Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PDF-Datei

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ZUM THEMA
__ Ätiologie und Pathophysiologie
__ Klinik und Diagnostik
__ Therapie und Prognose
Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine seltene erworbene klonale Erkran­kung der
hämatopoetischen Stammzelle(n). Die klinische Präsentation ist gekennzeichnet durch eine Trias aus hämoly­
tischer Anämie, Thrombophilie und Zytopenie. Ausprägung und Kombination dieser Symptome variieren
jedoch interindividuell, aber auch im zeitlichen Verlauf der Erkrankung. So können schwerwiegende thromb­
embolische Komplikationen im Vordergrund stehen, oder aber eine chronische Hämolyse mit rezidivierenden
hämolytischen Krisen und Transfusionsbedarf. In der Regel findet sich ein chronischer Krankheitsverlauf. Als
Ursache liegt eine Mutation zugrunde mit dem daraus resultierenden Fehlen des Glykosylphosphatidylinositol
(GPI)-Ankers und entsprechend GPI-verankerter Proteine auf der Oberfläche der betroffenen Zellen. Die
Prävalenz beträgt bis zu 15,9/1.000.000 bei einer Inzidenz von ca. 1,3/1.000.000 mit einem ausgeglichenen
Geschlechterverhältnis. Das mediane Lebensalter zum Zeitpunkt der Erstdiagnose liegt bei Anfang 30 [1, 2].
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)
Leitliniengerechte Diagnostik und Therapie
D
as Krankheitsbild der PNH wurde erstmals im Jahr 1882 von dem
Greifswalder Mediziner Paul Strübing detailliert in der Deutschen Medizinischen
Wochenschrift beschrieben [3]. 1911 berichteten dann auch Marchiafava und später Micheli über diese Form der hämolytischen Anämie mit der charakteristischen
Hämoglobinurie [4, 5]. Synonym wird die
PNH so auch als Strübing-MarchiafavaMicheli-Syndrom bezeichnet [6]
Ätiologie und Pathophysiologie
Der PNH liegt pathophysiologisch eine
erworbene Mutation des PIG (Phosphatidyl-Inositol-Glykan)-A-Gens auf dem
X-Chromosom einer oder mehrerer pluripotenter, hämatopoetischer Stammzellen
zugrunde [7]. Als Folge der Mutation(en)
fehlen der GlykosylphosphatidylinositolAnker (GPI-Anker) und GPI-verankerte
Oberflächenproteine auf der Zellmembran betroffener Zellen (Abb. 1) [8]. Hiervon sind meist nicht alle Stammzellen betroffen, und es liegt somit im Knochenmark eine Mosaiksituation vor mit unterschiedlichen Anteilen von PNH- (PNHKlongröße) und normalen Stammzellen.
Man vermutet, dass es durch einen Autoimmunmechanismus analog zur aplasti-
schen Anämie (AA) zu einer Depletion
der normalen GPI-positiven Stammzellen zugunsten der GPI-defizienten PNHStammzellen kommt. Zusätzlich führen
weitere neue genetische Veränderungen zu
einem intrinsischen Wachstumsvorteil der
PNH-Stammzellen und einer fortschreitenden klonalen Evolution [9, 10, 11].
Die Konsequenz der vollständigen
oder je nach Mutation auch nur teilweisen GPI-Defizienz ist das Fehlen von
u. a. GPI-verankerter komplementregulierender Proteine wie CD55 („decay accelerating factor“, DAF) und insbesondere CD59 („membrane inhibitor of reactive lysis“, MIRL) auf der Zelloberfläche aller Zellreihen [10, 12, 13]. PNH-Erythrozyten werden dann durch eine unkontrollierte Aktivierung des Komplementsystems mit der Ausbildung des Membran­
angriffskomplexes (MAC) der terminalen
Komplementstrecke zerstört [14].
Hierdurch kommt es zu einer Freisetzung von Hämoglobin und des Enzyms
Arginase aus dem Erythrozyten in den intravasalen Raum. Eine Erschöpfung von
Haptoglobin und Hämopexin bei der Bindung des freien Hämoglobins führt durch
eine Methämo­g lobinbildung zum Verbrauch von Stickstoffmonoxid (NO). Weiterhin vermindert die freigesetzte Arginase enzymatisch L-Arginin, das wiederum ein Substrat für die Bildung von NO
darstellt.
NH2
GPI-verankertes Protein (z.B. CD14,
CD16, CD24, CD48, CD52, CD55 (DAF),
CD58, CD59 (MIRL), CD66b, CD73,
CD87, CD90, CD108, CD109, CD157)
Ethanolamin
Glykan
N-Acetylglucosamintransferase
(PIG-A-Protein)
Glucosamin
PIPL-D
P
PIPL-C
Zellmembran
Fettsäuren
PIG-A Protein=Phosphatidyl-Inositol-Glykan-A-Protein; GPI=Glykosylphosphatidylinositol; PIPL=Phosphoinositol-spezifische Phospholipase; MIRL=membrane
inhibitor of reactive lysis; DAF=decay accelerating factor
8 Abbildung 1: Struktur des GPI-Ankers und
dessen Veränderung bei PNH: Durch eine Mutation des Phosphatidyl-Inositol-Glykan-A-Proteins ist bei der PNH der erste Schritt in der Synthese des GPI-Ankers gestört. Als Folge kommt
es zum teilweisen oder vollständigen Fehlen des
GPI-Ankers und entsprechend GPI-verankerter
Oberflächenproteine (modifiziert nach [8]).
Die resultierende Depletion von NO ist
entscheidend verantwortlich für die glattmuskuläre Dystonie, Endotheldysfunktion
und Thrombophilie. Diese verursachen
wiederum die relevanten morbiditäts- und
mortalitätsbestimmenden Symptome und
Komplikationen der PNH (Abb. 2) [15].
Klinik
Eine Coombs-negative Hämolyse ist Folge der oben dargestellten Pathophysio Springer Medizin | Information für Onkologen
1
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Abbau in der Leber
Hämeisen
PhosphatidylserinFreisetzung
Hämopexin/Haptoglobin
Aktivierung der Gerinnung
Met-Hb
intravaskuläre
Hämolyse
Aktivierung der Thrombozyten
Hb
Aktivierung des Gewebefaktors
NO3–
LDH
Bildung von Thrombin und Fibrin
StickstoffmonoxidSynthase
LDH
ONOO –
NO
L-Arginin
Thrombose
verminderte
NO-Bioaktivität
L-Citrullin
Arginase
O2• –
Ornithin
Xanthin
Oxidase
XO
NADPH
Ox
beeinträchtigte Tonus-Regulation
der glatten Muskulatur
NADPH
Oxidase
Dystonien der glatten Muskulatur
Hb: Hämoglobin
Met-Hb: Methämoglobin
LDH: Laktatdehydrogenase
Gefäßkonstriktion
pulmonale und systemische Hypertonie
erektile Dysfunktion
eingeschränkte Nierenfunktion
gastrointestinale Krämpfe
Dysphagie
abdominelle Schmerzen/Krämpfe
8 Abbildung 2: Pathophysiologie der PNH: Pathophysiologisch steht bei der PNH die intravasale
Hämolyse der PNH-Erythrozyten mit der daraus resultierenden Reduktion der Verfügbarkeit von
Stickstoffmonoxid mit allen möglichen Konsequenzen im Vordergrund (modifiziert nach [15])
logie und ein Leitsymptom der PNH.
Die namensgebende Hämoglobinurie ist
zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nur bei
ca. 26 % der PNH-Patienten nachweisbar [16]. Ggf. kann aber eine Hämosiderinurie im Urinsediment als Zeichen
der stattgehabten Hämoglobinurie längerfristig nachweisbar sein und diagnostisch genutzt werden. Die komplementvermittelte intravasale Hämolyse läuft aber
A
chronisch ab (d. h. nicht nur paroxysmal)
und eine Beziehung zum Tag-Nacht-Rhythmus besteht daher nicht. Die morgendliche
Hämoglobinurie ist lediglich Folge der
Konzentration des Morgenurins und der
Stärke der Hämolyse, die wiederum durch
die PNH-Klongröße und durch etwaige hämolytische Krisen bestimmt wird. Klinisch
finden sich als weitere Folgen der chronischen intravasalen Hämolyse Fa­tigue, Dys-
B
8 Abbildung 3: Thrombophilie bei PNH: Wie hier dargestellt, können Thrombosen an unterschiedlichen Lokalisationen sowohl arteriell als auch venös auftreten: (A) lakunärer Thalamusinfarkt links; (B) Pfortaderthrombose. Beide Ereignisse waren bei dem dargestellten Patienten vor
der Erstdiagnose PNH aufgetreten (mit freundlicher Genehmigung von A. Röth, Essen).
2
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phagie, abdominelle Krisen, erektile Dysfunktion, pulmonale Hypertonie, Nierenkomplikationen, Thrombosen und eine relevante Anämie mit Transfusionsbedarf.
Die Thrombophilie mit der Entwicklung von thrombembolischen Ereignissen stellt die relevanteste klinische Komplikation der PNH dar und bestimmt wesentlich die Morbidität und Mortalität dieser Erkrankung. Das relative Risiko für die
Entwicklung einer Thrombose ist bis um
das 62-fache gesteigert [17] und betrifft
bis zu 44 % aller PNH-Patienten im Verlauf der Erkrankung [18, 19]. Bei ca. 21 %
aller Patienten treten Thrombosen vor der
eigentlichen Diagnosestellung der PNH
auf und Thrombosen sind verantwortlich für 40–67 % aller PNH-assoziierter
Todesfälle [19, 20]. Thromb­embolische
Komplikationen können sowohl im venösen als auch im arteriellen Gefäßsystem in typischer und atypischer Lokalisation (abdominell, insbesondere hepatisch
oder auch zerebral) auftreten (Abb. 3). Im
Gegensatz zu früheren Annahmen können Thrombosen auch bei kleiner PNHKlon­größe entstehen [18, 21, 22]. Mögliche prädiktive Symptome oder Laborparameter für das Auftreten von Thromboembolien sind u. a. abdominelle und thorakale Schmerzen, Dyspnoe, ein erhöhter Laktatdehydrogenase (LDH)-Wert (≥1,5-fach
oberhalb des Normbereichs bei Diagnosestellung) und eine eingeschränkte Nierenfunktion [18].
Klinisch und pathophysiologisch besteht eine enge Beziehung der PNH zur
aplastischen Anämie (AA). So weisen viele Patienten mit einer aplastischen Anämie (bis zu 70 %) einen nachweisbaren,
aber oft sehr kleinen PNH-Klon auf [23].
Einige Patienten mit AA (10–20 %) entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine klinisch manifeste PNH, aber auch bei PNHPatienten kann das Vollbild einer aplastischen Anämie auftreten (ca. 20 % in 10
Jahren) [24].
Intermittierende abdominelle Schmerz­
krisen, Dysphagien durch Ösophagusspasmen, Rückenschmerzen, Übelkeit, Thoraxschmerzen, aber auch erektile Dys-
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Seitwärtsstreulicht INT LIN
A 1.023
G1
G2
G3
G4
CD14 PC5
102
Monozyten
3,6 %
G1
0,1 %
102
10–1
10–1
103
2
G3
97,3 %
10–1
10–1
G4
1,0 %
100
101
FLAER Alexa
102
102
0,0 %
E2
0,2 %
E3
E4
92,9 %
103
10
101
F3
F4
1,6 %
100 95,1 %
103
101
FLAER Alexa
Lymphozyten
2
10
101
100
103 E1
F2
2,9 %
0,3 %
2
100
Monozyten
103 F1
G1
1,5 %
CD14 PC5
10
101
CD33 PE
Granulozyten
CD14 PC5
103
100
101
100
Lymphozyten
23,5 %
0
10–1
CD14 PC5
B 103
Granulozyten
69,1 %
10–1
10–1
100
101
FLAER Alexa
102
101
100 6,9 %
103
10–1
10–1
100
101
FLAER Alexa
102
103
8 Abbildung 4: PNH-Diagnostik mittels Durchflusszytometrie (FLAER): (A) Beispiel der PNH-Diagnostik mittels Durchflusszytometrie mit Einsatz von FLAER: Die PNH-Klongröße beträgt ca. 97,3 % (Granulozyten, FLAER), die Monozyten liegen bei ca. 95,1 % und typischerweise findet
sich ein kleiner Anteil von PNH-Lymphozyten (ca. 6,9 %). Mittels FLAER können insbesondere bei Patienten mit aplastischer Anämie sehr kleine
Klone (<1 %) sehr gut identifiziert werden (B; mit freundlicher Genehmigung von U. Schmücker, Essen)
funktion bei männlichen PNH-Patienten
sind weitere relevante Folgen der NO-Depletion und können insbesondere bei hämolytischen Krisen verstärkt auftreten
[22]. Es findet sich eine Beeinträchtigung
der Nierenfunktion bei bis zu zwei Drittel aller PNH-Patienten [25]. Ursächlich
liegt hier zum einen eine reversible Perfusionseinschränkung vor, die durch einen
Vasospasmus der Vasa afferentia als Zeichen eines NO-Mangels bedingt wird,
zum anderen aber auch eine Schädigung
durch eine chronische Hämosiderinablagerung und mikrovaskuläre Thrombosen.
Durch den hämolysebedingten NO-Mangel kommt es auch zu einer relevanten pulmonalen Hypertonie, die unabhängig von
einer Anämie zu Dyspnoe führen kann.
Parallel hierzu können auch rezidivierende Thromboembolien eine Rolle spielen.
Diagnostik
Die Diagnose der PNH ist oft schwierig,
da sich die initiale Symptomatik wie aufgeführt oft vielgestaltig darstellt und im Verlauf variiert. Die PNH wird deshalb auch
zu Recht als das „Chamäleon der Inneren Medizin“ bezeichnet. Als Methode der
Wahl hat sich die Durchflusszytometrie
einer peripheren Blutprobe etabliert [26].
Der Säurehämolysetest nach Ham (HamTest), der Zuckerwassertest oder der
PNH-Gelkartentest sind heute aufgrund
von Sensitivität und Spezifität als obsolet
zu betrachten. Mittels Durchflusszytometrie kann man das Fehlen GPI-verankerter
Oberflächenproteine oder das Fehlen des
GPI-Ankers selbst auf unterschiedlichen
hämatopoetischen Zellreihen nachweisen.
Mindestanforderung für die sichere Diagnose PNH ist das Fehlen von mindestens
2 verschiedenen GPI-verankerten Proteinen auf mindestens 2 verschiedenen Zellreihen. Hierdurch soll das isolierte Fehlen
bzw. Mutationen einzelner GPI-verankerter Oberflächenproteine differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden.
Ein neuer diagnostischer Ansatzpunkt
ist der Einsatz von FLAER („fluores­ceinlabeled proaerolysin“), einem modifizierten und fluorochrommarkierten Bakterienprotein, das direkt an den GPI-Anker
binden kann. Der Anteil des PNH-Klons
an der Gesamthämatopoese (PNH-Klon­
größe) kann aufgrund der kurzen Zeitdauer der Granulopoese am besten anhand
des Anteils GPI-defizienter PNH-Granulozyten abgeschätzt werden (Abb. 4). Die
Indikationen zur Durchführung der PNHDiagnostik sind in Tabelle 1 [27] aufgeführt. Die Diagnostik sollte in Abhängigkeit vom Befund und der Klinik im Verlauf wiederholt werden: in den ersten 2
Jahren nach Erstdiagnose im Abstand von
6 Monaten und bei stabilem Verlauf dann
jährlich. Insbesondere bei Änderungen
der klinischen Symptomatik sollte aber
eine erneute Verlaufskontrolle erfolgen
[27]. Weitere Empfehlungen zur relevanten Diagnostik der PNH sind in Tabelle 2
[27] aufgeführt.
Leitliniengerechte Therapie
und Prognose
Die therapeutischen Maßnahmen richten
sich nach den relevanten klinischen Problemen. Bei führender Aplasie steht die
Therapie der aplastischen Anämie mit
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3
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einer immunsuppressiven Therapie mit
Cyclosporin (CSA) und ggfs. Antithymozytenglobulin vom Pferd (hATG) oder
eine Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation im Vordergrund [28]. Bei symptomatischer Hämolyse stellt die Inhibition des terminalen Komplementsytems
mit dem humanisierten monoklonalen
Anti-C5-Antikörper Eculizumab (Soliris®)
die Therapie der Wahl dar. In kontrollierten klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass Eculizumab signifikant zu einer
Reduktion der hämolytischen Aktivität,
des Transfusionsbedarfs und der renalen
Komplikation sowie zu einer Verbesserung der Anämie, der Fatigue und der pulmonalen Hypertonie führt sowie das Risiko für thrombembolische Ereignisse wesentlich reduziert [20, 25, 29, 30, 31]. Weiterhin resultiert eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität und eine fast vollständige Normalisierung des Überlebens
der behandelten PNH-Patienten [32, 33].
Voraussetzung für eine Therapie mit
Eculizumab ist die Durchführung einer
Meningokokken-Schutzimpfung mindestens 2 Wochen vor dem geplanten Therapiebeginn. Aktuell wird eine Impfung mit
einem tetravalenten Konjugatimpfstoff
gegen die Serogruppen A, C, W-135, Y
und B empfohlen, die nach den geltenden
medizinischen Impfrichtlinien wiederholt
werden sollte. Patienten, die früher als 2
Wochen nach der Meningokokkenschutzimpfung mit Eculizumab behandelt werden, müssen bis 2 Wochen nach der Impfung eine geeignete Antibiotikaprophylaxe erhalten.
Die Therapie erfolgt zunächst durch
eine intravenöse Gabe von 600 mg Eculizumab wöchentlich für 4 Gaben gefolgt
von einer Erhaltungstherapie mit 900 mg
alle 2 Wochen. In dringlichen Situationen, wie z. B. neu aufgetretene Thrombosen, sollten die Impfungen und der Therapiebeginn parallel zu einer antibiotischen Prophylaxe (z. B. Ciprofloxacin
500 mg 1-0-0) erfolgen. Nach den Empfehlungen der Leitlinie wird eine Behandlung mit Eculizumab für symptomatische
PNH-Patienten empfohlen mit z. B. hämo4
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Tabelle 1 Indikationen zur Durchführung der durchflusszytometrischen PNH-Diagnostik (modifiziert nach [27]
F
Hämoglobin- oder Hämosiderinurie, Haptoglobin nicht
Intravasale Hämolyse
nachweisbar, erhöhtes freies Plasmahämoglobin
F
erworbene, Coombs-negative Hämolyse
(insbesondere mit einem Eisenmangel)
PNH-assoziierte
Erkrankungen
Faplastische Anämie
F
Niedrigrisiko-MDS (myelodysplastisches Syndrom)
Thrombosen unklarer
Ätiologie
F
Thrombosen insbesondere in „atypischer“ Lokalisation:
Budd-Chiari-Syndrom, Sinusvenenthrombose, Mesenterial-, Pfortader- oder Milzvenenthrombosen,
Hautvenenthrombosen
F
Thrombosen in Verbindung mit Hämolyse
und/oder Eisenmangel oder Zytopenie
F
Thrombosen unabhängig von der Lokalisation,
auch arteriell bei fehlenden Risikofaktoren
Unklare bzw. therapierefraktäre F
insbesondere mit Zeichen einer Hämolyse
Eisenmangelanämie
oder Zytopenie
Rezidivierende abdominelle
Schmerzkrisen oder Dysphagie
F
insbesondere mit Zeichen einer Hämolyse
oder Zytopenie
Tabelle 2 Empfehlung zur Diagnostik der PNH (modifiziert nach [27])
Anamnese und
klinische Untersuchung
F
ausführliche Familien-/Eigenanamnese
F
Eigenanamnese einschließlich gezielter Befragung zu
PNH-typischen Symptomen
Fkörperliche Untersuchung
F
sonographische Untersuchung
(Oberbauchsonographie einschließlich Duplexsonographie)
Blut- und Laborparameter F
Blutbild mit Differenzialblutbild und Retikulo­zytenzählung
F
Erythrozytenmorphologie (vor allem wichtig zum Ausschluss
von Fragmentozyten in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung der PNH zu mikroangiopathischen Hämolysen)
F
Hämolyse-Parameter:
Obligat: LDH, Bilirubin gesamt, Bilirubin direkt, Haptoglobin,
Hämopexin, Harnstatus mit Nachweis von Hämoglobin Fakultativ: freies Hämoglobin im Serum, Hämosiderin im Urin
F
direkter Antiglobulin-Test (DAT), Blutgruppe
F
durchflusszytometrische PNH-Diagnostik
F
Knochenmarkdiagnostik mit Zytologie, Zyto­genetik und
Histologie, wenn gleichzeitig eine Zytopenie eines solchen
Ausmaßes besteht, dass der Verdacht auf eine PNH im Kontext einer anderen hämatologischen Erkrankung (v. a. aplastische
Anämie, myelodysplastisches Syndrom) besteht.
lysebedingtem Transfusionsbedarf (nicht
durch Zytopenie), stattgehabten thrombembolischen Ereignissen, PNH-assoziierter Niereninsuffizienz (Niereninsuffizienz und akutes Nierenversagen), abdominellen Schmerzkrisen/Dysphagien und
anderen schwerwiegenden PNH-bedingten Komplikationen. Auch bei PNH-Pa-
tienten mit manifester Hämolyse, die für
eine längere Zeit in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wäre die Einleitung einer
Therapie mit Eculizumab zu diskutieren,
um das erhöhte Thromboserisiko trotz
einer adäquaten Antikoagulation abzuwenden [27]. Eine besondere Herausforderung ist die Behandlung von PNH-Pa-
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paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
hämolytisch
aplastisch
asymptomatisch
symptomatisch
Leitlinie
aplastische
Anämie
w&w
hämolytische
Krise
chronische
Hämolyse
Thromboembolie
supportive Therapie,
primärprophylaktische
Antikoagulation
erwägen
supportive
Therapie
supportive
Therapie
supportive
Therapie,
Antikoagulation
und
und
und
Eculizumab
w & w: watchful waiting
8 Abbildung 5: Therapiealgorithmus der PNH: Aktueller Algorithmus für die Therapie von
Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (modifiziert nach [27, 28]).
tientinnen in der Schwangerschaft. Daher
empfiehlt die Leitlinie, dass „eine laufende Therapie mit Eculizumab bei Diagnose einer Schwangerschaft nicht unterbro-
chen werden sollte. Bei Schwangerschaftswunsch von PNH-Patientinnen sollte
unter Abwägung aller Risiken und Komplikationen individuell eine Therapie mit
1995
2011
100
80
60
40
20
0
n=80
0
A
Kontrollgruppe (angepasst in Alter und Geschlecht)
PNH-Patienten unter Eculizumab-Therapie
überlebende Patienten (%)
überlebende Patienten (%)
Kontrollgruppe (angepasst in Alter und Geschlecht)
PNH-Patienten
5
10
15
20
Zeit nach Erstdiagnose (Jahre)
25
100
p=0,46
80
n=79
60
40
20
0
0
1
2
3
4
5
6
Zeit (Jahre)
B
2012
80
n=153
Hazard Ratio=2,24
p=0,013
20
0
0
2
C
Riskopatienten
153
93
4
6
Zeit (Jahre)
8
45
12
43
9
PNH-Patienten unter Eculizumab-Therapie
überlebende Patienten (%)
überlebende Patienten (%)
100
40
8
2013
Kontrollgruppe (angepasst in Alter und Geschlecht)
PNH-Patienten unter Eculizumab-Therapie
60
7
10
D
100
80
60
40
20
0
zensiert
0
1
2
3
Zeit (Jahre)
4
5
8 Abbildung 6: Verbesserung des Überlebens von PNH-Patienten unter einer Eculizumab-
Therapie: Historisch betrug das mediane Überleben von PNH-Patienten nach Erstdiagnose
ohne eine zielgerichtete Therapie 10–15 Jahre (A). Unter einer chronischen Therapie mit Eculizumab konnte in verschiedenen Kollektiven eine fast vollständige Normalisierung des Überlebens erreicht werden (B–C; (modifiziert nach [19, 32, 33, 40])
Eculizumab erwogen werden.“ Die genauen Empfehlungen finden Sie unter: http://
www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/leitlinien/paroxysmale-naechtliche-haemoglobinurie-pnh [27].
Da die Einschätzung der klinischen
Symptomatik einzelner Patienten oft nicht
einfach ist, wird eine Vorstellung an einem
ausgewiesenen Zentrum für PNH empfohlen. Aufgrund des erhöhten Risikos
für eine Meningokokkeninfektion unter
der Therapie mit Eculizumab (ca. 0,48/100
Patiententherapiejahre) trotz einer Impfung muss der Patient auf relevante Symptome einer Meningokokkeninfektion im
Rahmen des Risikoprogamms (Notfallausweis) hingewiesen werden. Bei Hinweisen auf eine Meningokokkeninfektion
sollte eine Stand-by-Prophylaxe mit einem
wirksamen Antibiotikum (z. B. 750 mg Ciprofloxacin) und die umgehende Vorstellung und Abklärung bei einem Arzt erfolgen [34].
Darüber hinaus sind die allgemeinen
supportiven Maßnahmen zu berücksichtigen: Substitution von Erythrozytenkonzentraten nach Klinik (gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind nicht notwendig!), Gabe von Folsäure (1–5 mg/Tag
p. o.), ggf. auch Vitamin B12 bei einem
Mangel und eine orale Eisengabe bei
Eisenmangel. Bakterielle Infektionen sollten frühzeitig und konsequent antibiotisch
behandelt werden, um hämolytische Krisen zu verhindern. Im Rahmen von hämolytischen Krisen sollte immer auch für
eine ausreichende Hydratation gesorgt
und konsequent eine Thromboseprophylaxe durchgeführt werden. Eine Therapie
mit Steroiden ist (insbesondere als Dauertherapie) nicht indiziert. Ebenso ist eine
immunsuppressive Therapie zur alleinigen
Behandlung der Hämolyse nicht sinnvoll.
Bei akuten thrombembolischen Ereignissen sollte akut aufgrund des hohen Risikos für simultane oder RezidivThrombosen, eine Therapie mit Eculizumab zusammen mit einer Antikoagulation (z. B. mit einem Heparin) eingeleitet
werden. Je nach Lokalisation der Thrombose kann auch eine Lyse­therapie erwo Springer Medizin | Information für Onkologen
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gen werden [35]. Heparine sind bei der
PNH nicht kontraindiziert und können
sicher eingesetzt werden. Eine längerfristige Antikoagulation sollte je nach Lokalisation der stattgehabten Thrombose erfolgen. Eine primärprophylaktische Antikoagulation kann bei Patienten diskutiert werden, bei denen keine Indikation
zur Einleitung einer Therapie mit Eculizumab besteht. Hierbei sind auch etwaige zusätzliche thrombophile Risikofaktoren und Thrombozytenwerte zu berücksichtigen. Die allogene Stammzelltransplantation ist die einzige potenziell kurative Therapie der PNH. Historisch ist diese
jedoch mit einer hohen transplantationsassoziierten Morbidität und Mortalität assoziiert [36, 37, 38, 39].
Nach der aktuellen Leitlinie sind Indikationen für eine Stammzelltransplantation sekundäres Knochenmarkversagen
bei schwerer aplastischer Anämie, Übergang in ein myelodysplastisches Syndrom
(MDS) oder eine akute myeloische Leukämie (AML) sowie rezidivierende thrombembolische Komplikationen trotz einer
effektiven Therapie mit Eculizumab und
laufender Antikoagulation [27]. Der aktuelle Therapiealgorithmus ist in Abb. 5 dargestellt [27].
Patienten mit PNH sollten aufgrund
der Seltenheit der Erkrankung möglichst
im Internationalen PNH-Register erfasst werden (www.pnhregistry.com). Das
Internationale PNH-Register ist eine Beobachtungsstudie, die Daten zum klinischen Verlauf, Therapien und Lebens-
6
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qualität bei Patienten mit PNH-Klonen
erfasst und auswertet [22]. Die PNH war
aufgrund der oben aufgeführten thrombembolischen und renalen Komplikationen historisch mit einer schlechten Prognose assoziiert. Das mediane Überleben
nach Erstdiagnose lag bei ca. 10–15 Jahren. Durch den Einsatz von Eculizumab in
den aufgeführten Indikationen konnte das
Überleben der PNH-Patienten nun annähernd normalisiert werden (Abb. 6) [19,
32, 33, 40].
1
Literatur
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I N F O R M AT I O N F Ü R O N K O LO G E N
Soliris 300 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Wirkstoff: Eculizumab. Wirkstoffgruppe Selektive Immunsuppressiva, ATC-Code:
L04AA25. Zusammensetzung: Arzneilich wirksame Bestandteile: Eine Durchstechflasche mit 30 ml enthält 300 mg Eculizumab (10 mg/ml). Sonstige Bestandteile: Natriumphosphat monobasisch, Natriumphosphat dibasisch, Natriumchlorid, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiet:
Behandlung von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen mit Paroxysmaler Nächtlicher Hämoglobinurie (PNH), atypischem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (aHUS). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Eculizumab, murine Proteine oder sonstige Bestandteile. Nicht ausgeheilte Infektion mit Neisseria
meningitidis. Fehlender aktueller Impfschutz gegen Neisseria meningitidis (es sei denn, die Patienten erhalten eine geeignete Antibiotikaprophylaxe bis zwei
Wochen nach der Impfung). Nebenwirkungen: Sehr häufig (≥1/10): Kopfschmerzen, Häufig (≥1/100,<1/10): Meningokokken-Sepsis, Aspergillus-Infektion,
bakterielle Arthritis, Infektion der oberen Atemwege, Nasopharyngitis, Bronchitis, Herpesinfektion (oral), Harnwegsinfektion, Virusinfektion, Thrombozytopenie, Leukopenie, Hämolyse, anaphylaktische Reaktion, Appetitverlust, Schwindelgefühl, Dysgeusie, Hypotonie, Atemnot, Husten, verstopfte Nase, Pharynx-,
Larynxschmerzen, Rhinorrhoe, Diarrhoe, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Obstipation, Dyspepsie, Hautausschlag, Alopezie, Pruritus, Arthralgie, Myalgie, Muskelkrämpfe, Knochenschmerzen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Schmerzen in Extremitäten, Ödeme, Thorax-Beschwerden, Fieber, Schüttelfrost, Fatigue, Asthenie, grippeähnliche Erkrankung, Coombs-Test positiv. Gelegentlich (≥1/1000, <1/100): Meningokokken- Meningitis, Neisseria-Infektion,
Sepsis, septischer Schock, Pneumonie, Infektion der unteren Atemwege, Pilzinfektion, Haemophilus influenzae-Infektion, Abszess, Zellulitis, Influenza, gastrointestinale Infektion, Zystitis, Zahnfleischentzündung, Infektion, Sinusitis, Zahnentzündung, Impetigo, Malignes Melanom, Myelodysplastisches Syndrom,
Koagulopathie, Erythrozyten-Agglutination, abnormer Gerinnungsfaktor, Anämie, Lymphopenie, Hypersensitivität, Morbus Basedow, Anorexie, Depression,
Angst, Insomnie, Schlafstörungen, Alpträume, Stimmungsschwankungen, Synkopen, Tremor, Parästhesie, verschwommenes Sehen, Bindehautreizung, Tinnitus, Vertigo, Palpitation, progressive Hypertonie, Hypertonie, Hämatom, Hitzewallungen, Venenerkrankung, Nasenbluten, Rachenreizung, Peritonitis,
gastro-ösophagealer Reflux, abdominales Spannungsgefühl, Schmerzen des Zahnfleisches, Ikterus, Urtikaria, Dermatitis, Erythem, Petechien, Pigmentstörung
der Haut, trockene Haut, Hyperhidrose, Trismus, Gelenkschwellung, Nierenschädigung, Hämaturie, Dysurie, Spontanerektion, Menstruationsbeschwerden,
Schmerzen im Brustraum, Parästhesie an der Infusionsstelle, Schmerz an der Infusionsstelle, Extravasat, Wärmegefühl, Alanin-Aminotransferase erhöht,
Aspartat-Aminotransferase erhöht, γ-Glutamyltransferase erhöht, Hämatokrit erniedrigt, Hämoglobin erniedrigt, infusionsbedingte Reaktion. Warnhinweise
und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen: Siehe veröffentlichte Fachinformation. Schwangerschaft/Stillzeit: Während der Schwangerschaft nicht empfohlen. Während der Behandlung nicht stillen. Weitere Informationen in der
veröffentlichten Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Rezept-/Apothekenpflichtig. Zulassungsinhaber: Alexion Europe SAS, 1-15, avenue Edouard
Belin, 92500 Rueil-Malmaison, Frankreich. Örtlicher Vertreter: Deutschland/Österreich: Alexion Pharma Germany GmbH, Arnulfstr. 19, 80335 München.
Stand der Information: September 2015
Springer Medizin | Information für Onkologen
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I N F O R M AT I O N F Ü R O N K O LO G E N
Paroxysmale nächtliche
Hämoglobinurie (PNH)
Literaturarbeit
Autor:
PD Dr. Alexander Röth, Ambulanz für PNH
und AA, Klinik für Hämatologie, Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Universitätsklinikum Essen (AöR)
Redaktion:
Dr. Tobias Berenz
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Leitung Corporate Publishing:
Ulrike Hafner (verantwortlich)
Mit freundlicher Unterstützung der
Alexion Pharma Germany GmbH, München
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Layout:
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DE/AT/SOL-PNH/16/0047
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