M ykosen Hausarzt Medizin Pilzinfektionen bei Sportlern Wenn der Lieblingsverein ein Derby bestreitet, dann spielt auch Fuß- ­ gegen Nagelpilz. Denn Sportlerfüße sind von Pilzinfektionen häufig betroffen. Fotos: wellphoto / fotolia, Tietz Mit einer Therapie in 3 Schritten bekommen Sie Mykosen in den Griff. Etwa jeder 3. Sportler hat eine Infektion zwi­ Schwimmen oder in der Sauna, was das Ein­ schen den Zehen, bis zu 17 % beherbergen zu­ dringen der Keime erleichtert. sätzlich einen Nagelpilz. Die gute Nachricht Eine große Gefahr besteht durch diese Infek­ ist, dass selbst schwerer Nagelpilz heilbar ist, tionen nicht, da die häufigsten Erreger Der­ da er trotz der besonderen Umstände beim matophyten sind, die nicht bei 37 °C und nur Sport eine spezifische Ursache hat: Einen Er­ langsam wachsen, was eine innere Myko­ reger, der beseitigt werden kann und muss, se unmöglich macht. Viele Betroffene neh­ wonach der Nagel heilt. men die Pilzinfektionen Neuerdings erkranken auch auch deshalb auf die leich­ Jeder 3. Sportler hat Kinder, die ansonsten völlig te Schulter. Andere geben ­eine Infektion zwischen gesund sind, an teils schwe­ zu früh auf – aus Frust und den Zehen, bis zu 17 % h ­ aben zusätzlich einen rem Nagelpilz, was vor Jah­ wegen der Mühsamkeit Nagelpilz. ren noch undenkbar war mancher Behandlung. Un­ (Abb. 1). Pilzinfektionen behandelt kann die Infek­ nehmen zu, weil die Gesell­ tion jedoch aufsteigen, vom schaft pilzfreundlicher ist Fuß bis zum Kopf. Die Pati­ denn je. Das gilt insbesondere für Sportler. enten bleiben außerdem ansteckend, die El­ tern für die Kinder, der Ringkämpfer für den Sport und Pilze sind ein Liebespaar: Bei den Verein. Gründe genug, um Mykosen gründ­ meisten Sportlern wird der Fuß extrem be­ lich zu behandeln. lastet. Disziplinen wie Tanzen, Tennis, Fuß­ ball, Marathon oder Triathlon bieten ideale Klinik und Diagnose Bedingungen für die Verbreitung der Erreger. Auch beim Wandern läuft der Pilz stets mit. Die Onychomykose ist meist eine einfache Im Grunde überall dort, wo der Fuß „Sport­ Blickdiagnose. Der vom Pilz befallene Nagel gerät“ ist. Richtungswechsel, verschwitzte ist entweder verdickt oder durch die Belas­ und enge Schuhe sowie gemeinsam benutz­ tungen beim Sport atrophisch zerstört. Häu­ te Umkleiden, Duschen und Bäder bilden ein fig fallen einzelne Nägel ab, insbesondere ideales Milieu und den perfekten Nährbo­ beim Laufen. Einzelne Nägel widerstehen der den für eine Infektion. Beim Sport weichen Infektion, was für Pilzerkrankungen charak­ auch oft Haut und Nägel auf, speziell beim teristisch ist (Abb. 1). Der Hausarzt 04/2015 Prof. Hans-Jürgen Tietz Institut für Pilzkrankheiten, Berlin E-Mail: tietz@ institut-fuerpilzkrankheiten.de Abb. 1: Onychomykose bei einer 10-jährigen Ballett- und Hip-Hop-Tänzerin (oben) und einer 5-jährigen Schwimmerin (unten). 35 Hausarzt Medizin Bestehen Zweifel an der klinischen Dia­ gnose, sollte eine Probe abgenommen werden. Auch dann, wenn eine systemi­ sche Therapie notwendig ist. Hierzu ge­ nügt es, ohne vorherige Desinfektion, möglichst viele feine Späne von meh­ reren verdächtigen Nägeln direkt auf ein Blatt Papier zu schneiden und die­ ses zusammengefaltet in ein Labor zu schicken. Therapie Der Schlüssel zum Erfolg liegt oft im Zusammenspiel von äußeren und inne­ ren Therapien. Abb. 2: OnychomykoseTherapie in 3 Schritten: Nagelablösung mithilfe von 40-prozentigem Harnstoff (Mitte), danach tägliche Weiterbehandlung mit lokalen Antimykotika bis zur Heilung (unten). Zusätzliche sanfte innere Therapie bei Bedarf. Eine lokale Therapie ist immer not­ wendig, weil kein inneres Medikament in der Lage ist, alle Erreger zu erreichen. Sie ist das Fundament jeder Onychomy­ kose-Therapie. Die innere Therapie kommt zur Lokal­ behandlung hinzu, wenn ein Nagel über 50 % bzw. mehr als 3 Nägel gleichzei­ tig betroffen sind. Sie sollte immer auf der Grundlage einer gründlichen Lokal­ behandlung erfolgen, da die Heilerfol­ ge mit einer Quote von 40 – 70 % bei al­ leiniger Tablettengabe eher bescheiden sind. Die topische Therapie gleicht die­ ses Defizit aus. In vielen Fällen ermög­ lichen erst beide Therapieformen in Kombination einen Heilerfolg. Die Behandlung erfolgt je nach Ausmaß der Erkrankung in 2 oder 3 Schritten. Ist der Nagel verdickt, muss die infizierte Nagelmasse zuerst entfernt werden. Bei einem vom Pilz bereits zersetzten atro­ phischen Nagel ist dies nicht erforder­ lich. 1. Entfernen der infizierten Nagel­ masse: Dieser Schritt ist wichtig, um den topischen Antimykotika den Weg ins Nagelbett zu ebnen. Es ist eine Illu­ sion, zu glauben, wenn man 1 × pro Wo­ che einen Acryllack wie Loceryl® oder Batrafen® auf den verdickten Nagel auf­ trägt, dass die darin enthaltenen Wirk­ stoffe das Nagelbett erreichen und der Nagel dadurch heilt. Auch das Feilen des Nagels vor einer solchen Lack­therapie ist bedenklich, da die abgefeilten Nagel­ späne infektiös sind und eine ernsthaf­ te Infektionsquelle darstellen. Ebenso kritisch zu beurteilen sind die bei Sportlern beliebten Laserthera­pien. Diese erhitzen den Nagel auf 60 °C, in der Annahme, dass die Pilze dadurch abster­ ben. Das ist unglaubwürdig, da Sporen bis zu 80 °C überleben. Es gibt weitaus mehr Studien, die die Unwirksamkeit dieser teuren Methode belegen, als um­ gekehrt. Wirksam sind Laser wie der Er­ bium-Yag-Laser, die den Nagel abtragen, was jedoch schmerzhaft, ebenfalls teuer und mit Nebenwirkungen verbunden ist. Es besteht auch hier das Risiko der Na­ gelbettzerstörung. Vor der Behandlung muss zudem eine Leitungsanästhesie er­ folgen. Präparat Fluconazol* Terbinafin** Itraconazol*** Erreger ▪▪Trichophyton rubrum ▪▪Candida albicans1) ▪▪Microsporum canis1) ▪▪Trichophyton rubrum ▪▪Candida albicans1) ▪▪Scopulariopsis brevicaulis Dosierung Anflutphase in Tagen, danach 1 Dosis pro Woche 150 mg2) 3 ▪▪Trichophyton rubrum ▪▪Trichophyton interdigitale ▪▪Trichophyton mentagrophytes1) 250 mg3) 5 – 144) 36 200 mg 3 1) D iese Erreger treten fast ausschließlich bei Kindern auf und stammen meist von einem Haustier 2) Zu empfehlende Dosisanpassung bei Kindern bis 6 Jahren: 100 mg 3) Zu empfehlende Dosisanpassung bei Kindern unter 40 kg: 125 mg 4) Minimale Anflutung (5 Tage) in leichten Fällen und bei leicht erhöhtem Gamma-GT, maximale Anflutung ­­ (14 Tage) bei schwerem Befall Dosierungen gemäß Zulassung: * 150 mg pro Woche ** 250 mg täglich, 3 x 28 Tage *** je 3 Zyklen (400 mg/Tag, 7 Tage) Der Hausarzt 04/2015 Fotos: Tietz Tab. 1: Systemische Therapie der Onychomykose Hausarzt Medizin Nicht mehr zeitgemäß ist die chirurgische Nagelextraktion. Sie ist schmerzhaft und erzeugt ein Trauma, bei dem ungewiss ist, ob der Nagel wieder wächst oder ins Gewe­ be eindringt, was weitere Eingriffe und Ver­ narbungen des Nagelbetts nach sich ziehen kann. Die einzige Methode, die mit hoher Effi­zienz, schmerzfrei und ohne Trauma die pilzkran­ ke Nagelmasse in Eigenregie entfernen kann, ist die Behandlung mit 40-prozenti­ gem Harnstoff. Sie erfolgt in der Regel über 2 Wochen, bis der erkrankte Nagel komplett abgetragen ist (Abb. 2). Die frei käuflichen 40-prozentigen Harnstoff­ präparate enthalten entwe­ Ursache für die hohe der reinen Harnstoff oder Rezidivrate bei OnychoHarnstoff mit Bifonazol (Ca­ mykosen ist der Vernesten® Extra Nagelset), was bleib von Sporen. den großen Vorteil hat, dass das vom Harnstoff abgelös­ te Nagelmaterial nicht mehr infektiös ist. Bei Bedarf kann und sollte man die Behandlung mit Harnstoff beliebig oft wiederholen. Stark verdickte Nägel können auch bis zu einem verträglichen Maß steril abgefräst und mit Harnstoff weiter behan­ delt werden. 1/2 Seite hoch 2. Sporozide Therapie: Die hohe Rezidivrate der Onychomykose liegt meist am Verbleib von Pilzsporen, die nach dem Ende der The­ rapie für einen Rückfall sorgen können. Der vom Pilz zersetzte Nagel bzw. die nach dem Abtragen freigelegte „Nagelwunde“ müssen daher konsequent mit einem Antimykoti­ kum wie Ciclopirox behandelt werden, das eine sporozide Wirkung besitzt. Ciclopirox ist in zahlreichen Arzneimitteln enthalten, z. B. im Nagellack Ciclopoli®. Dieser Lack ist flüssig, wasserlöslich und mit einem Trans­ portsystem ausgestattet, das durch eine tiefe Penetration eine anhaltende und rezidivfreie Heilung ermöglicht. Das Rezidiv ist eines der größten Probleme in der Nagelpilztherapie. Es entsteht, weil My­ kosen keine dauerhafte Immunität erzeu­ gen. Daher muss konsequent „bis zur letz­ ten Spore“ behandelt werden. Dies kann auch gelingen, wenn der herauswachsende Nagel Der Hausarzt 04/2015 37 Hausarzt Medizin Abb. 3: Zehennägel zweier Kinder (siehe Abb. 1) nach erfolgreicher Therapie. lang genug und breit mit Bifonazol als Spray interdigitale, sehr empfindlich dagegen sind. oder Creme behandelt wird, bis jede SpoEine Neuerung in der Therapie ist die niedrig re auskeimt und dann vom Medikament bedosierte Langzeitbehandlung mit Terbinaseitigt wird. Ratsam ist, die lokale Therapie fin (1 × 250 mg pro Woche) bis zur klinischen so lange fortzuführen, bis der Nagel gänzlich Heilung, in Kombination mit der Lokalthegesund herausgewachsen rapie. Sie unterscheidet sich ist. Viele Patienten behanfundamental von der zugeDer Schlüssel zum deln danach ihre nunmehrilassenen und in den Leit­ ­Erfolg liegt oft im ­Zusammenspiel von gen „Traumnägel“ über lanlinien noch immer emp­äußeren und inneren ge Zeit weiter, mit einem fohlenen Therapie mit Therapien. sporoziden Lack, 1 × pro Wotäglich 250 mg Terbinafin che, was die Rezidivrate zuüber 3 Monate. Angesichts sätzlich weiter senkt. der hohen Wirksamkeit Zur Rezidivprophylaxe gevon Terbinafin (Für T. rubhört auch die Desinfektion des Schuhwerks, rum sind bereits 0,001 µg/ml tödlich) ist eiz. B. mit Calcifu-Spray, da die dort enthaltene Hochdosistherapie nicht mehr zeitgemäß nen Pilzsporen mitunter länger als 6 Monate und außerdem viel zu kurz, da nach 3 Moüberleben können. naten kein zuvor vollständig befallener Nagel gesund nachgewachsen ist, sondern erst nach etwa 1 Jahr. Die Niedrigdosistherapie ist 3. Systemische Therapie: Tabelle 1 enthält nahezu frei von Nebenwirkungen, trotz der die Dosierungshinweise und Anwendungsgeringen Dosis hoch wirksam und ganz im gebiete der systemischen Präparate. FluconaSinn einer patientenfreundlichen schonenzol (z. B. Flunazul®, Diflucan®) sollte wegen der den Therapie, auch bei Kindern (Abb. 3). exzellenten Verträglichkeit bei Kindern und Terbinafin (z. B. Dermatin®, Lamisil®) aufgrund Ein weiterer Effekt der inneren Therapie ist die schnelle Heilung der häufig mitbefalfehlender Interaktionen bei älteren Menlenen Haut der Füße, Zwischenräume oder schen eingesetzt werden. Der Stellenwert von Hände innerhalb von 2 Wochen. Itraconazol (z. B. Sempera®) liegt in der TheraEine einzeln bestehende Tinea pedis sollte pie spezieller Erreger wie S. brevicaulis. ebenfalls gründlich behandelt werden: 2 WoBei Kindern sollte grundsätzlich keine Thechen lang, mit den Breitbandantimykotika rapie ohne Erregerbestimmung durchgeBifonazol oder Cilopirox (Abb. 4). Bei Nichtführt werden, da das Erregerspektrum recht behandlung kann aus dem anfänglichen breit ist, die systemischen Medikamente daFußpilz eine schwieriger zu behandelnde gegen nicht breit wirken, und kindliche NäOnychomykose oder gar Tinea corporis entgel auch von Keimen befallen sein können, stehen, die sich über die Haut sogar bis zum die von Haustieren stammen. Kopf ausbreiten könnte. Bei Erwachsenen kann dagegen eine empirische Therapie mit Terbinafin erfolgen, da die Literatur beim Verfasser beiden häufigsten Erreger, T. rubrum und T. Interessenkonflikte: keine Fazit Wird der Erreger von 2 Fronten, topisch und systemisch, angegriffen, kann jede Nagel­ mykose geheilt werden. Einen entscheidenden Einfluss auf den Behandlungserfolg haben die Entfernung des infizierten Nagelmaterials und die nachfolgende langzeitige Therapie mit topischen Antimykotika. Je gründlicher lokal behandelt wird, desto schonender kann die innere Therapie erfolgen, bis der Nagel vollkommen gesund herausgewachsen ist. 38 Der Hausarzt 04/2015 Fotos: Tietz Abb. 4: Gründliche Fußpilztherapie bis zur physiologischen Hautheilung nach 2 Wochen