MATERIALIEN FÜR DEN POLITISCHEN UNTERRICHT IN DER BERUFLICHEN BILDUNG Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Internationaler Bund Impressum Herausgeber: Internationaler Bund · IB Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V. Sitz: Frankfurt am Main Vereinsregister Nr. 5259 Vorsitzender des Vorstandes Werner Sigmund Ressort Bildung und Soziale Arbeit Redaktion: Petra Tabakovic Burgstraße 106 D-60389 Frankfurt am Main Postfach 60 04 60 D-60334 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 9 45 45-0 Fax (0 69) 9 45 45-2 80 Referat Öffentlichkeitsarbeit Günter Haake [email protected] www.internationaler-bund.de Frankfurt am Main, Dezember 2001 Unter Mitarbeit des Projektteams: Roswitha Bendiek, Johanna Fleckenstein, Barbara Frank, Joachim Kainz, Heide Rohne, Bärbel Trautmann, Dieter Weisenbach Wir bedanken uns beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Förderung des Projektes. Inhalt Kapitel Das Konzept Einführung · Zielgruppe · Didaktik · Methodik · Benutzungshinweise 1 Das Einstiegsspiel 2 Unterrichtsreihe 1 Vorurteile und Diskriminierung 3 Unterrichtsreihe 2 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4 Unterrichtsreihe 3 Ausländer in Deutschland 5 Unterrichtsreihe 4 Flucht und Asyl 6 Unterrichtsreihe 5 Rechtsextremismus heute 7 Unterrichtsreihe 6 Nationalsozialismus in Deutschland 8 Literaturempfehlungen 9 Fragen zum Unterricht Rückmeldungsbogen für Teilnehmer 10 Das Konzept Materialien für den politischen Unterricht in der beruflichen Bildung Das Konzept ■ Einführung Politische Bildung kann auf keine ausgeprägte Tradition in den Maßnahmen der außerschulischen beruflichen Bildung zurückblicken, zumindest was politische Bildung im engeren Sinne als eigenständiges Lernfeld betrifft. Zu sehr stehen bislang Grundqualifizierungen der benachteiligten Jugendlichen mit Konzentration auf die „Hauptfächer“ im Vordergrund. Die Rahmenbedingungen der beruflichen Bildung, die Zielgruppen der Maßnahmen, die Erfordernisse beruflicher Integrationsbemühungen und die Orientierung an Prüfungsinhalten lassen politischen Unterricht häufig zu kurz kommen. Angesichts zunehmender Politikverdrossenheit einerseits und der Ausweitung unterschiedlichster Ausprägungen rechtsextremen Gedankenguts andererseits ist politische Bildung aktuell erneut herausgefordert. Eine Vielzahl von Konzepten, Bausteinen und Materialien für die schulische wie außerschulische politische Jugendbildung wurde in letzter Zeit entwickelt und veröffentlicht, die sich der Erziehung zur Demokratie bzw. gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt widmen. Diese Konzepte sind allerdings von ihrem Abstraktionsniveau her überwiegend sehr anspruchsvoll und für die Arbeit mit benachteiligten und bildungsungewohnten Jugendlichen, die mit wenigen Ausnahmen den Teilnehmerkreis in den Maßnahmen bilden, so nicht einsetzbar. In der Mehrzahl intendieren die vorliegenden Materialien zudem eine Arbeit in Form von Projekten, Seminaren oder Aktionen, die mit einem hohen Zeit- und Umsetzungsaufwand verbunden sind. Dies kann im pädagogischen Alltag in Berufsbildungszentren nur schwer, bestenfalls als einmalige Sonderveranstaltung geleistet werden. Der Sinnhaftigkeit projektorientierten politischen Lernens, das sich angesichts didaktisch- methodischer Erfordernisse in heutiger Zeit zweifellos bewährt hat, steht jedoch auch ein Bedarf nach Kontinuität politischer Bildungsarbeit im alltäglichen Unterrichtsgeschehen gegenüber. Wenn es in den Berufsbildungszentren, ob im Unterricht, in den Werkstätten, in der sozialpädagogischen Begleitung oder im Umfeld der Kurse, zu Konfrontationen mit Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und rechtsextremen Einstellungen kommt, was zunehmend der Fall ist, muss die berufliche Bildung sich in alltäglicher Regelmäßigkeit diesen Themen widmen. Neben die Vermittlung fachlicher Inhalte tritt damit die Notwendigkeit, in den Maßnahmen verstärkt auf die demokratische und humane Orientierung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hinzuwirken. An dieser Notwendigkeit orientiert sich die vorliegende Handreichung. Sie enthält kleine, unkompliziert einsetzbare Unterrichtsmaterialien zum unmittelbaren Gebrauch in den Maßnahmen der beruflichen Bildung. Diese sind zu sechs Unterrichtsreihen zusammengestellt, jedoch so aufgebaut, dass sie auch für einzelne Unterrichtsstunden einsetzbar sind. Sie sind mit didaktisch-methodischen Empfehlungen für die Unterrichtenden versehen, die auch Verweise auf weitere Materialien, etwa andere Medien, beinhalten. Am Ende jeder Reihe sind Anregungen zur Weiterarbeit, auch Möglichkeiten zu Anschluss-Projekten aufgezeigt. Die Handreichung wurde mit Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Internationalen Bund entwickelt, der in fast 40 Berufsbildungszentren an Standorten im gesamten Bundesgebiet über 25.000 Jugendliche und junge Erwachsene betreut. Die Unterrichtsreihen wurden an diversen Standorten in Ost- und Westdeutschland und in unterschiedlichen Kursen der Berufsvorbereitung von den dort unterrichtenden Lehrern bzw. Sozialpädagogen erfolg- 1 1 Das Konzept reich erprobt und eignen sich grundsätzlich für vergleichbare Zielgruppen. ■ Zielgruppe Dass das Interesse von Jugendlichen an der Politik sinkt, ist spätestens seit der Veröffentlichung der 13. Shell-Jugendstudie „Jugend 2000“ (Opladen 2000) kein Geheimnis mehr. Zunehmende Parteienverdrossenheit, sinkende Wahlbeteiligung, aber auch Verluste im Ansehen von Nichtregierungsorganisationen lassen sich danach als Gesamttrend mit etwas stärkerer Ausprägung im Osten Deutschlands ausmachen. Das Ausmaß der Politikferne wird davon beeinflusst, in welchem Maße die Jugendlichen glauben, mit ihrer Zukunft zurechtzukommen. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die Verankerung ausländerfeindlicher Einstellungen; 27 % der deutschen Jugendlichen sind danach als hoch ausländerfeindlich einzustufen, 62 % halten den Ausländeranteil in Deutschland für zu hoch. Auch ein Teil der befragten Jugendlichen ausländischer Herkunft schließt sich dieser Meinung an. Die Angst vor der eigenen Chancenlosigkeit wird als der stärkste Auslöser für Fremdenfeindlichkeit angegeben, und das bei Jugendlichen jeglicher Herkunft. Sowohl politisches Interesse als auch politische Einstellungen scheinen also mit Einschätzungen eigener Zukunftsperspektiven und den Möglichkeiten zu deren Beeinflussung zusammenzuhängen. Zwar sieht laut Shell-Studie ein zunehmender Anteil der Jugendlichen die persönliche Zukunft eher als positiv an, aber pessimistische Einstellungen dazu häufen sich bei denjenigen, die objektiv schlechtere Ausgangsbedingungen haben – Jugendliche mit geringer Bildung, ein Teil der ostdeutschen Jugendlichen, ein Teil der ausländischen Jugendlichen – die sogenannten benachteiligten Jugendlichen. Bei der Zielgruppe der Arbeitsmaterialien in dieser Handreichung, nämlich den Teilnehmern der berufsvorbereitenden, -orientierenden und -fördernden Maßnahmen, handelt es sich zum größten Teil um benachteiligte Jugendliche. Fehlende Berufsreife, Bildungsdefizite, gescheiterte Ausbildungsplatzsuche oder Arbeitslosigkeit sind die Gründe für ihre Teilnahme an den Kursen. Viele von ihnen hatten schulische Schwierigkeiten oder brachen die Schule ab, haben einen schlechten oder gar keinen Hauptschulabschluss. Schule und Unterricht wurden von ihnen als eine Aneinanderreihung von Scheitern, Resignationen und Demütigungen erlebt. Die damit einhergehende Bildungsdistanz ist teilweise noch verstärkt durch Zwangspausen nach dem Verlassen der Schule, die mit vergeblicher Arbeitssuche und unausgefüllten Wartezeiten verbracht wurden. Häufig kommen soziale Probleme hinzu: etwa schwierige familiäre Hintergründe, Wohngebiete mit hoher Problemdichte, Migrationshintergründe oder Flüchtlingserfahrungen mit sprachlichen Schwierigkeiten. Durch Schulbildung und das soziale Umfeld erworbenes Wissen über politische Zusammenhänge kann bei diesen Jugendlichen nur begrenzt vorausgesetzt werden. Sie sind in der Regel bildungsungewohnt und mit herkömmlichen Materialien für die politische Bildung in der Schule oder Erwachsenenbildung nicht erreichbar. Benachteiligung ist das Merkmal, das den Teilnehmern in den Maßnahmen gemeinsam ist, auch wenn die Zusammensetzung der Kurse regional sehr unterschiedlich ist. Vor allem in den westdeutschen Großstädten sind die Gruppen multikulturell besetzt, hier ist der Anteil junger Migranten und Migrantinnen aus vielen Kulturen und Nationen, mit deutschem Pass oder ohne, relativ hoch, während er in ostdeutschen Berufsbildungszentren verschwindend gering ist. Für den politischen Unterricht relevant ist zudem die Zusammensetzung der Lerngruppen hinsichtlich politischer Orientierungen. Zwar sind es „nicht immer die schwierigen sozialen Verhältnisse, sondern – neben Frust, Langeweile und Imponiergehabe – oftmals der Mangel an sozialer wie ethischer Orientierung und zu geringe aufklärerische Bildung, die junge Menschen anfällig werden lassen für rechtsextremistisches Gedankengut und darauf aufbauendes Verhalten“ (Rita Süssmuth im Geleitwort zu M. Büttner, Braune Saat in jungen Köpfen). 2 1 Das Konzept Dennoch werden in der Kombination von familiären, sozialen und ökonomischen Problemen Ursachen für rechte Orientierungen gesehen, vor allem wenn als vierter Faktor die Zugehörigkeit zu einer Clique, in der rechte Gesinnung propagiert und durch die Attraktivität der Clique aufgewertet wird, hinzukommt, wie Prof. Dr. Hajo Funke auf einer Tagung zum Thema „Grenzen und Möglichkeiten der Pädagogik in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus“ im Juni 2001 in Frankfurt a.M. sagte. Geht man somit davon aus, dass benachteiligte Jugendliche gefährdeter sind, in die rechte Szene abzurutschen, kommt den Maßnahmen der beruflichen Bildung, in denen letztendlich ein Teil dieser Jugendlichen versammelt ist, verstärkt die Aufgabe präventiver und gegensteuernder Arbeit zu. Unterteilt man (nach Jochen Sonntag in: U. Hirschfeld, U. Kleinert, Zwischen Ausschluß und Hilfe) die Jugendlichen nach folgenden Blöcken: I. rechtsextrem organisierten, II. rechtsextrem orientierten, III. rechts orientierten, IV. politisch nicht festgelegten und V. demokratisch engagierten Jugendlichen, so ist die Mehrzahl der Jugendlichen in den Berufsbildungszentren sicherlich bei den politisch nicht festgelegten einzuordnen, wie Praktiker des IB bestätigten. Rechtsextrem orientiert sind einzelne Teilnehmer; der Anteil rechts Orientierter variiert, nimmt aber einen zweiten Schwerpunkt ein, während demokratisch Engagierte nur selten in den Kursen zu finden sind (die in der Klassifizierung fehlenden linksextremen Jugendlichen spielen in den BBZ keine Rolle). Zur Unterscheidung der Blöcke II und III: Der Identifikationsgrad mit Bruchstücken rechtsextremer Ideologien ist in Block III nicht so hoch wie in dem durch zusätzliche Bereitschaft zu rechter Gewalt gekennzeichneten Block II (vgl. Sonntag, ebenda). Nach Sonntag ist eine Arbeit politischer Aufklärung und Erziehung zur Demokratie ab Block III aufsteigend in zunehmendem Maße möglich und sinnvoll. Auf diese Gruppen konzentriert sich die vorliegende Zusammenstellung von Arbeitsmaterialien. ■ Didaktische Bemerkungen Keine Didaktik – für sich allein – reicht aus, um mit Erfolg auch die Jugendlichen zu erreichen, die mit rechtem Gedankengut infiziert oder ausländerfeindlich, geschweige denn ins rechte Lager abgeglitten sind, formuliert Manfred Büttner in seiner Einführung zu „Braune Saat in jungen Köpfen“, dem aktuellen Standardwerk für Unterricht und Erziehung gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Aber er fordert, besonders von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie der Sozialpädagogik, wenigstens einen Anfang zu machen. In diesem Sinne versteht sich dieses Konzept als ein Beitrag zur stärkeren Verankerung politischer Inhalte, die Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus thematisieren, in den Maßnahmen der beruflichen Bildung. Es stellt einen Anfang dar, insofern es mit kleinen Schritten die Auseinandersetzung mit diesen Themen aufnimmt, unkompliziert einsetzbare Unterrichtseinheiten liefert, die sowohl die Lernbedingungen benachteiligter Jugendlicher berücksichtigen als auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die Unterrichtenden in der Regel keine politischen Bildner sind. Die Lehrerinnen und Lehrer in Berufsvorbereitungsund Stützkursen, gegebenenfalls auch Sozialpädagogen und Ausbilder, sollen mit Hilfe der Handreichung auch ohne entsprechende Lehrerfahrungen die Themen aufgreifen und die Materialien einsetzen können. Die Basismaterialien wollen zur vertiefenden Weiterarbeit herausfordern; Möglichkeiten dazu sind jeweils aufgezeigt, können individuell ergänzt werden oder durch Nachlieferung erweiterter Materialien komplettiert werden. Auch die Form der Handreichung als erweiterbare Blattsammlung entspricht dem Vorhaben, einen Anfang zu machen; Fortsetzung ist intendiert. Bei dem Teil Jugendlicher in den Maßnahmen, die rechten Einstellungen zustimmen, soll ebenfalls ein Anfang bewirkt werden. Mit den Unterrichtseinheiten dieser Handreichung können sicherlich keine rechten Orientierungen in demokratisches Bewusstsein gewandelt werden, aber es wäre schon ein Erfolg, wenn bei diesen Jugendlichen hinter den Ausrufezeichen 3 1 Das Konzept am Ende verinnerlichter rechter Parolen ein Fragezeichen erscheinen würde. Die Zielsetzung ist jedoch je nach Zusammensetzung der Teilnehmergruppen weitreichender. „Die politische Bildung kann die Ursachen von Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt nicht beseitigen, aber darüber aufklären und so einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der politischen Kultur leisten“, schreibt Christoph Butterwegge, einer der führenden Rechtsextremismusforscher (in: „Braune Saat in jungen Köpfen“, S. 188). Und weiter: „Trotz verbreiteter Zweifel an ihrer Realisierung sollten kritisches Denken, Konfliktfähigkeit und -bereitschaft, solidarisches Verhalten, Möglichkeiten demokratischer Partizipation, Perspektiven gesellschaftlicher Emanzipation und Maßnahmen zur Integration von (ethnischen) Minoritäten ins Zentrum politischer Bildung rücken, die rationale Aufklärung betreiben und die bestehende Gesellschaft verändern will“ (ebenda, S. 189). Daraus abgeleitet wird hier eine aktive gedankliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fakten und Hintergründen sowie Positionen und Ausprägungen rechten Gedankenguts für notwendig erachtet, die Gegenargumente entwickelt. Die zusammengestellten Materialien wollen mit argumentativ-rationalen wie sinnlich-emotionalen Zugängen die Wertschätzung demokratischer Strukturen und Prozesse, die Achtung vor dem Leben und solidarisches Denken und Handeln erzielen. Ziel ist weder eine unkritische Fremdenfreundlichkeit noch eine Toleranz gegenüber Fremden, die im Sinne des Wortes (tolerare = dulden) als Duldung durch Höherstehende verstanden wird, sondern eine Einstellung der Gleichwertigkeit aller Menschen. Diese Ziele sollen exemplarisch anhand der Bearbeitung folgender Themen verfolgt werden: ❚ Vorurteile und Diskriminierung, ❚ Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, ❚ Ausländer in Deutschland, ❚ Flucht und Asyl, ❚ Rechtsextremismus heute, ❚ Nationalsozialismus in Deutschland. Zu den ersten fünf Themen (zum letzten nur bedingt) haben die Jugendlichen unserer Ziel- gruppe durchweg Berührungspunkte. Sie sind in ihrem Alltag in unterschiedlichen Rollen – als Jugendliche ausländischer Herkunft oder als Deutsche – konfrontiert mit Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt. Diese Erscheinungen kommen aus der Mitte der Gesellschaft, werden aber bei Jugendlichen besonders auffällig (vgl. „Braune Saat in jungen Köpfen“, Einführung). Von daher tangieren diese Themen die Jugendlichen, und es gibt persönliche Erfahrungen und Erlebnisse, die im Sinne von Subjektorientierung politischer Bildung mit politischen Inhalten verbunden werden können. Ein Ansatzpunkt dazu ist auch die Teilnahme an den jeweiligen Maßnahmen der beruflichen Integration. Da diese auf Abbau von Benachteiligungen angelegt sind, Chancen für persönliche Perspektiven eröffnen, befinden sich die Teilnehmer in einem Prozess neuer und positiverer Beschäftigung mit ihrer Zukunft. Hier bietet sich auch eine Zugangsmöglichkeit für Reflexion von politischen Kategorien. Eine vorteilhafte Rahmenbedingung dafür ist ebenfalls die feste, über einen längeren Zeitraum bestehende Gruppenstruktur in den Maßnahmen, die gegenseitiges Kennen bedingt, Einschätzungen von Eingangsverhalten wie Gruppenprozessen ermöglicht und individuellen Spielraum für die Einbettung der vorliegenden Unterrichtsreihen in die Maßnahmen bietet. Weniger einfach als bei den ersten fünf Themenblöcken ist die Beschäftigung mit der Vergangenheit, die im sechsten Thema beabsichtigt ist, denn insbesondere unsere Zielgruppe neigt dazu, Geschichte als Aneinanderreihung zusammenhangloser Ereignisse zu sehen. Wenn eine Verengung von Zukunft empfunden wird, stellt sich Zeit als eine Abfolge von Gegenwarten dar; Geschichtsbewusstsein geht so verloren, referierte Prof. Dr. Heitmeyer auf der oben erwähnten Tagung in Frankfurt. Für die Beschäftigung mit den gegenwärtigen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus ist jedoch eine Auseinandersetzung mit dem real existierenden Nationalsozialismus in der deutschen Vergangenheit unerlässlich. Die aktuelle Relevanz wird bereits dadurch deutlich, dass das Wort „Nazi“ ebenso wie „Jude“ zu einer gebräuchlichen Vokabel in Jugendkreisen 4 1 Das Konzept geworden ist, aber in der Regel ohne historischen Bezug und differenziertes Hintergrundwissen verwendet wird. Als am Ende stehendes Thema wird der Nationalsozialismus in dieser Handreichung als Annäherung an die Anfänge des Dritten Reichs und die Judenverfolgung aufgegriffen. Dies geschieht zum einen über den Erwerb von Wissen über die Alltagsgeschichte des Nationalsozialismus unter Einbeziehung individueller Erfahrungsschilderungen und Wechsel von Perspektiven, zum anderen über Vergleiche mit aktuellen Erscheinungsformen, somit durch Transfer von Inhalten vorheriger Unterrichtsreihen. In allen Unterrichtssequenzen ist besonderer Wert darauf gelegt, dass den Jugendlichen positive Präsentationsmöglichkeiten eröffnet werden. Gerade die schulischen Vorerfahrungen von benachteiligten Jugendlichen, für die Bildung oft mit Scheitern und Demütigungen verbunden war, erfordern eine Unterrichtsgestaltung, die Erfolgserlebnisse nicht nur ermöglicht, sondern provoziert. Dies bedeutet nicht, dass Sachverhalte vereinfacht werden, sie sollen vielmehr veranschaulicht werden. Es gilt, die Motivation und das Interesse der Jugendlichen zu wecken, um eine Bereitschaft zu selbstständiger Weiterbeschäftigung mit den Inhalten zu fördern und diesbezügliches Engagement zu initiieren. In diesem Zusammenhang kommt der Methodenwahl eine tragende Bedeutung zu. Zwar ist die Förderung von Engagement, Einmischung und Beteiligung besonders im Falle benachteiligter Jugendlicher ein hoch gestecktes Ziel, dennoch soll es trotz der Niedrigschwelligkeit der Lernreihen verfolgt werden. Ob am Ende des Themas „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“ das Aushandeln von Regeln für den Sprachgebrauch in der Gruppe steht oder am Ende der Beschäftigung mit „Flucht und Asyl“ eine Collage, ein Aushang oder eine Unterschriftenliste zur Solidaritätsbekundung im Eingangsbereich der Einrichtung ausgehängt wird, hängt natürlich von der jeweiligen Lerngruppe und dem spezifischen Verlauf des Unterrichts ab. Aber Anregungen dazu sind in der Handreichung zu finden und sollten ernsthaft verfolgt werden. Da Jugendliche laut Ergebnis von Studien am ehesten bereit sind, sich in ihrem persönlichen Umfeld zu engagieren, bieten das Berufsbildungszentrum und eine dort angesiedelte Mitgestaltung Ansatzpunkte für demokratische Beteiligungsformen. ■ Methodische Bemerkungen Um die zuvor benannten Ziele zu erreichen, sind in der Methodik die Auswahl und Ausrichtung nach den zielgruppenspezifischen Erfordernissen benachteiligter, bildungsungewohnter Jugendlicher ausschlaggebend. Das bedeutet an erster Stelle, dass die „Textlastigkeit“, die in herkömmlichen Unterrichtskonzepten zum Thema immer noch vorherrscht, vermieden werden muss. Umfangreiche Textarbeit überfordert die Teilnehmer nicht nur von ihrem sprachlichen Vermögen, ihrer Konzentrationsfähigkeit, den Anforderungen an abstraktes Denken u.a., sondern demotiviert sie zudem durch die Besetzung mit negativen schulischen Erfahrungen. Das Lesen spielt bei ihnen als Aneignungsform in der Lebensbewältigung eine untergeordnete Rolle. Gleiches gilt für ununterbrochenes Zuhören etwa bei langatmigen Lehrervorträgen. Methodische Gleichförmigkeit im Lernprozess schlechthin bringt die Jugendlichen dazu, schneller abzuschalten bzw. sich anderweitig abzulenken. Die Methodenwahl dieser Handreichung achtet deshalb auf Methodenvielfalt und -wechsel. Sie will die Jugendlichen zum Reden bringen, Diskussionen provozieren und dem Unterrichtsgespräch Vorrang geben, die Lehrerdominanz abbauen. Die Planung ist offen gestaltet und soll von den Unterrichtenden auch so gehalten werden, damit auf Gesprächsbedürfnisse, Fragen und Emotionen der Jugendlichen eingegangen werden kann. Die Materialien sind so aufgebaut, dass kognitives und affektives Lernen sich ergänzen, unterschiedliche Fähigkeiten und Sinne angesprochen werden, um entsprechend individueller Stärken oder Präferenzen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, so das Selbstbewusstsein als Lernender zu stärken und schlichtweg Spaß am Lernen zu fördern. Nur so können in der Zielgruppe 5 1 Das Konzept Selbsttätigkeit, aktives Lernen und Handlungsbereitschaft wie -kompetenz erzielt werden. Das Spiel als Methode wird vor allem in den Motivationsphasen benutzt, und zwar sowohl als Rollen- oder Simulationsspiel als auch in der Variante des Quiz- und Gesellschaftsspiels. So ist als Einstieg in die Gesamtthematik das „Spiel vom Sich-kennen und Sich-fremd-Sein“ entwickelt worden, das die Jugendlichen nicht nur subjektorientiert auf die folgenden politischen Inhalte einstimmt, sondern sie für die Auseinandersetzung mit sich und anderen als (politisch) Handelnde und Entscheidende sensibilisiert. Es wurde in Anlehnung an das Quiz „Zwischen Müllfahrer und Manager“, das die Erfurter Brücke e.V. für Schulabgänger und Berufseinsteiger herausgab, entworfen und hat schon von der Spielidee der gegenseitigen Verhaltenseinschätzung im Wettbewerbsmodus motivierenden Charakter. Es provoziert unmittelbar Meinungsäußerungen, Fragen und Diskussionen zu politischen Inhalten aus den sechs Themenkomplexen, leitet zu diesen über und kann auch zu späteren Zeitpunkten an Schnittstellen wiederholt werden. Die Arbeitsmaterialien versuchen so weit wie möglich auf schriftliche Texte zu verzichten. Ersatzweise werden Bilder, Fotos, Zeichnungen, Karikaturen, Grafiken, Diagramme und Schaubilder in den Erarbeitungsphasen herangezogen. Wenn Textarbeit unumgänglich ist, wurde darauf geachtet, dass die Texte kurz gehalten sind und nicht allein bearbeitet werden, sondern in Partner- oder Gruppenarbeit. Texte in Dialogform, Musiktexte, die zunächst gehört und dann gelesen werden, Bildergeschichten oder – bei Möglichkeit – Texte aus dem Internet wollen attraktive Alternativen zu „Bleiwüsten“ darstellen. Die Wichtigkeit des Unterrichtsgesprächs gerade in der politischen Bildung mit möglichst breiter Beteiligung der Jugendlichen wurde bereits herausgestellt. Diskussionen werden durch Spiele, Materialien mit unerwarteten Aussagen oder provozierenden Inhalten sowie Fragen aufwerfenden Gegenüberstellungen forciert, in Rollenspielen auch in strukturierter Form eingeübt. Ergebnissicherung soll nicht nur durch die Unterrichtenden und auf der Wandtafel, sondern auf Folien, Karten, Wandzeitungen erfolgen. Entsprechend vielfältig soll der Medieneinsatz sein. Je nach Ausstattung kommen neben Arbeitsblättern und Tafel auch OverheadProjektor, Musikanlage, PC, Spielmaterialien, Videogerät und Filmprojektor zum Einsatz. Die Methoden und ein häufiger Methodenwechsel wollen insgesamt mit Abwechslungsreichtum die Konzentrationsbereitschaft und -fähigkeit der Teilnehmer stärken, Interessen wecken, argumentativ-rationale mit sinnlichemotionalen Unterrichtsformen verbinden und Aktivität fördern. Falls möglich sollten Gelegenheiten zur räumlichen Abwechslung genutzt werden, etwa das Hinausgehen ins Freie, wie es das Rollenspiel „Wie im richtigen Leben“ erfordert. Aber auch Besuche, Begegnungen und Gespräche außerhalb der Einrichtung – hier wären Expertenbefragungen oder Meinungsumfragen denkbar – können individuell eingebaut werden. Verweise auf Möglichkeiten dazu, wie zum Einsatz von Filmen, zu anschließenden Aktionen oder Projekten, befinden sich in den didaktisch-methodischen Empfehlungen zu den jeweiligen Unterrichtsreihen. ■ Hinweise zur Benutzung der Handreichung Das nachfolgende Einstiegsspiel sollte auf jeden Fall zu Beginn gespielt werden, da es auf die Gesamtthematik einstimmt; es kann jedoch an anderen Stellen wiederholt werden. Die Abfolge der sechs Themen wie auch innerhalb der Unterrichtsreihen stellt einen praktikablen Vorschlag dar, der je nach Lerngruppenbedürfnis auch abgewandelt werden kann. Die Einbettung der Lerneinheiten in die Maßnahmen wird je nach Kurs und Lehrplan variieren. Denkbar wäre ein Einsatz in der Orientierungsphase, fortlaufend im Sozialkundeunterricht, sofern dafür ein Stundenkontingent besteht, aber auch fächerübergreifend, in eingeschobenen Blöcken oder bei aktuellen Anlässen, etwa Konfrontationen mit Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremen Einstellungen in der Gruppe. 6 1 Das Konzept Von den Unterrichtenden wird in diesem Zusammenhang Fingerspitzengefühl erwartet, die Platzierung individuell zu gestalten. Die Materialien sind so dargeboten und kommentiert, dass sie in der Regel unmittelbar benutzt werden können und die Unterrichtsplanung für die Lehrenden stark erleichtern, so dass bei Bedarf Zeit für eine fachlich-inhaltliche Vorbereitung verbleibt. Zu diesem Zweck ist eine Literaturliste mit ausgewählten Titeln angefügt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich die inhaltlichen Zusammenhänge aus der Materialzusammenstellung selbst erschließen. Voraussetzung für die Lehrenden ist dagegen eine kritische Selbstreflexion eigener Positionen zu den Themen; eine demokratische Überzeugung ist Grundbedingung für die pädagogische Arbeit gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Die Handreichung ist so aufgebaut, dass sich innerhalb der sechs Unterrichtsreihen die didaktisch-methodischen Empfehlungen jeweils vor den Arbeitsmaterialien befinden. Die Materialien sind so präsentiert, dass sie direkt als Kopiervorlagen nutzbar sind. Die didaktisch-methodischen Empfehlungen enthalten Hinweise zur Vorbereitung und zum Ablauf, Tipps für die Unterrichtenden und Verweise auf ergänzende Materialien, Anregungen zur Weiterarbeit sowie für mögliche Anschluss-Aktionen oder -Projekte. Sie sind in Einstieg, Arbeitsschritte und Weiterarbeit untergliedert. Nach den Literaturempfehlungen, ganz am Ende der Handreichung, ist ein Fragebogen angefügt, auf dem die Teilnehmer Rückmeldung zum Unterricht geben können. Dieser Bogen könnte am Ende einzelner Themenkomplexe eingesetzt werden, um dem Unterrichtenden Aufschlüsse über die individuelle Wirkung des Unterrichts und damit Anhaltspunkte für die weitere Planung zu geben. Die Handreichung ist auf Ergänzung und Erweiterung angelegt; daher sind Rückmeldungen jeglicher Art erwünscht. 7 1 Das Einstiegsspiel Das Einstiegsspiel Das Spiel vom Sich-kennen und Sich-fremd-Sein will in Quizform auf die folgenden Unterrichtsreihen einstimmen und für die Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen sowie politischen Fragen und Einstellungen sensibilisieren. 8 2 Das Einstiegsspiel Das Spiel vom Sich-kennen und Sich-fremd-Sein Vorbereitung: Die 28 Fragekarten werden auseinander geschnitten und vom Unterrichtenden auf Papp- oder Karteikarten geklebt. Die Spieler erhalten je drei leere, gleichfarbige Karten, die erste beschriften sie mit einem großen A, die zweite mit einem B und die dritte mit einem C. Die Namen aller Spieler werden aufgelistet. Danach werden die Fragekarten gemischt und mit der Rückseite nach oben in die Mitte gelegt. Spielablauf: Alle Jugendlichen spielen mit; die Lehrerin oder der Lehrer leitet das Spiel und führt die Punkteliste. Der Spieler, der am Abend zuvor am spätesten ins Bett gegangen ist, fängt an. Er zieht eine Karte vom Stapel und liest die Frage und die drei Antworten laut vor. Dann überlegt er sich, welche Antwort auf ihn am ehesten zutrifft, und legt entsprechend der Antwort seine A-, B- oder C-Karte verdeckt auf den Tisch. Die Mitspieler müssen nun überlegen, wie sich der Gefragte entschieden hat, und legen die Karte mit ihrem Tipp (A, B oder C) verdeckt vor sich ab. Wenn alle Karten liegen, werden sie aufgedeckt. Der Gefragte erhält für jede Übereinstimmung einen Punkt. Jeder Mitspieler, der ihn richtig eingeschätzt hat, erhält ebenfalls einen Punkt. Anschließend ist der im Uhrzeigersinn nächste Spieler an der Reihe und nimmt eine neue Karte vom Stapel und so weiter. Spielende: Je nach Zeit, Gruppengröße und Länge der Zwischendiskussionen kann die Spieldauaer eine oder mehrere Runden umfassen. Jeder Spieler muss aber gleich oft Gefrag- ter gewesen sein. Der oder die Spieler mit den meisten Punkten hat/haben gewonnen. Je nach Lerngruppe und Entscheidung des Unterrichtenden könnte(n) der oder die Gewinner einen Preis erhalten. Ziele des Spieles und Empfehlungen zur Spielleitung: Das Spiel ist ein Einstiegsspiel und soll die Lernenden auf die folgenden Themenkomplexe einstimmen. Es macht den Jugendlichen in der Regel Spaß und motiviert sie zur Beschäftigung mit den Themen. Gleichzeitig sensibilisiert es für eine Auseinandersetzung mit sich selbst und den anderen. Es soll Fragen aufwerfen, unterschiedliche Einstellungen beleuchten und Diskussionen auslösen. Auch mittendrin, zwischen den Fragen, darf und soll gelegentlich in Kurzform ein Austausch stattfinden (kann vom Lehrer durch gezielte Fragen auch provoziert werden). Die Inhalte größeren Diskussionsbedarfs können an der Wandtafel festgehalten werden, um nach Spielende ausführlicher diskutiert zu werden. Davon lässt sich dann gut zu den anschließenden Lerneinheiten überleiten. Das Spiel kann – auch mit den Schülern – um Fragekarten ergänzt werden und lässt sich auch zu späteren Zeitpunkten im Laufe der Unterrichtsreihen wiederholen. Die Spielidee basiert auf dem Spiel „Zwischen Müllfahrer und Manager“, einem Quiz für Schulabgänger und Berufseinsteiger, das von der Erfurter Brücke e.V. herausgegeben wurde. 9 2 Das Einstiegsspiel Glaube ich, dass arbeitslose Jugendliche selbst daran schuld sind, wenn sie keine Stelle finden? Wie reagiere ich, wenn im Supermarkt die Verkäuferin an der Käsetheke eine Ausländerin beschimpft, weil sie nicht schnell genug sagen kann, was sie wünscht? A Ja, denn „jeder ist seines Glückes Schmied“. B Nein, die Politiker sind daran schuld. C Für einige trifft das zu, die kümmern sich zu wenig. A Ich tue, als ob ich nichts gehört hätte. B Ich schimpfe mit, weil ich so lange warten muss. C Ich bin der Kundin behilflich und übersetze so gut ich kann. Wo möchte ich am liebsten leben? Der neue Mitschüler ist echt uncool gekleidet. Lade ich ihn trotzdem zu meiner nächsten Party ein? A In einer interessanten Großstadt mit vielen bunten Menschen. B In einer gemütlichen Kleinstadt, wo ich die meisten Leute kenne. C Auf dem Lande, wo noch viel Natur ist. Die neuen Wohnungsnachbarn sind Marokkaner und haben mich zu einem Einstand eingeladen. A Ich glaube, ich lasse mir eine Entschuldigung einfallen. Ich weiß ja gar nicht, wie ich mich da verhalten soll. B Da gehe ich auf jeden Fall hin, denn das wird bestimmt eine spannende Sache. C Mit denen will ich nichts zu tun haben. Im Betrieb ist der Radiorecorder aus dem Pausenraum geklaut worden. Der Chef beschuldigt den türkischen Kollegen. A Ich finde das ungerecht und vorschnell und sage das dem Chef auch. B Wird schon stimmen, dem traue ich das zu. C Solange er mich nicht beschuldigt, ist mir das egal. A Bestimmt nicht, da blamiere ich mich ja bei den anderen Gästen. B Warum nicht? Vielleicht steckt hinter ihm mehr, als man denkt. C Vielleicht gebe ich ihm mal einen Tipp, was für Klamotten besser aussähen. Was tue ich, wenn ich sehe, dass in meiner Nähe ein Mädchen belästigt wird? A Gar nichts, was geht mich fremdes Elend an. B Na sofort einmischen, so was kann man doch nicht zulassen. C Andere Leute oder notfalls die Polizei um Mithilfe bitten. In meiner Stammdisco ist ein Farbiger vom Türsteher nicht hereingelassen worden. A Da gehe ich auch nicht mehr hin, und ich werde allen Freunden sagen, dass wir uns einen anderen Laden suchen. B Das kann ich verstehen, denn das hätte bestimmt Ärger gegeben. C Schade, den hätte ich gern mal tanzen gesehen. 10 2 Das Einstiegsspiel Im Bus sind nur noch 3 Sitzplätze frei. Ich setze mich ... Wo würde ich am liebsten meinen nächsten Urlaub verbringen? A neben die junge Asiatin. B neben meinen Lehrer. C neben eine Rentnerin. A Möglichst weit weg, ich will was von der Welt sehen. B In meinem Heimatland. C Am Mittelmeer, auf einem Campingplatz direkt am Strand. Als Motto passt zu mir am ehesten: Ich fühle mich von meinem Chef ungerecht behandelt. A Man braucht gute Freunde, der Rest ist nicht so wichtig. B Geld und Macht, darauf kommt es an im Leben. C Neugierig bleiben auf alles Unbekannte und Abwechslungsreichtum machen das Leben lebenswert. A Ich versuche, mit ihm in Ruhe darüber zu reden und eine Lösung zu finden. B Ich rege mich fürchterlich auf und ziehe über ihn her. C Ich bin der Meinung, dass man nichts dagegen tun kann. Meine Clique und ich haben Langeweile. Mein Vorschlag könnte sein: Auf meinem Heimweg liegt ein AsylbewerberWohnheim. A irgendwo ein Video zu gucken. B was Sportliches zu machen, Fußball oder Basketball spielen, Schwimmen gehen. C Ich schlage gar nichts vor; wenn wir einfach draußen abhängen, passiert vielleicht irgendwas. A Ich nehme lieber einen kleinen Umweg in Kauf, damit ich nicht daran vorbei muss. B Ich gucke schon neugierig hin, wer da lebt und wie die leben. C Ich gehe daran lang wie an jedem anderen Haus auch. Wenn ich ein Zimmer zu vermieten hätte, wem würde ich es geben? Was halte ich von meinem Mitschüler, der für einen Ausbildungsplatz in eine ziemlich weit entfernte Stadt ziehen will? A Einem Kriegsflüchtling aus dem ehemaligen Jugoslawien. B Einem Computerspezialisten aus Indien. C Einem afrikanischen Studenten aus Nigeria. A Schön blöd, für eine Ausbildung verlässt man doch nicht alles, was einem etwas bedeutet hat. B Ganz schön mutig, was da wohl alles auf ihn zukommt. C Am liebsten würde ich mit ihm tauschen. 11 2 Das Einstiegsspiel An der Ecke zu meiner Straße stehen 3 Jugendliche, die ich nicht kenne und noch nie hier gesehen habe. Ich bin allein. Die Musik auf dem Fest ist echt gut, aber als ich auf den Text achte, höre ich rechte Parolen raus. A Die wollen bestimmt Ärger mit mir anfangen. Besser ich wechsele die Straßenseite. B Na und, hier kann schließlich jeder stehen. C Ich mache mich etwas größer und demonstriere irgendwie Stärke, das kann nicht schaden. A Der Text interessiert mich nicht. Hauptsache, es kommt gute Stimmung rüber. B Da habe ich keinen Bock drauf. Ich schnappe mir meine Freunde und gehe. C Ich spreche den DJ drauf an und schlage ihm vor, was anderes aufzulegen. In meiner Clique werden Witze erzählt. Einer erzählt einen Judenwitz. Wenn mir der Ausbilder komisch kommt, knalle ich ihm dann die Klamotten vor die Füße? A Da hört der Spaß auf. Was den Juden passiert ist, sollte man nicht veralbern. B Na und, es werden doch auch Witze über Türken oder auch Deutsche, z.B. die Ostfriesen, erzählt. C Ich sage demjenigen, dass er sich wie ein Nazi verhält. A Das ist das wenigste, was ich machen würde. B Ich bleibe cool und sage ihm, dass ich die Sache anders sehe. C Ich schlucke meine Wut erst mal runter, aber danach sollte mich besser niemand ansprechen. Wie finde ich einen Jugendaustausch mit einem anderen Land? „Alle Deutschen sind ordentlich und fleißig, Italiener dagegen reden lieber, als dass sie arbeiten.“ Diesen Spruch finde ich ... A Nicht besonders, aber besser als der Alltagstrott. B Grässlich, da muss man vielleicht auch noch Englisch sprechen. C Das würde mir Spaß machen. A einfach falsch, das sind doch nur Vorurteile. B zu verallgemeinernd. Wenn Einzelne so sind, muss das nicht für alle gelten. C richtig, denn das haben Erfahrungen bewiesen. Würde mich die Mitarbeit in einem Jugendparlament in der Kommune reizen? Zufällig habe ich mitbekommen, wie eine Gruppe Jugendlicher einen Fremden, der ganz allein war, verprügelt hat. A Klar doch, dann könnte ich mich für die Interessen von jungen Leuten einsetzen. B Da werde ich mit meiner Meinung doch sowieso nicht ernst genommen. C Das Gerede da würde mich bestimmt total langweilen. A Ich würde sofort zur Polizei gehen und eine Aussage machen. B Da halte ich mich raus. Wer weiß, was sonst an Scherereien auf mich zukommt. C Ich berate mich mit Freunden, wie ich mich verhalten soll. 12 2 Das Einstiegsspiel Ich darf bei der nächsten Kommunalwahl wählen. Welche Unterrichtsfächer interessieren mich am meisten? A Ich versuche, mich so gut wie möglich darüber zu informieren, was die Parteien und Kandidaten vorhaben. B Ich weiß jetzt schon genau, welche Partei meine Stimmen kriegt. C Ich würde nicht zur Wahl gehen. A Sport und Englisch. B Mathe und andere Naturwissenschaften. C Deutsch und Geschichte. Welche Arbeitsstelle würde ich auf keinen Fall annehmen? Worauf könnte ich zukünftig am ehesten verzichten? A In einem Betrieb, zu dem ich fast eine Stunde Arbeitsweg habe. B Die, wo mir schon bei der Vorstellung der Vorgesetzte und die Kollegen unsympathisch waren. C Eine Stelle mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, die auch am Wochenende liegen können. A Auf ein Handy. B Auf einen Hund. C Auf ein Auto. A B C 13 2 Vorurteile und Diskriminierung Unterrichtsreihe 1 Vorurteile und Diskriminierung Diese Lernreihe fragt nach dem Wesen und der Funktion des Vorurteils, will Gegenargumente zu bestehenden Vorurteilen aufzeigen, die Auseinandersetzung mit Diskriminierungen fördern und Argumentationsmuster beleuchten. 14 3 Vorurteile und Diskriminierung Didaktisch-methodische Empfehlungen ■ Einstieg Den Einstieg bildet das Spiel „Was bin ich? Deutsch oder nicht deutsch?“ (M 1.1). Jeder Lernende bekommt eine Kopie der 16 Fotos und kreuzt alleine seine Tipps an. Die Auswertung erfolgt gemeinsam (evtl. foliengestützt per Overhead-Projektor), und die Punkteverteilung wird an der Tafel/auf der Flipchart o.ä. für alle sichtbar notiert. Nach der Siegerehrung wird darüber gesprochen, wie jeder vorgegangen ist, an welchen Äußerlichkeiten er seine Entscheidungen festgemacht hat, was er für typisch deutsch hält. Bei welchen Fotos haben sich besonders viele falsch entschieden und warum? Das Unterrichtsgespräch wird auf das Thema „Vorurteile“ gelenkt (z.B.: Hat man sich von ersten Eindrücken, Verallgemeinerungen oder Vorurteilen lenken lassen?) und leitet über zum 1. Arbeitsschritt. 1. Arbeitsschritt Der Fragebogen „Ist das ein Vorurteil?“ (M 1.2) wird ausgeteilt. Die Teilnehmer füllen in Kleingruppen (3 – 4 Personen) in Ruhe den Fragebogen aus. Im anschließenden Unterrichtsgespräch sollen die verschiedenen Meinungen zum Thema „Vorurteil“ offen gelegt und erste Elemente einer Definition des schwer zu fassenden Begriffs herausgearbeitet und an der Wand festgehalten werden. Eröffnungs- und Strukturierungsfragen können sein: ❚ Bei welchen Aussagen fiel die Beurteilung besonders leicht? ❚ Welche Aussagen sind eindeutig vorurteilsvoll, welche nicht? ❚ Worauf gründet sich das Urteil? ❚ Warum fällt die Beurteilung mancher Aussagen schwer? 2. Arbeitsschritt Den ersten Definitionsversuchen folgt eine genauere Bestimmung mit Hilfe des Textes „Urteil – Vorausurteil – Voraburteil – Vorur- teil“ (M 1.3), der in Partnerarbeit, jeweils zu zweit, bearbeitet wird. Die Ergebnisse zu Arbeitsauftrag 1 werden gemeinsam auf Folie oder an der Wand gesichert. Nach Besprechung der Arbeitsaufträge 2 und 3 werden die Aussagen des Fragebogens (M 1.2) erneut aufgegriffen, um mit Hilfe der neuen Erkenntnisse klarer beurteilt zu werden. 2 Aussagen werden daraufhin für die weitere Arbeit detaillierter betrachtet und mit nötigen Hintergrundinformationen gefüllt. 3. Arbeitsschritt Zuerst wird der Text „BMW-Fahrer drängeln“ (M 1.4) in Gruppenarbeit bearbeitet, dann die Aussage „Die Ausländer in Deutschland sind krimineller als die Deutschen“ untersucht. Dies erfolgt anhand eines foliengestützten Vortrags (M 1.5 – M 1.7), der deutlich machen soll, wie schnell eine zunächst statistisch belegbare Feststellung zum Vorurteil wird. (Es geht nicht darum, das Ausmaß der von Ausländern begangenen Straftaten klein zu rechnen oder zu verharmlosen, sondern es soll aufgezeigt werden, dass man zu falschen, Vorurteile bestärkenden Schlussfolgerungen kommt, wenn man einen unzulässigen Vergleich aufstellt.) „Kriminalität in Deutschland im Vergleich“ (M 1.5) wird auf Folie kopiert präsentiert, wobei der untere Teil zunächst mit einem Blatt Papier verdeckt wird; die Statistik stellt den unzulässigen Vergleich grafisch dar. Die Gründe dafür, dass der Vergleich hinkt, werden dann Punkt für Punkt aufgedeckt und besprochen. Zur Erläuterung von Punkt 3 werden die 2 Grafiken von M 1.6 vergrößert und auf eigene Folien kopiert. Der Ausländeranteil nach Altersgruppen und die Deutschen Tatverdächtigen nach Altersgruppen werden zunächst einzeln besprochen und dann übereinander gelegt. Es wird deutlich, dass der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung in jenen Altersgruppen besonders hoch ist, in denen sich auch für die Deutschen besonders hohe Tatverdächtigenzahlen ergeben. 15 3 Vorurteile und Diskriminierung Die Grafik M 1.7 zeigt abschließend, wie sich der Anteil der Nichtdeutschen an den Tatverdächtigen verringert, wenn man die genannten Verzerrungsfaktoren schrittweise aus der Kriminalstatistik herausrechnet und nur das miteinander vergleicht, was wirklich vergleichbar ist. Dies reduziert schon den ursprünglichen Wert von 28 % auf nahezu die Hälfte, nämlich 15 %. Darüber hinaus müssten noch weitere Faktoren berücksichtigt werden, die sich allerdings kaum statistisch erfassen lassen. Diese werden vom Unterrichtenden als Input vorgetragen: ❚ Es ist zu vermuten, dass Ausländer von der deutschen Bevölkerung schneller angezeigt und von der Polizei stärker beobachtet werden. ❚ Der Anteil der Ausländer an den Verurteilten ist in der Regel niedriger als ihr Anteil an den Tatverdächtigen. Nicht jeder Verdächtige ist schuldig. ❚ Es müssten soziale Faktoren wie Wohnumfeld, Großstadteinflüsse, Arbeitslosigkeit etc. berücksichtigt werden. Unter Ausländern ist der Anteil arbeitsloser junger Männer, die in Großstädten leben, höher als unter Deutschen. Diese Gruppe wird insgesamt schneller straffällig. 4. Arbeitsschritt Könnte es sich bei der Aussage vom kriminelleren Ausländer also um ein reines Vorurteil handeln? Die abschließende Diskussion wird mit einer weiteren Folie eröffnet, die den Verfremdungseffekt nutzt. M 1.8 zeigt mit derselben Logik, mit der die hohe Ausländerkriminalität vermeintlich nachgewiesen wird, die besonders hohe Berlinerkriminalität. Die Gegenargumente haben die Teilnehmer sicher leicht parat: dass man einen Stadtstaat nicht mit Flächenstaaten vergleichen kann; dass gerade in Großstädten besonders viele Straftaten begangen werden, und dies auch von Personen, die nicht zur Wohnbevölkerung zählen; dass man die Sozialstruktur und die Höhe der Arbeitslosigkeit berücksichtigen müsse etc. Kaum einer käme auf die Idee, die hohe Kriminalitätsrate des Landes Berlin mit der Mentalität, der Kultur oder gar der Veranlagung der Berliner zu erklären. Warum werden diese Größen nicht bei den Berlinern, aber bei den Ausländern herangezogen? 5. Arbeitsschritt Mit der Geschichte vom andorranischen Juden (M 1.9) werden die Wirkungsweisen und Folgen sozialer Vorurteile angesprochen. Der Text wird in Partnerarbeit bearbeitet. Dafür und ebenso für die Besprechung der Ergebnisse sollte genügend Zeit eingeräumt werden. Im Unterrichtsgespräch sollte der Begriff „Diskriminierung“ eingeführt und definiert werden. Die Lernenden sollen aktuelle Beispiele von Diskriminierungen in Deutschland finden. Während der Diskussion über diese Beispiele soll auch die Frage erörtert werden, wie man sich selbst verhalten kann, wenn man Zeuge von vorurteilsvollen Zuweisungen oder Diskriminierungen wird. 6. Arbeitsschritt Den Abschluss der Unterrichtsreihe bildet ein Rollenspiel, das die Lernenden wiederum unter Nutzung des Verfremdungseffekts in die Rollen von Vorurteilenden und von Gegenargumentierenden schlüpfen lässt und so entsprechende Verhaltensmuster erlebbar macht. Der Text „Briefträger“ (M 1.10), ein Beitrag von Kölner Kabarettisten, wird zunächst vom Lehrer vorgelesen/vorgetragen. Die Gruppe soll dann eine Diskussion spielen, in der sich die Gegner der Briefträger mit den Verteidigern der Briefträger auseinander setzen. Dazu bilden die Lernenden in freier Wahl 2 Gruppen, die den Text ausgehändigt bekommen und sich auf die Diskussion vorbereiten, indem sie Argumente sammeln. Gruppe A sammelt Vorwürfe und „Fakten“ gegen die Briefträger; Gruppe B sammelt Argumente und Punkte gegen die Anfeindung von Briefträgern. Nach der Vorbereitungszeit darf Gruppe A die Diskussion eröffnen, in die der Lehrer nicht eingreift, sie aber beendet, wenn sie sich leer läuft. Danach werden die Teilnehmer zunächst gefragt, wie sie sich in ihrer Rolle gefühlt haben. Auswertungsfragen könnten sein: Wel- 16 3 Vorurteile und Diskriminierung che Gruppe hat es in der Diskussion leichter gehabt? Welche Gruppe ist sachlicher geblieben? Hat eine der beiden Gruppen die andere überzeugen können? Warum fiel es Gruppe B schwer, auf bestimmte Argumente zu reagieren? Was hätte B anders machen können? Welche Argumentationsmuster waren jeweils erkennbar? Auf jeden Fall sollte am Ende eine Übertragung der Ergebnisse auf reale Vorurteile gegen Gruppen und Diskriminierungen erfolgen. Die Teilnehmer sollen dahinter stehende Argumentationsmuster erkennen und Anregungen für eigenes Verhalten in der Konfrontation mit solchen Mustern gewinnen. Empfehlenswertes Verhalten ist in den „Tipps zum Umgang mit Stammtischparolen“ (M 1.11) aufgelistet, die vom Unterrichtenden als Inputs in das Abschlussgespräch eingebracht werden können. ■ Weiterarbeit Anregung für eine weitere und vertiefende Arbeit zu diesem Themenblock könnte die Erstellung einer Wandzeitung sein, auf der während der Unterrichtsreihe und danach Fakten gegen verschiedene bestehende Vorurteile gesammelt werden. Diese Wandzeitung müsste ständig aushängen, so dass sie von den Teilnehmern kontinuierlich weitergeführt werden kann. 17 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 Was bin ich? Deutsch oder nicht deutsch? Das große Strandspiel. So funktioniert es: Die 16 folgenden Fotos sind auf Mallorca gemacht worden. Darauf sind genau 8-mal deutsche Urlauber abgebildet, 8-mal Urlauber aus anderen Ländern. Es gibt auf den Fotos keine gemischten Gruppen, die aus verschiedenen Nationalitäten bestehen. Ziel des Spiels ist zu erkennen, wer die Deutschen sind. Jeder gibt pro Bild seinen Tipp ab und bekommt für jeden richtigen Tipp einen Punkt – im besten Fall also 16 Punkte. Gewinner ist, wer am Ende die meisten Punkte hat. (Das Spiel und die Fotos wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Süddeutschen Zeitung. Aus: Süddeutsche Zeitung, SZ Magazin vom 13. 7. 2001, Fotos: Ingo Robin) Auflösung 1 Jeroen Frans aus Holland 2 Veronica, Javi, Jasabel und Paco aus Spanien 3 Barbara und Manuela aus Deutschland 4 Rui Miguel und Tania aus Portugal 5 Bob aus England 6 Peter und Horst aus Deutschland 7 Abel Silva, Maria Fernanda mit Tochter Franciska aus Portugal 8 Katie aus England 9 Dirk und Heiko aus Deutschland 10 Alice und Veronica aus Tschechien 11 Joachim und Michael aus Deutschland 12 Melanie und Maike aus Deutschland 13 Olaf aus Deutschland 14 Marion aus Deutschland 15 Ralf, Hildegard, Lotti und Sabine aus Deutschland 16 Celine und Laura aus Frankreich 18 3 M 1.1 1 deutsch nicht deutsch 2 deutsch nicht deutsch 19 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 3 deutsch nicht deutsch 4 deutsch nicht deutsch 20 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 5 deutsch nicht deutsch 6 deutsch nicht deutsch 21 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 7 deutsch nicht deutsch 8 deutsch nicht deutsch 22 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 9 deutsch nicht deutsch 10 deutsch nicht deutsch 23 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 11 deutsch nicht deutsch 12 deutsch nicht deutsch 24 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 13 deutsch nicht deutsch 14 deutsch nicht deutsch 25 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.1 15 deutsch nicht deutsch 16 deutsch nicht deutsch 26 3 Vorurteile und Diskriminierung Vorurteile und Diskriminierung M 1.2 Ist das ein Vorurteil? Bitte kreuzen Sie jeweils an, ob es sich Ihrer Meinung nach um ein Vorurteil handelt oder nicht. Das ist ein Vorurteil. Das ist kein Vorurteil. Lehrer sind ungerecht. Die Franzosen verstehen es, gut zu leben. Straßenverkäufer sind Betrüger. BMW-Fahrer sind Angebertypen und drängeln auf der Autobahn. Die Deutschen sind tüchtiger als die meisten anderen Nationen und werden aus Neid kritisiert. Ältere Leute haben eine größere Lebenserfahrung. Bei „Haustürgeschäften“ sollte man besonders vorsichtig sein. Türken sind irgendwie anders als Deutsche. Die Ausländer in Deutschland sind krimineller als die Deutschen. Dicke Menschen sind gemütlich. Die Jugend wird immer gewalttätiger. Frauen achten beim Autokauf nur auf die Farbe. nach: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit, Schwalbach/Ts. 1999 27 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.3 Urteil – Vorausurteil – Voraburteil – Vorurteil Jeder kennt das: Man trifft einen Menschen oder sieht ein Foto und schließt von wenigen Einzelheiten auf die gesamte Person. Einstellungen und Einschätzungen, die ohne großes Nachdenken vorab getroffen werden, gehören zum Alltag dazu. Sie sind sogar hilfreich. Wie ich einen Kunden einschätze und bediene, ohne eine umständliche Denkpause einzulegen, hängt von einem Vorausurteil ab. Solche sozialen Wahrnehmungen sind harmlos, da sie dem einen nutzen, ohne dem anderen zu schaden. Sie können außerdem zurückgenommen werden, wenn man mehr über den Betreffenden erfährt. Anders ist dies beim Vorurteil, das immer mit negativen Gefühlen anderen gegenüber verbunden ist. Von Vorurteilen spricht man bei falschen oder einseitigen Bewertungen von Personen. Wenn ein Lehrer bei schwachen Schülern mehr Fehler findet als bei guten Schülern, beruht dies auf Vorurteilen, die er hat. Besonders problematisch sind Vorurteile gegenüber Gruppen von Menschen und deren einzelne Mitglieder. Sie nennt man soziale Vorurteile, weil sie das Zusammenleben in der Gesellschaft beeinflussen. Sie sind stets mit Ablehnung, Feindlichkeit und sogar Hass verbunden und stempeln eine Gruppe als negativ ab. Soziale Vorurteile werden in der Regel nicht selbst gebildet, sondern übernommen. Sie sitzen tiefer als bloße Meinungen und lassen sich nur schwer korrigieren. Es gibt viele Definitionen des Vorurteils. Die kürzeste stammt von Gordon W. Allport und lautet: „Von anderen ohne ausreichende Begründung schlecht denken.“ Arbeitsaufträge: 1. Tragen Sie die Merkmale der sozialen Wahrnehmung und des Vorurteils in folgende Liste ein. Soziale Wahrnehmung (Soziales) Vorurteil 2. Wodurch unterscheiden sich die beiden? 3. Nennen Sie Beispiele für soziale Vorurteile. 28 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.4 Arbeitsauftrag: Wie beurteilen Sie die Aussage „BMW-Fahrer sind Angebertypen und drängeln auf der Autobahn“ nach dem Lesen des obigen Zeitungsartikels? Handelt es sich um ein Vorurteil oder keins? Kann man die Aussage so stehen lassen, oder muss man sie verändern? 29 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.5 Kriminalität in Deutschland im Vergleich Quelle: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und der Polizeilichen Kriminalstatistik Warum der Vergleich „hinkt“ ❚ Gegen 30 Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen wurde wegen eines Verstoßes gegen das Ausländer- oder das Asylverfahrensgesetz ermittelt. Diese Delikte können Deutsche gar nicht begehen. ❚ 31 Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen werden von der Bevölkerungsstatistik nicht erfasst (z.B. Touristen, Stationierungsstreitkräfte und deren Angehörige, „Illegale“). ❚ Unter Ausländern sind solche Altersgruppen stärker vertreten, die auch unter Deutschen häufiger Straftaten begehen. Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999 30 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.6 Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999 31 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.7 Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999 32 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.8 Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999 33 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.9 Die Geschichte vom andorranischen Juden Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat das Buch „Andorra“ geschrieben, das so beginnt: „In Andorra lebte ein junger Mann, den man für einen ‚Juden’ hielt.“ Die Andorraner sagen ihm Eigenschaften nach, die nach ihrer Meinung für einen Juden „typisch“ sind: „einen ausgeprägten Geschäftssinn, das Streben nach Geld, einen scharfen, kalten Verstand, die fehlende Vaterlandsliebe“ usw. Der junge Mann wehrt sich gegen diese Unterstellungen, die die Andorraner ihm immer wieder zuschreiben. Er möchte genauso akzeptiert werden wie die anderen jungen Leute um ihn herum. Doch beharrlich und zunehmend sehen die anderen in ihm den Juden. Im Laufe der Zeit wird er immer unsicherer und entdeckt mehr und mehr die ihm nachgesagten Eigenschaften an sich selbst. Schließlich wird er so, wie ihn die anderen sehen und immer gesehen haben. Er wird immer stärker verachtet und abgelehnt. Die Feindlichkeit ihm gegenüber gipfelt darin, dass er getötet wird. Nach seinem Tod stellt sich heraus, dass er gar kein Jude war, sondern ein Findelkind, dessen Eltern man später entdeckt hat. Er war ein Andorraner wie all die anderen. nach: Zeitlupe 33, „Vorurteile“, Bundeszentrale für politische Bildung Arbeitsaufträge: 1. Gegen wen werden in der Geschichte überhaupt Vorurteile gerichtet? 2. Welche Folgen von Vorurteilen werden beschrieben? Listen Sie die Auswirkungen der Reihe nach auf. 3. Welche Gründe könnten die Andorraner für ihr Verhalten gehabt haben? 4. Was hätte passieren müssen oder getan werden können, damit die Geschichte anders ausgeht? Notieren Sie Ideen dafür. 34 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.10 35 3 Vorurteile und Diskriminierung M 1.11 Tipps zum Umgang mit „Stammtischparolen“ ❚ In der Konfrontation mit „Stammtischparolen“ ist immer der bzw. die in der Defensive, der/die sich von diesen Parolen abgrenzen will. ❚ Es ist ausgesprochen schwierig, eine Gegenargumentation zu vertreten, denn im Gegensatz zu den zugespitzten Schlagworten und Parolen, die in den „Stammtischparolen“ stecken, sind die angesprochenen Themen bzw. Inhalte wesentlich komplexer und differenzierter. ❚ Vor allem sind die Ebenen verschieden, auf denen sich der „Stammtischparolen“ schwingende Mensch und der dagegen Argumentierende begegnen. Die Ebenen lauten: – Emotionalität vs. Rationalität und – Schlagworte vs. Differenziertheit. ❚ Aber Logik und direktes Nachfragen können wirkungsvolle Gegenstrategien sein. ❚ Allerdings ist die Überzeugungskraft von richtigen Informationen teilweise zu bezweifeln, denn auf Grund der kognitiven Dissonanz zwischen eigener Überzeugung und Gegenargument werden die gegebenen Gegeninformationen unter Umständen nicht wahrgenommen, sondern einfach umgedreht und passend gemacht. ❚ Vorsicht mit Belehrungen, diese schaffen Abwehr. ❚ Ebenso provozieren pathetisch oder moralisierend vorgetragene Gegenbeispiele/Gegenargumente Abwehr. ❚ Außerdem muss jede Form von Überheblichkeit vermieden werden. ❚ Im Gespräch sollten die Lebensumstände der Gesprächspartner berücksichtigt werden und eine Rolle spielen. ❚ Beim Gespräch sollte immer nur eine Argumentationslinie durchgespielt werden. ❚ Beim Gespräch sollte auch auf Kooperationspartner geachtet werden, auf eventuelle Verbündete. ❚ Entscheidender als der Kontrahent, der „Stammtischparolen“-Schwingende, können unter Umständen die unentschiedenen anderen Anwesenden sein. Sie können eventuell einfacher überzeugt werden. Siehe ausführlicher in: Klaus-Peter Hufer, „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“, Wochenschau Verlag, 2. Auflage 2001 36 3 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Unterrichtsreihe 2 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Diese Lernreihe zeigt Erscheinungsformen von Fremdenfeindlichkeit auf, fragt nach der Bedeutung von Rassismus und seinen Ausprägungen und will die Auseinandersetzung mit Verhaltensweisen von Achtung und Akzeptanz gegenüber dem Anderen eröffnen. 37 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Didaktisch-methodische Empfehlungen ■ Einstieg Zum Einstieg bekommen die Teilnehmer je eine Kopie der Bilder von Personen (M 2.1) vorgelegt. Sie sollen sich je eine Person aussuchen, die sie sympathisch finden und mit der sie gern Kontakt aufnehmen möchten, sowie eine Person, mit der sie nichts zu tun haben möchten und die sie unsympathisch finden. Die Entscheidungen werden dann zusammengetragen (Bilder evtl. als Folie visualisieren), und die einzelnen Teilnehmer sollen Gründe für ihre Entscheidung angeben. Im Anschluss daran erfolgt die Auswertung mit der Frage „Wovon haben wir uns bei der Entscheidung leiten lassen?“. Die Frage, welche Rolle das fremde Aussehen mancher Personen dabei gespielt hat, leitet zum Thema hin. bearbeitet ebenfalls zu zweit den Text M 2.4. Anschließend schildern sich die Gruppen zunächst gegenseitig die in ihren Texten beschriebenen Erlebnisse von Fremden, dann werden die Ergebnisse der Arbeitsaufträge an der Tafel oder Flipchart gesammelt und besprochen. Der Besprechung der Ergebnisse zu Arbeitsauftrag 3 sollte viel Zeit eingeräumt werden, bevor M 2.5 auf Folie präsentiert wird. Die Tabelle „Fremdenfeindliche Straftaten in 1998“ liefert die aktuellsten zugänglichen Zahlen zu strafbaren Handlungen aus fremdenfeindlichen Motiven als extremster Ausdrucksform von Fremdenfeindlichkeit. Sie wird im offenen Unterrichtsgespräch bearbeitet. 3. Arbeitsschritt 1. Arbeitsschritt Die Witze auf M 2.2 werden auf Folie kopiert und per Overheadprojektor einer nach dem anderen präsentiert. Es handelt sich bei allen dreien um Türkenwitze, die verfremdet wurden und durch das Einsetzen anderer Nationalitäten keinen Sinn mehr ergeben. Nach Spontanäußerungen der Teilnehmer wird die Frage gestellt, warum die Witze nicht lustig sind und was jeweils nicht stimmt. Wie müssten die Franzosen, Bayern, Schweden sein, damit ein Witz daraus würde? Diese Eigenschaften werden aber Angehörigen einer anderen Nationalität unterstellt – welcher und warum? Die entstehende Diskussion soll Fremdenfeindlichkeit thematisieren. Ausländerwitze sind eine Ausdrucksform von Fremdenfeindlichkeit; weitere enthalten die Materialien M 2.3 bis M 2.5. Die folgenden Materialien (M 2.6 bis M 2.13) beruhen auf dem Buch „Papa, was ist ein Fremder?“, einem Bestseller des aus Marokko stammenden, französischen Literaten Tahar Ben Jelloun. Die Idee zu dem Buch entstand, als dessen zehnjährige Tochter begann, ihm Fragen nach Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu stellen, die er für die Tochter verständlich beantworten musste. Dieser Hintergrund soll den Teilnehmern gesagt werden, bevor sie sich selbst in die Rolle eines Elternteils versetzen sollen. Wie würden sie ihrer eigenen zehnjährigen Tochter antworten? M 2.6 wird auf Folie präsentiert, und zunächst wird nur die Frage „Was ist ein Fremder?“ aufgedeckt. Die Schüler entwerfen dann eigene Antworten, bevor die Antwort von Tahar Ben Jelloun aufgedeckt und besprochen wird. 4. Arbeitsschritt 2. Arbeitsschritt Die Texte „In Bus und Bahn“ (M 2.3) und „Wohnungssuche“ (M 2.4) werden arbeitsteilig bearbeitet. Die Hälfte der Gruppe widmet sich in Partnerarbeit M 2.3, die andere Hälfte Gleichfalls auf Folie werden dann 5 weitere Fragen (M 2.7) präsentiert. Die Teilnehmer dürfen sich aussuchen, welche der fünf Fragen sie ausführlicher bearbeiten wollen. Es sollten aber alle Fragen und möglichst jeweils zu zweit bearbeitet werden. Je nach Entscheidung wer- 38 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus den die Antworten (M 2.8 bis M 2.12) an die Zweiergruppen verteilt, die sich in der Partnerarbeit darauf vorbereiten, der gesamten Gruppe mit eigenen Worten die Antworten vorzutragen. Der Unterrichtende sollte für die Auswertungsphase Zeit, zusätzliche Erklärungen und Diskussionsspielraum einplanen. 5. Arbeitsschritt Abschließend wird wiederum auf Folie die Frage „Was kann ich denn tun gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus?“ (M 2.13) eingeblendet. Auch hier sammeln die Lernenden zuerst eigene Ideen und Vorschläge, die an der Wand festgehalten werden, bevor die Antwort auf der Folie aufgedeckt und gemeinsam besprochen wird. ■ Weiterarbeit Die Diskussion über die Frage der eigenen Handlungsmöglichkeiten könnte je nach Lerngruppe in eine weiterführende Aktivität münden, mit der die Gruppe einen eigenen Beitrag gegen Fremdenfeindlichkeit setzt. Hierbei sollte man an die zuvor gesammelten Ideen der Teilnehmer anknüpfen. Als Vorschlag sei eine Möglichkeit benannt: die Aufstellung von Regeln für einen Sprachgebrauch ohne die Benutzung fremdenfeindlich besetzter Wörter oder Zusammenhänge. Diese Regeln könnten z.B. enthalten: die Vermeidung von „Killwörtern“ wie Asylant, Wirtschaftsflüchtling etc.; die Vermeidung von Schimpfwörtern mit rassistischem Hintergrund wie Jude, Vergasung etc.; die Unterlassung von Verallgemeinerungen über eine Nationalität; die Überprüfung von Sprüchen, Witzen o.ä. auf Fremdenfeindlichkeit usw. 39 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.1 Quelle: Evangelisches Jugendbüro & katholisches Jugendamt Bonn (Hrsg.): Endlich Farbe bekennen. Bonn o.J., S. 51 40 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.2 Witze? Frage: Warum stellt die Stadt jetzt gläserne Mülltonnen auf? Antwort: Damit die Franzosen auch einmal einen Schaufensterbummel machen können. Frage: Die Bayern haben vier hohe Feiertage, welche? Antwort: Ramadan, Winterschlussverkauf, Sommerschlussverkauf und Sperrmüll. Frage: Woran erkennt man ein schwedisches Verkehrsflugzeug? Antwort: Am Dachgepäckträger. 41 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.3 In Bus und Bahn DARMSTADT. „Einmal saß ich im Bus, ich habe mich nach vorne gesetzt. Der Busfahrer hat mich gesehen und zu mir gesagt, ich muss nach hinten gehen, mich hinten hinsetzen. Damals habe ich geweint. Ich habe die ganze Zeit geweint, weil ich viel darüber nachdenken musste, warum. Vielleicht durfte ich nicht vorne sitzen, weil ich schwarz bin“ – das ist einer Frau aus Sierra Leone im Bus zwischen Messel und Darmstadt passiert. Von seinen Erlebnissen in der Straßenbahn erzählt ein Ghanaer: „Da gibt es diese gegenüberliegenden Sitze, vier Leute können da sitzen. Gerne würde ich mit drei anderen Leuten zusammen dort sitzen. Aber selbst wenn die Straßenbahn total voll ist, sind die Plätze neben und gegenüber von mir immer leer.“ Zwei Geschichten von vielen, die zeigen, dass es vor allem diese täglichen „Kleinigkeiten“ sind, die Menschen anderer Nationen oder Hautfarbe das Leben in Deutschland Tag für Tag schwer machen – in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf der Straße, am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche, in Flüchtlingsunterkünften oder Behörden. aus: Frankfurter Rundschau vom 17.10.1996 Arbeitsaufträge: 1. Worin besteht in den beiden Beispielen die Fremdenfeindlichkeit? 2. Welche Ursachen sehen Sie für diese Fremdenfeindlichkeit, und welche Auswirkungen hat sie auf die Betroffenen? 3. Welche anderen Beispiele von Fremdenfeindlichkeit kennen Sie aus dem Alltag? Haben Sie derartige Vorfälle schon einmal selbst erlebt oder beobachtet? 42 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.4 Wohnungssuche HANNOVER. Abby A. ist in Nigeria geboren, in London aufgewachsen und britische Staatsbürgerin. Sie lebt seit drei Jahren bei Bekannten in Hannover, hat einen festen Job, nette Kollegen und Bekannte. Dann will Abby, die als EDV-Administratorin bei einem großen hannoverschen Unternehmen arbeitet, sich eine eigene Wohnung suchen und beginnt Wohnungsanzeigen in der Zeitung zu sichten. Erster Versuch: eine Zwei-Zimmer-Altbauwohnung im Stadtteil List. Der Vermieter ist am Telefon sehr freundlich und lädt die 28-Jährige zum Besichtigungstermin ein. Dass sie farbig ist, erzählt sie nicht. „Ich habe gar nicht darüber nachgedacht.“ Als Abby dem Mann schließlich gegenübersteht, mustert er sie von oben bis unten. Ob sie wirklich die Dame sei, mit der er telefoniert habe? Und dann erklärt er plötzlich: „Tut mir leid, die Wohnung ist schon weg.“ Zu Hause sei sie in Tränen ausgebrochen, erinnert sich die Diplom-Informatikerin. „Er hat nur auf meine Hautfarbe geschaut. Ich hatte keine Chance, mich selbst, meine Person vorzustellen.“ Der zweite Versuch läuft ähnlich. Nachdem der Vermieter erklärt hat, die Wohnung sei vergeben, ruft ein Bekannter von Abby nochmals an – und bekommt einen Termin, um die Räume anzuschauen. Fortan stellt Abby, die sehr gut Deutsch spricht, schon am Telefon klar, dass sie Schwarze ist. Mindestens 50 Wohnungen sieht sie sich an – ohne Erfolg. „Es gab drei Reaktionen“, berichtet sie. „Manche erklärten sofort, dass sie nicht an Farbige vermieten. Andere sagten, das sei nicht so gut, aber man könne sich ja mal treffen. Die Letzten betonten, sie hätten kein Problem damit.“ Aber „als sie mich sahen, haben sie es sich schnell anders überlegt“. Letztendlich findet sie eine kleine Wohnung in der Neustadt, in einem hässlichen Nachkriegsbau. „Es ist eine Bleibe, mehr nicht. Und die Vermieterin hat natürlich auch deutlich zu verstehen gegeben, dass sie an Schwarze ja eigentlich nicht vermiete.“ nach: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 29.10.1997 Arbeitsaufträge: 1. Worin besteht in dem Beispiel die Fremdenfeindlichkeit? 2. Welche Ursachen sehen Sie für diese Fremdenfeindlichkeit, und welche Auswirkungen hat sie auf die Betroffenen? 3. Welche anderen Beispiele von Fremdenfeindlichkeit kennen Sie aus dem Alltag? Haben Sie derartige Vorfälle schon einmal selbst erlebt oder beobachtet? 43 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.5 Fremdenfeindliche Straftaten in 1998 Straftaten Versuchte Tötungsdelikte Körperverletzungen Brandanschläge/Brandstiftungen 1998 9 384 23 Weitere fremdenfeindliche Straftaten 2.228 Insgesamt 2.644 Quelle: Bundesministerium des Innern 44 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.6 Hör mal Mama, hör mal Papa, was ist ein Fremder? Der Wortstamm „fremd“ bedeutet sowohl „von weit her“ als auch „nicht dazugehörig“. Ein Fremder kommt also aus der Ferne, aus einem anderen Land, manchmal auch nur aus einer anderen Stadt oder einem anderen Dorf. Und ein Fremder ist kein Angehöriger der Familie, des Klans oder des Stammes. Wenn heute jemand sagt, dass ihm etwas „fremd“ sei, dann meint er damit, dass es sehr anders ist als das, was man jeden Tag sieht, dass es demnach irgendwie ungewöhnlich ist, aus der Reihe fällt. aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 45 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.7 Fragen einer zehnjährigen Tochter Hör mal Mama, hör mal Papa, warum gibt es so gut wie überall Fremden- und Ausländerfeindlichkeit? Hör mal Mama, hör mal Papa, was ist Rassismus? Hör mal Mama, hör mal Papa, gibt es eine Rasse, die besser ist als die anderen? Hör mal Mama, hör mal Papa, was ist ein Sündenbock und ist ein Getto ein Gefängnis? Hör mal Mama, hör mal Papa, kann auch ein Jude Rassist sein? 46 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.8 Hör mal Mama, hör mal Papa, warum gibt es so gut wie überall Fremden- und Ausländerfeindlichkeit? „Eine Katze steckt zuerst ihr Gelände ab. Wenn eine andere Katze oder ein anderes Tier ihr die Nahrung stehlen will oder ihren Jungen zu nahe kommt, verteidigt die Katze ihr Territorium und ihre Jungen mit allen Kräften. Der Mensch ist auch so. Er will sein Haus, seinen Boden, seine Besitztümer haben und kämpft, um sie zu behalten. Das ist normal; auch jedes Tier kämpft und verteidigt sich, wenn es angegriffen wird. Der Fremdenfeind aber glaubt, dass jeder Fremde ihm seinen Besitz wegnehmen will. Er denkt gar nicht darüber nach, ob das stimmt, sondern ist einfach immer argwöhnisch gegenüber Fremden. Dieser Argwohn geht so weit, dass manche Leute einen Fremden angreifen, ohne dass der ihnen irgendetwas getan hat oder etwas wegnehmen wollte. Dieses Verhalten ist uralt und auch heute noch ziemlich verbreitet und alltäglich, aber deshalb ist es noch lange nicht richtig! Was uns Menschen von den Tieren unterscheidet, ist doch, dass wir nicht nur von der Natur, sondern auch von der Kultur geprägt sind. Wir reagieren nicht nur unüberlegt und instinktiv, sondern wir können auch nachdenken und dann vernünftig handeln. Weil wir nicht alleine auf der Welt sind, brauchen wir die Kultur. Sie lehrt uns friedlich mit anderen Völkern zusammenzuleben und dass andere Traditionen und andere Lebensweisen genauso viel wert sind wie unsere eigenen.“ aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 47 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.9 Hör mal Mama, hör mal Papa, was ist Rassismus? „Rassismus ist ein ziemlich verbreitetes Verhalten, das es in jedem Land gibt und das in manchen Ländern leider so alltäglich geworden ist, dass es vielen schon gar nicht mehr auffällt. Dieses rassistische Verhalten besteht darin, anderen Menschen zu misstrauen, sie zu verachten und ungerecht zu behandeln, und zwar nicht, weil sie uns etwas Schlimmes angetan hätten, sondern einzig und allein, weil sie anders aussehen oder aus einer anderen Kultur stammen als wir.“ „Nur weil du einem Fremden misstraust, bist du noch kein Rassist. Dein anfängliches Misstrauen ist ganz natürlich, es ist ein Schutzinstinkt, denn du weißt ja noch nichts über die Absichten des anderen, vielleicht will er dich bestehlen oder zusammenschlagen, da bist du besser vorsichtig. Aber dieses Misstrauen wird sich meist in Vertrauen verwandeln, wenn du den anderen kennen lernst. Zum Rassisten wirst du erst, wenn du glaubst, dass der Fremde weniger wert ist als du und deshalb weniger gut behandelt werden sollte. Ein Rassist ist jemand, der sich anderen überlegen fühlt (...), er verrennt sich in die Idee, dass es verschiedene Rassen gibt, und sagt sich: ‚Meine Rasse ist edel und gut, die anderen sind hässlich und bestialisch.‘“ aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 48 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.10 Hör mal Mama, hör mal Papa, gibt es eine Rasse, die besser ist als die anderen? „Nein. Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert wollten zwar einige Historiker beweisen, dass es eine weiße Rasse gäbe, die der so genannten schwarzen Rasse körperlich und geistig überlegen sei. Damals glaubte man, die Menschheit sei in verschiedene Rassen unterteilt. Der Historiker Ernest Renan zum Beispiel, der im neunzehnten Jahrhundert lebte, listete sogar die Menschengruppen auf, die er als ‚minderwertige Rassen‘ betrachtete: die afrikanischen Schwarzen, die australischen Ureinwohner und die Indianer. Für ihn verhielt sich ‚der Schwarze zum Menschen wie der Esel zum Pferd‘, das hieß, er war ‚ein Mensch ohne Intelligenz und Schönheit‘! Heute jedoch wissen wir, dass das alles ein Irrglaube war. Die Wissenschaft hat mittlerweile erkannt, dass reine Rassen in der Natur nicht vorkommen und höchstens künstlich, das heißt im Labor, erzeugt werden können, zum Beispiel bei Mäusen. Studien haben ferner ergeben, dass es zwischen einem Chinesen, einem Malier und einem Franzosen mehr soziokulturelle als genetische Unterschiede gibt.“ aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 49 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.11 Hör mal Mama, hör mal Papa, was ist ein Sündenbock und ist ein Getto ein Gefängnis? „Die Bezeichnung (Sündenbock) rührt von einer Geschichte her, die im dritten Buch Mose erzählt wird. Die Gemeinschaft der Israeliten wählte damals einen Bock aus und behaftete ihn symbolisch mit all ihren Sünden. Danach wurde der Bock in die Wüste gejagt. Wenn seitdem jemand seine Fehler einem anderen aufbürdet, sagt man, er mache den anderen zu seinem Sündenbock. Für viele Fremdenfeinde (...) sind die Ausländer die Sündenböcke. Sie verbreiten die Lüge, die Ausländer seien schuld an der Wirtschaftskrise. Jemand, der unglücklich und zornig ist, weil er seine Arbeit verloren hat, braucht einen Schuldigen, an dem er seine Wut abreagieren kann, und dafür ist er bereit, jedwede Dummheit zu glauben. Es ist so viel einfacher, die Ausländer aller Übel und Schandtaten zu bezichtigen, als sich mit den eigentlichen Problemen und den tatsächlich dafür Verantwortlichen auseinander zu setzen. ,Getto‘ war ursprünglich der Name einer kleinen italienischen Insel vor Venedig. Im Jahr 1516 bestimmte man, dass die venezianischen Juden nicht mehr in der Stadt wohnen durften, und schickte sie auf diese Insel. Wenn man Menschen mit bestimmten Merkmalen (z.B. gleiche Hautfarbe, Religion oder Behinderung) dazu zwingt, sich zu einer Gruppe zusammenzuschließen und isoliert von allen anderen zu leben, schafft man ein so genanntes Getto. Das Getto ist eine Art Gefängnis. Es ist in jedem Fall eine Diskriminierung.“ aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 50 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.12 Hör mal Mama, hör mal Papa, kann auch ein Jude Rassist sein? „Ein Jude kann Rassist sein, genau wie ein Araber, ein Armenier, ein Zigeuner, ein Schwarzer ... In jeder Gruppe kann es Leute geben, die rassistische Gefühle und Verhaltensweisen entwickeln d.h. Fremde verachten, mit Feindlichkeit begegnen und schlechter als andere behandeln). Wer Unrecht erleidet, wird dadurch nicht unbedingt gerecht. Genauso ist es mit dem Rassismus. Ein Mensch, der zum Opfer des Rassismus geworden ist, kann unter Umständen selber der Versuchung des Rassismus erliegen. Es gibt weder rassistische noch nichtrassistische Völker. Unter allen Völkern gibt es Menschen, die Fremde hassen, und solche, die Fremden freundlich und mit Achtung begegnen.“ aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 51 4 Fremdenfeindlichkeit und Rassismus M 2.13 Hör mal Mama, hör mal Papa, was kann ich denn tun gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus? „Ich meine, wir müssen versuchen, die anderen kennen zu lernen, bevor wir sie ablehnen und nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen, bevor wir eine Grenze zwischen uns und den anderen errichten, bevor wir sie ausgrenzen, ja, uns gar vor ihnen ekeln. Zuerst muss man die Achtung vor den anderen lernen. Die Achtung ist wesentlich. Die Fremden fordern ja nicht, dass wir sie lieben, sondern dass wir ihre menschliche Würde achten. Jemanden achten bedeutet, sein Anderssein anzuerkennen und darauf Rücksicht zu nehmen. Das heißt auch zuhören lernen. Zu Anfang aber solltest du dich vor vorschnellen Urteilen hüten. Anders gesagt: Meide jegliches Vorurteil. Denn vorgefertigte Meinungen über fremde Völker und Kulturen bilden die Grundlage von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass. Lass mich dir weitere Beispiele für dumme Verallgemeinerungen dieser Art geben: Schotten sind geizig, Ostfriesen sind dämlich, Zigeuner stehlen, Asiaten sind heimtückisch und so weiter. Jede Verallgemeinerung ist dumm und führt in die Irre.“ aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000 52 4 Ausländer in Deutschland Unterrichtsreihe 3 Ausländer in Deutschland Diese Lernreihe bearbeitet Aspekte und Hintergründe der Zuwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik, will Einsichten in die Lebenslage von Zuwanderern vermitteln und die Auseinandersetzung mit der Perspektive einer multikulturellen Gesellschaft bewirken. 53 5 Ausländer in Deutschland Didaktisch-methodische Empfehlungen ■ Einstieg 3. Arbeitsschritt Zum Einstieg wird das auf Folie kopierte Foto von der Begrüßung des einmillionsten Gastarbeiters (M 3.1) per Overheadprojektor eingeblendet. Nach Spontanäußerungen der Teilnehmer soll das Bild beschrieben werden. Fragen zum Hintergrund dieser überschwänglichen Begrüßung (die im Gegensatz zu heute existierenden Forderungen nach Ausweisung o.ä. steht) leiten über zum nächsten Arbeitsschritt. Es schließt sich das Rollenspiel „Wie im richtigen Leben“ (M 3.5) an (mit ausführlicher Beschreibung im Materialteil), das hervorragend zur Erarbeitung der Lebenslage von Zuwanderern (M 3.6) überleitet. Diesen Text bearbeiten die Teilnehmer wiederum in Partnerarbeit. Die Ergebnisse zu Arbeitsauftrag 1 werden anschließend gemeinsam schriftlich gesammelt, zu Arbeitsauftrag 2 und 3 mündlich besprochen. 1. Arbeitsschritt 4. Arbeitsschritt Der Text „Die Geschichte der Gastarbeiter“ (M 3.2) wird verteilt. Er wird gemeinsam gelesen und nach der Klärung von Verständnisfragen von den Teilnehmern in Partnerarbeit bearbeitet. Die Ergebnisse zu Arbeitsauftrag 1 werden im Unterrichtsgespräch gesammelt und zu Arbeitsauftrag 2 an der Wandtafel oder Flipchart festgehalten und gemeinsam interpretiert. Zur Besprechung des 2. Absatzes des Textes, in dem die Herkunftsländer aufgezählt sind, wäre es sinnvoll, eine Europakarte aufzuhängen und die Länder geographisch einzuordnen. Die Karikatur „Ausländer raus“ (M 3.7) kann nun eingesetzt werden, um die Textarbeit aufzulockern und zur Fiktion „Ausländer raus – was dann?“ (M 3.8) überzuleiten. Dieses Arbeitsblatt wird vom Lehrer vorgelesen. Nach der Klärung von Verständnisfragen, wobei vor allem die Prozentangaben veranschaulicht werden sollten, wird es arbeitsteilig in 3 Gruppen mit unterschiedlichen Fragestellungen bearbeitet. Für diese Gruppenarbeit sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, damit die Gruppen besonders beim 3. Arbeitsauftrag nicht in Zeitdruck geraten. Gleiches gilt für Ergebnissammlung, Auswertung und Abschlussdiskussion. 2. Arbeitsschritt In Quiz-Form bearbeiten die Lernenden die Karte der Bundesrepublik Deutschland (M 3.3) und tragen in Einzelarbeit die Bundesländer ein. Die Ergebnissicherung findet foliengestützt statt, wobei Punkte für richtige Eintragungen und Zusatzpunkte für das richtige Nennen der Hauptstädte der Bundesländer vergeben werden können. Dies stellt die Vorbereitung für das nächste Arbeitsblatt dar, „Ausländische Bevölkerung in den Bundesländern“ (M 3.4), das die Teilnehmer in Partnerarbeit bearbeiten. Zur Beantwortung des Arbeitsauftrags 2 muss dabei auf den Text zur Geschichte der Gastarbeiter zurückgegriffen werden. 5. Arbeitsschritt Die Frage, wie unsere Gesellschaft das Zusammenleben mit Ausländern besser gestalten kann (denn ohne Ausländer geht es nicht, vgl. oben), leitet über zur Beschäftigung mit einer Perspektive „Multikulturelle Gesellschaft“ (M 3.9). Die Lernenden teilen sich in zwei Gruppen auf, die sich mit dem Text auf eine Pro-Contra-Diskussion zum Thema „Multikulturelle Gesellschaft“ vorbereiten. Diese Diskussion soll dann in der strukturierten Form einer amerikanischen Debatte geführt werden. Dabei sitzen sich die zwei Gruppen in zwei Reihen gegenüber; der Lehrer als Diskus- 54 5 Ausländer in Deutschland sionsleiter sitzt an der Kopfseite, eröffnet die Diskussion und gibt dem ersten Diskutanten auf einer Seite das Wort. Dieser wie jeder weitere Redner hat jeweils 1 Minute Zeit (Stoppuhr!). Im Zickzack läuft die Diskussion zwischen Pro- und Contra-Seite hin und her und innerhalb der Seiten von Teilnehmer zu Teilnehmer. Wenn jeder einmal an der Reihe war – oder hin und zurück zweimal – ist die Diskussion beendet. Im Anschluss erfolgt eine Auswertung, in der nochmals über die Argumente und deren Stichhaltigkeit nachgedacht wird. Am Ende wird in geheimer Wahl über das Pro oder Contra abgestimmt. ■ Weiterarbeit Eine vertiefende Weiterarbeit zu dem Thema könnte anhand von M 3.10 die Beschäftigung mit den Voraussetzungen einer multikulturellen Gesellschaft oder auch eine Auseinandersetzung mit dem geplanten neuen Zuwanderungsgesetz sein. Als Aktivität im Anschluss an die Unterrichtsreihe könnte der Entwurf eines Plakates gegen Ausländerfeindlichkeit bzw. für ein gutes Zusammenleben verschiedener Nationalitäten stehen, gegebenenfalls auch die Veröffentlichung dieses Plakates. 55 5 Ausländer in Deutschland M 3.1 1964 wurde der einmillionste Gastarbeiter, Armado Sa. Rodrigues aus Portugal, mit einem Blumenstrauß und einem Moped als Geschenk begrüßt. 56 5 Ausländer in Deutschland M 3.2 Die Geschichte der „Gastarbeiter“ Mitte der 50er-Jahre setzte in der Bundesrepublik das so genannte Wirtschaftswunder ein. Das war ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung, der die Zahl der Beschäftigten enorm steigen ließ. Zunächst konnte der Arbeitskräftebedarf noch mit heimkehrenden Kriegsgefangenen, Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten und Flüchtlingen aus der DDR abgedeckt werden. Aber schon früh erkannten deutsche Firmen und die Bundesanstalt für Arbeit einen kommenden Arbeitskräftemangel. Deshalb wurden mit verschiedenen Staaten Abkommen über die Anwerbung und Vermittlung von Arbeitskräften abgeschlossen: Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965), Jugoslawien (1968). Zuerst wurden nur männliche Arbeitskräfte für die schweren Tätigkeiten etwa im Baugewerbe oder in der Metallindustrie gesucht. Bald danach wurden auch Frauen für körperlich leichtere Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich und in der Produktion angeworben. Im November 1973 wurde ein Anwerbestopp erlassen, da sich in der Bundesrepublik eine Wirtschaftskrise mit drohender Arbeitslosigkeit abzeichnete. Von diesem Anwerbestopp waren aber Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ausgeschlossen. Auch der Nachzug von Familienangehörigen der in Deutschland lebenden „Gastarbeiter“ war natürlich weiterhin möglich. Von 1955 bis 1973 waren rund 14 Millionen ausländische Arbeitnehmer ins Bundesgebiet gekommen, rund 11 Millionen davon kehrten wieder zurück. Zunächst stellten die Italiener den größten Teil der ausländischen Arbeitskräfte, heute sind es die Arbeitskräfte aus der Türkei. Von den zur Zeit rund 7,4 Millionen Ausländern in Deutschland leben viele schon in der 2. und 3. Generation in der Bundesrepublik. Mehr als die Hälfte der 7,4 Millionen leben länger als 10 Jahre hier; ein Fünftel sogar länger als 25 Jahre. Arbeitsaufträge: 1. Nennen Sie die Gründe für die Anwerbung so genannter Gastarbeiter. Warum wurde der einmillionste Gastarbeiter 1964 mit Geschenken, Presse und viel Öffentlichkeit begrüßt? 2. Wie und in welchen Phasen entwickelte sich zahlenmäßig die ausländische Bevölkerung in Deutschland? 57 5 Ausländer in Deutschland M 3.3 Die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland Tragen Sie die folgenden Bundesländer in die Karte ein: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen Welche Länder sind die alten und welche die neuen Bundesländer? 58 5 Ausländer in Deutschland 5 M 3.4 Ausländische Bevölkerung in den Bundesländern Anteil an der Gesamtbevölkerung Ende 1997 in Prozent 18,2 Hamburg Berlin 14 Hessen 13,9 Baden-Württemberg 12,3 Bremen 12,2 11,2 Nordrhein-Westfalen 9,2 Bayern Rheinland-Pfalz 7,5 Saarland 7,4 6,1 Niedersachsen 5,2 Schleswig-Holstein 2,3 Brandenburg Sachsen 1,9 Sachsen-Anhalt 1,8 Mecklenburg-Vorpommern 1,4 Thüringen 1,3 Zahlen-Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000 Arbeitsaufträge: 1. Übertragen Sie die Prozentwerte in die Karte der Bundesländer. 2. Wie erklären Sie sich die räumliche Verteilung? 59 Ausländer in Deutschland M 3.5 60 5 Ausländer in Deutschland M 3.5 61 5 Ausländer in Deutschland M 3.5 Rollenkärtchen Ein 18-jähriger marokkanischer Hilfsarbeiter mit Hauptschulabschluss Eine 42-jährige ledige philippinische Krankenschwester Eine 35-jährige ledige deutsche Krankenschwester Ein 30-jähriger verheirateter deutscher Facharbeiter mit Festanstellung Eine 19-jährige türkische Abiturientin mit traditionell muslimischem Hintergrund Eine 18-jährige deutsche Handelsschülerin mit guten Noten Ein 26-jähriger ghanaischer Asylbewerber, ledig Die 28-jährige thailändische Ehefrau eines deutschen Omnibusfahrers Der 32-jährige deutsche Inhaber eines Friseursalons Ein 17-jähriger Azubi als Holzmechaniker aus Thüringen Eine 20-jährige Telekom-Mitarbeiterin, nach der Ausbildung nicht übernommen Eine 19-jährige Punkerin, jobbt in der Kneipe Ein 32-jähriger türkischer Kfz-Mechaniker, arbeitslos Eine 20-jährige ledige Schwangere, die als Aushilfskellnerin arbeitet Ein 42-jähriger Spätaussiedler aus Kasachstan, früher Lehrer, jetzt in der Altenpflege tätig Eine 29-jährige deutsche Systemelektronikerin in Teilzeit, mit berufstätigem Ehemann und einem Kind 62 5 Ausländer in Deutschland M 3.6 Die Lebenslage von Zuwanderern Untersuchungen haben ergeben, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Zuwanderer wesentlich schlechter sind als für die einheimische Bevölkerung. 1998 gab es mit über einer halben Million die bis dahin meisten beschäftigungslosen Zuwanderer in Deutschland. Die Zahl aller versicherungspflichtig Beschäftigten ging von 1994 bis 1998 insgesamt zurück, bei den ausländischen Beschäftigten aber in doppelter Höhe. Die Zuwanderer haben in der Regel sprachliche Anpassungsprobleme im gastgebenden Land. Sie sind im Durchschnitt niedriger qualifiziert und nehmen häufiger niedrigere Beschäftigungen auf als die Einheimischen. Zuwanderer werden in unterschiedlichster Weise von Teilen der einheimischen Bevölkerung benachteiligt. Die Diskriminierungen reichen vom Vorurteil bis zur kriminellen Handlung gegen Ausländer. Auch konnten Studien belegen, dass Arbeitgeber zu einem hohen Grad Migranten bei der Einstellung benachteiligen. Derartige Diskriminierungen behindern die beruflichen und kulturellen Eingliederungschancen der Zuwanderer und führen dazu, dass sie in ihren nationalen Gruppen eher unter sich bleiben. Die unterschiedlichen Ausgrenzungen bewirken häufig, dass Migranten die Motivation verlieren, sich von sich aus um ihre berufliche Zukunft zu kümmern. Sie entwickeln Perspektivlosigkeit. Arbeitsaufträge: 1. Welche Benachteiligungen von Zuwanderern werden im Text benannt? 2. Nennen Sie weitere Benachteiligungen aus eigenen Beobachtungen oder Erfahrungen. 3. „Früher hat man Arbeitskräfte geworben, aber es kamen Menschen.“ Erläutern Sie diesen Satz. 63 5 Ausländer in Deutschland M 3.7 Karikatur: Surrey 64 5 Ausländer in Deutschland M 3.8 Ausländer raus – was dann? Stellt euch vor: „Stunde Null – die Ausländer verlassen die Stadt Düsseldorf.“ Das ist natürlich Fiktion. Aber was wäre, wenn? Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf untersuchte, was passieren würde, wenn die Ausländer wegziehen würden. Von 576.000 Einwohnern Düsseldorfs sind 79.700 Ausländer, das entspricht 13,8 % der Bevölkerung. Knapp 33.000 davon zahlen als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer rund 20 Millionen Mark Lohnsteuer und 18 Millionen Mark Rentenversicherungsbeiträge im Jahr. Ohne die Ausländer würden nicht nur diese staatlichen Einnahmen ausfallen, sondern auch ihre Konsumausgaben in der heimischen Wirtschaft. Es entstünde ein Kaufkraftverlust von mindestens 50 Millionen Mark jährlich, von dem alle Branchen in der Stadt betroffen wären. Weniger Konsumenten bedeuten Umsatzrückgänge. Aber auch als Produzenten würden die fehlenden Ausländer eine große Lücke hinterlassen, da sie überwiegend in der Fertigung beschäftigt sind. Der Ausländeranteil beträgt in der Grundstoffverarbeitung 28 %, in der Konsumgüterherstellung 21 % und in den Bauberufen 18 %. Würden all diese Beschäftigten fehlen, könnten ihre Stellen nur unzureichend mit derzeit arbeitslosen Deutschen besetzt werden. Denn ein einfacher Austausch wäre meist nicht möglich, da es neuen Bewerbern am notwendigen Spezialwissen fehlt. In der Metallbearbeitung bleiben z.B. viele Stellen unbesetzt, obwohl es genügend Bewerber gibt, die in diesem Beruf eine Anstellung suchen. Auch Busse und Bahnen würden in der „Stunde Null“ vielfach nicht mehr verkehren, denn die Rheinbahn Düsseldorf beschäftigt viele ausländische Arbeiter im Fahrdienst. Die Müllabfuhr käme zum Erliegen, und viele Büros und Hotelzimmer würden nicht mehr sauber gemacht. Von den 10.114 Beschäftigten der Reinigungsberufe sind 30 % Ausländer. Auch in Krankenhäusern und den Altenheimen würde akuter Personalmangel herrschen. Schließlich würde die Stadt auch viel von ihrer Gastlichkeit verlieren. Denn ein Viertel des Hotelpersonals und mehr als ein Drittel der Kellner sind Ausländer. nach: Die Zeit Nr. 7/1992 65 5 Ausländer in Deutschland M 3.8 Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit zum Text „Ausländer raus – was dann?“ Gruppe A: Welche Folgen benennt der Text für die staatlichen und privaten Kassen? Welche weiteren Auswirkungen ergeben sich daraus für die Stadt? Malen Sie sich ein Bild aus von Ihrem persönlichen Alltagsleben in der Stadt ohne Ausländer. Machen Sie sich Notizen dazu, damit Sie es den anderen Gruppen schildern können. Gruppe B: Welche Folgen benennt der Text für die Industrie? Was bedeutet das für die weitere Entwicklung der Industrie? Malen Sie sich ein Bild aus von Ihrem persönlichen Alltagsleben in der Stadt ohne Ausländer. Machen Sie sich Notizen dazu, damit Sie es den anderen Gruppen schildern können. Gruppe C: Welche Folgen benennt der Text für den Dienstleistungssektor? Welche Auswirkungen hat das für die restlichen Bewohner der Stadt? Malen Sie sich ein Bild aus von Ihrem persönlichen Alltagsleben in der Stadt ohne Ausländer. Machen Sie sich Notizen dazu, damit Sie es den anderen Gruppen schildern können. 66 5 Ausländer in Deutschland M 3.9 Die Perspektive? Multikulturelle Gesellschaft? Das Modell der multikulturellen Gesellschaft sieht so aus, dass Menschen verschiedener Herkunft, Religion, Sprache und Hautfarbe, mit unterschiedlichen Lebensstilen und Wertmaßstäben gleichberechtigt und friedlich zusammen in der Bundesrepublik leben. Sie profitieren gegenseitig von ihrer kulturellen Vielfalt. Spannungen und Konflikte werden durch ständigen gemeinsamen Austausch und Zusammenarbeit gelöst. Kritiker werfen ein, dass die Konflikte in einer solchen Gesellschaft zunehmen werden, da viele Menschen nicht dazu bereit sind, sich auf ein Zusammenleben unterschiedlichster Kulturen einzulassen. Die Menschen hätten Angst davor, weil alles zu unübersichtlich wird. Die Vielfalt bringt das vertraute Leben durcheinander. Sie sagen weiter, dass die Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht auf die Würde des Einzelnen und auch die Menschenrechte keineswegs in allen Kulturen akzeptiert sind. Ein besonders drastisches Beispiel ist der Aufruf islamischer Fundamentalisten, den Schriftsteller Salman Rushdie wegen angeblicher Beleidigung des Korans zu töten. Dies widerspricht den Grundsätzen der rechtsstaatlichen Demokratie und wird in Deutschland nicht toleriert. Die Befürworter stellen fest, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und sowieso eine multikulturelle Bevölkerung hat. Deshalb gehe kein Weg daran vorbei, die Voraussetzungen für eine multikulturelle Gesellschaft zu schaffen, als Schritt in eine friedliche und menschliche Zukunft. Die kulturelle Vielfalt bereichert nicht nur das tägliche Leben, sondern die Menschen verschiedener Kulturen können auch viel voneinander lernen. Unser Staat entwickelt sich so weiter zu einer modernen und offenen Gesellschaft. Wenn Mehrheiten und Minderheiten wirklich gleichberechtigt sind, lassen sich Konflikte leichter regeln. Ohne Ausländer, sagen sie, wäre unsere Gesellschaft nicht harmonischer. Deshalb sei der umgekehrte Weg viel besser, den Menschen ausländischer Herkunft die Chance einzuräumen, in Deutschland eine neue Heimat zu finden. Gruppe A sammelt aus dem Text Argumente für eine multikulturelle Gesellschaft und ergänzt sie mit eigenen Überlegungen. Gruppe B sammelt aus dem Text Argumente gegen eine multikulturelle Gesellschaft und ergänzt sie mit eigenen Überlegungen. 67 5 Ausländer in Deutschland M 3.10 Voraussetzungen für eine multikulturelle Gesellschaft Um eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland zu ermöglichen, sind verschiedene Voraussetzungen zu schaffen, die sowohl die Menschen als auch die Politik betreffen. Wer zur multikulturellen Gesellschaft beitragen will, muss überlegen, wo er in dem unten stehenden Schema ansetzen will und kann. Notwendige Einstellungsänderungen bei den Deutschen: ❚ einschneidende Änderungen von Lebensgewohnheiten ❚ Anerkennung von Gleichwertigkeit ❚ Bereitschaft zum Teilen der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Macht Notwendige Voraussetzungen bei den Nichtdeutschen: ❚ einschneidende Änderungen von Lebensgewohnheiten ❚ Anerkennung gemeinsamer gesellschaftlicher und rechtlicher Normen ❚ Überwindung selbst gewählter Abgeschlossenheit und Bereitschaft zur Öffnung für die Gesamtgesellschaft Notwendige Umorientierungen in der Politik: ❚ Änderungen der Migrationspolitik, um die Gründe für Flucht und Migration in den Heimatländern zu beseitigen ❚ Änderungen in der Integrationspolitik, um den Zuwanderern das Einleben zu ermöglichen ❚ Änderungen der Minderheitenpolitik, um die politische, rechtliche und kulturelle Gleichstellung zu fördern und abzusichern nach: Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt“, Verein für Friedenspädagogik Tübingen e.V., März 1993 68 5 Flucht und Asyl Unterrichtsreihe 4 Flucht und Asyl Diese Lernreihe fragt nach der aktuellen Flüchtlingssituation, den Fluchtgründen und -zielen. Sie will die Probleme von Flüchtlingen in der neuen Heimat klären und Lösungsmöglichkeiten erörtern. 69 6 Flucht und Asyl Didaktisch-methodische Empfehlungen ■ Einstieg Den Einstieg bildet die Aktivität „Fluchtgepäck“ (M 4.1), mit der den Teilnehmern ein Gefühl dafür vermittelt werden soll, wie es ist zu fliehen. Ablauf und Auswertung sind im Materialteil detailliert beschrieben. Zur Ergänzung der Auswertungsphase ist bei entsprechender Zugangsmöglichkeit ein Ausflug ins Internet empfehlenswert. Um die Fragen zu dem Asylgeberland Ghana zu beantworten, könnten die Lernenden sich die Informationen selbst aus dem Internet beschaffen. Dies kann entweder über die Arbeit mit einer Suchmaschine oder einfacher über die Seite www.erdkunde-online.de (dort über Inhaltsverzeichnis Schulen, Länderinformationen, Länderliste) erfolgen. Falls kein Internet-Zugang besteht, sollte der Lehrer die entsprechenden Informationen mit einem Input einbringen. Schlüsse über die globale Anordnung der Fluchtgebiete zu. 3. Arbeitsschritt Anschließend wird mit dem Text „Die Aufnahmeländer“ (M 4.4) untersucht, welche Staaten und Kontinente die Hauptziele von Flüchtlingen sind. Dieser Text sollte von den Teilnehmern wiederum zu zweit analysiert werden. Das Einblenden der Grafik M 4.5 auf Folie verdeutlicht zusätzlich, dass das Verhältnis von Flüchtlingen zur einheimischen Bevölkerung in den afrikanischen Staaten um ein Vielfaches höher ist als in den europäischen und dass Deutschland selbst im europäischen Vergleich nicht an der Spitze steht. 4. Arbeitsschritt 1. Arbeitsschritt Ein Arbeitsblatt mit kurzen Texten zu den Stichwörtern Migration und Flucht (M 4.2) liefert erste Informationen zu Wanderungsbewegungen und der aktuellen Flüchtlingssituation. Die Inhalte sollten in Partnerarbeit herausgearbeitet, gemeinsam besprochen und mit dem zusätzlichen Input von Artikel 1 der Menschenrechtserklärung diskutiert werden. 2. Arbeitsschritt Dieser Arbeitsschritt widmet sich der Frage, warum Menschen überhaupt aus ihrer Heimat fliehen. Die Weltkarte mit den Fluchtgründen (M 4.3) wird auf Folie per Overheadprojektor präsentiert. Die Gründe werden gemeinsam herausgearbeitet (schriftlich festgehalten) und mit Beispielen gefüllt. Die Auflistung der hauptsächlichen Herkunftsländer der Flüchtlinge, welche durch Punktierung auf der Weltkarte grob markiert werden können, lässt Die Grafik „Zuflucht in Deutschland“ (M 4.6) gibt die Gesamtzahl ausländischer Flüchtlinge mit 1,6 Millionen an. Auch sie wird auf Folie präsentiert, um die etwas schwierigere Untergliederung der Flüchtlinge gemeinsam zu erarbeiten. Dabei sollte auch auf den diskriminierenden Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ eingegangen werden (warum werden Einwanderer aus Armutsregionen so bezeichnet, statt deutsche Multimillionäre wie Beckenbauer, Schreinemakers oder Michael Stich, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt haben, so zu nennen?). 5. Arbeitsschritt Das Arbeitsblatt „Probleme in der neuen Heimat“ (M 4.7) benennt die Schwierigkeiten von Flüchtlingen im Aufnahmeland. Die Teilnehmer bearbeiten es in Einzelarbeit; bei der Ergebnissammlung an der Tafel/Flipchart werden die einzelnen Probleme detaillierter be- 70 6 Flucht und Asyl sprochen. Die aus dem zweiten Arbeitsauftrag resultierende Diskussion soll in die Frage münden, wie Flüchtlingen geholfen werden kann. 6. Arbeitsschritt Der Text „Wie ein Dorf im Allgäu seine Asylbewerber schützt“ (M 4.8) zeigt ein Beispiel dafür auf, wie Politiker und Bevölkerung für Asylbewerber aktiv werden können. Nach Analyse und Besprechung des Textes sollten Ideen dafür gesammelt werden, was die Teilnehmer selbst beitragen könnten. Ein umsetzbares Beispiel liefert der Zeitungsartikel über eine Aktion in Hannover, „Namenszüge in Hauptbahnhöfen“ (M 4.9). Eine solche Aktion könnte von der Gruppe zum Abschluss der Unterrichtsreihe durchgeführt werden: der Entwurf einer Tafel/Wandzeitung o.ä., die zur Unterschriftensammlung im Eingangsbereich des Berufsbildungszentrums aufgehängt wird. ■ Weiterarbeit Eine Möglichkeit zu einer vertiefenden Arbeit wäre der Einsatz eines Filmes. Hier zwei Vorschläge: Kurzspielfilm „Das Fenster“ Die letzte Station eines Asylverfahrens. Serkan A. und sein Anwalt sitzen einem fünfköpfigen Verwaltungsgericht gegenüber. Während die Juristen in sachlichem Ton ihre Positionen einander zur Kenntnis bringen, löst die alles entscheidende Verhandlung bei Serkan eine Flut von Erinnerungen aus: Kindheit, Verfolgung, Misshandlung und Flucht ziehen in Bildern an ihm vorüber. In seinen Ohren klingt die lange Geschichte seines Gangs durch die Instanzen des Asylverfahrens nach. Als am Ende der Verhandlung die Abschiebung droht, weiß der Bewerber nur einen Ausweg … Farbe – 10 Minuten – ab 16 Jahre – 1991, Video-Verleih z.B. bei der Diözesan-Medienstelle Erfurt, Tel.: (03 61) 6 57 23 65. Video-Reportage „Essen à la Karton“ Neben einer kurzen Erklärung zum Thema „Esspakete“ kommentieren Flüchtlinge die Situation nach der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Eine dreiteilige, gespielte Satire illustriert den Paketinhalt und die Unmöglichkeit, sich davon zu ernähren. Das Video ist parteilich gegen die Zwangsverpflegung von Flüchtlingen und ihre Ausgrenzung aus der Sozialhilfe. 7 Minuten – erhältlich bei: Hex/Jugendclub Courage, Tel.: (02 21) 52 09 36. 71 6 Flucht und Asyl M 4.1 aus: DGB-Jugend Nord (Hrsg.), „Demokratie macht Schule“, Hamburg 2000 72 6 Flucht und Asyl M 4.1 73 6 Flucht und Asyl M 4.2 Migration – Wanderung Das Wort „migrare“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet wandern. Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte von Völkerwanderungen. Schon immer haben sich Menschen auf den Weg gemacht, um woanders ihre Lebenssituation zu verbessern. Manche begaben sich freiwillig auf die Wanderung, andere waren dazu gezwungen, weil sie flüchten mussten. Wanderer trafen nie auf eine menschenleere neue Heimat, sondern immer auf Menschen, die schon dort lebten und ihnen misstrauisch oder feindlich begegneten. Meist dauerte es Generationen, bis Einheimische und Zugewanderte wirklich zusammenlebten. Flucht In diesem Moment befinden sich ca. 49 Millionen Menschen auf der Flucht. 26 Millionen gelten als „Vertriebene innerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes“. 23 Millionen haben gerade ihr Herkunftsland verlassen. Die meisten von ihnen leben nun in Flüchtlingslagern an der Grenze ihrer Nachbarländer, vor allem in Afrika und Asien. 700.000 Menschen „schaffen“ es nach Europa (EU). Flüchtlinge sind unfreiwillige Migranten, die durch Umstände, auf die sie keinen Einfluss haben, zum Verlassen ihrer Herkunftsländer gezwungen werden. Flüchtlinge werden heute meist als Bedrohung wahrgenommen, als Fremde, die ihre Aufnahme in den reichen Ländern erzwingen, erbitten oder erschleichen. aus: „Demokratie macht Schule“, DGB Landesbezirk Nord, Hamburg 2000 Artikel 1 der Menschenrechtserklärung (UNO) Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen. (1948) 74 6 Flucht und Asyl M 4.3 aus: Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt“, Verein für Friedenspädagogik, Tübingen 1993 75 6 Flucht und Asyl M 4.4 aus: Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt“, Verein für Friedenspädagogik, Tübingen 1993 76 6 Flucht und Asyl M 4.5 Flüchtlinge im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung Quelle: Das IGL-Buch, Klett, Leipzig 1997 77 6 Flucht und Asyl M 4.6 In Sicherheit In vielen Ländern herrscht Krieg, werden Menschen auf Grund ihrer politischen oder religiösen Überzeugungen verfolgt, gefoltert und getötet. Angst um Leib und Leben treibt Tausende von Menschen dazu, aus ihrer Heimat in Länder zu flüchten, in denen sie sich sicher fühlen können. Insgesamt 1,6 Millionen ausländische Flüchtlinge haben in Deutschland eine vorübergehende Zuflucht gefunden. Knapp ein Drittel davon sind De-Facto-Flüchtlinge, die kein Asyl erhalten, aber aus humanitären, politischen oder rechtlichen Gründen nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden. 170 000 Menschen haben Asyl erhalten und leben mit ihren rund 130 000 Familienangehörigen zeitweise in Deutschland. Statistische Angaben: Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Quelle: Globus Kartendienst, 53. Jg., 26.01.1998 78 6 Flucht und Asyl M 4.7 aus: DGB-Jugend Nord (Hrsg.), „Demokratie macht Schule“, Hamburg 2000 79 6 Flucht und Asyl M 4.8 aus: Bernd Janssen, „Gewalt gegen Ausländer“, NLPB, Hannover 2001 80 6 Flucht und Asyl M 4.9 Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 19. 9. 2000 81 6 Rechtsextremismus heute Unterrichtsreihe 5 Rechtsextremismus heute Diese Lernreihe zeigt am Beispiel der rechten Musikszene Entwicklungen im aktuellen Rechtsextremismus auf, will Einblicke in Struktur und Erscheinungsformen des rechten Spektrums vermitteln. Sie fragt nach den Ursachen und ideologischen Hintergründen rechter Gewalt und will Handlungsmöglichkeiten und Engagement gegen den Rechtsextremismus diskutieren. 82 7 Rechtsextremismus heute Didaktisch-methodische Empfehlungen ■ Einstieg 3. Arbeitsschritt Den Einstieg in die Reihe bilden Auszüge aus Skinhead-Songs (M 5.1), die auf Folie kopiert per Overheadprojektor eingeblendet werden (nicht an die Lernenden austeilen!). Die Teilnehmer sollen sich spontan dazu äußern, Fragen aufwerfen, über die rechte Musikszene diskutieren. Im nächsten Arbeitsschritt soll das Ausmaß rechter Gewalt aufgezeigt und analysiert werden. Die Teilnehmer bekommen die Liste rechter Gewalt (M 5.6) ausgehändigt. Ihr schriftlicher Arbeitsauftrag ist, herauszufinden, gegen welche Gruppen sich die Gewalttaten richten. Nach der Stillarbeitsphase wird zunächst die Deutschland-Karte (M 5.7) als Folie aufgelegt, und die Jugendlichen ordnen reihum die unten stehenden Bundesländer zu. Dann trägt jeder Teilnehmer für das von ihm benannte Bundesland die Anzahl von tödlichen Gewalttaten ein. Dies vermittelt einen Eindruck vom Ausmaß und von der räumlichen Verteilung rechter Gewalt. Anschließend werden die Ergebnisse zu den Gruppen der Opfer (Arbeitsauftrag von M 5.6) an der Wand gesammelt. Mit der Grafik „Rechte Gewalt“ (M 5.8) wird nun die Anzahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund je 100 000 Einwohner in den einzelnen Bundesländern den Ausländeranteilen an der Bevölkerung dieser Bundesländer gegenüber gestellt. Diese Grafik wird wieder auf Folie eingeblendet und gemeinsam interpretiert. Es wird deutlich, dass rechte Gewalt dort am umfangreichsten ist, wo die wenigsten Ausländer (als Hauptgruppe der Opfer) leben. 1. Arbeitsschritt Diese Szene soll dann mit dem Text „Skinhead-Szene und Skinhead-Musik“ (M 5.2) untersucht werden. Es werden Gruppen gebildet (à 3 bis 4 Teilnehmer), die mit ausreichend Zeit die Arbeitsaufträge bearbeiten. Nach der Ergebnissammlung und der Auseinandersetzung mit dem Donaldson-Zitat wird die Grafik zur Entwicklung der Skinhead-Musikszene (M 5.3) auf Folie eingeblendet, um die enorme Vermehrung von Bands, Vertrieben und Konzerten aufzuzeigen. Es soll deutlich werden, dass die Entwicklung rechter Musik ein Indikator für zunehmende Einflüsse rechten Gedankenguts in der Jugendszene ist. 2. Arbeitsschritt 4. Arbeitsschritt Anschließend wird das rechte Spektrum, das ja nicht nur aus Skinheads besteht, näher beleuchtet. Die Grafik „Das rechte Spektrum“ (M 5.4) wird wiederum als Folie eingeblendet und gemeinsam bearbeitet. Einige Zusatzinformationen sind unter der Grafik notiert, weitere Hintergründe vor allem zur NPD und ihrem Umfeld sollten vom Unterrichtenden eingebracht werden. Diese Informationen enthalten der Text und die Grafik auf einem Lehrer-Infoblatt (M 5.5). Der Umfang mündlicher LehrerInputs aus diesen Materialien hängt von der jeweiligen Lerngruppe ab; auch der Einsatz eines Dokumentarfilms über die rechte Szene wäre an dieser Stelle denkbar. Spätestens in dieser Phase stellt sich die Frage nach dem Warum, nach den Gründen für Rechtsextremismus und rechte Gewalt. Eine Annäherung findet mit drei verschiedenen Arbeitsmaterialien statt. An dieser Stelle sollte die Lerngruppe binnendifferenzierend in drei Gruppen aufgeteilt werden, die je nach Leistungsvermögen arbeitsteilig die Arbeitsblätter M 5.9 bis M 5.11 bearbeiten. Gruppe A untersucht den Text „Gerhard – ein typischer Rechtsradikaler?“ (M 5.9) auf Gründe für rechtsextreme Einstellungen und gewalttätiges Verhalten. Gruppe B interpretiert die Karikatur (M 5.10) und formuliert Antworten auf die 83 7 Rechtsextremismus heute Frage im Untertitel. Gruppe C bearbeitet den Text „Merkmale des Rechtsextremismus“ (M 5.11), der recht anspruchsvoll, aber unverzichtbar ist. Deshalb sollte der Unterrichtende in dieser Gruppe umfangreiche Hilfestellungen anbieten. Arbeitsziel dieser Gruppe ist es, die Grundelemente der rechtsextremistischen Ideologie in eigenen, für alle verständlichen Worten zu formulieren. Die so herausgearbeiteten Gründe und Ursachen auf verschiedenen Ebenen sollen dann gesammelt, den anderen Gruppen verdeutlicht und ausführlich besprochen sowie bewertet werden. Ergänzungen und ausführlichere Diskussionen sind gestattet. den die Aussagen Strophe für Strophe besprochen, diskutiert, bewertet. Wer würde die letzte Zeile „Komm, wir zeigen, es leben auch andre Menschen hier“ befürworten? Wie könnte man das zeigen, und was kann man tun? Diese Fragen eröffnen die abschließende Sammlung von Ideen, Handlungsmöglichkeiten und Engagement gegen Rechtsextremismus, die in Form einer Collage zusammengestellt werden könnte. Die Teilnehmer sollten dabei gefragt werden, unter welchen Bedingungen sie bereit wären, sich diesbezüglich zu engagieren. Ließe sich eine der Ideen von der Gruppe oder einem Teil davon umsetzen? ■ Weiterarbeit 5. Arbeitsschritt Als „Belohnung“ nach dieser anstrengenden Arbeitsphase wird Musik gehört. „Willkommen in Deutschland“ (M 5.12) ist ein Titel der Rockgruppe „Die Toten Hosen“ von der CD „Kauf mich“ (1993) und wird zunächst ohne Austeilung des Textes eingespielt. Die Teilnehmer sollen danach zusammentragen, was sie verstanden haben. Danach wird der Text ausgeteilt und der Song nochmals gespielt. Nun wer- Eine weiterführende Arbeit wäre in verschiedene Richtungen denkbar. Der Einsatz des Filmes „Die Welle“, der als Medienpaket mit ausführlichen Informationen beim Landesfilmdienst sowie bei den meisten Kreisbildstellen zu erhalten ist, würde die Anfälligkeit der Menschen für rechtsextreme Mechanismen beleuchten. Ein Transfer zum Rechtsextremismus in der deutschen Geschichte wäre mit der Bildergegenüberstellung in M 5.13 zu leisten. 84 7 Rechtsextremismus heute M 5.1 „Ich mag Adolf und sein Reich, alle Juden sind mir gleich. Ich mag Skinheads und SA, Türken klatschen ist doch klar. Ich mag Fußball auf dem Rasen, die SS, wenn sie gasen. All das mag ich, und ganz doll NSDAP.“ „Ich will, ich will nur ’ne weiße Heimat Ich will, ich will keine Alis sehn Lasst uns, lasst uns vor Türkenasche treten Lasst uns, lasst uns den Rassekrieg angehn ja den Rassekrieg angehn.“ „Keine Lust mit Dreck zu reden will Türken nur in Särgen seh’n purer Hass, purer Hass Punk und Ratte kein Unterschied Mein Knüppel hat sie beide lieb Purer Hass ...“ Auszüge aus Skinhead-Songs Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz, Köln 2000 85 7 Rechtsextremismus heute M 5.2 Skinhead-Szene und Skinhead-Musik Die Skinhead-Szene entwickelte sich gegen Ende der 60er-Jahre in den Arbeitervierteln großer englischer Städte als Protestbewegung gegen soziale Missstände und steigende Arbeitslosigkeit. Die zunächst unpolitische Jugendbewegung, die sich durch szenetypische Kleidung („Doc-Martens“-Stiefel, Bomberjacken etc.) abgrenzte, geriet Anfang der 80er-Jahre zunehmend in den Einfluss rechtsextremistischer Organisationen. Heute gibt es verschiedene Strömungen in der Skinhead-Szene. Neben den unpolitischen „Oi-Skins“ und den linken „SHARP-Skins“ und „Red-Skins“ machen aber die rechtsextremistischen Skins den größten Teil aus. Sie bilden seit Anfang der 90er-Jahre die zahlenmäßig größte Gruppe der weit über 8.000 gewaltbereiten Rechtsextremisten in Deutschland. Sie treten immer wieder durch spontane Gewalttaten, Aggressivität und rechte, zum Teil volksverhetzende Musik in Erscheinung. Die Liedtexte der Skinhead-Musik drücken meist eine gewalttätige, menschenverachtende Einstellung aus. Die Songs propagieren Rassismus, Antisemitismus und ein übersteigertes Nationalbewusstsein, oft verherrlichen sie den Nationalsozialismus und die „weiße Rasse“. Die provozierenden Inhalte bilden für viele Jugendliche einen Einstieg in die rechtsextreme Szene. Die Musik wirkt hier als Einstiegsdroge, spielt aber auch eine Rolle für den Zusammenhalt rechtsextremer Gruppen. Die Konzerte stärken als Treffen Gleichgesinnter das Gemeinschaftsgefühl. Der 1993 verstorbene Neonazi und Sänger der englischen Skinband „Skrewdriver“ Ian Stuart Donaldson erkannte bereits früh die Möglichkeit, Musik als Mittel zur Verbreitung neonazistischer Ideologien, insbesondere bei Jugendlichen, zu nutzen: „Sie berührt die jungen Leute, die von den Politikern nicht erreicht werden. Viele finden die Politik, parteipolitisch gesehen, langweilig, was teilweise stimmt. Es ist doch viel angenehmer, mit anderen ein Konzert zu besuchen und Spaß zu haben, als in eine politische Versammlung zu gehen.“ nach: Bundesamt für Verfassungsschutz, „Skinheads, Bands und Konzerte“, Köln 2000 Arbeitsaufträge: 1. Beschreiben Sie die Rolle der Musik in der rechtsextremen Szene. 2. Kennen Sie Skinhead-Musik und Bands? Wenn ja, welche persönlichen Eindrücke haben Sie davon? 3. Nehmen Sie Stellung zu dem Zitat von Ian Stuart Donaldson. 86 7 Rechtsextremismus heute M 5.3 Die Skinhead-Musikszene Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz, Köln 2000 87 7 Rechtsextremismus heute M 5.4 Skinheads: Die meisten Skinheads sind nicht in Gruppen/Kameradschaften organisiert. Eine der insgesamt 3 Organisationen ist „Blood and Honor (B + H)“, die mit einem harten Kern von ca. 240 Mitgliedern besonders aktiv in der Musikszene ist. Die Zahl der gewaltbereiten Skinheads insgesamt stieg im Jahr 2000 auf 9700 Personen an. Neonazis: Diese sind meist in Gruppierungen oder Kameradschaften organisiert. 1999 existierten mindestens 49, 2000 dann 60 solcher Organisationen. Parteien: Die Mitgliederzahl der Republikaner ist in den letzten Jahren leicht rückläufig, die der DVU bleibt konstant, während die der NPD zunimmt. Sonstige: Darunter sind Organisationen zu finden, die vielfach der NPD nahe stehen (vgl. Infoblatt). 88 7 Rechtsextremismus heute M 5.5 Lehrer-Infoblatt Grafik: Sabine Kühmichel 2001 89 7 Rechtsextremismus heute M 5.6 Die Liste rechter Gewalt Schleswig-Holstein Niedersachsen 1 Flensburg: 19.03.1992 Zigeuner zusammengeschlagen, ertränkt 2 Mölln: 23.11.1992 Türk. Familie im Haus verbrannt 3 Kiel: 03.02.1997 Kurde von Neonazi erschossen 4 Roseburg: 23.03.1997 Polizist erschossen 1 Göttingen: 31.12.1990 21-jähriger Linker erstochen 2 Hannover: 11.01.1992 Flüchtlingsheim-Bewohner getötet 3 Gifhorn: 04.03.1992 23-Jähriger stirbt an Gehirnverletzungen 4 Buxtehude: 18.03.1992 53-Jähriger erschlagen 5 Eschede: 09.08.1999 Obdachloser von zwei Skins erschlagen Nordrhein-Westfalen Brandenburg 1 Hörstel: 04.04.1992 Deutscher stirbt bei Brandstiftung 2 Wuppertal: 13.12.1992 Jude angezündet 3 Wülfrath: 21.11.1992 Halbjude (92) von Altnazi (89) getötet 4 Siegen: 15.12.1992 Behinderter Arbeiter totgetrampelt 5 Mülheim/Ruhr: 09.03.1993 Türke stirbt nach Scheinhinrichtung 6 Solingen: 29.05.1993 Türkische Familie im Haus verbrannt 7 Marl: 06.07.1993 Obdachloser von 18-Jährigem erschlagen 8 Velbert 05.02.1995 Obdachloser erstochen 9 Duisburg: 17.03.1999 58-jähriger Rentner zu Tode getreten 10 Dortmund/Waltrop: 14.06.2000 Drei Polizisten bei Kontrolle erschossen 1 Eberswalde: 25.11.1990 Angolaner erschlagen 2 Hohenselchow: 03.12.1991 30-Jähriger bei Schlägerei getötet 3 Senftenberg: 12.12.1991 29-Jähriger ausgeraubt und erschossen 4 Gransee: 05.01.1992 18-Jähriger von 15 Skins erschlagen 5 Neuruppin: 01.07.1992 Obdachloser misshandelt und erstochen 6 Zossen: 07.11.1992 Obdachloser angezündet und getötet 7 Guben: 13.02.1999 Asylbewerber verblutet nach Hetzjagd Saarland Baden-Württemberg 1 Saarlouis: 19.09.1991 Ghanaer verbrannt 1 Friedrichshafen: 16.06.1991 Angolaner erstochen 2 Ostfildern-Kemnat: 08.07.1992 Jugoslawe erschlagen 90 7 Rechtsextremismus heute M 5.6 Sachsen Rheinland-Pfalz 1 Leisnig: 23.02.1991 Afghane stirbt nach Überfall 2 Dresden: 31.03.1991 28-Jähriger erschlagen 3 Leipzig: 23.10.1996 30-jähriger Türke erstochen Leipzig: 05.07.1998 Portugiesischer Bauarbeiter erschlagen 4 Meuro: 12.12.1991 LKW-Fahrer bei Raubüberfall erschossen 5 Hoyerswerda: 19.02.1993 Fahrer einer Heavy-Metal-Band getötet 1 Hachenberg: 28.12.1990 Kurde erstochen 2 Bad Breisig: 01.08.1992 Obdachloser erstochen 3 Koblenz: 24.08.1992 Obdachloser bei Feier erschossen Berlin Sachsen-Anhalt 1: 16.06.1991 19-jähriger Türke erschlagen 2: 29.08.1992 Vietnamese gequält und erstochen 3: 24.04.1992 Obdachloser misshandelt und getötet 4: 19.10.1992 Peruaner geschlagen und erstochen 5: 21.11.1992 Linker Hausbesetzer erstochen 1 Magdeburg: 07.02.1997 17-jähriger Punk von Skinhead erstochen 2 Dessau: 11.06.2000 Mosambikaner erschlagen Mecklenburg-Vorpommern Thüringen 1 Saal: 15.03.1992 Rumäne im Flüchtlingsheim getötet 2 Greifswald: 24.06.2000 Obdachloser von Jugendlichen erschlagen 3 Wismar: 09.07.2000 Obdachloser zu Tode getreten 4 Ahlbeck: 27.07.2000 Obdachloser zu Tode getreten 1 Stotternheim: 03.08.1992 Pole erschlagen 2 Erfurt: 15.01.1993 Parkwächter getötet 3 Arnstadt: 22.01.1993 Zwei Obdachlose verbrannt Bayern Hessen 1 München: 10.12.1991 Rumäne nach Überfall gestorben 2 Kolbermoor: 15.08.1999 Mosambikaner totgeschlagen 1 Lampertheim: 31.01.1992 Familie aus Sri Lanka verbrannt nach: www.schule-fuer-toleranz.de, Unterrichtsreihen, Baustein 1 91 7 Rechtsextremismus heute M 5.7 Die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland Tragen Sie die folgenden Bundesländer in die Karte ein: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen Welche Länder sind die alten und welche die neuen Bundesländer? 92 7 Rechtsextremismus heute M 5.8 Rechtsextremismus in Deutschland 93 7 Rechtsextremismus heute M 5.9 94 7 Rechtsextremismus heute M 5.10 95 7 Rechtsextremismus heute M 5.11 Merkmale des Rechtsextremismus Die rechtsextreme Ideologie orientiert sich an zwei Grundideen, die die Vorstellungen von einer anderen Ordnung in Staat und Gesellschaft prägen: 1. Die Grundidee von einer „natürlichen Ungleichheit der Menschen“ 2. Die Grundidee der Gewalt Dazu gehören: Dazu gehören: a) Die Vorstellung von einer biologisch „höher stehenden“ deutschen (bzw. nordeuropäischen) „Rasse“ und den demzufolge „minderwertigen“ anderen „Rassen“. Dabei wird den „höher stehenden“ zugestanden, die Rechte und die Freiheit der „minderwertigen“ Menschen einschränken zu können. Dazu gehört auch eine rassistische Fremdenfeindlichkeit. a) Die Idee vom „Recht des Stärkeren“ im alltäglichen Lebenskampf. Der Stärkere setzt sich danach durch; es wird abgelehnt, dass Konflikte zwischen Menschen oder auch Staaten demokratisch und friedlich geregelt werden. b) Die Idee von einer „natürlichen Ungleichheit“, die nur durch genetische Erbanlagen entsteht, auch innerhalb der eigenen „Rasse“. Demzufolge gibt es eine unveränderliche Ungleichheit zwischen den Menschen einer Gesellschaft und unterschiedliche Rollen von Frauen und Männern. b) Aus dieser Idee folgt auch die Ablehnung demokratischer Strukturen wie die Willensbildung in gewählten Parlamenten. Stattdessen wird eine Staatsform vertreten, die auf dem „Führertum“ oder der Herrschaft einer „natürlichen Elite“ aufbaut. nach: Rechtsextremismus in Deutschland, hrsg. von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Hannover 1994 96 7 Rechtsextremismus heute M 5.12 Willkommen in Deutschland Dies ist das Land, in dem man nicht versteht Dass FREMD kein Wort für FEINDLICH ist In dem Besucher nur geduldet sind Wenn sie versprechen, dass sie bald wieder gehn. Es ist auch mein Zuhaus Selbst wenn’s ein Zufall ist Und irgendwann fällt es auch auf mich zurück Wenn ein Mensch aus einem andren Land Ohne Angst hier nicht mehr leben kann Weil täglich immer mehr passiert Weil der Hass auf Fremde eskaliert Und keiner weiß, wie und wann Man diesen Schwachsinn stoppen wird Es ist auch mein Land: Und ich kann nicht so tun, als ob es mich nichts angeht Es ist auch dein Land: Und du bist schuldig, wenn du deine Augen davor verschließt Dies ist das Land, in dem so viele schweigen Wenn Verrückte auf die Straßen gehen Um der ganzen Welt und sich selbst zu beweisen Dass die Deutschen wieder die Deutschen sind Diese Provokation Sie gilt mir und dir Denn auch du und ich Wir kommen von hier Kein Ausländer, der uns dabei helfen kann Dieses Problem geht nur uns allein was an Ich hab keine Lust noch länger zuzusehn Ich hab’s satt, nur zu reden und rumzustehn Vor diesem Feind werde ich mich nicht umdrehn Es ist auch mein Land: Und ich will nicht, dass ein viertes Reich draus wird Es ist auch dein Land: Steh auf und hilf, dass blinder Hass es nicht zerstört Es ist auch mein Land: Und sein Ruf ist sowieso schon ruiniert Es ist auch dein Land: Komm wir zeigen, es leben auch andre Menschen hier Die Toten Hosen, CD „Kauf mich“, 1993 97 7 Rechtsextremismus heute M 5.13 Rechtsextremismus – früher und heute 29. Januar 2000: Neonazis demonstrieren grölend mit schwarz-weiß-roten Fahnen, auf denen das Eiserne Kreuz prangt – der erste legale Marsch von Rechtsextremisten durch das Brandenburger Tor seit Kriegsende. Die Bilder gleichen sich: Am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung Hitlers, zogen seine braunen Horden mit Fackeln und Fahnen durch das Tor – der Aufmarsch war Auftakt der Verfolgung innerer und äußerer Gegner. Quelle: Foto oben: Herfort, Foto unten: Ullstein 98 7 Nationalsozialismus in Deutschland Unterrichtsreihe 6 Nationalsozialismus in Deutschland Diese Lernreihe will anhand der Thematisierung von Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung der Juden eine Annäherung an die Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland erzielen. Ein Transfer zu aktuellen Erscheinungsformen und vorangegangenen Lernergebnissen soll die heutige Relevanz aufzeigen und aktuelle Gefahren rechten Gedankenguts diskutieren. 99 8 Nationalsozialismus in Deutschland Didaktisch-methodische Empfehlungen ■ Einstieg Den Einstieg in das Thema Nationalsozialismus bildet die Bildergeschichte „Der Bär, der keiner war“ (M 6.1), die die Lernenden für Fragen der Fremdwahrnehmung, Fremdzuschreibung, Zugehörigkeit und Ausgrenzung sensibilisiert, damit eine Voraussetzung für die Annäherung an den Holocaust schafft. Die Bildergeschichte handelt von einem Bären, der sich beim Erwachen aus seinem Winterschlaf inmitten einer Fabrikanlage wiederfindet. Er wird von seiner Umwelt nicht als Bär, sondern als „fauler, unrasierter Mann im Pelzmantel“ betrachtet. Es will ihm nicht gelingen, die Anerkennung seiner wahren Identität als Bär durchzusetzen; schließlich akzeptiert er die Fremdwahrnehmung und Fremdzuschreibung. Die Geschichte wird komplett ausgeteilt und abwechselnd reihum laut vorgelesen, wobei die Bilder auf Folie kopiert und per Overheadprojektor an den entsprechenden Stellen visualisiert werden sollten. Anschließend werden die Bilder nochmals in Ruhe betrachtet und besprochen. Wie sieht der Bär aus, und wie hat er sich jeweils verändert? Wie sehen die Manager, die Zoo- und Zirkusbären aus? Dann wird über die Veränderungen für den Bären gesprochen: Was irritiert den Bären? An welcher Stelle gerät sein Selbstbild ins Wanken? Wann übernimmt er das Bild, das die anderen von ihm haben? Warum fällt es dem Bären schwer, sich selbst treu zu bleiben? Das Gespräch zu der Frage, welche Beziehung jeweils zwischen dem Bären und den Menschen, den Zirkusbären und den Zoobären besteht, leitet über zu einem Klärungsversuch dazu, welchen Einfluss die Gesellschaft auf den Einzelnen hat. Annäherungsfragen dazu könnten sein: Welchen Gruppen gehören wir an, und was bedeutet uns ein Gefühl der Dazugehörigkeit? Welche Erwartungen müssen wir erfüllen, um dazuzugehören? Was bedeutet es, sich selbst aufzugeben, um dabeizusein? Was bedeutet es, ein Außenseiter zu sein? Welche Rolle spielt die Gesellschaft bei Zuweisungen? Haben die Jugendlichen selbst Erfahrungen mit Fremdzuweisung? Die folgende Arbeit widmet sich zwei Personenporträts aus der Zeit des Nationalsozialismus. 1. Arbeitsschritt Bei den beiden Porträts handelt es sich zum einen um den Boxer Johann Trollmann (M 6.2), dem als Sinto 1933 der Meistertitel aberkannt wird, zum anderen um ein jüdisches Mädchen (M 6.3), das im Zweiten Weltkrieg getarnt in einer christlichen Familie lebt. Die beiden Texte werden arbeitsteilig in Kleingruppen bearbeitet. Zunächst soll nach dem individuellen Lesen in den Kleingruppen über die jeweilige Person gesprochen werden. Dann stellen die Gruppen sich gegenseitig die Personen vor. Bei dieser Gelegenheit werden Verständnisfragen geklärt und erste Fragen zum historischen Hintergrund der Porträts besprochen. Bei der Ergebnissammlung zu den Arbeitsaufträgen 2 und 3 kann auf die Bildergeschichte des Bären zurückgegriffen werden. Die Frage nach dem gesellschaftlichen Kontext der Porträts, wozu in den Texten bereits viele Hinweise enthalten sind, leitet über zur Stellung der Juden in der nationalsozialistischen Gesellschaft. 2. Arbeitsschritt Der Text „Die Juden in der Gesellschaft des nationalsozialistischen Deutschlands“ (M 6.4) knüpft an die vorherigen Ergebnisse zu Einzelfällen an und zeigt wichtige Elemente der Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden im Dritten Reich auf. 100 8 Nationalsozialismus in Deutschland Das Arbeitsblatt wird in Partnerarbeit bearbeitet; Fragen werden gemeinsam geklärt. Während der Ergebnissammlung sollte auf die Begriffe „Propaganda“, „Sündenböcke“ und „Rassenlehre“ ausführlicher eingegangen werden. Vorwissen der Jugendlichen kann und soll hier einfließen, um zur Behandlung der Geschichte der Judenverfolgung und -vernichtung überzuleiten. ■ Weiterarbeit An dieser Stelle wäre zur vertiefenden Weiterarbeit der Einsatz des Filmes „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni (Italien, 1997 – in Filmbildstellen ausleihbar) geeignet. Dieser Spielfilm, der (in Italien spielend) vom Holocaust in komödiantischer und grotesker Form erzählt, bietet einen neuartigen Zugang zu dem Thema. 3. Arbeitsschritt 5. Arbeitsschritt Dokumente und Informationen zur Judenverfolgung und -vernichtung bieten die Arbeitsblätter M 6.5 bis M 6.7. Die Arbeitsblätter M 6.5 und M 6.6 sollten in chronologischer Form gemeinsam gelesen, besprochen und interpretiert werden. Diesem Unterrichtsgespräch soll genügend Zeit eingeräumt werden, und die Lernenden sollen Gelegenheit haben, mit ihrem Vorwissen (aus Schule, Erzählungen, Filmen etc.) die Ergebnisse zu ergänzen, zu kommentieren und zu diskutieren. Als Transfer in die heutige Zeit werden nun Einstellungen zu Juden und zum Holocaust 1994 (M 6.8) untersucht. Die Grafiken werden auf Folie kopiert eingeblendet. Aussage für Aussage wird aufgedeckt, wobei die Lernenden Vermutungen über die prozentuale Höhe der Zustimmung anstellen sollen, bevor die Umfrageergebnisse präsentiert werden. Die Ergebnisse sollen dann in ihrer Gesamtaussage, aber auch unter dem Altersaspekt besprochen und interpretiert werden (ein Rückbezug auf die Unterrichtsreihe „Vorurteile und Diskriminierung“ wäre hier möglich). 4. Arbeitsschritt M 6.7 wird anschließend auf Folie präsentiert. Der untere Teil, bis einschließlich der Antwort, wird zunächst verdeckt. Jeder Teilnehmer soll auf die Frage mit seiner Schätzung antworten. In der Regel wird der Anteil der jüdischen Bevölkerung in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1933 (nicht nur von Schülern) sehr viel höher geschätzt. Der tatsächliche Anteil von 0,78 % wird nun aufgedeckt und wird verblüffende Wirkung haben. Wie konnten ganze 0,78 Prozent Juden von den Nazis für alles Schlechte verantwortlich gemacht werden? (Schon an dieser Stelle wäre ein Transfer zur aktuellen Ausländerfeindlichkeit in Deutschland zulässig!) Wie kommen dann die 6 Millionen Opfer zusammen? Der jetzt aufgedeckte Folienteil gibt Aufschluss darüber und zeigt gleichzeitig das Ausmaß der Länder unter nationalsozialistischer Herrschaft im Zweiten Weltkrieg auf. 6. Arbeitsschritt Die aktuelle Relevanz wird mit dem Arbeitsblatt „Antisemitische Bedrohung Jugendlicher“ (M 6.9) aufgezeigt. Es handelt sich um einen Vorfall aus dem Jahre 2000. Der Zeitungsartikel wird von den Jugendlichen zu zweit in Partnerarbeit bearbeitet. Die Besprechung der Ergebnisse zu den beiden Arbeitsaufträgen leitet die abschließende Diskussion ein. Die Vervollständigung des „aber heutzutage ...“ (2. Arbeitsauftrag) eröffnet einen Rückbezug auf die vorangegangenen Unterrichtsreihen, vor allem aber auf die Reihe „Rechtsextremismus heute“. Ein Vergleich von historischen und aktuellen Ausprägungen des Rechtsextremismus sowie der dahinter stehenden ideologischen Ansätze kann durch erneute Verwendung der Folie „Rechtsextremismus – früher und heute“ (M 5.13 der vorangegange- 101 8 Nationalsozialismus in Deutschland nen Reihe) forciert werden. In diesem abschließenden und ausführlichen Unterrichtsgespräch sollen durch Wiederholung und Transfer die Lernerfolge gefestigt werden. ■ Weiterarbeit Als anschließendes Projekt wären Interviews mit Zeitzeugen des Nationalsozialismus in einem Altenheim denkbar. Die Teilnehmer könnten die Interviews in Kleingruppen mit den sie interessierenden Fragestellungen vorbereiten und durchführen. Die gemeinsame Auswertung könnte in eine Dokumentation münden. Ein solches Projekt wäre nicht nur für die Jugendlichen eine eindrucksvolle Erfahrung, sondern auch die Alteneinrichtungen und deren Bewohner stehen in der Regel einem derartigen Vorhaben sehr aufgeschlossen gegenüber. 102 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.1 103 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.1 104 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.1 105 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.2 Der Boxer Johann „Gipsy“ Trollmann, ein Sinto, war ein Star. Wenn er in den Ring stieg, klingelten die Kassen, waren die Box-Arenen ausverkauft. In den Zeitungen machte er Schlagzeilen, Frauen umschwärmten ihn, die Prominenz der großen Städte besuchte seine Kämpfe. Die Fachpresse lobt seinen besonderen Stil, seine Beinarbeit, seine Schnelligkeit und Intelligenz. Johann Trollmann steht auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, als die Nazis 1933 an die Macht kommen. Danach wird alles anders. Mit dem Machtantritt werden die Deutschen zur „Herrenrasse“ erhoben, und die Sportverbände spielen eine Vorreiterrolle: unverzüglich beginnt die „Säuberung“ des Sports von Juden, Sinti und Roma, die von den Nationalsozialisten als „artfremd“ abgestempelt wurden. Als Trollmann am 9. Juni 1933 den Kampf um die deutsche Meisterschaft gewinnt, wird er von seiner großen Fan-Gemeinde weiterhin umjubelt, aber die Box-Funktionäre schäumen vor Wut. Der „Zigeuner“ habe in einem deutschen Ring nichts zu suchen, heißt es. Er habe undeutsch gekämpft und keinen Kampfeswillen gehabt. Es startet eine regelrechte Kampagne gegen Trollmann: seine überlegene Technik wird jetzt als theatralisch und „artfremd“ bezeichnet; man nennt ihn einen „aalglatten Ringclown“; Spottgedichte und hämische Karikaturen werden veröffentlicht. Nach acht Tagen wird ihm von den Nazifunktionären der Meistertitel aberkannt. Eigentlich hätte Trollmann jetzt in der Versenkung verschwinden müssen, doch er verabschiedet sich in einem weiteren großen Kampf auf seine Weise. Die Zuschauer trauen ihren Augen nicht. Aus „Gipsy“ Trollmann ist ein blonder Hans geworden. Er hat sich die schwarzen Haare gefärbt und seinen Kampfstil total geändert. Er steppt und tänzelt nicht mehr, sondern steht festgewurzelt als „deutsche Eiche“ in der Mitte des Rings und geht keinem Schlag aus dem Weg. In der fünften Runde taumelt er, geht zu Boden und wird endgültig ausgezählt. Ob ihn Wut, Ironie oder Verzweiflung bestimmt haben, weiß man nicht. Aber fest steht: Trollmann hatte den Mut, seiner Karriere selbst den Schlusspunkt zu setzen – und zwar mit einer Demonstration in aller Öffentlichkeit. nach: G. Kößler, P. Mumme, Konfrontationen – Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust, Heft 1: Identität, Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main 2000 Arbeitsaufträge: 1. Besprechen Sie den Text in Ihrer Gruppe so, dass Sie den Boxer und seine Geschichte den anderen Gruppen vorstellen können. 2. Wie wird der Boxer mit Fremdzuweisung konfrontiert? 3. Wie schätzen Sie das Verhalten Trollmanns ein? Hat er sich selbst aufgegeben? 106 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.3 Das jüdische Mädchen Nechama wurde 1931 in Lublin (Polen) als Kind einer jüdischen Familie geboren. Ein Jahr nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges musste die Familie in das Ghetto in Lublin umziehen. 1942 wurde Nechama von ihren Eltern getrennt, um als Christin getarnt bei einer christlichen Familie im Versteck zu leben. Nechama war blond, hatte blaue Augen und konnte so als „Verwandte“ ausgegeben werden. Sie nahm einen christlichen Namen an, besuchte die christliche Schule und überlebte so den Krieg. Nechama erinnert sich, wie ihre damaligen Freunde Witze über Juden machten oder auch eine dieser Geschichten erzählten, in denen Juden Kinder fangen, töten und aufessen. Sie war entsetzt über diese Lügen, erinnerte sich aber, dass ihr Vater ihr gesagt hatte: „Verteidige niemals die Juden, sonst werden sie denken, du bist eine Jüdin.“ Trotzdem fragte sie einmal ihre Freundin, ob sie wirklich glaube, dass solche Geschichten wahr seien. Aber die Freundin reagierte so heftig und schaute sie so eindringlich an, dass Nechama fürchterliche Angst bekam. Sie hatte noch lange Angst, dass die Freundin zur Polizei gehen und sie denunzieren würde. Immer wenn es an der Haustür klopfte, dachte sie, man käme sie abholen. Glücklicherweise passierte aber gar nichts. Das Leben ging weiter, und sie wurde immer unempfindlicher gegenüber judenfeindlichen Äußerungen. Schließlich fühlte sie sich wie eine Christin, wie eine Schauspielerin, die so in ihre Rolle schlüpft, bis sie beginnt, sich zu fühlen wie die gespielte Rolle. Aber sie fühlte sich auch wie eine Verräterin, die sich selbst und ihr Volk betrügt. Denn sie war nicht mehr traurig und irritiert, wenn die anderen Witze über Juden machten, sondern sie lachte sogar mit. nach: G. Kößler, P. Mumme, Konfrontationen – Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust, Heft 1: Identität, Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main 2000 Arbeitsaufträge: 1. Besprechen Sie den Text in Ihrer Gruppe so, dass Sie Nechama und ihre Geschichte den anderen Gruppen vorstellen können. 2. In welchen Konflikt gerät Nechama? 3. Wie beurteilen Sie Nechamas Verhalten? Hat sie sich selbst aufgegeben? 107 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.4 Die Juden in der Gesellschaft des nationalsozialistischen Deutschland Die Nationalsozialisten sprachen von einem übermäßigen Einfluss der Juden in allen Bereichen, von einer Vorherrschaft der Juden in Kultur und Gesellschaft sowie einer „Überfremdung“ der Wirtschaft durch die Juden. Die sich dagegen wehrenden Juden versuchten vielfach, ihre Leistungen für ihr deutsches Vaterland zu betonen. Sie wollten zeigen, dass es oft die Juden waren, die der deutschen Kultur zu Weltgeltung verhalfen, dass deutsche Juden als Schriftsteller, Musiker und Wissenschaftler Höchstleistungen erbrachten. Beide Seiten, die Antisemiten und die angegriffenen Juden, gingen also von der gleichen Annahme aus: einem überdurchschnittlichen Einfluss der Juden, der dann – je nach Standpunkt – negativ oder positiv ausgelegt wurde. So fiel es der NS-Propaganda leicht, die Juden als reiche und wuchertreibende Feinde Deutschlands darzustellen. Sie wurden als Sündenböcke für alle möglichen Übel und Missstände verantwortlich gemacht. Alles, was nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten entsprach, wurde den Juden in die Schuhe geschoben. Personen, deren Taten, Ideen oder Schriften den nationalsozialistischen Zielen entgegenstanden, wurden einfach als Juden bezeichnet, auch wenn sie keine waren. Nach der nationalsozialistischen Rassenlehre waren die Menschen nicht gleich, sondern „höherwertig“, „minderwertig“ oder „wertlos“. Die Deutschen, die nun „Arier“ genannt wurden, bildeten danach die höchste Rasse, die Juden die niedrigste. Auch die Sinti und Roma wurden als „artfremd“ eingestuft. Arbeitsaufträge: 1. Nennen Sie Gründe dafür, dass es den Nationalsozialisten leicht fiel, die Juden als größte Feinde Deutschlands darzustellen. 2. Mit welchen Mitteln wurden die Juden ausgegrenzt? 108 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.5 April 1933 Boykott jüdischer Geschäfte. Jüdische Lehrer und Lehrerinnen, Richter und andere im Staatsdienst werden entlassen. Der Besuch von weiterführenden Schulen und Hochschulen wird für Juden eingeschränkt. 15. September 1935 »Nürnberger Gesetze«: Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden werden verboten; Hausgehilfinnen unter 45 Jahren dürfen in jüdischen Haushalten nicht mehr beschäftigt werden. ! 109 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.6 1939 Juden müssen zu ihrem Vornamen zusätzlich den Namen »Sara« bzw. »Israel« führen. September 1941 Alle jüdischen Menschen über sechs Jahre müssen auf ihrer Kleidung einen »Judenstern« tragen. 1941–1945 Verschleppung (Deportation) der Juden in Konzentrationslager. Etwa sechs Millionen werden dort ermordet. ! 110 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.7 Über 6 Millionen Juden wurden Opfer der Judenvernichtung im Nationalsozialismus. In den Grenzen Deutschlands lebten 1933 insgesamt gut 64 Millionen Menschen. Wie viele davon waren Juden? Antwort: 500.000 Das entspricht 0,78 Prozent. Die meisten Opfer wurden von den Nationalsozialisten in anderen Ländern ermordet: Deutsches Reich Österreich Frankreich und Belgien Niederlande Luxemburg Italien Griechenland Jugoslawien Tschechoslowakei Bulgarien Albanien Norwegen Dänemark Ungarn Rumänien Polen Sowjetunion 165.000 65.000 32.000 102.000 1.200 7.600 60.000 55.000–60.000 143.000 11.000 600 735 50 502.000 211.000 2.700.000 2.100.000–2.200.000 Zahlenquelle: Wolfgang Benz (Hrsg.), Legenden, Lügen, Vorurteile, dtv, 5. Aufl. 1994 111 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.8 112 8 Nationalsozialismus in Deutschland M 6.9 Antisemitische Bedrohung Jugendlicher Quelle: Allgemeine Zeitung Ingelheim vom 1.11. 2000 Arbeitsaufträge: 1. Wie beurteilen Sie die Bedrohung durch die Skinheads? 2. Was meint Sarahs Mutter damit, dass sie solches Verhalten lange nicht ernst genommen habe, „aber heutzutage ...“? 113 8 Literaturempfehlungen Literaturempfehlungen Die folgende Literaturauflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beinhaltet Bücher und Materialien, die zur Erarbeitung der vorliegenden Handreichung herangezogen wurden und die den Nutzern der Handreichung zur Vertiefung von Sachkenntnissen bzw. zur weiterführenden Arbeit empfohlen werden können. Einige Titel lassen sich in mehrere der Rubriken einordnen und sind deshalb mehrfach aufgeführt. ■ Sachliteratur Wolfgang Benz (Hrsg.): „Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 5. Auflage 1994 In 91 Artikeln werden wissenschaftlich abgesicherte Informationen und Fakten den Legenden zur Verharmlosung des Nationalsozialismus entgegengestellt. Das Buch gibt Hintergrundinformationen, Argumente und Beweise zum Gebrauch in politischen Diskussionen. Das Taschenbuch kostet 14,90 DM, kann von Multiplikatoren der politischen Bildung kostenlos bei den Landeszentralen für politische Bildung bezogen werden. Manfred Büttner (Hrsg.): „Braune Saat in jungen Köpfen – Grundwissen und Konzepte für Unterricht und Erziehung gegen Neonazismus und Rechtsgewalt“, Bd. 1 und 2, Schneider Verlag, Hohengehren 1999 Dies ist das aktuelle Standardwerk für Unterricht und Erziehung gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Band 1 enthält eine umfassende neue Didaktik gegen Rechtsgewalt mit ausführlichem Grundlagenwissen für Lehrer, Sozialpädagogen etc.; Band 2 stellt unterschiedliche Konzepte von Praktikern vor. Die beiden Bände sind zum Preis von zusammen 60,– DM im Buchhandel erhältlich. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen (Hrsg.): „Daten und Fakten zur Ausländersituation“, Bonn 1999 Eine Zusammenstellung von Tabellen mit Erläuterungen zur Ausländersituation auf der Basis von Bundesstatistiken. Kostenlose Herausgabe der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, Postfach 14 02 80, 53107 Bonn Christoph Butterwegge, Georg Lohmann (Hrsg.): „Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt – Analysen und Argumente“, Leske + Budrich, Opladen 2000 Das Buch verbindet analytische Erkenntnisse zum aktuellen Rechtsextremismus mit strategischen Ratschlägen, Hinweisen auf mögliche Gegenmaßnahmen und Literaturempfehlungen. Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Rechtsextremistische Skinheads – Entwicklung – Musik-Szene – Fanzines“, Köln 1998 Das Heft gibt in knapper Form einen guten Überblick über die Skinhead-Szene und enthält Grafiken und Abbildungen, die sich auch zum Unterrichtseinsatz eignen. Kostenlose Publikation des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Merianstr. 100, 50765 Köln Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): „Skinheads – Bands & Konzerte“, Köln 2000 Die Broschüre gibt in kompakter Form Informationen zur rechten Musikszene mit Textbeispielen. Kostenlose Publikation des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Merianstr. 100, 50765 Köln 114 9 Literaturempfehlungen Deutsche Shell-Verlag (Hrsg.): „Jugend 2000“, 13. Shell-Jugendstudie, Leske + Budrich, Opladen 2000“ Gemessen an der Zahl der befragten Jugendlichen ist die 13. die umfangreichste aller Shell-Jugendstudien. In Deutschland lebende ausländische Jugendliche wurden erstmalig einbezogen. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Studie sind Zukunftssichten, Lebenskonzepte und biografische Perspektiven. Die Studie kann für 3,– DM zuzüglich Versandkosten bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn bestellt werden. Hessische Landeszentrale für politische Bildung: „Recht gegen Rechts, Infos – Fallbeispiele – Ratschläge“, Dezember 2000 An Fällen und Beispielen wird aufgezeigt, was strafbar ist und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen rechtsextreme Tatbestände vorzugehen. Die Broschüre will Hilfestellungen in Alltagssituationen geben und lässt sich auch in der Arbeit mit Jugendlichen verwenden. Kostenloser Bezug für Besteller mit Wohnsitz in Hessen über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden. Klaus-Peter Hufer: „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“, Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. 2000 Dies ist ein Trainingsbuch sowohl für die Bildungsarbeit als auch zum Selbststudium, das Anleitungen bietet, Konfrontationen mit „Stammtischparolen“ besser zu meistern. Es werden sinnvolle Verhaltensweisen und rhetorische Gegenstrategien für Begegnungen etwa mit fremdenfeindlichen und diskriminierenden Sprüchen entwickelt. Kostenloser Bezug für Besteller mit Wohnsitz in Hessen über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden. Markus Tiedemann: „In Auschwitz wurde niemand vergast. 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt“, Verlag an der Ruhr 1996 Das Buch widerlegt thematisch geordnet 60 in neonazistischen Kreisen gebräuchliche Lügen oder Halbwahrheiten über den Na- tionalsozialismus. Es ist nicht nur eine Argumentationshilfe, sondern auch ein Geschichtsbuch. Einzelne Lügen und dazugehörige Widerlegungen lassen sich im Unterricht einsetzen. Das Buch ist für 24,80 DM beim Verlag an der Ruhr (Tel.: 02 08/49 50 40) zu bestellen. ■ Fachdidaktische Literatur Manfred Büttner (Hrsg.): „Braune Saat in jungen Köpfen – Grundwissen und Konzepte für Unterricht und Erziehung gegen Neonazismus und Rechtsgewalt“, Bd. 1 und 2, Schneider Verlag, Hohengehren 1999 Dies ist das aktuelle Standardwerk für Unterricht und Erziehung gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Band 1 enthält eine umfassende neue Didaktik gegen Rechtsgewalt mit ausführlichem Grundlagenwissen für Lehrer, Sozialpädagogen etc.; Band 2 stellt unterschiedliche Konzepte von Praktikern vor. Die beiden Bände sind zum Preis von zusammen 60,– DM im Buchhandel erhältlich. Gottfried Kößler, Petra Mumme: „Konfrontationen – Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust, Heft 1: Identität“, Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main 2000 Das Heft enthält einen Teil mit didaktischen und methodischen Grundlagen sowie ein Konzept für eine Annäherung an die Geschichte des Nationalsozialismus im Lernprozess. Dabei wird ein Zugang über Identitätsfragen und -erfahrungen der Jugendlichen einerseits und von Menschen der Epoche des Nationalsozialismus andererseits gewählt. Obwohl die Materialien teilweise sehr anspruchsvoll sind, ist der Ansatz mit entsprechenden Materialänderungen für die berufliche Bildung geeignet. Kostenloser Bezug für Mittlerinnen und Mittler der politischen Bildung mit Wohnsitz in Hessen über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden 115 9 Literaturempfehlungen Ralf-Erik Posselt/Klaus Schumacher: „Projekthandbuch: Gewalt und Rassismus“, Verlag an der Ruhr, 1993, veränderte Neuauflage 2001 Das Buch enthält zahlreiche Beispiele, Erfahrungen, Konzepte etc. aus der Arbeit gegen Gewalt und Rassismus. Es bietet eine Fülle an Dokumenten zum Thema, inhaltlichen Klärungen und Vorschlägen für die pädagogische Praxis und politische Projekte. Es ist eine Fundgrube auch für Projekt- und Unterrichtsplanung in der beruflichen Bildung. Das Buch ist für 19,80 DM zuzüglich Versandkosten zu bestellen bei: Amt für Jugendarbeit der EkvW, Postfach 5020, 58225 Schwerte. Jochen Sonntag: „Soziale Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen“, in: Uwe Hirschfeld, Ulfrid Kleinert: „Zwischen Ausschluss und Hilfe – Soziale Arbeit und Rechtsextremismus“, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2000 In dem Aufsatz werden Ziele, Wege, Grenzen der Arbeit mit Jugendlichen mit rechten Orientierungen dargestellt. Die enthaltene Klassifizierung ist sehr hilfreich, um die eigene Zielgruppe einschätzen und die Arbeit entsprechend abstimmen zu können. ■ Materialien/Bausteine/Konzepte Klaus Ahlheim/Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit – Handreichungen für die politische Bildung“, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts., 1999 Eine hervorragende Materialiensammlung zum Thema „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, die nicht nur Materialien, sondern auch didaktische Aufbereitungen und Grundlagentexte enthält. Sie ist als Vorbereitungsbuch für Lehrende konzipiert. Das Buch ist zum Preis von 34,– DM beim Wochenschau Verlag zu bestellen. Mittlerinnen und Mittler der politischen Bildung mit Wohnsitz in Hessen können es kostenlos über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung beziehen. Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2000 Tahar Ben Jelloun spricht in dem Buch mit seiner zehnjährigen Tochter über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und erklärt ihr dabei in einfachen Worten die Bedeutung von Diskriminierung, Rassismus, Kolonialismus, Getto, Antisemitismus etc. oder bespricht Fragen wie „Kann man Belgierwitze erzählen, ohne deshalb fremdenfeindlich zu sein?“ Die Fragen und Antworten lassen sich hervorragend im Unterricht bearbeiten. Das Taschenbuch ist für 12,90 DM im Buchhandel erhältlich oder für Besteller mit Wohnsitz in Hessen über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden zu beziehen. Manfred Büttner (Hrsg.): „Braune Saat in jungen Köpfen – Grundwissen und Konzepte für Unterricht und Erziehung gegen Neonazismus und Rechtsgewalt“, Bd. 1 und 2, Schneider Verlag, Hohengehren 1999 Dies ist das aktuelle Standardwerk für Unterricht und Erziehung gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Band 1 enthält eine umfassende neue Didaktik gegen Rechtsgewalt mit ausführlichem Grundlagenwissen für Lehrer, Sozialpädagogen etc.; Band 2 stellt unterschiedliche Konzepte von Praktikern vor. Die beiden Bände sind zum Preis von zusammen 60,– DM im Buchhandel erhältlich. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): „Argumente gegen den Hass – Arbeitshilfen für die politische Bildung“, 2 Bände, Bonn, 4. Nachdruck 1999 Die Arbeitshilfen geben Anregungen und praxisnahe Hilfen für Unterricht und Bildungsarbeit. Band I enthält neun Bausteine mit konkreten Hinweisen für Planung, Vorbereitung und Durchführung von Seminaren oder Unterricht. Band II bietet mit einer Textsammlung die theoretische Grundlage. Die Arbeitshilfen sind für 3,– DM zuzüglich Versandkosten bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn zu bestellen. 116 9 Literaturempfehlungen Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): „Zeitlupe 33, Vorurteile“, Bonn 1996 „Zeitlupe“ ist eine Schülerzeitschrift für die Sekundarstufe I aller Schularten. Das Heft „Vorurteile“ enthält Materialien und Anregungen zur Überprüfung eigener Verhaltensweisen, über Mechanismen und Wirkungsweisen von Vorurteilen. Das Heft ist kostenlos bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn zu bestellen. DGB-Bildungswerk Thüringen e.V. (Hrsg.): „Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit“, Erfurt 1998 Der Baustein ist kein weiteres Seminarkonzept, sondern sein Ziel ist, Nicht-Rassismus zum Prinzip aller Seminare zu machen. Er enthält viele inhaltliche und methodischdidaktische Materialien, die sich gut in „Normalseminare“ integrieren lassen. Vieles lässt sich für den Unterricht in der beruflichen Bildung nutzen. Der Ordner ist zur Zeit leider vergriffen, aber eine Neuauflage ist geplant. Sein gesamter Inhalt ist aber im Internet unter www.baustein.dgb-bwt.de zu finden. DGB -Jugend Nord (Hrsg.): „DEMOKRATIE MACHT SCHULE “, Hamburg, Februar 2000 Neben anderen enthält dieser Ordner die Themenschwerpunkte Gewalt und Migration. Dazu beinhaltet er eine Vielzahl von Multiplikatoren-Materialien für den Einsatz im Unterricht. Der Ordner ist kostenlos beim DGB-Landesbezirk Nord, Abteilung Jugend in Hamburg (Tel.: 0 40/2 85 82 25) zu bestellen. Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt – Materialien, Methoden Arbeitshilfen“, Verein für Friedenspädagogik Tübingen e.V., 1993 Eine Zusammenstellung von Texten und Materialien zu verschiedenen Aspekten von Rechtsgewalt. Die Materialien sind wegen ihrer Abstraktheit nur bedingt für die Zielgruppe dieser Handreichung verwendbar, aber als Lehrerinformationen sehr geeignet. Das Heft ist für 10,– DM zuzüglich Versandkosten beim Verein für Friedenspädagogik in Tübingen (Tel.: 0 70 71/2 13 12) zu bestellen. Bernd Janssen: „Gewalt gegen Ausländer. Didaktisch-Methodisch aufbereitete Anregungen für politische Lernprozesse“, NLPB, Hannover 2001 Das Heft enthält sehr gut geeignete Materialien für folgende 4 Unterrichtsphasen: 1. Gewalt hat viele Gesichter, 2. Gewalt gegen Ausländer – zur Situation, 3. Gewalt gegen Ausländer – Hintergründe, 4. Gewalt gegen Ausländer – Lösungsansätze. Das Heft ist in der Reihe „Informativ und Aktuell“ bei der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung erschienen. Gottfried Kößler, Petra Mumme: „Konfrontationen – Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust, Heft 1: Identität“, Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main 2000 Das Heft enthält einen Teil mit didaktischen und methodischen Grundlagen sowie ein Konzept für eine Annäherung an die Geschichte des Nationalsozialismus im Lernprozess. Dabei wird ein Zugang über Identitätsfragen und -erfahrungen der Jugendlichen einerseits und von Menschen der Epoche des Nationalsozialismus andererseits gewählt. Obwohl die Materialien teilweise sehr anspruchsvoll sind, ist der Ansatz mit entsprechenden Materialänderungen für die berufliche Bildung geeignet. Kostenloser Bezug für Mittlerinnen und Mittler der politischen Bildung mit Wohnsitz in Hessen über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden. Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz (Hrsg.): „Nein zur Gewalt – Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus“, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2001 Die Handreichung liefert sachanalytische Texte und Materialien, um den Rechtsextremismus in Schule, Jugend- und Erwachsenenbildung in all seinen Erscheinungsformen analytisch zu diskutieren, in Gruppenarbeiten zu durchleuchten oder in Rollenspielen die Mechanismen der Ausgrenzung zu zeigen. Der Ordner kann von Landeskindern kostenlos bei der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz in Mainz bestellt werden. 117 9 Literaturempfehlungen Ralf-Erik Posselt/Klaus Schumacher: „Projekthandbuch: Gewalt und Rassismus“, Verlag an der Ruhr, 1993, veränderte Neuauflage 2001 Das Buch enthält zahlreiche Beispiele, Erfahrungen, Konzepte etc. aus der Arbeit gegen Gewalt und Rassismus. Es bietet eine Fülle an Dokumenten zum Thema, inhaltlichen Klärungen und Vorschlägen für die pädagogische Praxis und politische Projekte. Es ist eine Fundgrube auch für Projekt- und Unterrichtsplanung in der beruflichen Bildung. Das Buch ist für 19,80 DM zuzüglich Versandkosten zu bestellen bei: Amt für Jugendarbeit der EkvW, Postfach 5020, 58225 Schwerte. ■ Schulbücher Folgende Schulbücher enthalten Kapitel zu den Themen Gewalt, Migration, Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Nationalsozialismus. Sie bieten gute Materialien, die für die Zielgruppe dieser Handreichung gut geeignet sind. Das IGL-Buch 3, Gesellschaftslehre an Gesamtschulen, Ernst Klett Schulbuchverlag, Leipzig 1997 Bernd Janssen, Günter Tegtmeyer (Hrsg.): „Schlüssel zur Politik – Ein Arbeitsbuch für berufsbildende Schulen“, Cornelsen Verlag, Berlin 1996 Prof. Dr. Peter Weinbrenner (Hrsg.): „Anstöße 3 – Ein Arbeitsbuch für den Politikunterricht“, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1996 118 9 Fragen zum Unterricht Fragen zum Unterricht Thema: 1. Hat dich das Thema des Unterrichts interessiert? ja nein 2. Hast du dich vorher schon einmal mit dem Thema beschäftigt? ja nein Wenn ja, womit genau? 3. Welche Arbeitsphasen haben dir gut gefallen? Welche weniger? 4.Welche Unterrichtsformen haben dir gut gefallen? Welche weniger? 5. Wie hast du nach deiner eigenen Einschätzung mitgearbeitet? eher besser als sonst wie immer eher schlechter als sonst 6. An welchen Stellen fandest du den Unterricht zu schwierig, was hast du nicht verstanden? 119 10 Fragen zum Unterricht 7. Was hat dir Spaß gemacht? 8. Was war langweilig? 9. Welchen Aussagen zum Ergebnis des Unterrichts könntest du zustimmen? (Mehrere Kreuze sind möglich, gar kein Kreuz auch) Ich habe persönlich etwas dabei gelernt. Der Unterricht hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe meine Meinungen zu dem Thema neu überdacht. Ich werde mich künftig anders verhalten, wenn ich mit dem Thema in Berührung komme. Mein Interesse an Politik hat sich vergrößert. 10. Würdest du gern mehr Unterricht dieser Art mit ähnlichen Themen haben? ja nein Vielen Dank für das Ausfüllen! 120 10