Atheismus (griech. = die Auffassung von der Nichtexistenz Gottes), als Begriff seit dem 16. Jh. bekannt, umfaßt mehrere Bedeutungen. Nicht sachgerecht ist es, nicht-theistische Religionen (Teile des Buddhismus u. Konfuzianismus) u. andere Auffassungen, die das Numinose nicht leugnen, als atheistisch zu bezeichnen. • • Wird das Numinose (ein schlechthin heiliges Geheimnis) abgelehnt oder die Existenz eines personalen Gottes argumentativ bestritten, so handelt es sich um theoretischen A.; dieser kann eine philosophische, tolerante Gestalt ohne missionarische Absichten haben oder »militant« sein, indem er jede Religion als menschenschädliche Verirrung bekämpft u. sich selber als Lehre versteht, die zum Glück der Menschheit zu verbreiten ist. Eine Lebenspraxis, die sich konkret verhält, als ob Gott oder das Heilige nicht existierte, kann praktischer A. genannt werden; er kann auch in der Gestalt vorkommen, daß das Dasein Gottes theoretisch anerkannt u. so gut wie keine praktischen Folgerungen daraus gezogen werden. – (...) Eine »Widerlegung« des A. kann nicht in einem blind angenommenen Glauben oder in der schlichten Verneinung der Theodizeeprobleme, d. h. in der Apathie gegenüber den Leiden der Kreatur bestehen. Eine Entgegnung theoretischer, transzendentaler Art kann zeigen, daß eine absolute Skepsis oder eine Beschränkung menschlicher Erkenntnisfähigkeit auf unmittelbare Erfahrungen sich selber aufhebt. Wenn der A. sich selber reflex versteht u. zugleich erfaßt, was mit »Gott« gemeint ist, u. wenn er dabei entschiedener A. bleibt, dann heißt das, daß er die Frage nach dem Sein im ganzen u. die Frage nach dem die Seinsfrage stellenden Subjekt abweist. Da in der notwendigen Erkenntnis des Menschen implizit eine Metaphysik (unabhängig von dieser Bezeichnung) gegeben ist, wird im Erkenntnisvorgang selber die Möglichkeit solcher Metaphysik bejaht. Ähnliches gilt von der Akzeptanz absoluter Bindung an das Gewissen in vielen Formen des A., der es nur nicht wagt, das letzte Woraufhin u. Wovonher seiner ethischen Freiheit u. Liebe objektivierend »Gott« zu nennen. Zu dieser theoretischen Antwort auf den A. müßte sich die Analyse des menschlichen Elends gesellen, das den tiefsten Grund des A. darstellt, eine mit Praxis begleitete Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse, die den A. als Massenerscheinung fördern (sowohl in der Dritten Welt als auch in der westlichen Vergnügungsgesellschaft). Die Theologie müßte sich stets ihrer Aufgabe bewußt sein, den naiven, »vulgären« Theismus zu widerlegen, da der A. häufig nur von dem Mißverständnis des Gottes lebt, den der praktisch vorkommende Theismus vertritt. Die innerste Verbindung von Theologie u. Spiritualität müßte immer neu betont werden, weil die Gotteserkenntnis auf die Dauer nur lebendig bleibt, wenn sie sich in das anbetende Ja der ganzen menschlichen Person zu Gott hinein »aufhebt«. aus: H. Vorgrimler, Neues Theologisches Wörterbuch, Freiburg 2000