Der Vertrag von Versailles Basistext - WebQuest

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Der Vertrag von Versailles – Eine verpasste Chance für
den Frieden in Europa?
Der Vertrag von Versailles für sich betrachtet setzt eigentlich nur den Schlussstrich über
die erste große Katastrophe, die über das Europa des frühen 20. Jahrhunderts hereinbrach, nämlich unter den 1. Weltkrieg.
Es stellt sich allerdings die Frage, welche Rolle der Vertrag von Versailles auf die zweite
große Katastrophe, den 2. Weltkrieg spielt. Insbesondere unter Berücksichtigung der Neuordnung der politischen Situation in Deutschland.
Die Armeen des Deutschen Kaiserreichs zogen siegesgewiss in den Krieg. Hat man doch
44 Jahre zuvor Frankreich geradezu gedemütigt und in dessen Herzen, im Schloss von
Versailles zu Paris, das Deutsche Kaiserreich ausgerufen. Was sollte also schief gehen?
Schließlich hatte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg schon in seinem Septemberprogramm von 1914 einen Plan aufgestellt, was mit Frankreich, Belgien, Luxemburg, und Holland geschehen sollte. Außerdem wurde an die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes und koloniale Erwerbungen gedacht.
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Rückblickend betrachtet, wurde im Ersten Weltkrieg und insbesondere durch dessen Ende,
die politische, wirtschaftliche und soziale Ordnung Europas, ja sogar der Welt, durcheinander gewirbelt. Die Welt erlebte ein „Auf und Ab“, Deutschland und Russland revolutionäre
Umwälzungen und langsam aber sicher begann der Aufstieg Amerikas zur Weltmacht.
Gleichzeitig waren in weiten Teilen Europas ganze Landstriche durch Bomben und Granaten zerstört worden.
Neu war zudem das massenhafte Sterben im Krieg. Im deutsch- französischen Krieg 1870
– 1871 starben auf beiden Seiten rund 188.400 Menschen3. Im 1. Weltkrieg waren es
schon ungefähr 10 Millionen bei rund 20 Millionen Verwundeten.
Deutschland ab 1870 war durch einen offenen Militarismus gekennzeichnet und die militärische Leitung lies keinen Zweifel aufkommen, dass der 1.Weltkrieg nicht mit einem Sieg
der Reichswehr enden würde. Gleichwohl war es aber die Oberste Heeresleitung, die angesichts der drückenden Überlegenheit der Alliierten um einen Waffenstillstand bat. Dies
musste dann aber durch die politische Führung durchgeführt werden, von der Bitte der
Heeresleitung wussten die wenigsten Deutschen. So kam es, dass es der militärischen
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Bild 1 entnommen aus: Geschichte und Geschehen, Themenheft Friedensmodelle und Friedensverträge, S.43. Klett
Verlag 2006
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Bild 2 entnommen aus: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/ju000992/index.html Zugriff am 06.10.2009
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http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=54256843&suchbegriff=DeutschFranz%C3%B6sischer%20Krieg%201870/71&top=Lexikon Zugriff am 03.10.2009
Führungselite nicht leicht viel, später die Dolchstoßlegende zu pflegen, denn schließlich sei
ja die politische Führung um Matthias Erzberger dem im Felde unbesiegten Heere in den
Rücken gefallen.
Im Januar 1918 gab der Amerikanische Präsident in einer Rede vor den beiden amerikanischen Abgeordnetenkammern sein so genanntes „14 Punkteprogramm“ bekannt. Zentraler
Bestandteil war die Absicht, zwischen den verschiedenen Ländern ein internationales Miteinander sowie das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Nationen zu erreichen. Dieses
Vorhaben sorgte in Deutschland dafür, dass man sich dort Hoffnungen machte, dass die
USA sich mit ihren Plänen gegenüber Frankreich durchsetzen könnten und der Friedensvertrag nicht so streng sei. Die 14 Punkte beinhalteten zwar auch Einschnitte für Deutschland, doch bot ein Plan, der auf ein besseres Auskommen zwischen den Nationen beruhte,
eine weitaus bessere Zukunftsaussicht als ein auf Rache und Vergeltung abzielendes
Frankreich. Diese Nation hat die demütigende Niederlage von 1870 / 1871, die Kaiserproklamation in Versailles, die Annexion des Elsass und die hohen Reparationsforderungen
aus diesem Krieg noch nicht vergessen. Außerdem waren weite Teile Frankreichs während
des 1. Weltkrieg total zerstört worden. Die französische Haltung, Deutschland soweit zu
schwächen, dass dieses nie mehr einen Angriff auf Frankreich starten könne ist also
durchaus zu verstehen.
Allerdings ging Deutschland mit einem schlechten Beispiel selber voran. Der am 03. März
1918 geschlossene Friedensvertrag zwischen Deutschland und seinen Verbündeten sowie
dem besiegten Sowjetrussland ließ auch keine Gnade erkennen. Sowjetrussland verlor
rund 1,42 Mio. km2 seiner Fläche, 60 Mio. Menschen seiner Bevölkerung sowie fast 90 %
seiner Kohlegruben, über die Hälfte seiner Industrie und nahezu 100 % seiner Produktion
an Öl und Baumwolle. Es musste allerdings keine Reparationen in Form von Geld zahlen.
Die getätigte Vorleistung war also nicht gerade günstig. Anders als in diesem WebQuest
vorgesehen, war Deutschland nicht direkt an den Friedensverhandlungen beteiligt, seine
Abordnung durfte nur innerhalb einer kurzen Frist schriftlich und in französischer sowie
englischer Ausführung Protest einlegen. Gerade dies wurde als Demütigung empfunden
und legte mit den Grundstein für den Ruf des Vertrag von Versailles als „Diktatfrieden“. Dazu beigetragen hat ebenfalls Artikel 231 der dem Deutschen Reich die alleinige Verantwortung für Krieg und Zerstörung zusprach. Im „Rat der Vier“, die die Hauptgestaltung des
über 440 Artikel umfassenden Vertrages vornahm befanden sich neben dem amerikanischen Präsidenten Wilson noch der britische Premierminister David Lloyd George, der
französische Präsident und Gastgeber (damit auch Konferenzleiter) Clemenceau und der
italienische Ministerpräsident Vittorio Orlando.
Wilson und George war durchaus bewusst, in welcher Lage sie sich befanden. Zum einen
war ihnen klar, dass jede Form von Arroganz und jedwede Form von Ungerechtigkeit die
den Besiegten gegenüber offenbart wurde zu vermeiden sei. Ein gutes Beispiel lieferte ihr
Verbündeter Frankreich ab. Diesem sind im Friedensvertrag von 1870 / 1871 genau diese
Dinge widerfahren und hier ist der verzwickte Punkt zu sehen. Frankreich war auf Vergeltung und Revanche aus. Somit mussten Sie zwischen ihrem Wunsch nach gerechter Behandlung und den Wünschen Frankreichs abwägen. Hinzu kam, dass sie ihre Haltung gegenüber dem „Feind“ bzw. das Verhandlungsergebnis ihrem eigenen Volk gegenüber zu
rechtfertigen haben. In den Heimatvölkern war der Wunsch nach Kompensation und Strafe
sehr weit verbreitet. Jedoch sollte das Fehlen einer Aufarbeitung der Ursachen, die zum
Krieg geführt haben (zur Erinnerung, man hat dem Deutschen Reich die alleinige Verantwortung zugesprochen), später noch bitter rächen.
Betrachtet man den fertigen Vertrag, so kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass
sich Wilson und George mit ihrer Haltung gegen eine Unterdrückung nicht durchsetzen
konnten. Wilson konnte aber erreichen, dass auf Kosten des Selbstbestimmungsrecht der
Völker und territorialen Veränderungen wie die Besetzung des Rheinlandes, die von Frankreich gewünschte Annexion des Saargebietes und die direkte Abtretung der deutschen Kolonien an Frankreich und Großbritannien verhindert werden konnten. Zudem stand während der gesamten Verhandlungen noch die Möglichkeit im Raum, Deutschland zu zerschlagen, sowie die Frage, ob es weiterhin im Range einer Großmacht fortbestehen bleiben könne. Gleichwohl hat Wilson versucht seinen „14 Punkten“ mehr Bedeutung zu verschaffen, jedoch hat er es nicht geschafft, diese gegenüber Frankreich durchsetzen. So
musste die die anfängliche Euphorie bald der Ernüchterung weichen.
Zwar kam es zur Gründung eines Völkerbundes, doch die USA trat diesem nie bei und
Deutschland erst 1926. Somit wurde schon in den Anfangsjahren die Chance vertan
Deutschland aktiv schon direkt nach Kriegsende in das Weltgeschehen einzubinden.
Während in Deutschland nun der Einschnitte wegen und der Schuldfragen herumlamentiert
wurde, bedauerten die Franzosen, dass Deutschland in seiner Grundstruktur unangetastet
blieb.
Inhalt in teilweise abgewandelter Form nach: Geschichte und Geschehen Themenheft: Friedensmodelle und Friedensverträge,
S. 39-43Klett Verlag Stuttgart, 2006
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