30 Kapitel 5 Grundlegende Algebra Es gelten eine Reihe von Gesetzen für die Addition von Polynomen bzw. die Skalarmultiplikation (die Beweise sind einfach, Übungsaufgabe): Proposition 5.2.1. Für Polynome p; q in x und reelle Zahlen ˛; ˇ gilt a) p C q D q C p b) p C 0 D p c) p pD0 mathematischen Spezialgebiet Algebra von grundlegender Bedeutung. Beispiel. Es bildet (für jedes n 2 N) R n zusammen mit Vektoraddition und Skalarmultiplikation 0 x 1 B x2 B : @ : : f) 1p D p Bezeichnungen: Kommutativität für a), Assoziativität für d), Distributivität für e). Wegen der vorgestellten Eigenschaften von Addition und Skalarmultiplikation ist die Menge der Polynome ein Vektorraum im Sinne der folgenden Definition. Dabei ist das Nullpolynom das neutrale Element in P Œx, und für jedes Polynom p 2 P Œx ist p das zugehörige inverse Element in P Œx. Definition 5.2.2. Man nennt eine Menge V , die versehen ist mit einer Addition C W V V ! V und einer Skalarmultiplikation W R V ! V einen R-Vektorraum, falls für beliebige v; w 2 V und ˛; ˇ 2 R Folgendes gilt (auf die Angabe des Multiplikationszeichens wird i. d. R. verzichtet): 0 y 1 C B y2 CCB : A @ : : xn 0 x 1 d) .˛ˇ/p D ˛.ˇp/ e) ˛.p C q/ D ˛p C ˛q 1 1 1 0 x Cy 1 1 C B x2 C y2 CDB :: A @ : yn 0 ˛x 1 xn C yn 1 C C A 1 B x2 C B ˛x2 C C B C ˛B @ :: A D @ :: A : : xn ˛xn mit ˛ 2 R ; x D .x1 ; : : : ; xn />; y D .y1 ; : : : ; yn /> einen R-Vektorraum. Hierbei bezeichnet „>“ transponiert und bedeutet eine Transformation des betrachteten Zeilenvektors in einen Spaltenvektor. M 5.2.3 Multiplikation von Polynomen Man kann Polynome auch miteinander multiplizieren. Definition 5.2.3. Das Produkt zweier Polynome ist folgendermaßen erklärt: . n X ak x k / . bk x k / D kD0 kD0 a) v C w D w C v , m X mit cs D b) es gibt ein neutrales Element, genannt 0 2 V , mit der Eigenschaft u C 0 D u für jedes u 2 V , nCm X cs x s sD0 s X as r br ; rD0 c) es gibt zu v 2 V ein inverses Element, genannt v 2 V , mit der Eigenschaft v C . v/ D 0, wobei a t D 0 für t > n und b t D 0 für t > m gesetzt wird. d) .˛ˇ/v D ˛.ˇv/, Bemerkung. Es gilt insbesondere cnCm D an bm und damit e) ˛.v C w/ D ˛v C ˛w , f) 1v D v . Die Eigenschaft a) nennt man Kommutativität, d) heißt Assoziativität, und e) Distributivität. Man nennt eine Menge V , die mit einer Addition C W V V ! V versehen ist und die Eigenschaften a), b), c) erfüllt, eine abelsche Gruppe oder auch kommutative Gruppe. Bemerkung. Die Begriffe „Gruppe“ und „Vektorraum“ spielen in dem mathematischen Grundlagenfach lineare Algebra eine zentrale Rolle. Der Begriff „Gruppe“ ist zudem in dem .an x n C an 1 x n 1 m .bm x C bm 1 x D an bm x nCm C C a1 x C a0 / m 1 C C b1 x C b0 / C cnCm 1 x nCm 1 C C c1 x C c0 : Es gelten eine Reihe von Gesetzen für die Multiplikation von Polynomen: Proposition 5.2.4. Es gilt a) pq D qp b) 1p D p c) p.qr/ D .pq/r d) p.q C r/ D pq C pr 31 Abschnitt 5.2 Elementare Polynomtheorie für Polynome p; q; r , wobei 1 hier das Einspolynom 1 C 0 x C 0 x 2 C bezeichnet. Bezeichnungen: Kommutativität für a), Assoziativität für c), Distributivität für d). Für die praktische Berechnung des Produkts zweier Polynome verwendet man nicht die Definition 5.2.3, sondern nutzt das für die Multiplikation geltende Assoziativgesetz: Man beachte, dass diese Begriffe bereits in Proposition 5.2.1 verwendet wurden, dort jedoch für andere Operationen. Wegen der vorgestellten Eigenschaften der Polynommultiplikation ist die Menge der Polynome zusammen mit Addition und Polynommultiplikation ein kommutativer Ring mit 1 im Sinne der folgenden Definition. Dabei ist das Einspolynom das neutrale Element in P Œx bzgl. der Polynommultiplikation. Beispiel. Es gilt z. B. Folgendes: Definition 5.2.5. Gegeben sei eine Menge R, die versehen ist mit einer Addition C W R R ! R und einer Multiplikation W R R ! R. Man nennt .R; C; / einen Ring, falls Folgendes gilt: a) es bildet R zusammen mit der Addition eine abelsche Gruppe, b) für beliebige a; b; c 2 R gilt .ab/c D a.bc/, c) für beliebige a; b; c 2 R gilt a.b C c/ D ab C ac; .x C 3/.x 2/ D x 2 C 3x 2x 6 D x2 x 6; .x 3 C 1/2 D .x 3 C 1/.x 3 C 1/ D x 6 C x 3 C x 3 C 1 D x 6 C 2x 3 C 1: 5.2.4 Division von Polynomen Es gibt für Polynome ebenfalls eine Division mit Rest. (vergleiche Theorem 5.2.6). Theorem 5.2.6 (Division mit Rest). Zu je zwei Polynomen p; q 2 P Œx; q ¤ 0, gibt es eindeutig bestimmte Polynome s; r 2 P Œx mit p D sq C r und grad r < grad q .b C c/a D ba C ca: Die Eigenschaft b) nennt man (wieder) Assoziativität, und c) heißt (wieder) Distributivität. Gibt es zusätzlich zu den Eigenschaften in a) ein Einselement, genannt 1 2 R, das vom Nullelement verschieden ist und die Gleichung 1a D a D a1 für alle a 2 R erfüllt, so nennt man .R; C; / einen Ring mit Eins. Gilt zusätzlich zu den Eigenschaften in a), b), c) die Gleichung ab D ba, so nennt man .R; C; / einen kommutativen Ring. M Der Begriff „Ring“ spielt in der klassischen Algebra eine wichtige Rolle. Eine Weiterführung der Theorie der Ringe würde den Rahmen dieser Veranstaltung brechen. Wir präsentieren nur noch zwei weitere Beispiele: Beispiel. a) Die Menge der ganzen Zahlen Z bildet zusammen mit Addition und Multiplikation einen Ring. b) Die Menge der Restklassen modulo n (siehe Definition 4.2.22) bildet ebenfalls einen Ring, wenn man Addition und Multiplikation wie folgt definiert: k C ` D k C `; k; ` 2 Z; k ` D k `; Der Beweis hierfür entfällt. x n x m D x nCm .n; m 2 N/; k; ` 2 Z: M Man beachte, dass in Theorem 5.2.6 der Grad die Rolle des Betrages aus Theorem 5.1.2 übernimmt. Außerdem: Im Fall grad p < grad q kann man in Theorem 5.2.6 s D 0 und r D p wählen. Die Vorgehensweise bei der Polynomdivision mit Rest wird anhand eines Beispiels vorgestellt: Beispiel. Betrachte p.x/ D 2x 3 C x 2 C 3x; q.x/ D x 2 C 1: Man geht bei Division von p durch q mit Rest so vor: a) Im ersten Schritt stellt man fest, wie oft das höchste Monom von q , das ist x 2 , in das höchste Monom von p , also 2x 3 , „passt“. Die Antwort ist 2x . Das multipliziert man mit q und bildet anschließend die Differenz zu p : p.x/ 2xq.x/ D 2x 3 C x 2 C 3x D 2x 3 C x 2 C 3x .2x 3 C 2x/ 2x 3 2x D x 2 C x: Der sich ergebende „Rest“ x 2 C x hat einen Grad, der größer oder gleich dem Grad von q ist, genauer 2 D grad .x 2 C x/ D grad q . 32 Kapitel 5 Grundlegende Algebra b) Wegen der letzten Eigenschaft setzen wir das vorgestellte Verfahren fort, wobei man den „Rest“ x 2 C x anstelle p verwendet. Das höchste Monom von q , das ist immer noch x 2 , passt einmal in das das höchste Monom von x 2 C x . Also multipliziert man q mit dem Einspolynom 1 und bildet anschließend die Differenz zu x 2 C x : x2 C x q.x/ D x 2 C x .x 2 C 1/ D x 1: Das resultierende Polynom x 1 hat einen Grad, der kleiner als der von q ist. Hierfür ist durch Division keine weitere Reduktion des Grads möglich. c) Wir fassen zusammen: p.x/ .2x C 1/q.x/ D p.x/ 2 2xq.x/ Dx Cx 1q.x/ q.x/ D x 1 bzw. p.x/ D .2x C 1/ q.x/ C x 1 : „ƒ‚… „ ƒ‚ … DW r.x/ DW s.x/ M In der Praxis führt man die vorgestellte Technik zur Division von Polynomen mit Rest mithilfe eines Schemas, das anhand des gerade vorgestellten Beispiels demonstriert wird. Betrachte wieder p.x/ D 2x 3 C x 2 C 3x; q.x/ D x 2 C 1: Das Schema zur Polynomdivision mit Rest sieht so aus, wobei sich die rechte Seite in zwei Teilschritten ergibt: .2x 3 Cx 2 C3x .2x 3 C2x / W .x 2 C 1/ D 2x C 1 / x 2 Cx .x 2 C1/ x 1