Blinddarmentzündung: Ab ins Spital!

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Blinddarmentzündung:
Ab ins Spital!
Die akute Blinddarmentzündung ist in den Industrieländern
die am häufigsten durchgeführte Notfalloperation in der
Bauchchirurgie. Auch hierzulande zeigt sich kein anderes
Bild: In Vorarlberg werden jährlich rund 600 Blinddarmoperationen durchgeführt – unter anderem von Dr. Michael
Knauer, Facharzt für Chirurgie am Landeskrankenhaus
Feldkirch.
Nach dem Abschluss des Medizinstudiums in Innsbruck
(2000), arbeitete Dr. Michael Knauer ein Jahr als
Assistenzarzt in der Abteilung für Innere Medizin im Spital
Schiers in Graubünden (Schweiz). Von 2002 bis 2008
durchlief er eine Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie.
Zudem absolvierte Knauer ein berufsbegleitendes
Promotionsstudium der medizinischen Wissenschaften an der Universität für
Humanwissenschaft in Triesen (Fürstentum Liechtenstein). Zu Forschungszwecken im Bereich
der „Genexpressionsanalysen bei Brustkrebs“ zog es Knauer von April 2008 bis März 2009
nach Amsterdam an das Netherlands Cancer Institute.
Herr Dr. Knauer, warum spricht man eigentlich von einer Blinddarmentzündung, wenn es sich
doch um eine Entzündung des Wurmfortsatzes handelt?
Nun, im Grunde ist es schon eine Entzündung im Bereich des Blinddarms. Dieser befindet sich
nämlich dort, wo der Dünndarm in den Dickdarm mündet. Und der Wurmfortsatz ist ein wurmförmiges
Anhangsgebilde am Beginn des Dickdarms. Aber Sie haben natürlich Recht: Korrekterweise müsste
es wahrscheinlich „Wurmfortsatzentzündung“ heißen. Im Laufe der Zeit hat sich halt der Begriff
„Blinddarmentzündung“ eingependelt.
Es wird ja oft behauptet, dass der Wurmfortsatz an sich gar keine Funktion hat. Stimmt das?
In Bezug auf die Abwehr hat der Wurmfortsatz, wie überhaupt der gesamte Darm, sehr wohl eine
Funktion. Es ist aber so, dass es für den Körper bzw. für die Abwehrfunktion des Darms keine Folgen
hat, wenn man den Wurmfortsatz entfernt.
Kommen wir nun zur Blinddarmentzündung selbst: Wie macht sich diese bemerkbar?
Eine Blinddarmentzündung fängt sehr plötzlich an. Die Patienten klagen über Bauchschmerzen,
meistens um den Nabel herum, im Magenbereich. Im Anfangsstadium kommt es meist auch zu
Übelkeit und Erbrechen. Die Beschwerden sind mit der einer Magendarmgrippe vergleichbar. In der
Fachsprache werden die Symptome daher als „uncharakteristisch“ bezeichnet – vor allem im
Anfangsstadium. Darum ist es auch nicht immer leicht, eine Diagnose zu stellen. Viele Patienten
kommen mit einer Überweisung vom Hausarzt zu uns ins Krankenhaus. Hin und wieder handelt es
sich dann eben nur um eine Magengrippe, hin und wieder ist es aber wirklich eine
Blinddarmentzündung – das ist sehr unterschiedlich.
Gibt es einen Zeitpunkt, an dem die Symptome „charakteristisch“ werden?
Einen genauen Zeitpunkt kann man zwar nicht nennen, aber es gibt doch ein paar Anhaltspunkte. Bei
einer Magendarmentzündung treten die Beschwerden etwa in Wellen auf. Eine Blinddarmentzündung
wird hingegen immer schlimmer. Mit der Zeit setzt auch Fieber ein. Und das, wenn man so will,
charakteristischste Symptom ist sicherlich, dass sich der Schmerz nach ein paar Stunden in den
rechten Unterbrauch verlagert.
Wie schnell muss man reagieren, wenn man eine Blinddarmentzündung vermutet? Sollte man
zuerst zum Hausarzt oder gleich ins Spital?
Natürlich sollte immer so schnell wie möglich reagiert werden. Ob man zuerst zum Hausarzt geht,
hängt von der Stärke der Schmerzen ab. Wenn man also leichte Bauchschmerzen hat bzw. sich eben
typische Magendarm-Symptome zeigen, dann kann man sicherlich zuerst zum Hausarzt gehen.
Vielleicht handelt es sich ja wirklich nur um eine Magendarmgrippe. In diesen Fällen kann man
beispielsweise auch versuchen, die Schmerzen durch eine Wärmeflasche oder schonende Nahrung,
wie Tee und Suppe, zu lindern. Wenn es sich aber wirklich um sehr starke Schmerzen handelt und
wenn die Schmerzen mit der Zeit immer stärker werden, dann gilt es, schnell zu handeln.
Was genau meinen Sie mit „schnell handeln“?
Genaue Zeitangaben kann man hier leider nicht machen. Die Verläufe sind nämlich sehr
unterschiedlich und hängen von der Aggressivität der Entzündung, aber auch vom Alter des Patienten
ab.
Was passiert, wenn man die Symptome nicht bzw. falsch „interpretiert“?
Die Entzündung breitet sich dann aus. Und zwar durch die Wandschichten des Darms und es kommt
zum Darmdurchbruch. Der Inhalt des Darms und damit auch Bakterien gelangen dann in die freie
Bauchhöhle, wo sich normalerweise keine Bakterien befinden. In weiterer Folge kann es zu einer
Eiteransammlung und einer Bauchfellentzündung kommen. Und dies könnte möglicherweise
lebensbedrohlich sein. In diesen Fällen muss eine absolute Notfalloperation durchgeführt werden.
Kann man hier auch keine Zeitangaben machen?
Nochmals: Die Verläufe sind wirklich sehr unterschiedlich. Aber ein derartiger Durchbruch kann
typischerweise nach 48 Stunden passieren. Eines steht jedoch fest: Je länger man wartet, desto eher
kann es dazu kommen.
Gibt es begünstigende bzw. auslösende Faktoren für eine Blinddarmentzündung?
Im Prinzip nicht. Eine Entzündung kann jeden treffen und tritt meist auch plötzlich auf. So gesehen
kann man also nicht wirklich vorsorgen. Wenn zum Beispiel der Wurmfortsatz „verstopft“ ist, kann es
eher zu einer Entzündung kommen, aber wer weiß das schon von sich?
Man kennt also auch die Ursachen nicht?
Eventuell kann einer Blinddarmentzündung eine bakterielle Ursache oder eine Wurmerkrankung
zugrunde liegen. Das heißt: Im Darm befinden sich sowieso Bakterien – die sogenannte Darmflora.
Wenn allerdings mehr schädliche Bakterien in der Darmflora sind, diese sich auch noch vermehren,
dann kann es unter Umständen zu einer Dickdarmentzündung kommen und in weiterer Folge zu einer
Blinddarmentzündung. Das Risiko an einer Dickdarmentzündung zu erkranken, kann man reduzieren,
indem man ausreichend trinkt, regelmäßig Ballaststoffe zu sich nimmt und auf einen geregelten
Stuhlgang achtet. Aber eine geschädigte Darmflora – und in der Folge ein Dickdarmentzündung – ist
nur eine mögliche Ursache. Im Großen und Ganzen kann man nicht sagen, dass, wenn man dies oder
jenes unterlässt oder einhält, man keine Blinddarmentzündung bekommt.
Der Altersgipfel liegt zwischen dem zehnten und 19. Lebensjahr. Kann man also davon
ausgehen, dass man keine Blinddarmentzündung bekommt, wenn man einmal älter als 20 ist?
Nein. Es ist nur so, dass es zwischen dem zehnten und 19. Lebensjahr sehr häufig zu einer
Blinddarmentzündung kommt. Doch sie kann auch in allen anderen Phasen des Lebens auftreten –
insgesamt erkranken circa sieben bis acht Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens daran. Je
älter der Patient, desto schwieriger fällt allerdings die Diagnose. Wenn ein 70-Jähriger mit den
erwähnten Symptomen zu uns in die Ambulanz kommt, dann können die Beschwerden
verschiedenste Ursachen haben. Der Verlauf ist aber meistens derselbe – egal in welchem Alter die
Blinddarmentzündung auftritt.
Und wie finden Sie heraus, ob es sich wirklich um eine Blinddarmentzündung handelt?
Wir gehen da immer nach einem fixen Schema vor. Zuerst wird der Patient befragt, das ist der erste
und wichtigste Schritt. Dann folgt die körperliche Untersuchung. Dabei werden verschiedenste Punkte
abgetastet. Mit der Zeit kennt man als Mediziner Griffe und Tricks, durch die man eine
Blinddarmentzündung lokalisieren kann. Unter anderem wird aber auch Fieber gemessen, Blut
abgenommen – etwa um die Entzündungswerte im Körper zu messen. Meistens machen wir auch
eine Ultraschalluntersuchung und manchmal eine Computertomographie.
Was passiert bei der Blinddarm-Operation?
Es gibt zwei Operationsmöglichkeiten: Zum einen die herkömmliche Variante, bei der ein kleiner
Schnitt rechts unten am Bauch vorgenommen wird. Dann wird der Blinddarm, respektive der
entzündete Wurmfortsatz, entfernt und danach nähen wir wieder zu.
Die zweite Variante ist die Bauchspiegelung. Der Vorteil dieser Methode liegt vor allem darin, dass wir
durch das Einführen der kleinen Kamera den ganzen Bauchraum sehen können und somit auch gleich
abklären können, ob sonst noch ein Problem vorliegt. Außerdem hat der Patient kleinere Narben und
ist nach dem Eingriff auch wieder schneller auf den Beinen.
Das klingt ja sehr gut. Bei welchen Patienten wird die Bauchspiegelung angewendet?
Bei dickeren Menschen, aber auch bei älteren Patienten und Frauen. Bei Frauen wird übrigens in den
meisten Fällen auch ein Gynäkologe vor der Operation hinzugezogen, der im Zuge der
Bauchspiegelung abklärt, ob etwa eine Entzündung der Eierstöcke vorliegt. Die Symptome sind
nämlich der einer Blinddarmentzündung oft recht ähnlich.
Wie lange dauert so eine Operation?
Im Normalfall eine halbe Stunde.
Handelt es sich um eine „Routine-Operation“, vor der man keine Angst zu haben braucht?
Absolut. Das muss jeder Chirurg können. Immerhin zählt dieser Eingriff zu den ersten, den man im
Laufe seiner Ausbildung durchführt.
Es gibt also keine Risiken?
Natürlich besteht bei jeder Operation ein Restrisiko. Bei der Blinddarmentzündung ist das allerdings
klein und kalkulierbar. Es kann etwa zur Nachblutung, einer Wundinfektion oder einer Abszessbildung
im Bauch kommen. Selbstverständlich klären wir die Patienten im Vorfeld über mögliche Risiken auf.
Doch im Normalfall kommt es bei einer Blinddarm-Operation zu keinen Komplikationen.
Wie lange dauert die Genesung?
Das hängt davon ab, welche Variante durchgeführt wird. Bei der Bauchspiegelung ist man, wie
gesagt, schneller wieder fit. Im Grunde kann man aber innerhalb von zwei bis drei Tagen wieder nach
Hause gehen. Danach sollte man sich allerdings schon zwei Wochen schonen.
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