2 Landschaft 2.1 Geologie Die Gesteine und die Landschaft des Fichtelgebirges wurden in drei Zeitabschnitten der Erdgeschichte entscheidend geprägt. Bei der variskischen Gebirgsbildung vor mehr als 300 Millionen Jahren wurden Gesteine, die vorher als Sedimente in Meeresbecken abgelagert wurden oder als Vulkanite ausgeflossen sind, subduziert (Subduktion oder Unterschiebung ist das Abtauchen einer Erdplatte unter eine andere). In Erdtiefen von über 10 km wurden diese Gesteine metamorph umgewandelt (z.B. Kalksteine zu Marmor und Tonsteine zu Phyllit oder Glimmerschiefer) und verfaltet. Gegen Ende der variskischen Gebirgsbildung drangen in diese metamorphen Gesteine glutflüssige Schmelzen ein und kristallisierten dort als Granite und Redwitzite aus. Durch Abtragung gelangten diese Gesteinsserien an die Erdoberfläche. Aus dem Erdzeitalter des mittleren und jüngeren Tertiärs (ca. 28 Millionen Jahre und jünger) sind uns im Fichtelgebirge Sedimente und Vulkanite (z.B. Basalt in Thierstein und des Steinberges) erhalten. Durch Dehnungsvorgänge der Erdkruste, die zur Bildung des Egergrabens führten, entstanden Ablagerungsbecken und entlang von Bruchzonen, die bis in den Erdmantel reichten, drangen basaltische Schmelzen bis an die Erdoberfläche. Die Ausformung der jetzigen Landschaft erfolgte während des Pleistozäns (Zeitraum vor 2,5 Millionen Jahren bis vor 10.000 Jahren). Durch den Menschen wurden schon früh verschiedene Erze (Zinn und Eisen) sowie Werksteine (Granit, Basalt, Marmor und Speckstein) abgebaut. Aus den meist basenarmen Ausgangsgesteinen wie Granit, Gneis und Phyllit gehen Böden mit niedrigen pH-Werten hervor, auf denen bevorzugt säuretolerante Pflanzen und Tiere vorkommen. Ausnahmen bilden nur die zwei schmalen, in West-Ostrichtung von Wunsiedel und Marktredwitz nach Hohenberg und Arzberg verlaufenden Marmorzüge. 12 Die für Verwitterung weniger anfälligen Granite und Basaltkegel bilden die Höhenzüge und Kuppen des Fichtelgebirges. Die Hochfläche mit ihren Senken wird geprägt von leicht verwitterbaren Phylliten. Aus Graniten hervorgegangene Hügelkuppen sind im Bereich der Hochflächen fast immer mit Wald bestanden. Die Flusstäler von Eger und Röslau resultierten aus dem nach Osten gerichteten Gefälle der Landschaft und der damit verbundenen Erosion. 2.2 Böden und Bodennutzung Im Zuge der Bodenbildung haben sich aus Granitund Gneisgesteinen lehmige Sande, aus Phyllit feinsandige und schluffige Lehme sowie aus Basalt und feldspatreichen Graniten Lehme mit mäßiger bis guter Nährstoffversorgung (Gesamtgehalte) entwickelt. Durch die hohen Niederschläge und die niedrigen pH-Werte (sauere Böden) ist die Nährstoffverfügbarkeit (austauschbare Nährstoffe) allerdings gering. Die Bodengüte- bzw. Ertragsmesszahlen liegen bei 20-49, ausnahmsweise bei 69. Die Bodengütebzw. Ertragsmesszahl (max. 100) gibt Auskunft über die Ertragsfähigkeit eines Bodens (Ackeroder Grünland), abhängig vom Humusgehalt, von der Wasserverfügbarkeit und vom Klima. Aus der Ertragsmesszahl wird zudem die Grundsteuer für Landwirtschaftsflächen errechnet. Abb. 15: Geologische Karte 13 2.3 Fließgewässer Die jährlichen Niederschlagsmengen schwanken stark zwischen 1.000 - 1.200 mm im Hohen Fichtelgebirge und 650 - 850 mm auf der SelbWunsiedler- Hochfläche. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Dauer der Schneebedeckung von 100 – 120 Tagen im Jahr. Die schlecht wasserleitenden Lehmböden führen vielerorts zu Hangvernässungen und schlechten Bedingungen für die Landwirtschaft. Die beiden Flüsse Röslau und Eger prägen die Hochfläche. Beide Flüsse fließen nach Osten in die Tschechische Republik und gehören zum Flusssystem der Elbe. Der nach Norden fließende Perlenbach und die Lamitz werden zunächst von der Sächsischen Saale aufgenommen und gehören ebenfalls zum Einzugsgebiet der Elbe. Kleinere Bäche im Süden des Landkreises bei Nagel und Marktredwitz fließen der Waldnaab zu und sind der Donau untergeordnet. Abb. 16: Fließgewässerkarte 14 2.4 Die potentielle natürliche Vegetation Die potentielle natürliche Vegetation bezeichnet den Zustand einer Vegetation, der sich in einem Gebiet unter den jetzigen Umweltbedingungen einstellen würde, wenn der Mensch nicht mehr eingegriffen hätte. Beteiligung der spitzkronigen und dünnastigen Höhenkiefer sind nur selten anzutreffen (BEIERKUHNLEIN et al. 1991). Die Vegetation der Mittelgebirge Nordostoberfrankens vermittelt als Bindeglied zwischen der Vegetation des Thüringer Waldes, Erzgebirges und Böhmerwaldes (BEIERKUHNLEIN et al. 1991). Für die Wunsiedeler Hochfläche südlich von Selb werden (JANSSEN & SEIBERT 1987) folgende potentielle natürliche Vegetationseinheiten für Laub-, Misch- und Nadelwälder angegeben. Nadelwälder: Reitgras-Fichten-Tannenwald (Vaccinio-Abietetum), Herzynischer SchneeheideKiefernwald (Erico-Pinetum hercynicum), Zwergbuchskiefernwald (Chamaebuxo-Pinetum), Boreale Nadelwälder (Bazzanio-Piceetum, Calamagrostio villosae- Piceetum), LabkrautFichten-Tannenwald (Galio-Abietetum). Laubwälder: Sternmieren-Erlen-Auwald (Stellario-Alnetum), Walzenseggen-Erlenbruch (Carici elongatae-Alnetum glutinosae), Traubenkirschen-Eschen-Auwald (PrunoFraxinetum), Perlgras- Buchenwald (MelicoFagetum), Zwiebelzahnwurz-Buchenwald (Dentario bulbiferae-Fagetum), ZahnwurzBuchenwald (Dentario enneaphyllidi-Fagetum), Bergahorn- Buchenmischwälder (Aceri-Fagetum). Mischwälder: Hainsimsen-Tannen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum), artenarmer EichenKiefernwald (Pino-Quercetum). Die potenzielle natürliche Vegetation ist durch lokalklimatische Besonderheiten in der vom Wind abgewandten Seite des Fichtelgebirges (Ostseite) und Ausstrahlungen der Vegetation des böhmischen Gebietes beeinflusst. Pollenanalysen aus der benachbarten Oberpfalz legen bis zum Mittelalter die Dominanz von TannenBuchenwaldgesellschaften nahe. In der Folge führte das kontinental geprägte Klima im forstlichen Bereich zu einer stärkeren Rolle der Kiefer. Bezüglich der realen Vegetation ist heute der Drahtschmielen-Fichtenforst vorherrschend. Tannen-Fichtenwälder (Vaccinio-Abietinum) mit Abb. 16.1: Biberbiotop bei Nagel 15 2.5 Der Wald im Fichtelgebirge Um 1050 war das Fichtelgebirge weitgehend unberührt und von Wäldern bedeckt. Es war Teil des „Nordwaldes“ und vom König (Heinrich IV) mit einem Bann belegtes Reichsland. In dieser Zeit waren wohl alle hier lebenden Fledermausarten Waldbewohner. Selbst die heute als typische Gebäudefledermäuse bezeichneten Arten, wie das Mausohr und die Kleine Hufeisennase, besiedelten ehemals - wie auch heute noch in Südeuropa - Methusalem-Bäume mit riesigen Fäulnishöhlen (LEITL 2009). Diese uralten Baumriesen mit ihren hallenartigen Hohlräumen muss man sich vorstellen, wie die wenigen noch verbliebenen „1000-jährigen“ Eichen, Linden und Buchen Oberfrankens, die innen oft begehbar waren bzw. sind. Die ersten Rodungen im Fichtelgebirge begannen 1061 bei Ebnath. Das günstige Klima im Hochmittelalter führte zu Rodungen selbst in den unwirtlichen Gebirgsgegenden. Im 13. Jhd. dürften die Rodungen rasant vorangeschritten sein. Hier werden die meisten Ortschaften im zentralen Fichtelgebirge erstmals schriftlich erwähnt (Schönbrunn, Göpfersgrün, Wunsiedel, Vordorf, Leupoldsdorf etc.). Die Markgräfliche Verwaltung dokumentierte die Waldwirtschaft sehr genau, da sie ein Kernstück der markgräflichen Verwaltungsorganisation bildete. Schon ab 1400 wurden die Staatswaldungen in sieben Verwaltungsbezirke (1.“Wunsiedel“; 2. „Selberwald“; 3. „Leutnerforst mit Epprechtsteiner Wald“; 4. „Kornperg“; 5. „das Revier zwischen Hebanz und Neuhaus samt den Steinpergk“; 6. „Wald und holzter im ambt Weissenstat“ und 7. der „Reichsforst und Kolforst“) mit untergeordneten Stützpunkten eingeteilt. Aufgabe der Verwaltung war es, die Einwohner mit Holz zu versorgen. Der Wald war jedoch nicht nur Holzlieferant sondern auch Weide für das Vieh, auf die die Gemeinden einen Anspruch hatten. Viel Holz wurde zu dieser Zeit ins Egerland exportiert. Ausgeplündert wurde der Wald durch das Großgewerbe der Hütten und Bergwerke, welches einen riesigen Bedarf an Holzkohle, Pechund Grubenholz hatte. Hinzu kam der Wildverbiss. Aus dem ehemaligen Waldüberfluss wurde ein Waldmangel. Im Landbuch der 16 Sechsämter vom 1499 heißt es hierzu: „am Sneperg: der ist aller plos worden, denn allein unten am perg stet ettlich fiechten- und tennenholz, des ist nit vil“ oder „am Steinpergk bey Hohenberg ist kein Holz, dann ein wenig Jungholtz erhebt sich darin“. Der Bereich des Reichsforstes (bei Arzberg) wurde 1491 als gänzlich abgebrannt gemeldet. Erste Schutzmaßnahmen, z. B. durch Verbot von Holzeinschlägen 1499 und Verbote zur Bau- und Brennholzabgabe 1526 (markgräfliche Waldordnung) wurden veranlasst. Die Ablösung der Waldweide als Nutzungsform wurde Ende des 18. Jhd. eingeleitet. Mit einer Agrarreform im Jahr 1793 wurden eine ganzjährige Stallfütterung und der Anbau von Klee propagiert, der ein nährstoffreicheres Futter darstellte. Eine Erholung des Waldes stellte sich jedoch nicht ein, da nun zur Einstreu alles aus dem Wald herausgetragen wurde. Die Verarmung der Böden nahm zu. Um diese Zeit herrschte im Fichtelgebirge „auf großen Flächen Ödland“ vor. „Der Wald hat schöne Grasplätze, und ein reicher Vorrath an schwarzen und rothen Haidelbeeren…“ Bereits 1737 wurde die Aufforstung von Freiflächen wegen Mangel an Brennholz verordnet. Seit 1800 wird wegen des Bedarfs an Holz vermehrt die Fichte im Fichtelgebirge angebaut. Durch den Verlust alter Bäume mit Spechthöhlen und Bäumen mit Holzschäden und abstehender Rinde sind in den vergangenen Jahrhunderten für typische Baum bewohnende Fledermausarten Lebensräume in Wäldern und Forsten verloren gegangen. Auf der anderen Seite kamen Häuser und landwirtschaftliche Gebäude sowie größer werdende Ortschaften und Städte als neuer Lebensraum hinzu. Viele unserer heimischen Fledermausarten bevorzugen heute Gebäude als Wochenstube und Sommerquartier, fliegen aber zur Jagd in insektenreiche Feuchtgebiete oder entlang reich strukturierter Waldränder. Zu diesen Arten gehören die Zwerg-, Fransen-, Mops-, Nord- und Bartfledermäuse. Zwerg- und Nordfledermaus jagen darüber hinaus auch innerhalb des Siedlungsbereiches.