizierten Harnwegsinfekten (inkl. HWI bei Männern), bei symptomatischem HWI in der Schwangerschaft, bei V.a. Pyelonephritis, bei Rückfällen und bei Therapieversagen sollte immer eine Urinkultur angelegt werden. Bei negativer Urinkultur: Ausschluss Urethritis, chronische Prostatitis, Kolpitis und urogenitale TB. Nachtrag zu Uristics und Urinkulturen: Eine 2005 im British Medical Journal publizierte Studie untersuchte die Wirksamkeit einer empirischen Antibiotikatherapie bei Frauen mit zwar typischen HWI-Symptomen aber negativem Urinstreifentest, ein häufiges Problem in der Grundversorgung! Es konnte eine signifikante Besserung der Dysurie gezeigt werden nach 3-tägiger empirischer Antibiose im Vergleich zur Placebogruppe! Es muss deswegen davon ausgegangen werden, dass bei diesen Frauen ein Infekt im Bereich des Urogenitaltraktes vorlag, welcher mittels Uristics und Urinkultur nicht erfasst werden konnte, jedoch zu Symptomen eines HWIs führte. Möglicherweise treten klinische Symptome auf, bevor eine Leukozyturie manifestiert wird oder ein signifikanter mikrobiologischer Erregernachweis in den Urinkulturen möglich ist! Kritikpunkte der Studie sind allerdings die kleine Patientenzahl von 59, sowie die Unklarheit bezüglich Einschlusskriterien, so dass vorerst wahrscheinlich die bisherige evidenzbasierte Praxis mit Durchführung eines Streifentests beibehalten werden soll. Fällt dieser negativ aus und sind die Beschwerden typisch für einen HWI, kann trotzdem eine 3-tägige Probebehandlung durchgeführt werden. Sonogr aphi ederHar nwege Bei V.a. funktionelle oder anatomische Veränderungen, Urolithiasis oder bei häufigen Rezidiven. Ur ol ogi scheAbkl är ungbei m Manne Bei einem ersten HWI beim Manne ohne komplizierende Faktoren und mit promptem Ansprechen auf die antibiotische Therapie muss nicht zwingend eine weitere Abklärung gemacht werden. Bei rezidivierenden Infekten muss nach einem Abflusshindernis oder einer Prostatitis gesucht werden bzw. bei negativem Resultat Ausschluss von anatomischen Abnormitäten. Bei Männern kann eine Urethritis ohne oder mit nur wenig Urinauffälligkeit bestehen. In diesem Fall soll eine Probebehandlung mit 1g Zithromax und 500mg Ciprofloxacin (z.B. CipEco) als Einmalbehandlung und ev. ein Abstrich zum PCR/LCR-Nachweis von Chlamydien und Gonorrhoe gemacht werden. Eine Partnerbehandlung ist bei positivem Nachweis obligat. Gonokokken aus Asien sind zunehmend resistent gegen Ciprofloxacin (in diesem Fall Einzeldosis von 250mg Rocephin i.m. oder 400mg Cephoral oder 400mg Podomexef/Orelox) 2 von 6 Ther api e Unkompl i zi er t er / ei nf acherHWI Therapiedauer: 3 Tage. Eine Verlängerung der Dauer ist nicht effektiver bezüglich Infekteradikation und Rezidivrate, zeigt aber deutlich mehr Nebenwirkungen!! Medikamente: 1. Wahl: 3 Tage Cotrimoxazol=Trimethoprim-Sulfamethoxazol (z.B. Supracombin forte 2x1Tabl./d): führt innert 1 Woche zu einer bakteriologischen Heilungsrate von 94%. Eine Therapiedauer von mehr als 3 Tage bringt keine bessere Heilungsrate und keine zuverlässigere Verhinderung von Rückfällen, ist jedoch mit mehr NW (v.a. allergischer Natur, cave: Interaktionen mit oralen Antikoagulantien) verbunden!! Die „Single-Shot-Therapie“ ist zwar am verträglichsten, hat aber eine geringere Heilungsrate! In vitro wurde eine relativ hohe Resistenz von E.coli (bis >20%) gegenüber Cotrimoxazol beobachtet. Zahl der Therapieversager in der Praxis ist jedoch unklar. * 2. Wahl: Fluorochinolone wie z.B. Norfloxacin (z.B. Norflocin Mepha 2x400mg/d; weniger NW als andere Chinolone wegen relativ niedriger Plasmaspiegel und hoher Urinkonzentrationen), Ciprofloxacin (Ciproxin 2x500mg) oder Levofloxacin (Tavanic ). Chinolone haben eine vergleichbare Wirksamkeit wie Cotrimoxazol, sind jedoch aufgrund von Resistenzentwicklung und aus Kostengründen nicht Mittel der ersten Wahl. Sinnvolle Alternative bei Kontraindikation für Cotrimoxazol oder bekannter Cotrimoxazolresistenz. 3. Wahl: Reservemedikamente bei bestimmten Konstellationen sind Fosfomycin (Monuril , Achtung bereits bei leichter Niereninsuffizienz kontraindiziert! Als Einmalverabreichung Heilungsrate von 75-90%) oder Betalaktamantibiotika (z.B. Co-Amoxiclav, macht aber relativ oft gastrointestinale NW. Amoxicillin dagegen ist als Monosubstanz so häufig gegen die üblichen Harnwegskeime unwirksam, dass dies kaum mehr empfohlen wird!) Anmerkung zur steigenden Resistenzproblematik: Die Cotrimoxazol-Resistenz scheint je nach Land und Region ziemlich unterschiedlich zu sein. Eine breit angelegte europäische Studie hat eine Resistenzrate von 9 - 15 % ergeben, ausser in Spanien und Portugal, wo die Resistenzrate bei 35 % liegt (Kahlmeter G . The ECO.SENS Project: a prospective, multinational, multicentre epidemiological survey of the prevalence and antimicrobial susceptibility of urinary tract pathogens--interim report. J Antimicrob Chemother 2000;46 Suppl 1:15-22). Fluorochinolone haben eine Resistenzrate von unter 5 %. Da man bei verbreitetem Einsatz auch eine zunehmende Resistenz auf Chinolone befürchtet, wird empfohlen, Cotrimoxazol als first-line Behandlung des unkomplizierten HWI einzusetzen, sofern: Keine Allergie vorliegt Keine Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten - insbesondere Cotrimoxazol Keine Hospitalisation in den letzten 3 Monaten Die generelle Cotrimoxazol-Resistenz in der Region nicht über 20 % liegt. Eine Umstellung auf ein anderes Antibiotikum bei fehlendem klinischen Ansprechen jederzeit möglich ist (Patient verreist nicht in die Wildnis in den nächsten Tagen) 3 von 6 Kompl i zi er t erHWIi nkl .HWIbei m Manne Therapiedauer: 7-10 Tagen. Keine Kurzzeittherapien! Medikamente: vgl. unkomplizierter HWI Sympt omat i scherRei nf ekt( Sy>14Tagenachant i bi ot i scherTher api e) Kurzzeittherapie wie bei unkompliziertem HWI. Sympt omat i schesFr ühr ezi di v( Sy<14TagenachTher api e) Antibiose während 10-14 Tagen. Initial Abnahme Urinstatus/Urinkultur. Akut ePyel onephr i t i s Therapiedauer: 10-14 Tage Medikamente: 1. Wahl: Chinolone z.B. Ciprofloxacin 2x500mg/Tag 2. Wahl: bei Nachweis von Cotrimoxazol-empfindlichen Erregern eignet sich auch Cotrimoxazol. Weiter kommen auch Betalaktame in Frage. Eine komplizierte Pyelonephritis mit hohem Fieber, ausgeprägter Leukozytose und Erbrechen) soll stationär behandelt werden. HWIi nderSchwanger schaf t : Therapiedauer: 3-7 Tage. Wirksamkeit der Kurztherapie schlecht belegt. Medikamente: 1. Wahl Amoxicillin+Clavulansäure oder Amoxicillin z.B. Co-Amoxi Mepha 2. Wahl: Cotrimoxazol (ausser im 3. Trimenon) + Folsäuresubstitution Eine asymptomatische Bakteriurie soll nicht behandelt werden, auch bei älteren Frauen nicht! Dies gilt auch für Männer, Diabetiker und Personen mit DK. Ausnahmen sind: vor oder nach urologischem Eingriff, schwangere Frauen und st.n. Nierentransplantation! Evidenz bei schwangeren Frauen offenbar schwach, aber weiterhin gültige Empfehlung der Gynäkologen Fol l owUp Nach einer akuten Zystitis ist in der Regel eine Nachkontrolle mit Urinuntersuchung nicht nötig. Dies gilt auch für Frauen mit gelegentlichen Reinfekten. Ausnahme ist die Schwangerschaft, dort sind Nachkontrollen mittels Urinstatus/Urinkultur 2 Wochen nach Therapieende empfohlen. Pr ophyl axevonr ezi di vi er endenHWI s Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Rezidiv und Reinfekt. Rezidive sind selten, Reinfekte dagegen häufig. Beim Reinfekt handelt es sich meist um einen neuen Stamm von E. coli. In der Praxis erfolgt die Unterscheidung zwischen Rezidiv und Reinfekt nach folgender Regel: ist nach Absetzen einer antibiotischen Kurztherapie das symptomfreie Intervall grösser als 2 Wochen, so handelt es sich in der Regel um einen Reinfekt, andernfalls liegt möglicherweise ein echtes Rezidiv vor. 1.Medi kament ösePr ophyl axe(Beginn erst nach erfolgreichen Behandlung einer akuten Infektion, bestätigt durch negative Urinkultur 2 Wochen nach Therapieende!!): Kontinuierliche Prophylaxe mit niedrigdosierten Antibiotika z.B. 200mg Norfloxacin oder 1/2Tabl. Cotrimoxazol vor dem Zubettgehen. Versuch während 6 Monaten, evtl. Verlängerung für 2-5 Jahren. Option für Frauen, welche innert eines Halbjahres mindestens 2 bzw. innert eines Jahres mind. 3 HWI durchgemacht haben. In randomisierten, plazebokontrollierten Studien konnte eine Verminderung von Rückfällen um 95% dokumentiert werden!! Postkoitale Prophylaxe mit ½-1 Tabl. Cotrimoxazol oder 250mg Ciprofloxacin: Möglichkeit bei Frauen mit klarer Beziehung zwischen sexueller Aktivität und Zystitisschüben. Vergleichbare Reduktion der Reinfektionshäufigkeit wie bei kontinuierlicher Prophylaxe. 4 von 6 2.Ni cht medi kament öseMassnahmen Preiselbeer (Cranberry)saft /-konzentrat (Preiselbeersaft verhindert die Adhäsion von Keimen an die Urothelepithelzellen. Reduktion der symptomatischen Rezidiven um 12-20% in randomisierter Studie) Vermeiden von Einsatz vaginaler Spermizide für Kontrazeption Einsatz vaginaler Östrogene bei älteren Frauen Der Nutzen von weiteren, nicht-medikamentösen Massnahmen wie Blasenentleerung nach GV, vermeiden von Unterkühlung, Vermeiden übertriebener Genitalhygiene, regelmässige vollständige Blasenentleerung, viel Trinken (>2l/Tag)... sind in Studien nicht belegt! Medi kament enzusammenst el l ungundPr ei sver gl ei ch Die günstigste Variante ist eine halbe Packung (10) von Cotrimoxazol Helvepharm oder Mediprim, also 5 Tabletten für 2 ½ Tage. Das ist zwar nicht evidenz- aber praxisbasiert. Die restlichen 5 Tabletten kann die Patientin beim nächsten Infekt nehmen. 7-er Packung 10-er Packung 8.90 14-er Packung 20-er Packung - 9.50 13.15 - 16.60 21.10 Norflocin Mepha 400mg Norsol 400mg Noxufen 400 Noroxin 400mg 9.00 - 16.45 - 8.90 (6-er P.) 8.90 (6-er OP !) 19.20 (6-er OP!) - 17.50 19.40 38.70 46.75 - Cipeco 500mg (teilbar) Ciproxin 500mg (teilbar) - 38.40 - 59.95 - 45.05 - 71.15 Cotrimoxazol Helvepharm Mediprim Bactrim forte (teilbar) Di agnost i kkost en: PCR Gonorrhoe 72.PCR Chlamydien 72.Uricult allg. Bak- Neg. Resultat: teriologie: Kultur 14.40.inkl. Keimzahl Pos. Resultat: und Resistenz67.50.prüfung Urin-Kultur (neNeg. Resultat: ben allg. Bakte- 45.riologie auch My- Pos. Resultat: co90./Ureaplasmen) 5 von 6 Li t er at ur Stephan D. Fihn, M.D., M.P.H., Acute uncomplicated urinary tract infection in women, The New England Journal of Medicine 2003; 349:259-266 BMJ, Jul 2005; 331: 143 M. Lutters, Harnwegsinfekte im Alter, Pharma-Kritik Jahrgang 25, Nr. 7/2003; 25-28 Andreas U. Gerber, „Einfache“ Harnwegsinfektionen: Diagnostik, Therapie und Prophylaxe, Schweiz Med Forum 2003; 267-273 Up to Date, 2004 http://www.infektiologie.usz.ch/NR/rdonlyres/52E39AA6-BA9F-40DA-B151B66A6A38AF74/0/Antibiotika_Zuerich2006_handout.pdf Arzneimittelkompendium Aut or en Dr. med. Simone Erni, Fachärztin für Allgemeine Medizin FMH, mediX Gruppepraxis, Rotbuchstrasse 46, 8037 Zürich, [email protected] Dr. med. Felix Huber, Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, mediX Gruppepraxis, Rotbuchstrasse 46, 8037 Zürich, [email protected] 6 von 6