Malva sylvestris L. Wilde Malve Malvaceae Malvengewächse Herkunft – Verbreitung – Botanik 182 Zur Gattung Malva gehören etwa 30 Arten. Ursprünglich aus Südeuropa und Asien stammend, sind sie heute auch im übrigen Europa und in Nordafrika verbreitet. Die Wilde Malve wächst wild vorzugsweise an Wegrändern und auf Schuttplätzen. Da sie stickstoffhaltigen Boden liebt, ist sie auch häufig rund um Siedlungen anzutreffen (Ammoniakpflanze). Die Wilde Malve weist einen meist bogig aufsteigenden Stängel auf, der dicht behaart ist. Die unteren, wechselständigen Blätter sind rundlich und nicht oder nur wenig geteilt. Die oberen Blätter sind bis etwa zur Mitte 3–7-teilig, mit gerundeten, grob gezähnten Abschnitten. Die einzelnen Blattlappen sind eiförmig bis dreieckig. Die Farbe der Blüten reicht von Weiß über Rosa bis Violett. Sie stehen zu Gruppen von 2–6 Blüten in den Blattwinkeln. Pro Blütenkronblatt weisen sie drei dunkle Streifen auf. Die Kronblätter sind 3–4-mal so lang wie die Außenkelchblätter. Letztere sind 3–6-mal so lang wie breit. Die Blü- Namen Grande mauve/Petite mauve (F); Malva selvatica/Malva domestica (I); Common mallow/Dwarf mallow (E) Volkstümliche Namen Babbel, Butterwecken, Feldmalve, Hasenbrötchen, Kattenkäse, Krallenkraut, Pöppel, Rosspappel, Schwellkraut, Zuckerplätzenkraut Hauptmerkmale Höhe Blütengröße Blütezeit Pflanzentyp 30–120 cm 4–5 cm Mai-Okt. zweijährig oder ausdauernd ten sind am Grunde dicht bewimpert und tief ausgerandet. Die Staubfäden sind wie bei allen Malvengewächsen zu einer den Stempel umgebenden Röhre, der sogenannten Columna, verwachsen. Die scheibenförmigen Früchte messen 8–10 mm im Durchmesser und sind mehr oder weniger kahl. Die Teilfrüchte sind scharf berandet und am Rücken netzig-grubig. Die Fruchtstiele sind aufrecht oder abstehend. Als Kulturform findet sich in Gärten oft die mauretanische Malve (Malva sylvestris subsp. mauritiana). Deren Stängel und Blätter sind nur schwach behaart und die Blüten oft dunkelpurpurn. Sie kann ebenfalls für Medizinalzwecke verwendet werden. Die Wilde Malve wird gerne von verschiedenen Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen und Tagfaltern besucht, die den reichlich vorhandenen Pollen und Nektar ernten. Einige Wildbienen übernachten auch gerne in den Blüten. Wilde Malve im Frühstadium 3693_S054_201_Kraeuterportraets_I.indd 182 04.02.14 10:41 3693_S054_201_Kraeuterportraets_I.indd 183 04.02.14 10:41 Kleine Malve Kleine Malve (Malva neglecta) und weitere Malven Die Kleine Malve (auch Chäslichrut genannt) ist nur 10–50 cm hoch und eher niederliegend. Auch die oberen Blätter sind kaum gelappt. Die Blütenkronblätter sind hellrosa bis fast weiß und höchstens 2.5 cm lang. Sie sind doppelt so lang wie die Kelchblätter. Die Früchte messen 6–7 mm im Durchmesser. Die Teilfrüchte sind glatt und an den Kanten abgerundet. Die Fruchtstiele sind zuletzt zurückgebogen. Weitere, aber nur selten heilkundlich verwendete Arten sind: Malva alcea (Sigmarswurz), Malva moschata (Bisam-Malve) und Malva verticillata var. crispa (Krause Malve). Eng verwandt mit der Gattung Malva sind Eibisch (Althaea officinalis) und Stockrose (Alcea rosea). Anbau – Pflege – Ernte – Lagerung 184 Die Wilde Malve ist wärmeliebend und bevorzugt einen sonnigen Standort. Die Kultur erfordert einen eher leichten Boden mit einem hohen Anteil an organischem Material. Bei eher mageren Böden sollte vor der Kultur und nach dem 2. und 3. Schnitt eine Kompostgabe erfolgen, um den doch eher hohen Bedarf der Malven an Stickstoff und Kalium abzudecken. An einer warmen geschützten Lage mit guter Luftzirkulation kann das Risiko eines Befalls durch den Malvenrost vermindert werden. Als Vorkultur sollten keine Malvengewächse gewählt werden. Zwischen zwei Malvenkulturen ist eine Anbaupause von mindestens vier Jahren zu wählen. Mitte bis Ende April können Malven mit einem Reihenabstand von 50–70 cm direkt ins Freiland gesät werden. Mit rund 50 Pflanzen pro Quadratmeter benötigt man rund 40 g Saatgut pro 100 m2. Die Keimung kann eventuell durch Abdecken mit Folie beschleunigt werden. Nach der Saat sollte leicht bewässert werden, um eine optimale Keimung zu gewährleisten.Während der Saison muss nur noch 2–3-mal gehackt werden, da die Malven den Boden rasch abdecken 3693_S054_201_Kraeuterportraets_I.indd 184 und somit ein starker Unkrautbefall eher selten ist. Bei Trockenheit sollte wenn immer möglich bei Nacht leicht beregnet werden, um Pilzkrankheiten vorzubeugen. Da der Malvenrost häufig gegen Ende der Saison auftritt, sollte die Ernte der Blätter frühzeitig erfolgen. Bei einer Krauthöhe von 20–30 cm kann das Kraut Ende Juni zum ersten Mal geerntet werden, wobei 10– 15 cm über dem Boden geschnitten wird. Die Pflanzen werden am besten in Bündeln verkehrt aufgehängt oder in losen Lagen auf Tüchern am Schatten ausgelegt. In einer Trocknungsmaschine sollte eine Temperatur von 45 °C nicht überschritten werden. Für die Ernte der Blätter kann das Kraut im Abstand von ungefähr drei Wochen 4–5-mal geschnitten werden. Nach dem Trocknen werden die Blätter von den Stängeln abgestreift und in luftdurchlässigen Stoffsäcken oder dicken Kartonschachteln gelagert. Die Ernte der Blüten der Wilden Malve erfolgt von Hand, was einen recht großen Aufwand bedeutet. Die Blüten werden zum Trocknen an einem warmen Ort auf Tüchern lose ausgelegt oder in der Trocknungsmaschine sorgfältig getrocknet. 04.02.14 10:41 Pflanzenheilkunde Geruch und Geschmack – Inhaltsstoffe Malvenblätter (Malvae folium), bestehend aus den getrockneten Laubblättern der Pflanzen Geruch: schwach, charakteristisch Geschmack: beim Kauen schleimig fade Pharmakologische Wirkungen und Wirksamkeit Malvenblätter und deren Zubereitungen wurden in den letzten Jahren relativ umfangreich expe- Inhaltsstoffe: In den Schleimzellen von Malvenblättern findet man ca. 8 % und von Malvenblüten ca. 10 % Schleim (Polysaccharide), der nach Hydrolyse hauptsächlich die Monomeren Arabinose, Rhamnose, Glucose, Galactose und Galacturonsäure liefert. Weiterhin kann man sowohl in Malvenblättern als auch Malvenblüten geringe Mengen an Gerbstoffen nachweisen, in den Blättern findet man zusätzlich Flavonoidsulfate und in den Blüten Anthocyane (z. B. Malvin) Wilde Malve Malvenblüten und v. a. Malvenblätter werden bereits in der griechischen und römischen Medizin verwendet (v. a. innerlich und äußerlich antientzündlich). Sie sind Schleimdrogen (Mucilaginosa) und werden volksmedizinisch als wässrige, reizlindernde Zubereitungen bei Husten und Beschwerden der oberen Atemwege sowie bei Entzündungen im Mund-, Rachen- und Zahnfleischbereich (auch als Gurgelwasser bzw. Spülung) eingesetzt, ebenso bei unspezifischen Durchfällen und Katarrhen im Magen-Darmbereich sowie als mildes Abführmittel, mitunter auch bei Beschwerden im Bereich der ableitenden Harnwege. Äußerlich werden wässrige Zubereitungen bei entzündlichen Hauterkrankungen oder zur Wundbehandlung eingesetzt (z. B. als Umschläge, Kataplasmen, Teilbäder). Bei Insektenstichen und kleineren Verletzungen können (zerquetschte) frische Blätter beschwerdenlindernd wirken. Volksmedizinisch werden z. T. Blätter und Blüten auch gemeinsam verwendet. rimentell beforscht. Es wurden ausgeprägte antioxidative und breitgefächerte antientzündliche Wirkungen gefunden, zudem Hinweise auf antibakterielle, adstringierende, hautschützende, schmerzreduzierende, magenschleimhautschützende und gewisse antikarzinogene Effekte. Die antioxidative Kapazität wurde vergleichend bei Blättern, Blüten, unreifen Früchten sowie Stängeln mit Blättern und Blüten untersucht. Die Blätter zeigten dabei die ausgeprägtesten antioxidativen und Radikalfänger-Eigenschaften. Die derzeitige therapeutische Anwendung beruht auf wissenschaftlich gesichteten Erfahrungen und Traditionen, entsprechende klinische Studien liegen nicht vor. 185 Malva sylvestris Volksmedizinische und traditionelle Anwendung Malvenblüten (Malvae sylvestris flos), bestehend aus den getrockneten Blüten der Pflanze Geruch: fast geruchlos Geschmack: beim Kauen schleimig Inhaltsstoffe: siehe Malvae folium Die typischen Früchte der Wilden Malve 3693_S054_201_Kraeuterportraets_I.indd 185 04.02.14 10:41 186 Malvenfeld mit Königskerzen Anwendungsbereiche und Dosierungshinweise Droge Traditionelle Anwendungsbereiche Dosierungshinweise Blüten Schleimhautreizungen im Mund-RachenRaum und damit verbundenem Reizhusten ED 1.5–2 g, entweder in kaltem Wasser angesetzt und kurz aufgekocht oder mit kochendem Wasser übergossen TD 5 g Blätter ▪ ED 2 (–5) g mit kochendem Wasser übergießen, 10–15 min. ziehen lassen TD 5 g ▪ Schleimhautreizungen im Mund-RachenRaum und damit verbundenem Reizhusten Schleimhautentzündungen im Bereich der oberen Atemwege, des Mund-RachenRaums oder des Magen-Darm-Traktes Malvenblätter und -blüten sind in zahlreichen Teemischungen enthalten, die Blüten werden auch als sog. Schmuckdrogen verwendet, u. a. zur Teefärbung (natürlicher Farbstoff). Zube- 3693_S054_201_Kraeuterportraets_I.indd 186 reitungen aus Malvenblättern sind in einer Reihe von hautberuhigenden Pflegeprodukten enthalten. 04.02.14 10:42 Unerwünschte Wirkungen Bislang sind keine gravierenden unerwünschten Wirkungen bekannt. Wechselwirkungen Es liegen derzeit keine Berichte über bedeutsame Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln vor. Schwangerschaft und Stillperiode Zur medizinischen Anwendung während der Schwangerschaft und der Stillperiode liegen kei- ne Untersuchungen vor. Die Anwendung scheint mit dem Stillen vereinbar zu sein. Gegenanzeigen und Einschränkungen Überempfindlichkeit Malva neglecta (Kleine Malve) Blätter und Blüten der Malva neglecta werden volksmedizinisch vergleichbar der Malva sylvestris verwendet. Allerdings liegen für sie wesentlich weniger experimentelle Forschungsergebnisse und dokumentierte Erfahrungen vor. Die jungen Triebe aller Malvenarten können als Beigabe zu Frühlingssalaten oder zu Gemüsen, und die Blüten als farbige Beigabe zu Salaten verwendet werden. Die jungen Früchte oder auch die Blütenknospen können in Essig eingelegt zu «falschen Kapern» verarbeitet werden. Malven- blätter können auch wie Spinat leicht angedämpft und dann warm genossen werden. Die Wurzeln der verschiedenen Malven können von September bis in den Winter hinein als Beigabe zu Kräuter- und Gemüsesuppen verwendet werden. Sie tragen zum Eindicken der Suppen bei. Wilde Malve Wildkräuterküche Malva sylvestris 187 Eine Biene holt sich den Pollen aus einer Malvenblüte 3693_S054_201_Kraeuterportraets_I.indd 187 04.02.14 10:42