Total Quality Management in Redaktionen Eignet sich das TQM-Modell für Redaktionen? Autor: Christoph Grundig, CMM Datum: 11. April 2010 “Quality is everyone’s responsibility.“ (W. Edwards Deming) Seite 1 Inhalt 1. Einleitung .......................................................................................................... 3 2. Das Total Quality Management Modell .......................................................... 5 2.1 Der Grundgedanke 2.2 Ziele 2.3 Umsetzung 2.4 Vor- und Nachteile 3. Total Quality Management in Redaktionen.................................................... 7 3.1 Übertragung des Modells und Umsetzung .............................................. 8 3.2 Problemfelder ............................................................................................. 9 3.3 Lösungsansätze ....................................................................................... 10 4. Fazit und Schlussbemerkung ....................................................................... 11 5. Literatur........................................................................................................... 12 Seite 2 1. Einleitung Große Veränderungen auf globaler und regionaler Basis sind im Gange. Viele dieser Veränderungen betreffen auch die Medienmärkte und erzwingen neues Denken und Handeln in den Verlagen und Redaktionen. Das Tempo im Wettbewerb hat sich durch technologische Neuentwicklungen, insbesondere dem Internet, stark beschleunigt. ITAnbieter wie Google, drängen zunehmend in die Märkte der Medienkonzerne ein und verändern auf drastische Art und Weise die Wettbewerbsbedingungen und Verteilungen der Marktanteile. Adwords übernimmt große Teile der Einkünfte aus der Nischenwerbung und lässt die Einkünfte der Verlage aus der Werbung sinken. Tiefgreifende Veränderungen brachten auch die Web-Blogs, die seit Mitte der 90er- Jahre weltweit immer mehr Anhänger finden. Ursprünglich als Online-Tagebücher verstanden, kehren Sie zunehmend das Machtverhältnis zwischen Redaktionen und Rezipienten um. Traditionell gaben die Medienschaffenden die Themenagenda vor. Dank der rasanten Verbreitung des Internets und zunehmend aktiver Partizipation der Rezipienten verändert sich diese Hierarchie zugunsten der Nutzer. Des Weiteren führt dieser Trend zu einer immer stärker einsetzenden Marktfragmentierung. Nischenangebote, die für Verlage aufgrund zu kleiner Interessengruppen uninteressant waren, finden dank des Internets Nachfrager und können rentabel sein. Gerade in Deutschland zeigt sich aufgrund der schier unendlichen Anzahl unterschiedlichster Nischenangebote auf dem Print-Markt, dass fast jedes Thema seine Anhänger findet. Weil der gemeine Rezipient sich unlängst an die Gratisangebote im Netz und die sehr bequeme Informationsbeschaffung gewöhnt hat, dankt er selbst höchste Qualitätsstandards eines Produktes nicht und springt bei Unzufriedenheit in kürzester Zeit zu einer anderen Marke (hybrides Konsumentenverhalten). Dieser Trend wird durch die nach wie vor hohen Verkaufszahlen an Printmedien verzögert, wird sich angesichts der sinkenden Verkaufszahlen von Zeitungen in den nächsten Jahren aber beschleunigen. Der Medienbruch in der 90er-Generation, die primär mit E-Readern und Internet aufwachsen wird die Abwendung von klassischen Printmedien weiter fördern und die Hinwendung zum Internet beschleunigen. Einher mit dem demographischen Wandel geht die abnehmende Kontaktleistung der traditionellen Massenmedien was gezielte Werbung und die Bindung der Rezipienten an das Medium Print erschwert. Was diese Einflussfaktoren hinsichtlich der Qualität der Online- und Printmedien bedeuten, lässt sich nur grob schätzen. Deutlich wird, dass der Rezipient spätestens seit der großräumigen Verfügbarkeit des Internets und ersten Jahren der Unsicherheit im Umgang mit der aktiven Nutzung des neuen Mediums immer stärker mitbestimmt, welche Themen länger aktuell bleiben oder schnell in Vergessenheit geraten. Wenn eine Medienmarke binnen Sekunden gewechselt werden kann, die Konkurrenz nur wenige Mausklicks entfernt ist, dann entscheidet die Qualität aus Sicht des Rezipienten über Erfolg oder Misserfolg des Produktes. Seine Seite 3 Wahrnehmung von Qualität ist entscheidend. Qualität kann aus Sicht jedes einzelnen Kunden anders bewertet werden und hängt von Marktsegment und der entsprechenden Zielgruppe ab. Ein Boulevardblatt muss keine ausführlichen Hintergrundinformationen bieten, soll kurz und bündig, am besten über exklusive Themen berichten. Die Qualitätsansprüche an eine Wochenzeitung sehen anders aus. Umfangreiche Berichterstattungen mit detaillierten Hintergrundinformationen gelten als Qualitätsstandard. Wenn der Kunde im Mittelpunkt steht, die Einnahmen durch Werbung schwinden, können sich erfolgsverwöhnte Verlage nur mit innovativen Produkten und einer ständigen Qualitätssteigerung und Sicherung behaupten. Ein bewährtes Instrument ist das Modell Total Quality Management (TQM), welches in Europa von der European Foundation for Quality Management (EFQM) von dem TQM-Modell abgeleitet wurde. 2. Das Total Quality Management Modell 2.1 Der Grundgedanke Total Quality Management liegt ein kundenorientiertes, unternehmensweites und ganzheitliches Qualitätsverständnis zugrunde. Aufbau- und Ablauforganisation werden konsequent und effizient auf Qualitätsleistungen hin umgestaltet und entsprechende Koordinations-, Kontroll- und Integrationsinstrumente werden entwickelt und eingesetzt. Total Quality Management bestimmt Qualität als Aufgabe des gesamten Unternehmens und bezieht sich auf alle Aktivitäten der Wertschöpfung. Drei Kernforderungen sind besonders hervorzuheben und gleichzeitig die Grundlage des vom TQM-Modell abgeleiteten EFQM-Modells: 1. Eine kundenorientierte Ausrichtung stellt diesen in den Mittelpunkt, um eine größtmöglichste Kundenzufriedenheit zu erreichen. 2. Abteilungsübergreifendes Denken muss fest im Unternehmen verankert werden. Eine sehr zielgerichtete, auf die Ansprüche des Kunden gerichtete Marketingstrategie kann Qualitätsmängel aus Produktion und Entwicklung nicht kompensieren. Abteilungshürden gilt es abzubauen. 3. Mittels entsprechender Koordinations- und Integrationsinstrumente werden alle Mitarbeiter im Unternehmen für die Verwirklichung der Kundenorientierung eingebunden. TQM bzw. EFQM „kann dem guten Unternehmer dabei helfen, seine unternehmerischen Aufgaben besser, effizienter und überzeugender wahrzunehmen. Es wird auch die Entscheidungs-Prozesse im Unternehmen verbessernd unterstützen und sicherer machen.“ (Hans-Ulrich Frehr, Total Quality Management – Unternehmensweite Qualitätsverbesserung, 1993, S. 10). Seite 4 2.2 Ziele Eine zufriedene Kundschaft ist das oberste Ziel des Total Quality Managements. Ein Unternehmen das seine Kunden zufrieden stellen will, muss deren Anforderungen und Erwartungen kennen und die Kundenzufriedenheit regelmäßig messen. Diese Messung ist eine große Herausforderung für das Unternehmen, insbesondere dann, wenn das Unternehmen seine Kunden nicht genau kennt bzw. wenig Kontakt zum Endverbraucher der Produkte hat. Publizis‐ tisches Konzept Geschäft s‐ziel Konzept Strategie Personal Organisation Kosten Redaktio nelle Prozesse Produkti onsproz esse Mitarbeiter Zuschauer Publizis‐ tische Qualität Markt‐ erfolg Sozialbindung Abb.1: Konzept des Total Quality Management in der Medienproduktion Quelle: Redaktionsmanagement, Miriam Meckel, S. 42, Westdeutscher Verlag GmbH 2.3 Umsetzung Ist die Entscheidung gefallen, das TQM-Modell in das Unternehmen zu implementieren, müssen mehrere Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung erfüllt sein: - Ein klar gegliedertes Programm zur Orientierung für die Mitarbeiter Logisch aufeinander folgende Schritte Realistische Zeitvorgaben Konsequente Umsetzung ohne zeitliche Lücken Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen diese Grundsätze unbedingt beachtet werden. Jede weitere Verzögerung, z.B. durch unzureichende Planung sorgt für eine Abschwächung der Wirkung. Die „Einführung eines Total-Quality-Managements in ein Unternehmen beginnt immer im Kopf, also mit der Überzeugung der Unternehmensleitung, dass eine solche Strategie geeignet ist, die Zukunft des Unternehmens langfristig sichern zu helfen“ (Hans-Ulrich Frehr, Total Quality Management – Unternehmensweite Qualitätsverbesserung, 1993, S. 167). Die Schritte der Einführung gliedern sich wie folgt: 1. Erste Überlegungen (Brainstorming) 2. Besprechung mit erfahrenen Kollegen 3. Evtl. die Einschaltung eines externen Beraters zur neutralen Analyse Seite 5 Es folgt im Idealfall ein detailliertes Stufenprogramm, das in 16 Teilen gegliedert und umgesetzt wird (Hans-Ulrich Frehr, Total Quality Management – Unternehmensweite Qualitätsverbesserung, 1993, S. 168): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Die Unternehmensleitung entscheidet Eine TQM-Steuergruppe wird gebildet Ein TQM-Promoter wird festgelegt Die Qualitätspolitik wird ausgearbeitet Der Betriebsrat wird mit einbezogen Erarbeitung des Einführungsplanes Die einzelnen Führungskräfte werden eingeführt Bereichsübergreifende TQM-Schulungen der oberen Führungsebene werden initiiert 9. Start der bereichsinternen TQM-Schulung aller Führungskräfte 10. Beginn erster TQM-Aktivitiäten auf den Führungsebenen 11. Einbeziehung und Schulung aller Mitarbeiter 12. Erweiterung der TQM-Aktivitäten unter Einbeziehung aller Mitarbeiter 13. Schulung in Projektarbeit 14. Intensivierung der Schulung in der Anwendung von „Qualitätswerkzeugen“ 15. Erstes Top-Management-Audit 16. Eine fortlaufende, konsequente Informierung der Mitarbeiter Pyramide – Abszysse = Zeit Ordinate = Unternehmensebene Das unter Stufe 15. erwähnte Audit ist ein besonders wichtiges Instrument zur unternehmensinternen Evaluierung des Total Quality Managements. Ein Audit (Qualitätsaudit) wird definiert als eine „systematische und unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Anforderungen entsprechen, und ob diese Anordnungen wirkungsvoll verwirklicht und geeignet sind, die Ziele zu erreichen“ (Anette von Ahsen, Total Quality Management, 1996, S. 121). 2 weitere Audit-Typen Die externe Evaluierung bzw. die Ermittlung zu erwartender Kundenanforderungen und Erwartungen könnte wie folgt aussehen (HansUlrich Frehr, Total Quality Management – Unternehmensweite Qualitätsverbesserung, 1993, S. 197): - Direkte Befragung bekannter oder potentieller Kunden Neutrale Marktstudie auf den wichtigsten Märkten Systematisierte Auswertung von Verkaufsgesprächen, Kundenanfragen und Reklamationen Konkurrenzuntersuchungen Vorschläge aus der eigenen Organisation Eine sinnvolle Ergänzung bietet die Verwendung von Kennzahlen aus dem Customer-Relationship-Marketing. Zwei Beispiele für Kennzahlen: Seite 6 1. Weiterempfehlungsrate: Neukunden durch Weiterempfehlung / Neukunden gesamt 2. Beschwerderate: Beschwerden / Anzahl Dienstleistungen Um die Qualitätsansprüche und Erwartungen des Kunden zu Eine der wichtigsten Ermittlungswerkzeuge der Kundenzufriedenheit sind direkte Befragungen des Kunden. Das Unternehmen sollte eine Reihe an Schwerpunkten in der Befragung berücksichtigen: - Wie beurteilt der Kunde die Leistung bzw. das Produkt Wie bewertet er den Kundendienst (Service) Ist er mit der Preisgestaltung zufrieden Welche Gründe gibt es für Reklamationen Verlaufen Reklamationsabwicklungen problemlos Wie nimmt der Kunde die Werbung und das Image des Unternehmens wahr Ist der Kunde mit den Lieferzeiten bzw. der Termintreue zufrieden Seine Erwartungen Den wahrgenommenen Erwartungen Individuelles Anspruchsniveau Image des Anbieters Leistungsverspr echen des Anbieters Rotlauf Seite 102 Qualitätsmanagement von A bis Z S. 41 Seite 7 5. Literatur Hans-Ulrich Frehr, Total Quality Management – Unternehmensweite Qualitätsverbesserung, 1993 Anette von Ahsen, Total Quality Management, 1996 Miriam Meckel, Redaktionsmanagement, 1999 Vinzenz Wyss, Redaktionelles Qualitätsmanagement, 2002 Jürgen Rothlauf, Total Quality Management in Theorie und Praxis, 2. Auflage, 2004) Gerd F. Kamiske und Jörg-Peter Brauer, Qualitätsmanagement von A bis Z, 6. Auflage, 2007 Seite 8