Die Methode der Nicht-Methode Die Erweckungspraxis im Zen-Buddhismus Bernard Poirier 111 Die Methode der Nicht-Methode Praxis des Erwachens im Zen-Buddhismus I Einige buddhistische Schlüsselbegriffe 115 II Grundlegende Daseinsgesetze Buddhas 118 III Vorbemerkungen 121 IV Versenkung, w a s heißt das eigentlich? 124 V Grundsätze der buddhistischen Praxis des Erwachens, gemäß des Mahasmrityupastana Sutra 126 VI Praxis ohne ende des Erwachens ohne Anfang 128 VII Geschickte Mittel und Notbehelfe 129 VIII Wie die Beweggründe den Erlösungsweg zur Klippe machen können 132 IX Ohne Dunkelheit auch keine Helligkeit 135 X Und wie steht es nun um die Unterweisung? 137 von Mönch Dokai aus dem Französischen übersetzt von Bertrant Schütz 113 I SHIN DEN SHIN Par I'esprit (se) transmet I'esprit - au-delä du bout d'isthme Attentif, vigilant et recueilli, il observe le cours des choses, Se percevant lui-meme parmi ce peuple tremblant. Miserables humains geignant au seuil de la mort, Possedes par la soif d'illusoires destinees, que pourtant rien ne leur permet vraiment d'envisager. Tourmentes par ce qu'ils cherissent comme „mien\ I s s'agitent et s'entre-nuisent, Comme des poissons restes dans les basses-eaux laissees par un courant tari, Alors meme que les choses du monde, Ephemeres emanations de leur mutuelle dependance, NTont pas plus de substance que nuages ou reves. Sur celui qui realise ainsi Tinconsistance des choses, Avidite et convoitise n'ont plus vraiment d'emprise : Ou qu'il s e trouve sous le vaste del il ne depend de rien au monde; Aussi, indifferent envers sa propre destinee, II mene une vie denuee d'amour interesse. Dans le tumulte du quotidien, N^etant pas abuse par le nom ou la forme il agit libre de toute contrainte, Mais pour autant garde toujours intimement sa serenite: Souverain, il demeure lui-meme insoumis. A\r\s\ le disciple de Gotama experimerrte par lui-meme, La voie de cet enseignement qui ne s e f onde Ni sur la transmission d'une croyance ou d un dogme, Ni ne depend de rites ou de regies. ä Berlin, octobre 2003, inspire par l'Atthakavagga du Sutta-Nipata Die Methode der Nicht-Methode l Einige Schlusseibegriffe, v o n ihrer B e d e u t u n g i m Sanskrit her bestimmt, u n d d i e spezifische B e d e u t u n g , die sie i m B u d d h i s m u s erhalten haben. - Bodhiätta: bodhi, w a c h werden (für die letztendliche Wirklichkeit der Dinge), und citta, Geist, Bewusstsein; der G e i s t des Erwachens. -Buddha: wörtlich: der Erwachte. Häufige Bezeichnung for den Begründer der buddhistischen Tradition, also G a u t a m a , alias Sidharta, alias Shakyamuni usw - Dharma , abgeleitet v o n der Wurzel drhi, was soviel bedeutet wie tragen, halten, besitzen usw. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet es, was bewahrt oder mit Entschiedenheit festzuhalten ist, und im weiteren S i n n e Anordnung, Gesetz, Brauch, Praxis usw ; im buddhistischen Sprachgebrauch nimmt es j e n a c h Zusammenhang jeweils eine andere Bedeutung a n . Es k a n n also d e n S i n n haben v o n : 1) die Gesamtheit der grundlegenden Gesetze des Daseins, die als das universelle kosmische Gesetz aufgefasst wird, 2) die Gesamtheit oder ein Teil der Lehre dieses Gesetzes, wie sie der Buddha formuliert hat und als Ausdruck der universellen Wahrheit betrachtet wird, 3) die Manifestation dieser W a h r h e i t in der W e l t der Erscheinungsformen, und d a n n auch jede einzelne Erscheinungsform, wie sie sich im Dasein manifestiert. - Dhyana ist abgeleitet v o n der Wurzel dhi, welche Verstehen, Einsicht, wissen, Wissenschaft usw. bedeutet, aber a u c h , und vor allem im Zusammenhang, den es hier zu erörtern gilt, D e n k e n , Meditation, über die grundlegenden Gesetze des Daseins. Aus dhi wirdditya, was soviel heißt wie die Anschauung dessen, was sich dem Bewusstsein offenbart, wenn die Aufmerksamkeit a u f die grundlegenden Gesetze des Daseins gerichtet ist. Das Kompositum dkyana bedeutet d a n n die Pflege dieser Kontemplation. Die Umschrift v o n dhyana ins Chinesische ergab CK'an-TUi, vom Chinesischen ins Japanische Zen-Na, was mit Zen abgekürzt wird. - KarmcL, wörtlich : T a t , Handlung; in buddhistischer Rede handelt es sich dabei um die T a t , ihre U r s a c h e n und ihre Wirkungen. Die U r s a c h e sind die Sinnesreize und die besondere Verfassung, in der er sich befindet, die d e n Einzelnen dazu veranlassen, zu handeln. D i e Wirkungen sind die Veränderungen, welche das T u n bei d e n Lebewesen und den Dingen des Daseins verursachen. D a der Einzelne und seine Umwelt in wechselseitiger Abhängigkeit existieren, wirken sich die Veränderungen, die seine Handlungen in seiner Umwelt verursachen, auch a u f ihn aus. D a h e r die Vorstellung des Vergolten-Werdens. D a seine existentielle Situation dadurch bedingt ist, das seine eigenen Taten vergolten wurden, trägt der Einzelne die gesamte Verantwortung für sein Schicksal, und indem er sein Verhalten ausrichtet, ist es ihm gegeben, die Welt vom Unglück zu befreien, das er verursachen k a n n . Karma wird auch zu karman, was Synonym vonsrnnskara ist, und die Absicht zu handeln, das W o l l e n bedeutet. 115 B . Poirier - Karmaloka: die W e l t (loka) der Handlung (karma). S i e h e u n t e n : samsara. - Nirvana: v o n nir, Verneinung, und vana, (Wind-) H a u c h , (Strom-) Auslaufen, daher der S i n n von Aufhören, Ausloschung, usw. I n der buddhistischen Rede, die Auslöschung der drei Wurzeln des U n g l ü c k s in der W e l t - Gier, W u t und V e r b l e n d u n g - und d a s Zur-Ruhe-Kommen des W o l l e n s , das sich daraus ergibt. Es bedeutet, v o n der Determiniertheit (karma) befreit sein. „Die Leidenschaften sind die Hol&cheite, die Weisheit ist das Feuer, zusammen bereiten sie die Nahrung zu, die man nirvana nennt." M a n unterscheidet das „unbeständige nirvana» das die Frucht der Erfahrung der Weisheit im Laufe des D a s e i n s ist, u n d d a s „beständige nirwna'\ paranirvana, welches das endgültige Enden der U r s a c h e n bedeutet, das mit d e m T o d eintritt. - Nirvikalpajnana : niu Verneinung; vikaXpa: Begriff; jriano: W i s s e n Das nicht-begriffliche W i s s e n , v o n d e m gesagt wird 1) dass es sich n i c h t u m das Fehlen v o n Reflexion handelt; 2) dass es die m i t S u c h e und Urteil versehene Bereich ausschließt und übertrifft; 3) dass es sich nicht u m ein zur R u h e k o m m e n handelt, bei d e m Bewusstsein und Empfindung vernichtet sind; 4) dass es sich nicht um e i n e Materie handelt; 5) dass es nicht die Beschreibung der Wirklichkeit ist. Das dhyana ist der Träger des nicht-begrifflichen W i s s e n s . Die Transzendenzen, oder Vollkommenheiten des uneigennützigen G e b e n s (danä). der Ethik des Verhaltens (sila), der Geduld (Jcsanri) und der Beharrlichkeit (virya) treten mit ihm auf. Dieses W i s s e n wird transzendentale Weisheit g e n a n n t (prajnafxjTamiea; paramita : darüber hinaus gehen, in diesem S i n n e transzendentale). - Prajiia: Erfahrung der intuitiven Wissen. Frucht d e s Wach-Werdens (bodhiätta) für d i e Wirklichkeit d e s S o - S e i n s der D i n g e , (sunyata), und T r ä g e r d e s nirvana. - Praoyasamutpada: v o n prati, folgen, folgen aus, erwidern usw.: pratiya Bekräftigung, y Bestätigung usw.; und samutpada, hervorbringen, Erzeugnis, herstammen, g e b o r e n werden. Also : „hervorbringen der Bedingungen, gegenseitig begleitet von nächster Ursache". D i e zwölf nächsten U r s a c h e n : die Bedingung Alter und T o d besitzt als Ursache die Geburt, deren U r s a c h e d a s D a s e i n ist, dessen U r s a c h e die Empfängnis ist, deren U r s a c h e das Begehren ist, dessen U r s a c h e die Empfindung ist, deren U r s a c h e die Berührung ist, deren U r s a c h e die Sinnesorgane und deren G e g e n s t ä n d e sind, deren U r s a c h e der Körper und der G e i s t (die G e s t a l t und der N a m e ) sind, deren U r s a c h e das Bewusstsein oder Einbildungskraft ist, deren U r s a c h e das Wollen oder die Absicht ist, deren Ursache die U n k e n n t n i s des w a h r e n W e s e n s der Erscheinungen ist, oder die durch d e n Durst n a c h individueller Existenz verursachte Verblendung. Samadhi setzt sich zusammen aus dem S t a m m sam> was soviel bedeutet wie vereinen, ausgleichen, e i n e b n e n , u n d d e m Suffix adhi, das mit d e m S t a m m dhim zu t u n hat, mit der 116 Die Methode der Nicht-Methode Bedeutung achtgeben, achten. Etymologisch betrachtet bedeutetsamadhi also etwa die unerschütterliche (weil gleichmaßige) Achtsamkeit. Es ist üblich, diesen Ausdruck mit dem W o r t Konzentration wiederzugeben, doch mit diesem Begriff ist meist die Vorstellung v o n der Ausrichtung a u f einen Gegenstand verbunden. N u n stellt sich aber unerschütterliche Aufmerksamkeit eben d a n n ein, w e n n sich diese nicht a u f etwas Besonderes richtet. Anders gesagt bedeutet das, dass v o n samadhi dann die Rede sein kann, w e n n im Zustand vollkommener Achtsamkeit, die v o m Bewusstsein wahrgenommenen Erscheinungsformen nicht unbedingt zum T u n veranlassen, nicht mal zu dem, in bezug auf letztere ein begriffliches D e n k e n zu entwickeln. Sie werden zwar deutlich wahrgenommen, vereinnahmen jedoch nicht die Aufmerksamkeit; diese bleibt also gleichmäßig, nicht zerstreut. In diesem S i n n k ö n n e n wir von Sammlung des Geistes (samakitacitta) sprechen. - Samsara: D a s gewöhnliche dasein, das versinnbildlicht wird durch die Irrfahrt in den sechs Geschicken, wobei jedes von einer der drei Wurzeln des Leidens erzeugt wird. Unwissenheit oder Verblendung erzeugt das Geschick der Götter und der Menschen, Begehren oder Gier erzeugt das Geschick der Tiere und unersättlichen Geister, Hass oder W u t das der T i t a n e n und höllischen Wesen. Diese unterschiedlichen Geschicke sind kennzeichnend dafür, wie die Absichten - hervorgerufen durch die Sinnesreize, denen wir unterworfen sind - uns beherrschen. Das geht v o n der völligen Verschmelzung, wie bei d e n Höllenwesen und Titanen, bis zur mehr oder weniger überlegten Vereinigung, wie sie die M e n s c h e n und Götter vorstellen. Im Laufe unserer Wanderungen im Dasein, und j e nach unseren Verhaftungen, sterben wir unentwegt einem Geschick u n d werden in ein anderes geboren. Die erste Ursache für diese Irrfahrten ist unserer U n k e n n t n i s des wahren Wesens der Erscheinungsformen des Daseins, das darin besteht, dass sie bar jeder eigenen Substanz sind (sunyata). Für das absolute W e s e n der Erscheinungsformen des Daseins erwachen (bodhicitxa) führt zum Erlöschen der Leidenschaften (nirvana), was dem individuellen Erzeugen von Leiden in der W e l t ein E n d e setzt. Die weit verbreitete Vorstellung v o n einer Reinkarnation, die eine feinstoffliche Essenz des M e n s c h e n voraussetzt (eine Seele), die von Dasein zu Dasein wandert, ist dem Buddhismus völlig fremd; nachdem er d e n Lebewesen und den Dingen eine eigene Substanz, e i n e n eigenen W e s e n s k e r n abspricht, was könnte denn da wandern außer der Leerheit? W a s u n s allerdings überleben kann, sind die Auswirkungen, die unsere Taten möglicherweise a u f die Lebewesen und Dinge in dieser Welt nach unserem Ableben n o c h h a b e n (karma). E i n G r u n d mehr, u m unser Verhalten hienieden wachsam zu verfolgen. - SJcandha, Zusammensetzung. Bezeichet die fünf Komponenten woraus jedes Lebewesen besteht. 1) die materielle Zusammensetzung, die den Körper symbolisiert mit den fünf Sinnesorganen, sowie alles was die materielle Welt ausmacht a u f die die Sinnesorganen reagieren; 2) vier nicht-materielle Zusammensetzungen, welchen die Psyche, seine Funktionen u n d die Objekte womit diese Funktionen arbeiten symbolisieren: die Empfindung und was enpfunden wird, die Wahrnehmung und was wahrgenommen 117 B . Poirier wird, die Denktatigkeit oder der Willensakt und die Objekte worauf sie sich beziehen, und das diskriminierende Bewußtsein dessen Objekte, die drei letztgenannten Funktionen sind. - Smirti: wird im Allgemeinen mit G e d ä c h t n i s oder Aufmerksamkeit wiedergegeben; in unserem K o n t e x t bevorzuge ich das lateinische intueri, mit seiner Bedeutung v o n schauen, aufmerksam b e o b a c h t e a V o n intueri ist d a s Substantiv „Intuition** abgeleitet, u n d das intuitive W i s s e n ist in der buddhistischen Tradition gleichbedeutend mit höchster Weisheit. E s sei dabei a u f die A n a l o g i e zwischen aufmerksamem B e o b a c h t e n (smriti) und unerschütterUcher Wachsamkeit (samadhi) hingewiesen. - Sunyata: Leere, Leerheit, die Essenz aller Erscheinungen, d i e sich im D a s e i n manifestieren. D a ihre Manifestation bedingt ist durch die wechselseitige Abhängigkeit, besitzen sie keine eigene S u b s t a n z . Infolgedessen ist ihre absolute N a t u r , ihr absolutes W e s e n die Leerheit. -Sutra : wörtlich Faden, Seil, Leitfaden. Bezeichnung für einen kurzen Lehrtext, der eine große Anzahl v o n Informationen enthält, die a u f einprägsame W e i s e dargestellt werden. - Upeksaz heißt gewöhnlich Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, aushalten usw.... aber im K o n t e x t eines spirituellen W e g e s ist darunter G l e i c h m u t zu verstehen. V o l l k o m m e n e Reifung des dhyana-samadhi. II K o r p u s des g r u n d l e g e n d e n Gesetzes des Daseins, das v o m historischen B u d d h a gepredigt w u r d e , wie es i m Mahasmrityupasthana Sutra wiedergegeben w i r d . - Mahasmrityupasthana Sutra Dieses Sutra handelt v o m Bereich (upasthana) der A u s ü b u n g der aufmerksamen Beobachtung (smirti). E i n e der Predigten, die der historische B u d d h a selbst gehalten haben soll. Es wird v o n allen S c h u l e n besonders h o c h geachtet. K o r p u s des Gesetzes; - Die fünf Behinderungen der Befreiung: sinnliche Begierden; Missgunst; Faulheit - Trägheit; H o c h m u t - Unzufriedenheit; Zweifel. - Die fünf Arten, am Sein zu haften: die G e s t a l t e n ; die E m p f i n d u n g e n ; die W a h r n e h m u n g e n ; unterscheidende Bewusstsein. 118 die Verstandestätigkeit; das Die Methode der Nicht-Methode - D i e sechs inneren und die sechs äußeren DaseinsStutzen: das Auge, der Gesichtssinn, was sichtbar ist; das Ohr, der Gehörsinn, was hörbar ist; die N a s e , der Geruchssinn, was riechbar ist; die Zunge, der Geschmackssinn, was schmeckbar ist; der Körper, der Tastsinn, was tastbar ist; und schließlich das Bewusstsein.was erkennbar ist. - Die sieben Bestandteile des Erwachens: 1) die aufmerksame Beobachtung (smriti), die einhergeht mit der Erkenntnis des wirklichen So-Seins der D i n g e ; 2) die Erforschung des Gesetzes (dharmapraxdcaya), die zu seiner Erfüllung in allen seinen Spielarten fuhrt; 3) die Beharrlichkeit (virya) in der aufmerksamen Erforschung, die zur klaren Unterscheidung von Wirklichem und Illusorischem führt; 4) die Freude (prin), die man empfindet, sich ganz der Erforschung hinzugeben (sanvodhya: siehe oben unter dhyana: dkya); 5) das vertrauen (prasrabdht), die zur Verfassung dessen führt, „der getan hat, was er zu tun hatte"; 6) die unerschütterliche Wachsamkeit (samadhi), die die Gleichheit (samata) des D e n k e n s vermittelt; 7) der Gleichmut (upeksa), der es erlaubt, jeder Art von Werden gegenüber gleichgültig zu bleiben (insofern es u m die eigenen Person geht, versteht sich). - D i e vier edlen Wahrheiten: 1) die W a h r h e i t über das L e i d e n : Geburt, Altern, Krankheit, T o d , Kummer, Klage, Schmerz, Mutlosigkeit, Sorge, nicht erhalten, was man begehrt, d e m unterworfen sein, dem man abgeneigt ist, kurz, die f ü n f Arten des Haftens a m S e i n rufen Leiden hervor. 2) die W a h r h e i t über d e n Ursprung des Leidens: der Durst n a c h individuellem Dasein, der sich in der Suche n a c h eigenem Wohlbefinden mittels allerlei Genüssen und Vergnügungen äußert, sowie in den B e m ü h u n g e n , alle möglichen Unannehmlichkeiten zu vermeiden. In der buddhistischen Terminologie mit den Oberbegriffen Gier, Hass und Verblendung bezeichnet. 3) die W a h r h e i t über die Aufhebung des Leidens: n a c h d e m das Leiden v o m Durst nach individuellem Dasein verursacht wird, vermag a u c h das Individuum selbst d e m abzuhelfen. 4) die W a h r h e i t über d e n W e g , der zur Aufhebung des Leidens führt, nämlich: - D e r achtfache Pfad des W e g s d e r Befreiung: 1 samyagdrsti:, die rechte Sicht: die Erkenntnis der vier edlen Wahrheiten. ; Isamyagsamkalpa, der rechte Entschluss: Verzicht, Wohlwollen und G ü t e ; 3 samyagvac, die rechte Rede: sich enthalten, zu lügen, zu verleumden, grob zu sein u n d Belangloses daherzureden. 119 B . Poirier 4 samyagkarmanta, die rechte Handlung: zu vermeiden leben zu zerstören, das zu nehmen was einem n i c h t gegeben wird, und n a c h Sinneslust zu trachten. 5 samyagajiva, der rechte Lebensunterhalt : nichts tun, was d e n Mitmenschen schaden könnte und seinen Lebensunterhalt durch redliche Mittel bestreiten. 6 samyagvyayama, das rechte Bemühen: verhindern, dass d a s B ö s e u n d üble D i n g e geschehen, und sich bemühen, derartiges s c h o n entstandenes zu beseitigen, Gutes hervorbringen und s c h o n hervorgebrachtes fördern. 7 samyagsmriti, die rechte Aufmerksamkeit, a n dieser Stelle wird im Sutra die Einleitung wiederholt: „ Nachdem er Begehrlichkeit und Missmut in der Welt aufgegeben hat, verweilt der Mönch im Körper und achtet auf ihn mit Sorgfalt, Unterscheidungsvermögen und Aufmerksamkeit"; wiederholt in bezug a u f die Empfindungen und W a h r n e h m u n g e n , dies wird die G e d a n k e n und Emotionen, und schließlich in bezug a u f d e n Korpus der grundlegenden Gesetze des Daseins. 8 samyagsamadhi, die rechte Sammlung des Geistes. A n dieser Stele beschreibt das Sutra die vier Arten der Vertiefung des dhyana: [auf einem Graskissen oder etwas Ahnlichem sitzend, mit gekreuzten Beinen, der Rücken gerade und aufgerichtet]" fernab von Begehren und üblen Trieben, mit gesammeltem Geist, unterscheidet, überlegt und urteilt der Mönch und erfährt das Glück, welches das Alleinsein verschafft; dann, frei von Überlegung und Nachdenken, erfährt er den Frieden des geeinten Geistes und das Glück, das die Kontemplation verschafft; dann, losgelöst von den Emotionen, heiter, wachsam und aufmerksam, erfährt er Wohlbefinden in seinem Körper und bleibt gelassen; schließlich, nachdem er sichvom Wohlbefinden gelöst hat, alle vergangene Freude oder Traurigkeit hinter sich gelassen hat, ohne Lust oder Leid, erfährt er die Vollkommenheit der gleichmütigen Wachheit „(upeksa). Es ist festzustellen, dass mehr als die Hälfte der Erörterungen dieses Sutras den Vorstellungen gewidmet ist, a u f denen der Buddha seine Lehre aufbaut. Es ist also das, was man als die buddhistische Glaubenslehre betrachten k ö n n t e . D o c h werden diese Vorstellun­ gen nicht anders behandelt als alle anderen in diesem Text erörterten als wesensmaßig bar eigener Substanz, anders gesagt, o h n e Erscheinungen, also besonderen, i h n e n wesensmaßig zukommenden Wert. W i e sollte man aus einer Anzahl v o n Vorstellungen o h n e Wert ein philosophisches System der Welt-Interpretation bauen besonderen wollen, geschweige denn eine dogmatische Lehre 1 Die buddhistische R e d e zielt a u f Durchdringung. Es geht nicht um eine philoso­ phische Aussage, die das diskursive D e n k e n anregen will. Es geht nur darum, sie in sich aufzunehmen und deren Resonanzen je n a c h den Situationen, in die wir im Laufe unseres Lebens geraten, zu beobachten. Diesbezüglich, siehe dhyana, samadhi und smriti, sowie der zweiten und den dritten Bestandteil des Erwachens. 120 Die Methode der Nicht-Methode III Vorbemerkungen In einer seiner Predigten vergleicht der B u d d h a Shakyamuni seine Lehre mit Wasserschlange. Er präzisiert dabei, dass deren S i n n besteht, zum Verlöschen der und Leidenschaften zu führen. Zweck einzig und allein einer darin Der Schüler, der sie zu fassen kriegen will, m u s s sich vorsehen, er lauft sonst Gefahr, gebissen zu werden. D a n n vergleicht er sie mit Leidenschaften überqueren einem Floß, das nur zu lassen, um uns dazu dienen zum anderen soll, u n s Ufer zu den bringen, Fluss der das, im Gegensatz zu d e m , w o wir uns jetzt befinden, o h n e Gefahren ist. Ist man mit a m anderen Ufer angelangt, wäre es unsinnig, sich darauf zu berufen, dass es uns ja nützlich war, und es deshalb auf die Schultern zu packen und überallhin mitzunehmen. D a s rechte Verhalten, so sagt der Buddha, besteht darin, das Floß an L a n d zu ziehen u n d es dort festzumachen, oder einfacher noch, es zu versenken, und d a n n sich nach G u t d ü n k e n frei zu bewegen. Die L e h r e des erwachten Shakyamuni bezieht sich a u f seine gelebte Erfahrung Menschseins in der Welt, und infolgedessen lässt sie sich nicht auf einen des Diskurs reduzieren, und sei er v o n n o c h so atemberaubender Intelligenz u n d unauslotbarem philoso­ phischem Tiefsinn. Der Buddhismus ist gewiss ein W e g der Erweckung des Geistes, aber er stammt vom und richtet sich a n d e n inkarnierten G e i s t . Das Erwachen des Geistes, der Buddha-Weg, wird geübt u n d verwirklicht sich in diesem Körper, der eingetaucht ist im Staub dieser Welt, der wie eine Pflaume in der kosmischen Kompottschüssel schwimmt. Also, während S i e diesem Vortrag zuhören, vergessen Sie darüber nicht Ihren Körper. A c h t e n Sie n a c h Möglichkeit darauf e i n e aufrechte Haltung beizubehalten, die es I h n e n erlaubt, frei zu atmen. W a s u n s mit d e n k a n o n i s c h e n Texten i n Sanskrit und Pali vorliegt entstammt einer vorrangig mündlich weitergegebenen Tradition. U n d so wurden auch in den Schriften mnemotechnischen Verfahren die unverändert übernommen, wie etwa aufzählende Reihungen, rhythmische Wiederholun-gen, usw. Allerdings, a u c h n a c h der Niederschrift, und bis zum heutigen Tag, ist und bleibt es die mündliche Überlieferung, die das letzte W o r t hat, wenn ich so sagen darf. Im übrigen sind diese Texte sehr oft elliptisch, das heißt, dass in einem Sutra m a n c h e wesentliche Begriffe nur erwähnt oder sogar angedeutet werden. Deren Erläuterung, die man in verschiedenen anderen Sutras findet, sind deshalb a u c h oft Gegenstand der mündlichen Unterweisung. Diese Besonderheiten der buddhistischen Schriften werden oft nicht bedacht, so dass dieser Weg d a n n als e i n e M e t h o d e aufgefasst wird, die einer gerichteten Logik verpflichtet ist, wo ein Begriff, das Mittel, zu einem anderen Begriff, dessen Ziel, hinfuhrt, womit die Bestandteile, die den Denkbewegung abgeschlos-sen ist. Nun ist es aber gerade die wechselseitige Durchdringung seiner buddhistischen W e g kennzeichnet. D a s bedeutet, dass der Weg und sein Ziel jeweils Ursache oder Wirkung sein beschäftigt, g a n z besonders, w e n n können. man Wenn man sich es über das Schrifttum 121 mit tut dem und füreinander Buddhismus ohne erprobte B . Poirier Erfahrung der Umsetzung in die Durchdringung unterschiedlicher Praxis, ist es ganz wesentlich, Begriffe wohl zu bedenken. den eigendichen Schlüssel zum rechten diese Es k ö n n t e wechselseitige sich durchaus Verständnis dieser Lehre handeln. um Alles, was mit Ihnen jetzt erörtert werden soll, kreist u m diese Vorstellung. Bei den fühlenden Wesen Geburt, aus lebenserhaltender - wie Sie und ich zum Beispiel kommt es a b der Notwendigkeit, zu einem Prozess der Selbstvergewisserung, der auf dem sinn-lichen Unterscheidungsvermögen beruht. Das fuhrt b e i m M e n s c h e n zu einer mehr oder weniger bewussten Vorstellung v o n der Wirklichkeit, in deren Zentrum sich das erkennende Subjekt befindet, umgeben v o n d e n erkannten V o n dieser dualistischen und konventionelle ich-bezogenen Bewusstsein, das die Gegenstände. Voraussetzung ausgehend entwickelt sich das D i n g e des Universums gleichsetzt mit den 10 0 0 0 VorsteHungen, die es sich davon macht. Das n e n n t man im Buddhismus d e n Traum im Traum. D a unsere Mitmenschen der dieselbe Weltsicht haben, scheint sie u n s insgesamt Wirklichkeit zu entsprechen, es ist die konventionelle oder illusorische Wirklichkeit. In dieser Wirklichkeit verwendet bemühen, was ihm erstrebenswert der Mensch die meiste Zeit darauf, scheint, und trachtet danach, sich um zu vermeiden, das was zu ihm unangenehm vorkommt. Das bedeutet, dass er, o h n e sich dessen wirklich bewusst zu sein, so gut wie stets mit seinem eigenen W e r d e n beschäftigt ist, Im Buddhismus wird dieses unablässige Trachten durch d e n nie e n d e n d e n Zyklus der T o d e und der Wiedergeburten, d e m SamsarcL, symbolisiert. W a s diese S u c h e antreibt wird mit d e n Oberbegriffen W u n s c h , Gier und Verblendung bezeichnet, oder allgemeiner n o c h Leiden­ schaften, und wird als die Quelle allen Leidens i n der Welt ausgemacht. Folglich setzt das Verlöschen der Leidenschaften, das Nirwana, dem Hervorbringen von Leiden in der Welt ein E n d e , und das ist das letztendliche Ideal des buddhistischen W e g s . Im gleichen Zug, n a c h d e m jeglicher Antrieb dauernd damit beschäftigt individuelles W e r d e n zu betreiben, verschwunden zu sein, irgendein ist, sind wir endlich ganz in der Welt gegenwärtig, i n jedem Augenblick unseres Lebens. Der Buddhismus stellt das fühlende Wesen, also unter anderen j e d e n v o n uns, als Zusam-mensetzung aus f ü n f sogenannten Aggregaten (Skandha) vor. W e s h a l b spricht man v o n "Aggregat"? Weil es sich jedes Mal u m die "Aggregation", die Fähigkeit und der Erscheinung, mit der sie zusammenwirkt, Es gibt also ein materielles Aggregat, der den Körper Zusammenfügung einer handelt. mit den fünf Sinnesorganen symbolisiert, - Gesichts-, Geruchs-, Gehör-, Geschmacks-, und Tastsinn, sowie alles, woraus sich die materielle W e l t zusammensetzt, mit der diese S i n n e zusammenwirken; und vier immaterielle Aggregate, welche die Psyche, ihre Funktionen und G e g e n s t ä n d e symbolisieren, nämlich die Empfindungen wahrgenommen wird, und was empfunden die Verstandestätigkeit schließlich das unterscheidende und wird, was die W a h r n e h m u n g e n durch Begriffe Bewusstsein, deren Gegenstände die drei Funktionen s i n d . 122 erfasst eben und was wird; und erwähnten Die Methode der Nicht-Methode D e m Auge entspricht der Gesichtssinn und W e n n nichts Sichtbares auftaucht, nicht. U n d die v o m Auge erfassten Gegenstände. erfasst das Auge nichts, der Gesichtssinn bekundet sich infolgedessen bekunden sich auch die Wahrnehmung, die Verstandestätigkeit und das unter-scheidende Bewusstsein nicht, die mit diesem S i n n zusammenwirken. Dasselbe gilt für die vier anderen S i n n e sowie für die vier übrigen Aggregate. N a c h d e m die Funktionen, die d e n Menschen kennzeichnen, mit d e n i h n e n entsprechenden sich, sie h a b e n Wesen der Gegenständen bekunden, sich nur in Wechselwirkung existieren sie nicht a n und fur keine eigene Existenz. Also ist ihr absolutes W e s e n Leere. N a c h d e m das Funktionen, aus d e n e n fühlende Wesen besitzt d a s erkennende Subjekt kerne eigenen Substanz. 123 zusammengesetzt sind, Leerheit ist, B . Poirier IV Versenkung, was heißt das eigentlich? Im Zusammenhang mit dem Buddhismus bezieht sich das. was man gewöhnlich als "Versenkung", "Kontemplation", "Meditation" oder manchmal sogar als "Ekstase* bezeichnet, a u f die Pflege der Sammlung des D e n k e n s (samadhi). E s handelt sich u m einen der drei Bestandteile des buddhistischen W e g s , die d a sind: die Praxis der Ethik des Verhaltens (sila), die Pflege der Sammlung des Geistes (samadhi) und die A u s ü b u n g der Weisheit (prajna). Ich möchte betonen, dass es die wechselseitige Durchdringung dieser drei Elemente ist, die den buddhistischen W e g ausmacht. D a s heißt, dass bei der Ausübung eines der drei die beiden anderen mitwirken. Infolgedessen k a n n jeder dieser drei Bestandteile o h n e weiteres Ursache oder Wirkung jeder der beiden anderen sein. Die Dynamik, oder der Weg, des samadhi ist das dhyana, wobei so gesehen das samadhi die Verwirklichung des dhyana darstellt. Kurz gesagt, bedeutet die Pflege des dhyana-samadhi die Pflege der aufmerksamen Untersuchung der existentiellen Wirklichkeit, wie wir sie unmittel­ bar erfahren, wobei diskursives D e n k e n s über das, was sich d e m Bewusstsein darbietet, n i c h t bewertend sein darf, n o c h unterhalten werden soll. Im Leben gibt es zwei Arten v o n Gelegenheiten, die die Introspektion begünstigen. M a n ist zufrieden, und d a n n ist man a u f einmal o h n e bestimmte Absicht; oder man ist ratlos und weiß plötzlich nicht mehr, wie es weitergehen s o l l In beiden Fällen ist man j ä h frei v o n W ü n s c h e n , o h n e Ziel» o h n e unmittelbares Streben, kurz, n i c h t beschäftigt. N a c h d e m der Fluss des konventionellen D e n k e n s vorübergehend unterbrochen ist, hat Geist Gelegenheit, sich d e n grundlegenden Fragen des Daseins zuzuwenden. S o der betrachtet k ö n n e n sowohl Zufriedenheit wie Rat- u n d Aussichtslosigkeit Anlass zur Verwirklichung des Erwachens sein. In einem Menschenleben gibt es also genügend Gelegenheit dazu! In Bezug a u f das dhyana können das zwei Ereignisse aus dem Leben Shakyamunis illustrieren. D a s erste fand in seiner J u g e n d statt, v o n der berichtet wird, sie sei materiell behütet gewesen. D a m i t ist also eher der Zustand der Sattheit angesprochen. Währenddem sein Vater mit Feldarbeit beschäftigt ist, "losgelöst von Begierden und üblen Trieben", wie es in den Texten heißt, zieht er sich zurück, u m in einem W ä l d c h e n a m Feldrand zu meditieren. Er setzt sich im Schatten eines Baumes, „mit gekreuzten Beinen und geradem Rücken, den Geist gesammelt. Er unterscheidet, überlegt und urteilt, und empfindet das Glück, das Alleinsein vermittelt; dann, frei von Uberlegen und Urteilen, erfährt er den Frieden des geeinten Denkens und empfindet das Glück der Kontemplation; dann, losgelöst von den Emotionen, gelassen, wachsam und aufmerksam, empfindet er Wohlhefinden in seinem Körper und bleibt unerschüttert; schließlich, nachdem er sich vom Wohlbefinden gelöst hat, aüe vergangene Freude oder Traurigkeit hinter sich lassend, frei von jeglichem Leid, erfährt er die 1 Vollkommenheit der gleichmütigen Wachsamkeit.* Das zweite Ereignis ist unmittelbar verbunden eher ein Beispiel für Radosigkeit- die zweite A r t v o n Shakyamuni war inzwischen mit seiner sogenannten Erleuchtung. Es ist Situation, die Erweckung begünstigt, Bettelmonch geworden und stellte nämlich fest, dass radikale Askese, wie er sie sich seit J a h r e n Auferlegte, zum Zusammenbruch und n i c h t zur Befreiung fuhrt. A b o hört er mit seine Anstrengungen 124 auf, unct erlebt seine Lage auf Die Methode der Nicht-Methode einmal als aussichtslos. D a erinnert er sich an die Erfahrung des dhyana in seiner Jugend. Er wird dann inne, das "...das wirklich der Weg des Erwachens ist", wie es in den Texten überliefert wird. Er greift also seine Erfahrung wieder a u f und erwacht zur Wirldichkeit-derDinge-sowie-sie-sind. D a die Achtsamkeit eine entscheidende Rolle in der Praxis des Dhyana&imadhi spielt, werden wir n u n dazu kommen, im Lichte eines der ältesten Texte überhaupt, worauf und in welcher W e i s e sie zu richten ist. 125 B . Poirier V G r u n d l e g u n g e n d e r buddhistischen Praxis des Erwachens, gemäß des G r o ß e n S u t r a s des Verweilens i n d e r Achtsamkeit, Mahasmrityupasthana In der Einleitung zu diesem Text Achtsamkeit unterschieden. Wahrnehmungen, den vier Teile dieses Verweilens in der E s ist die Rede v o m Körper, v o n d e n Empfindungen Gedanken Grundgesetze des Daseins werden Sutra. und Emotionen, und schließlich vom und Körper der {dharma). Zunächst wird u n s e i n M ö n c h vorgestellt, der mit gekreuzten Beinen a u f einem Graskissen oder etwas ähnlichen sitzt, mit aufgerichtetem Rücken, u n d seine A t m u n g beobachtet. Seines ganzen Körpers bewusst, bleibt er wachsam, ganz gegenwärtig im Augenblick. "Das ist der Körper", kommt i h n zu Bewusstsein, insofern es zu seiner rechten Erkenntnis, seiner rechten Auffassung beiträgt. Dasselbe tut er beim G e h e n , im Stehen, im Sitzen, im Liegen, kurz, unter allen U m s t ä n d e n des täglichen Lebens. Er beobachtet auch Leichen, wie sie sich a u f Friedhöfen zersetzen, u n d er wird sich bewußt: "Mein Körper ist von gleichem Wesen, er gehört zu den vorläufigen Dingen, er wird nicht verschont tüerden. Und er bleibt gelassen, ohne von irgend etwas in der Welt abzuhängen " Ebenso beobachtet er die Empfindungen u n d die Wahrnehmungen, die G e d a n k e n und die Emotionen, sowie d i e Grundgesetze des Daseins - (siehe oben, zweites Kapitel). Für jeden Gegenstand, mit d e m sich das Sutra beschäftigt, wird, wie es a u f die rechte Weise aufmerksam zu betrachten sei, immer wieder, wie ein Kehrreim, e i n Refrain wiederholt. Ich versuche es so n a h wie möglich a m Wortlaut wiederzugeben: "Nachdem er Begehren und Missmut in der Welt aufgegeben hat, verweilt der Mönch im (betrachteten Gegenstand), wacht darüber sorgsam, mit Unterscheidung^vermogen und aufmerksam, innen wie außen, insofern er die Bedingungen seines Erscheinens und seines Verschwindens beobachtet Das Bewusstsein des (beobachteten Gegenstands) entsteht in ihm, insofern es zu seiner rechten Erkenntnis, seiner rechten Auffassung beiträgt Und er bleibt gelassen, ohne von irgend etwas in der Welt abzuhängen " Hier haben wir n u n e i n schönes Beispiel elliptischen Stils. Der Ausdruck "innen wie außen" bezieht sich a u f d a s Begriffspaar, d a s unserer Vorstellung der Wirklichkeit zugrundeliegt. D a s erkennende Subjekt - das Innen - u n d die v o n ihm erkannten verbunden durch Gegenstände - d a s Außen die Konjunktion "wie", die eindeutig darauf hinweist, dass die beiden Teilen dieses Begriffspaar n i c h t als unterschieden aufzufassen sind. Denn in der T a t , d i e Beobachtung der "Bedingungen ihres Entstehens und ihres Vergehens" führt dazu, die Beziehung wechselseitiger Abhängigkeit, die ihr paarweises Auftreten bedingt (pratryasamutpada), zu realisieren, u n d infolgedessen inne zu werden, dass sie grundlegend ohne eigenen Wesenskern (eigene Substanz) sind und vorübergehend. Das erkennende Subjekt wie das erkannte Objekt, wenngleich sie grundsätzlich verschieden scheinen, erweisen sich so als des gleichen Wesens: bedingte und vorübergehende Gestaltungen, wesensmäßig leer, sind sie doppelt unfassbar. W a s sich aber n i c h t fassen lässt, kann weder Begehren, Gier oder Verblendung hervorrufen, deshalb bleibt gelassen (wörtlich: "ohne Stütze") und h ä n g t von nichts in der Welt a b . 126 der Mönch Die Methode der Nicht-Methode Wir Begriffspaar haben s c h o n gesehen, dass S u b j e k t / O b j e k t zugrunde der konventionellen Vorstellung von Welt liegt, wobei das Subjekt immer dominiert das Deshalb spreche ich v o n ich-zentriertera dualistischem Bewusstsein. Im M o m e n t n u n , w o m a n der wesensmäßige Gleichheit v o n Subjekt und Objekt gewahr wird, verschwindet die eigentliche Grundlage dieser Vorstellung v o n Welt. Der Geist erwacht zur nicht-begrifflichen oder intuitiven Erkenntnis, welcher ist „weder eine Beschreibung der Wirklichkeit, noch eine Vernichtung von Bewusstsein und Empfindimg. Sie übertrifft Forschen und Urteilen, ist aber nicht Abwesenheit von Reflexion. Weil sie nicht denkt, aber aus Denken hervorgeht, sagt man, sie sei weder Denken noch Nicht-Denken. Sie ist nicht verschieden von der transzendentalen Weisheit" Schließlich, n a c h d e m die Einsicht in die wesensmäßige Gleichheit v o n Subjekt und die Ich-Zentriertheit jeglicher Grundlage beraubt hat, wird das Verhalten auf Objekt naturliche Weise allem gegenüber und unter allen U m s t ä n d e n gerecht. S o werden die drei Bestandteile der buddhistischen Praxis zugleich realisiert: rechtes Verhalten, Pflege der Sammlung des D e n k e n s und Ausübung der Weisheit durch intuitive Erkenntnis. Die Ausführungen des eben erörterten Sutras beginnen und schließen mit der Praxis des dhyana. Zu Beginn, was folgerichtig ist, nachdem es sich u m den Körper handelt, ist es eher der physiologische A s p e k t dieser Praxis, der erwähnt wird, am Ende, nachdem sämtliche Begriffe der buddhistischen Metaphysik entfaltet wurden, schließt es mit d e n vier Arten der Vertiefung des dhyana, was eher den psychische Aspekt der Praxis darstellt. Diese Ü b u n g wird dadurch als das A l p h a und das Omega des Alphabets des Erwachens vorgestellt, in einer Predigt, v o n der es heißt, sie sei vom historischen Buddha selbst gehalten worden. Jedenfalls wird sie in der S c h u l e des Zen so interpretiert und deshalb ist dort das sitzende dhyana der Angelpunkt der Umsetzung der Lehre des Buddhas in die Praxis. A u f japanisch Zßzen, wobei zen sich aus der Umschrift v o n dhyana ergibt und za sitzend bedeutet. 127 B . Poirier VI Interpretation d e r Zen-Schule: Praxis o h n e E n d e des Erwachens o h n e A n f a n g . Etwa 1700 Jahre nach Shakyamuni, im dreizehnten Jahrhundert unserer Zeit­ rechnung, und gute 5 0 0 0 Kilometer weiter östlich, in J a p a n , hat Meister D o g e n die Essenz der buddhistischen Praxis folgendermaßen ausgedrückt: " Den Weg des Erwachens erfahren, heißt sich selbst erfahren. Sich selbst erfahren heißt, sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen heißt, von allen Dingen des Daseins (dharmas) erweckt werden. Von allen Dingen des Daseins erweckt werden heißt seinen eigenen Körper und seinen eigenen Geist aufgeben, ebenso den Körper und den Geist des anderen. Dann verschwinden die Spuren des Erwachens und dieses spurlose Erwachen setzt sich ewig 9 fort. In einer etwas anderen Lesart bedeutet das, dass man die Erfahrung des Wegs des Erwachens macht, w e n n man im Leben die subjektive Sicht, die m a n v o n sich selbst und den Dingen hat, nicht in Betracht zieht (sich selbst vergessen), u n d dabei seine eigene Substanziosigkeit u n d die Flüchtigkeit des Daseins erfährt (..., heißt sich selbst erfahren). Dann, nachdem sich erweist, dass alle Dinge des Daseins gleichen W e s e n s s i n d , machen sie u n s wach fur das Unwirkliche der Zweiheit von Subjekt und Objekt (Von allen Dingen des Daseins erweckt werden). Erwacht m a n zu dieser Wahrheit, ist das Haften an sich selbst und an den Dingen jeglicher Grundlage beraubt (seinen eigenen Körper und seinen eigenen Geist aufgeben, ebenso den Körper und den Geist des anderen). Ist man soweit, verlieren die Begriffe, wie der eines "Erwachens", jegliche Bedeutung, und man ist o h n e irgendweiche Beschäftigung, anders gesagt, gelassen, von nichts in der W e l t abhängig, oder auch gleichgültig gegenüber jeder A r t v o n Werden (upeksa), dieses spurlose Erwachen setzt sich deswegen ewig fort W e n n i m übrigen alle im D a s e i n vorkommenden Erscheinungsformen wesensmäßig leer und flüchtig s i n d , so gilt dasselbe für die Manifestation des Erwachens. In Wahrheit ist das Erwachen s c h o n mit d e m Irvder-Welt-Sein gegeben. W a s seine Manifestation betrifft, so verhält es sich damit ein wenig wie mit dem täglichen Stuhlgang: bleibt er aus, ist das Befinden gestört, d o c h hat es nichts Besonderes an sich, w e n n alles klappt. Weil das Erwachen zum Dasein gehört, und seine Manifestation unter anderen ist, spricht man v o n Erwachen ohne Selbstverständlich k a n n nur eine Erscheinung Anfang. nicht d a v o n die Rede sein, a u f unbestimmte Zeit in Zazen zu erstarren, ebensowenig kann es a n g e h e n , die Ü b u n g a u f die Zeit des Sitzens in Zazen zu beschränken. Es geht darum, das, was man in Zazen erfährt, in allen Aspekten unseres Alltags gegenwärtig werden lassen: "Nicht aus der Sammlung heraustreten, in der das konventionelle Bewusstsein aufgehoben ist, dabei den Verrichtungen des Alltags nachgehen und ein Verhalten beibehalten, das den Umständen entspricht, das ist dhyana. " D e s h a l b spricht man v o n Praxis ohne Ende. S o wie Körper und Geist sind der W e g und seine Verwirklichung zwar verschieden, aber nicht getrennt. D a es das e i n e o h n e das andere nicht gibt, wäre es töricht zu denken, man könne d e n W e g üben, um d a s Erwachen zu erlangen, oder dass man n a c h Erlangung des Erwachens das Ü b e n sparen k ö n n e . 128 Die Methode der Nicht-Methode Eigentlich geht es darum, "den Weg zu erlangen und das Erwachen zu üben". U n d n "den Weg erlangen dann bedeutet endlich o h n e S u c h e nach etwas zu sein, o h n e Ziel, o h n e Absicht, kurz, jeder Art v o n W e r d e n gegenüber gleichgültig zu sein, und "das Erwachen üben" bedeutet, so zu bleiben, wie a u c h immer die U m s t ä n d e sein mögen. A u f diese W e i s e drückt jegliches T u n , was auch immer es sei, die Ü b u n g o h n e Form aus und verwirklicht das Erwachen o h n e Spuren. VH M i t t e l f ür d i e U n t e r w e i s u n g u n d das Lernen: geschickte Mittel u n d Notbehelfe. In unserer Schule, wie ich s c h o n sagte, ist der Angelpunkt der Umsetzung der Praxis die Ü b u n g v o n Zazen. Diese Praxis umfasst drei einander ergänzende Aspekte: die Körper­ haltung, die A t m u n g u n d die Geisteshaltung. Die Körperhaltung stammt aus der uralten aber n a c h wie vor lebendigen Tradition des Yoga, in der sie d e n N a m e n Padmasana upeksa mudra hat, das heißt Lotus-Haltung, Siegel des Gleichmuts. Die Atmung ist natürlich, regelmäßig, ruhig und tief, und aufmerksamer, wachsamer u n d ausgeglichener Kontemplation der Geist, gesammelt, in (upeksa^yana^madhij, 1st die H a l t u n g eingenommen, geht es einfach darum, sich jeglicher bewusster Bewegung des Korpers u n d des Geistes zu enthalten u n d dabei wachsam und aufmerksam zu bleiben. Die H a l t u n g ist äußerst genau und in allen Einzelheiten genau festgelegt. Die Übung besteht darin, dass der ganze Körper in jedem Augenblick zur Vollendung strebt, o h n e j e d o c h dass die zu einem Ziel gemacht wird, ohne der Haltung seine Haltung bewusst aufzubauen. Es heißt gleichsam a u f dynamische W e i s e sich n i c h t zu bewegen. Das zerebrospinale und das sakxoiliakal-Gelenk sind im L o t übereinander, die Wirbelsäule ist gestreckt, der Rücken ist aufrecht u n d der B a u c h ist entspannt. Die A t m u n g kann so a u f optimale Weise ihre ganze naturliche Kapazität nutzen. Während nehmungen, dieser Ü b u n g Gedanken und treten diese Erscheinungen rechterhält, kann manifestieren Emotionen, sich und natürlich aufgrund weiter der besonders deutlich zutage. D o c h wenn sich die Aufmerksanvkeit Empfindungen, Wachsamkeit im Wahr­ Nicht-Tun man die Haltung n i c h t darauf fixieren, und kein auf­ fortgesetzter G e d a n k e darüber k a n n sich entwickein. Schließlich verschwinden sie von selbst. So macht man Erscheinungen. in Die sich die Erfahrung Aufmerksamkeit löst der Flüchtigkeit sich auf und natürliche der Substanzlosigkeit der Weise von ihnen, das ursprüngliche, n i c h t duale Bewusstsein macht sich bemerkbar, die Dinge werden "so wie sie sind" durch das intuitive W i s s e n erkannt. 129 B . Poirier Lasse m a n sich dazu verleiten, seine G e d a n k e n zu unterhalten, gleitet das K i n n unmerklicl nach vorn, die Nackenwirbelsäuie verlasst die Senkrechte, die A t m u n g wird flacher, kurz dit Haltung verändert sich. W e n n man dahindämmert, verändert sich die H a l t u n g ebenfalb und ebenso kennzeichnend. Ist die Praxis ehrlich und ernsthaft, werden diese unmerklichen Abweichungen gleich wahrgenommen, und Körper u n d G e i s t finden selbst im Verlauf der Ausatmung ins L o t zurück Diese feinen d o c h typischen Veränderungen der Haltung erlauben es d e m Unterweisenden o h n e große Mühe, in jedem Augenblick zu erkennen, in weicher Geistesverfassung sich die Übenden gerade befinden. Er kann dann a u f verschiedene Weise eingreifen, um die Verirrten wieder a u f d e n rechten W e g zu bringen. Mit W o r t e n , indem er Ratschlage erteilt, zuredet oder sogar tadelt, oder er greift direkt ein, indem er die Haitungen korrigiert oder einem Übenden kräftig auf den Trapezmuskel der Schultern schlägt, mit Hilfe des sogenannten "Stock des Erwachens". Die Unterweisung erfolgt während Frage-Antwort-Austausch, oder während des Zazen, oder persönlichen durch Gesprächen Vorträge, zwischen öffentlichem Meister und Schüler. Es geschieht häufig, dass Schüler, von unbedacht kontroverse Diskussionen führen. ihren persönlichen Spekulationen ausgehend, D o c h die buddhistische Unterweisung zielt a u f Emprägsamkeit. Für den Zuhörer geht es nur darum, sie aufzunehmen u n d in sich nachklingen zu lassen, j e nach den U m s t ä n d e n , in d e n e n er sich im Laufe seines Lebens befindet. Es handelt sich nicht u m philosophische Sätze, die sich a n d e n Verstand richten. Andererseits, w e n n Unverständnis bedeutet, dass man i n der Unwissenheit ist, s o heißt, beim subjektiven Verständnis bleiben, sich selbst zu verblenden, was e b e n s o bedauerlich ist. U n d schließlich geht es darum, selbst zu erfahren, und u m Erfahrung zu machen, ist es überhaupt n i c h t nötig, zu verstehen. M a n kann sich selbst davon überzeugen, w e n n man Neugeborene oder Kleinkinder beobachtet. Um solchen Verirrungen entgegenzuwirken gebraucht die Schule des Zen eine Sprache, die das diskursive D e n k e n aus der B a h n wirft, schockiert oder gar völlig außer Gefecht setzt. M a n beschränkt sich im übrigen nicht a u f verbale Mittel, Gestik und Verhalten werden ebenso eingesetzt. Außerdem jede Situation kann in jedem Augenblick die Gelegenheit für e i n derartiges Eingreifen bieten. Verwunderung, Radosigkeit, Befremden oder Verblüffung sollen, und sei es a u c h nur Augenblick lang, die Abfolge subjektiver G e d a n k e n des Schüler unterbrechen u n d die Gelegenheit bieten, fur das intuitive Wissen wach zu werden einen ihm so oder sich wieder zu besinnen a u f die s c h o n gemachten diesbezüglichen Erfahrungen. Ein solches Verfahren hat nebenbei auch den Vorteil, nicht wirklich ernsthafte die Hucht zu schlagen. U n d gedient. Es ist auch ein Zuhörer in nachdem d a n n niemand mehr seine Zeit verliert, Mittel, das der Lehrer einsetzt, Erfahrung der Schüler zu ermessen. 130 um die Tiefe u n d ist allen Reife der Die Methode der Nicht-Methode Die einzige Daseinsberechtigung des buddhistischen Wegs besteht darin, Leiden in die W e l t einleitet als man unternehmen, Verwirklichung. um zu setzen dadurch, wach wird dieses Ideal Nun bedeutet für die dass man das Verloschen seiner Leerheit zu verwirklichen, erwachen aller hat Dinge. Alles, nur Sinn das Wegbleiben jeglicher in was bezug Suche; aufzuhören Leidenschaften die auf Schüler dessen infolgedessen bedeutet alles, was m a n unternimmt, u m das Erwachen herbeizufuhren, es aufzuschieben. In dieser Hinsicht verwendet, sind diese Mittel also Maßnahmen, die zwar zeitweilig Abhilfe schaffen k ö n n e n , jedoch das Problem selbst nicht zu lösen vermögen, anders gesagt es sind Notbehelfe. Aber weil sie trotz allem in Hinblick auf das Erwachen eingesetzt werden, und so die Energie der Schüler v o n üblen W e g e abgehalten wird, nennt man sie auch geschickte Mittel N a c h d e m das Erwachen durch das Fehlen jeg}icher Suche gekennzeichnet ist, ist jedes Mittel zu diesem Ziel a n sich hinderlich. Deshalb spricht man in bezug auf das ins W e r k setzen des Erwachens v o n der Methode der 131 Nicht'Methode. B . Poirier Vni Ein Finger zeigt a u f d e n M o n d , a b e r der Blick bleibt a m Finger hängen, ö d e n wie die Beweggründe d e n Erlösungsweg zur K l i p p e m a c h e n k ö n n e n . N a c h dem T o d von Shakyamuni fand ein Konzil statt, zu dem sich die ältesten Schüler versammelten, und a u f d e m der Inhalt der Unterweisung und die Verhaltensregeln für die M ö n c h e festgelegt wurden. Die Staaten und Herrscher unterstützen die buddhistische Gemeinschaft, liessen Klöster bauen, die v o n d e n B e h ö r d e n und d e n Gläubigen mit G a b e n aller Arten reichlich bedacht wurden. D i e M ö n c h e neigen immer mehr dazu, sich in diesen Klöstern niederzulassen u n d wenden sich n a c h und n a c h v o m Wanderleben ab, das der Buddha im S i n n hatte. Anderthalb Jahrhunderte Gemeinschaft in Interpretation nach dem Tod seines Begründers spaltet zwei Strömungen, die ihrerseits zur Bildung verschiedener fuhren. Im Laufe der Zeit wachsen sich die sich die Schulen der scholastischen Dispute zu Poleraiken aus. Im siebten Jahrhundert verzeichnet Hiuan-tsang, e i n chinesischer Pilger, der Indien bereist, "siebzehn Schulen, von denen jede die überlegene zu sein behauptet" Sie "befinden sich dauernd im Streit und das Getöse ihrer leidenschaftlichen Streitgespräche brausen auf wie die Meeresfluten", schreibt er. Im dreizehnten Jahrhundert gehen die letzten Überbleibsel des indischen Buddhismus endgültig im Hinduismus auf. Zwischen der zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung der fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung, wird buddhistischen Literatur der verschiedenen Schulen Kontrolle und entsprechend dem den Schutz der politischen unterschiedlichen In der ins Chinesische übersetzt, U n t e r der entwickeln Lehren. Im Jahre der größte und Teil Mächte indischen China sich fünf 460 kommt Schulen, es am kaiserlichen H o f zum Streit zwischen M ö n c h e n , die die Verwirklichung des Erwachens als plötzlich hereinbrechend Geschichte des aufflammen, zu bezeichnen, chinesischen heftigen und Mönchen, Buddhismus wird Polemiken führen, die sie allmählich n e n n e n . dieser Streit bei denen die immer wieder politischen In von der neuem Machthaber als Schiedsrichter auftreten u n d sich später in J a p a n wiederholen werden. Dennoch, ab d e m fünften Jahrhundert, tritt in C h i n a eine Bewegung v o n ohne greifbare Struktur auf. Sie gehören zu keiner Schwerpunkt ihrer Praxis a u f das sitzende dhyana und rituellen Sie anerkannten Schule, Mönchen legen leben als Wandermönche, den die die Bettelgänge praktizieren. kennen von Grund auf die Lehren der Sutras, doch sie beziehen sich nichtsdestoweniger a u f "eine besondere Weitergabe (der Lehre) außerhalb der Schriften, die nicht abhängt von Wörtern und Schriftzeichen", die darin besteht, "direkt das Herz des Menschen zu zeigen, - sein eigenes Wesen anschauen und erwachen (Buddha werden)." Sie zeigen den Mächtigen gegenüber keinerlei Gefälligkeit und bis zum elften kommen sie ganz o h n e Unterstützung der Machthaber aus. 132 Jahrhundert Die Methode der Nicht-Methode Sie w ü n s c h e n nichts und haben nichts zu verlieren, und so kann dem Fragenden verblüffenden verbrennen ins Gesicht Sätzen, gar lachen, mit mit einer einem plötzlichen Grimasse antworten; Buddha-Statuen, kurz sie erlauben sich es geschehen, dass sie Aufschrei, sie oder in zerreißen allerlei erstaunliche kurzen, Sutra-Rollen, Narrheiten, und wären ihr religiöses Verhalten nicht v o n vorbildlicher Kompromisslosigkeit, würde man sie für echte Bilderstürmer halten. A u s dieser Bewegung ist das hervorgegangen, was man heute die Chan- oder Zen-Schule n e n n t . Nach der großen Verfolgung des Jahres 845 siechen alle chinesischen Buddhismus dahin, ausgenommen die Zen-Schule. Zwei Jahrhunderte Machthaber gesetzlich eine der beiden Hauptlinien des Ch'an a n privilegierte Stellung, die ihr zu großer Blüte verhilft, Schulen des später erkennen und jedoch u m verleihen den Preis ihr die eine politischer Kontrolle. U m d e m bedeutenden Zustrom neuer Anhänger Herr zu werden, wird die Praxis formaiisiert. Eine starke Institutionalisierung k a n n der frischen Spontaneität des Ch'an nur schaden, und tatsächlich beginnt d a n n der allmähliche Niedergang dieser Bewegung in C h i n a . Der Buddhismus dreizehnten Jahrhundert gelangt ab den sechsten sind s c h o n sieben Schulen Jahrhundert richtig nach Japan und im etabliert, darunter die beiden Zen-Schulen. D i e gleiche Zen-Schule wie in C h i n a kommt auch dort in d e n Genuss v o n Privilegien der Militärregierung der S h o g u n , wofür sie ihr im Gegenzug wirtschaftliche und politische Unterstützung zusichert. Aber mit d e m B e g i n n des siebzehnten Jahrhunderts übernimmt die Regierung der S h o g u n die völlige Kontrolle des religiösen Lebens: es wird eine hierarchische Klassifizierung aller Tempel u n d Klöster verbindlich eingeführt, und Werdegangs ausgearbeitet, wobei die Verantwortungen festgelegt wird. ein planmäßiger A b l a u f des mönchischen Dauer jeder Stufe bis zum Erreichen Außerdem werden Inhalt und Dauer der der höchsten spezifischen Studien beschlossen, die jeder M ö n c h j e nach Schule zu absolvieren hat- Keine Beförderung, keine E r n e n n u n g k a n n o h n e vorherige Absprache mit der shogunalen Amtsstelle der Tempel erfolgen. All dies bewirkt eine Begünstigung des Sektierertums und der M ö n c h e n . U m Karriere zu machen, werden die meisten danach Konkurrenz trachten unter einem Tempel höheren R a n g s anzugehören, d a es für das Weiterkommen förderlich ist. Außerdem gemäß shogunalem Erlass, muss jede japanische Familie zu einem den buddhistischen noch, Tempel gehören u n d dort registriert sein. Dies verleiht dem buddhistischen Klerus die Machtfulle von Regierungsbeamten und garantiert ein E i n k o m m e n d a n k der Bestattungsrituale und anderen religiösen Zeremonien. Die Restauration des Kaisers Meiji, 1868, wird diese Verweklichung vollenden. Die Erlaubnis für alle buddhistischen M ö n c h e , zu heiraten, führt dazu, dass die Verantwortung des Tempel-Oberen zu einem vererbbaren, gesellschaftlichen A m t wird, und der Tempel gehört d a n n zum Familienerbe des Oberen. Damit dieses Erbe auch in der Familie bleibt, muss ein S o h n des Oberen gezwungenermaßen 133 die geistliche Laufbahn einschlagen, oder B . Poirier eine seiner Töchter muss einen Geistlichen heiraten, der dann den N a m e n der Tochter annimmt. S o entstand in J a p a n eine ausgesprochene Kaste v o n Priestern, die ein religiöses L e b e n zumeist nur während der Lehrjahre in d e n Klöstern ihrer Schule führten. Etwa 2 0 0 0 J a h r e nachdem Shakyamuni in Indien eben dieses Kastenwesen kritisiert hat, wird es, ironischerweise, ausgerechnet v o n seinen Nachfolgern in J a p a n neu erschaffen! W e n n ich darüber berichte, geht es mir nicht darum, über Tugenden oder Mängel der Alten urteilen. W e r würde d e n n a u c h daran Gefallen finden, die Schätze der anderen zu zählen? D o c h Shakyamuni h a t die M ö n c h e ausdrücklich vor d e n G e f a h r e n des sesshaften Lebens gewarnt. Er sagte im W e s e n t l i c h e n : wer lange am selben Ort bleibt, häuft Besitz an beginnt, 7 aufsein Ansehen zu achten, und vermehrt seine gesellschaftlichen Verpflichtungen. Verbindungen mit den Schulmeinungen hingeben, Mächtigen Anhänger der für Welt eine zu knüpfen, Schule werben, besonderen Notbehelfs anpreisen oder andere Verworfenheiten durch d e n Verweis a u f gute A b s i c h t e n rechtfertigen. sich die Polemiken über Überlegenheit eines dieser A r t lassen sich gewiss Aber heißt es nicht, der W e g zur Hölle sei mit guten Absichten gepflastert? U n d lehrt der B u d d h a nicht, w a c h sein bedeute, frei von jeglicher Absicht zu sein? 134 Die Methode der Nicht-Methode IX O h n e D u n k l e s a u c h keine Helligkeit Die M e n s c h e n sind es gewohnt, ihr T u n einem Bemühen unterzuordnen, das auf e i n bestimmtes und gewolltes Ziel hin ausgerichtet ist. D a s versteht man unter Absicht. Sei es a u f die eine oder die andere Weise, ist es immer mit ihrem eigenen Werden, ihrem eigenen Wohlergehen verbunden. Dieser Mechanismus ist der Psyche zutiefst eingeschrieben. Er trägt zur Bildung einer sozialen Persönlichkeit bei und berührt somit das Seibst- verständnis des Ich, des E g o . Angesichts einer derartigen Determiniertheit, erschein es nicht merkwürdig, dass das Beenden des Hervorbringen von Leiden in der Welt durch Verlöschen der Leidenschaften, mithin das Ideal des Buddhismus, jeglicher Anziehungskraft entbehrt. U n d sollte man sich d o c h dafür interessieren, s o wird es inmitten Lebens schnell in d e n Hintergrund der Wechselfälle des gedrängt, unter irgendwelchen Vorwänden und selbst ohne dass man es bemerkte. Unter diesen U m s t ä n d e n ist es erstaunlich, dass der Weg zu allen Zeiten bis heute unverfälscht von Meister zu Schüler hat weitergegeben werden können. Aber folgert deshalb nicht, es gäbe a u f der einen Seite die guten Meister und a u f der anderen das Gegenteil. I n die Irre gehen ist menschlich und niemand bleibt das erspart. Mein Vater, der Handwerker war, pflegte zu sagen, es gäbe kein schlechtes Werkzeug, nur schlechte Handwerker. Analog möchte ich sagen, es gibt keine schlechten Dinge in unserer vorübergehend unsteten einem Welt anderen stehen, Schüler Meister, nur kann schlechte ein Meister nur gegenüber die Funktion Schüler: so wie die ein Schüler sein, eines der Gewährsmannes einnimmt. Zur Erläuterung die fogende Geschichte: Als O b a k u lebte, im C h i n a des neunten Jahrhunderts, war es fur die Schüler üblich, das L a n d zu bereisen, u m zahlreiche Meister aufzusuchen. Eines Tages ruft er seine Schüler zusammen und sagt i h n e n : * Ihr schlagt euch alle den Bauch mit BilUgkram voll! Ihr haltet wohl alle Welt zum Narren mit euren 1 Wanderfahrten . Alles scheint euch leicht zu sein, und doch, wo werdet ihr diesen heutigen Tag wiederfinden? Ihr wisst doch, dass es in China keinen Zen-Meister gibt.." Ein M ö n c h unterbricht i h n : "Wie können Sie sagen, dass es keinen Zen-Meister gibt, wo man doch überall Verachtende sieht, die eine Menge Schüler haben?". W o r a u f O b a k u erwiderte: "Ich sage nicht, es gäbe kein Zen, sondern nur, dass es keinen Meister gibt." Das ist ein schönes Beispiel für ein Zen-Wort. Obaku ist seinen Schülern gegenüber wohlwollend wie eine Großmutter. Weil er sieht, dass sie sich mit d e n Rückstünden des Wegs, d e m Bodensatz der Mittel begnügen, und es vernachlässigen, die Erfahrung des Erwachens zu machen, hält er i h n e n das vor. Die letztendliche Wahrheit der Dinge kann man nur selbst erfahren, in der stillen Vertrautheit der wachsamen Kontemplation, in der Stille des Zen also. K e i n sogenannter Meister kann das an ihrer Stelle tun, also ist es zwecklos, landauf landab sich mit Wörtern vollzustopfen. Das Leben ist ungewiss, in jedem Augenblick kann Gefallen finden bedeutet, auf unabsehbare Zeit der T o d eintreten. A n den die Verwirklichung des Mitteln Ideals hinauszuschieben, und m a n läuft Gefahr, sein Leben unwiederbringlich zu vergeuden. Jeder 135 B . Poirier Moment ist günstig, u m zu erwachen. Es ist nutzlos, es von irgendwelchen Umstanden abhangig zu machen. U n d noch einmal die Großmutter. O b a k u : "Wenn man den ganzen Tag lang sich nicht vom Geringsten entfernt, was man erlebt, ohne sich deshalb von den Gegenständen verstricken zu lassen, kann man ein "Mensch des Wegs" genannt werden. Von Augenblick zu Augenblick, ohne Meinung über irgendeinen besonderen Wesenszug, findet man keine Grenze mehr zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Vergangenheit entfernt sich nicht, die Gegenwart steht nicht still, und die Zukunft kommt nicht auf einen zu. Aufrecht sitzend, friedlich, lässt man sich selbst rückhaltlos fallen: das ist die Befreiung." 136 Die Methode der Nicht-Methode X U n d w i e steht es n u n u m die U n t e r w e i s u n g i D e r Meister meines Meisters, K o d o Sawaki, gehörte nicht zur Priesterkaste, doch w a r es i h m trotzdem gelungen, als M ö n c h anerkannt zu werden. Die meiste Zeit reiste er überall w hin, u m L a i e n zu lehren, so dass m a n ihn K o d o o h n e Bleibe" nannte. Zwanzig J a h r e lang h a t er, w e n n mein Meister ihn u m die Monchsordination bat, ihm geantwortet: "Das wahre Zen muss sich in allen Aspekten unseres Alltags äußern. Wozu die Reihen nutzloser und h^runtergekommeneT Mönche vergrößern wollen?" K U R vor seinem T o d g a b er ihm schließlich die Ordination. Taisen Deshimaru, mein Meister, hat fünfzehn Jahre lang in Frankreich und i n Europa gelehrt. Zwei Jahre vor seinem T o d hat er wohl in Frankreich ein Kloster errichtet, doch tat er d a s , weil es nicht mehr möglich war, genügend große Räumlichkeiten zu finden, u m zwei M o n a t e lang jährlich all die M e n s c h e n unterzubringen, die er anzog. Außerhalb der Seminare hielt sich außer d e m Wächter niemand in diesem Tempel auf. Er sagte, „Inmitten der Wechselfälle des Lebens zu üben sei die einzige Art, den Weg echt zu vertwrklichen; fluchte man sich in einen stillen Tempel auf dem Land, würde man sich rasch einbilden, man habe geistigen Frieden erlangt." Heute sprießen überall Klöster a u s d e m Boden, und a n jeder Straßenecke wird Zen in allen erdenklichen Spielarten verkauft; das Siegel der Weitergabe, das zu einer Art Zertifikat herunter-gekommen ist, wurde zu einem verhandelbarem Gegenstand. Seit d e n Zeiten B u d d h a s haben sich die existentiellen Grundgegebenheiten nicht geändert, d i e menschliche N a t u r ebenso wenig. D a s Erwachen zu verwirklichen ist deshalb genauso wenig verlockend wie damals. D i e Blumen zu lieben hindert nicht, dass sie welken, das U n k r a u t verab-scheuen hindert es nicht, zu wachsen. Die Dinge sind s o wie sie sind: H«*3 Meister, Sutren und alle von der Tradition überlassenen Spuren, Sind wie ein papierbezogener Wandschirm am Rande des Abgrundes: Ihn zu ignorieren wäre genauso töricht ab wie sich darauf zu stützen i Gehend, im gegenwärtigen Augenblick, Kannst du deine Schritte nuT dir selbst zutrauen: IsjU l^jyl Wachsammkät in den zehn Richtungen l So übt man den Weg Buddhas und DliarmaVorfahrens. Das ist „ Die Übermittlung jensäts des Wörter und Schriften" Ich wünsche Ihnen alles G u t e ! 137 EKfl jHJg]