Zusatz Seite 22 Die Trennung von Religion und Politik in Europa In einem langen Ringen zwischen Kirche und Staat, zwischen säkularem und religiösem Denken entstand der heutige säkulare Rechtsstaat. Die Trennung von Religion und Politik und die Entstehung des modernen säkularen Staates, der die Pflicht hat, das Menschenrecht auf Religionsfreiheit für jede/jeden Einzelnen zu wahren, ist ein wesentlicher Rechtsfortschritt in der Entwicklung des modernen Europa. Staat und Religion in Europa Man kann in Europa grob drei Typen des Verhältnisses zwischen Staat und Religion unterscheiden: 1. Das separatistische System, in dem Staat und Religion strikt getrennt sind. Dazu zählen Länder wie Frankreich, Irland, Belgien und die Niederlande. 2. Das Konkordat (Konkordat = Vertrag mit dem Vatikan/Papst/der katholischen Kirche – Red.) und das Vertragssystem, in dem die Beziehung zwischen Kirchen und Staat vertraglich geregelt sind. Das sind die Konkordate für die katholische Kirche und die Kirchenverträge für die Protestanten. Dazu zählen Deutschland, Italien und Spanien und Österreich. 3. Das Einheitssystem, verkörpert in der Staatskirche, in dem das Staatsoberhaupt gleichzeitig das Kirchenoberhaupt ist. Das System ist in den nördlichen Ländern verbreitet: Norwegen, Dänemark, England und bis zum Jahr 2000 in Schweden. Heft 2 Islam unter uns Diese Klassifizierung ist allerdings etwas irreführend, weil sie eine Bevorzugung bzw. Benachteiligung der Religionen suggeriert, die in diesem Fall nicht zutrifft. In Belgien und Irland, wo es keine Konkordate gibt, ist die Position der katholischen Kirche besser als anderswo. Die Church of England ist Staatskirche, bekommt aber viel weniger Unterstützung vom Staat als die Kirchen in Deutschland. Irland und Frankreich haben das separatistische System; die Iren erwähnen trotzdem die Trinität in der Verfassung, dagegen betonen die Franzosen den Laizismus in ihrer Verfassung. Im Vertragssystem und im separatistischen System genießen die Religionen doktrinale (in Lehrfragen) und organisatorische Freiheit. Die Staatskirche hat dagegen nur eine doktrinale Freiheit, ihre Organisation wird vom Staat bestimmt, wie z.B. die Ernennung der Bischöfe. Das separatistische Modell unterscheidet sich von den anderen Systemen, indem es keine Kirchenverträge kennt und mit keiner Religion vereinigt ist. Sonst unterliegt sein Verhältnis zur Religion denselben Kriterien, die auch für die anderen Systeme gelten. (R. Ghadban, Der Islam in Europa, bpb S. 29) Thematik Religionsfreiheit Art. 18 des „internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte“ (1966) Die europäischen Staaten garantieren ihren BürgerInnen Religionsfreiheit, d.h. im Rahmen der Verfassungen einer Religionsgemeinschaft anzugehören oder auch nicht, aus einer Religionsgemeinschaft auszutreten, die Religion zu wechseln oder überhaupt fern jeder Religion zu sein. Der individuelle Wunsch ist hier ausschlaggebend. In Österreich können Jugendliche ab ihrem 14. Lebensjahr ohne Zustimmung ihrer Eltern über religiöse Fragen entscheiden.